In einer einführenden allgemeinen Betrachtung sollen die wesentlichen Rahmenbedingungen für den Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe herausgearbeitet werden.
Maßgeblich dafür ist die Klärung folgender Fragen:
• Welchen Stellenwert hat der Übergang von der Grundschule in
die Sekundarstufe im deutschen Schulsystem?
• Wie lassen sich Übergänge theoretisch betrachten?
• Wie determinieren die rechtlichen Rahmenbedingungen den
Schulübergang?
• Welche Bedeutung haben die einzelnen Akteure für den Übergang?
Im empirischen Teil erfolgt die Rekonstruktion eines Einzelfalls. Dieser entstammt dem größeren Zusammenhang eines Forschungsprojekts das neue Aussagen über den Zusammenhang von Schülerbiographie und Schulkarriere erwarten lässt.
Grundlage der Fallrekonstruktion sind zwei narrative Interviews, die jeweils kurz vor und kurz nach dem Schulübergang durchgeführt wurden. Die Auswertung des erhobenen Materials dient der Klärung folgender Fragen:
• Welche Orientierungen lassen sich für den schul- und
bildungsbezogenen individuellen Orientierungsrahmen
herausarbeiten?
• Welche Chancen- und Krisenpotenziale bestehen nach dem Ende
der Grundschulzeit für den weiteren Verlauf der Schulkarriere?
• Wie wird der Übergang subjektiv gedeutet? Werden
Enaktierungspotenziale oder Formen der Bearbeitung aktiviert?
• Deuten sich eventuell Transformationspotenziale für den
individuellen Orientierungsrahmen an?
• Welche Chancen- und Krisenpotenziale bestehen nach dem Übergang
auf die exklusive Schule für den weiteren Verlauf der
Schulkarriere?
• Welche vorläufige Typologisierung lässt sich für den
rekonstruierten Fall vornehmen?
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
Fragestellung
Aufbau der Arbeit
Allgemeiner Teil
1 Allgemeine Betrachtungen zum Schulwesen
1.1 Funktionen der Schule
1.2 Das Schulwesen der Bundesrepublik Deutschland
1.2.1 Bedeutung der Grundschule fur die Schullaufbahn
1.2.2 Die „strukturelle Pluralitat“ der Sekundarstufe
1.2.3 Zur selektiven Wirkung der Wahl des Bildungsganges
1.2.4 Elitare Bildung im deutschen Schulsystem
2 Allgemeine Betrachtungen zum Ubergang
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Theoretische Zugange
2.2.1 Der Ubergang als Statuspassage
2.2.2 Der Ubergang als Ritual
2.2.3 Der Ubergang als Reproduktion sozialer Unterschiede
2.2.4 Der Ubergang als okonomisches Kalkul
2.3 Zur Wirkung einer Ubergangsentscheidung
2.4 Ubergange im Schulwesen
3 Rechtliche Rahmenbedingungen des Schulubergangs
3.1 Der Zeitpunkt des Schulubergangs
3.2 Die Verfahren der Ubergangsauslese
3.3 Elternwille und staatliche Schulhoheit
3.4 Gesetzliche Regelungen in den Bundeslandern
4 Akteure des Ubergangs
4.1 Die Lehrer
4.2 Die Eltern
4.3 Die Schuler
Empirischer Teil
5 Methodologische Grundlagen
5.1 Zur dokumentarischen Methode und dem Konzept des individuellen Orientierungsrahmens
5.2 Herkunft des Falles „Sauron“ und Auswahlbegrundung
5.3 Die Konzeption der Interviews
5.4 Arbeitsschritte der dokumentarischen Interpretation narrativer Interviews
5.5 Das Fallportrait
6 Interpretationsprotokolle zum Fall Sauron
6.1 1. Passage (Die Grundschulzeit)
6.1.1 Thematische Struktur
6.1.2 Formulierende Interpretation
6.1.3 Reflektierende Interpretation
6.1.4 Zusammenfassung der Orientierungsstrukturen
6.2 2. Passage (Die Schulwahl)
6.2.1 Thematische Struktur
6.2.2 Formulierende Interpretation
6.2.3 Reflektierende Interpretation
6.2.4 Zusammenfassung der Orientierungsstrukturen
6.3 3. Passage (Die Ankunft)
6.3.1 Thematische Struktur
6.3.2 Formulierende Interpretation
6.3.3 Reflektierende Interpretation
6.3.4 Zusammenfassung der Orientierungsstrukturen
7 Fallrekonstruktion „Sauron“
7.1 Allgemeine Beschreibung
7.2 Beschreibung der Grundschulzeit
7.3 „weil alles zehnmal durchgekaut werden musste“: Die Grundschulzeit im Zeichen von Leistungsorientierung und Distinktion - Ergebnisdar- stellung des 1. Interviews
7.4 Zusammenfassung zum individuellen Orientierungsrahmen und Ausblick auf die weiterfuhrende Schule
7.5 Beschreibung des Ankommens an der A.-Schule
7.6 „schwierige“ Aufgaben und „vollgepfropfte“ Wochen: Erste Schwierig- keiten bei der Umsetzung der individuellen Orientierungen - Ergebnis- darstellung des 2. Interviews
7.7 Zusammenfassung und Ausblick auf die weiterfuhrende Schullauf- bahn
8 Kontrastierung - ein Vergleich mit anderen Fallen des For- schungsprojekts 147 Schlusswort
Literaturverzeichnis
Anhang
Anmerkungen zu Abbildung 3:
Formblatt der Schullaufbahnempfehlung in Sachsen-Anhalt
Stimuli und Leitfaden der Erhebungsphasen
Transkriptionsregeln
1. Interview
Portraitskizze (1. Interview)
2. Interview
Portraitskizze (2. Interview)
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Funktionaler Zusammenhang von Schule und Gesellschaft
Abb. 2: Zahl der Schuler an allgemein bildenden Schulen
Abb. 3: Grundstruktur des deutschen Bildungssystems
Abb. 4: Struktur des allgemein bildenden Schulwesens in Deutschland
Abb. 5: Erklarungsmodell zur Wirkung einer Ubergangsentscheidung
Abb. 6: Ubergangsregelung in Sachsen-Anhalt
Abb. 7: Schullaufbahnempfehlungen differenziert nach Lesekompetenz
Abb. 8: Schullaufbahnempfehlungen differenziert nach mathematischer Kompetenz
Abb. 9: EinflussgroRen auf die Bildungsaspiration der Eltern
Abb. 10: Modell des individuellen Orientierungsrahmens
Abb. 11: Fokussierte Aspekte des individuellen Orientierungsrahmens
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Ubergangsregelungen der Bundeslander
Tab. 2: Schulabschluss der Eltern und Schulabschlusswunsch fur das Kind..
Tab. 3: Schulabschlusswunsch fur das Kind nach Sozialschicht
Tab. 4: Ebenen des Sinngehalts und empirische Erfassbarkeit
Danksagung
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Werner Helsper und Herrn Dr. Rolf-Torsten Kramer, die mir einen Zugang zu ihrem Projekt und der Forschungsgruppe gewahrt haben. Sie ermoglichten es mir, einen Fall aus dem Sample ihres Forschungs- projekts zu entnehmen und diesen im Rahmen der hier vorliegenden Fallstudie naher zu betrachten.
Bei der Forschungsgruppe, insbesondere Carolin Ziems, Sven Brade- mann und Rolf-Torsten Kramer, mochte ich mich fur die Bereitschaft bedanken, mir Einblicke in die praktische Anwendung der verwendeten Methode gegeben zu haben - ausdrucklicher Dank auch fur die zur Verfugung gestellte Zeit bei den Interpretationsgesprachen, die standige Ansprechbereitschaft und die zahl- reichen Hinweise fur die Umsetzung der Methode.
Einleitung
Ubergange sind ein wesentlicher Bestandteil der Schulkarriere eines jeden Schulers'[1]. Eine Voraussetzung fur solche Ubergange sind zuvor getroffene Ubergangsentscheidungen, die durch verschiedene Einflussfaktoren determi- niert werden. Die Folge von Schulubergangen sind konkrete, biographisch rele- vante Ubergangserfahrungen, deren subjektive Verarbeitung und Bewaltigung neben zahlreichen weiteren Faktoren erfolgreiche, weniger erfolgreiche und auch scheiternde Schulkarrieren bedingen konnen.
Der Schulubergang von der Grundschule in die Sekundarstufe stellt eine bedeutende Zasur in der Schulkarriere dar und kann aufgrund seiner selektiven Wirkung aus gutem Grund als wichtigster Ubergang einer Schullaufbahn gelten. Die spezifische biographische Relevanz kommt darin zum Ausdruck, dass die Entscheidung des Ubergangs auf eine bestimmte Schulform einer wichtigen „Statusvorentscheidung“ gleichkommt (Buchner/Koch 2001, S. 12).
Aus der Perspektive eines Grundschulers der vierten Klassenstufe scheint die Schulwelt noch recht uberschaubar zu sein: Der Unterricht findet im gewohnten, meist schon gestalteten Klassenraum statt, die Klasse ist eine Gruppe aus Gleichaltrigen, die sich seit der Einschulung kennen, und der Klas- senlehrer ist eine feste BezugsgroRe, zu dem haufig auch eine gewisse emoti- onale Bindung besteht. Der Schulalltag verlauft also weitgehend in geordneten Bahnen. Am Ende der vierten Klasse steht jedoch der Ubergang in die Sekundarstufe bevor. Dafur kommen verschiedene potenzielle Schulformen und auch Einzelschulen in Betracht, wobei sich die bisherige gemeinsame Schullaufbahn der Schuler in verschiedene „Teillaufbahnen“ trennt (ebd., S. 11).
Den Schulkindern wird dabei einiges abverlangt, denn bei dieser „zwei- ten Einschulung“ kommt es von einer Entwohnung der vertrauten Schulsituation zu einer zwangslaufigen Gewohnung an einen vollig veranderten Schulalltag (ebd., S. 15). Neben vielen neuen Klassenkameraden, neuen Fachlehrern und neuen Unterrichtsfachern konnen eine ganze Reihe von Ubergangsproblemen auftreten, die laut WeiRbach (1985, S. 293ff. u. 1986, S. 21ff.) zu einem „Se- kundarstufenschock“[2] fuhren.
Die biographische Relevanz, die der Schulubergang in die Sekundarstufe fur jeden Schuler hat, kommt darin zum Ausdruck, dass die Wahl der Schulform grundsatzlich den zu erreichenden Abschluss vorgibt. Durch diesen Schul- abschluss werden bestimmte berufliche Qualifizierungsmoglichkeiten eroffnet oder auch verwehrt. Der Ubergang in die Sekundarstufe tragt somit den Cha- rakter eines entscheidenden Selektionsereignisses, auch wenn vielfach auf be- stehende Entkopplungstendenzen von Schulform und Schulabschluss hinge- wiesen wird (vgl. Avenarius u. a. 2003, S. 176ff.; Baumert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 90ff.; Cortina/Trommer 2003, S. 342ff.; Klemm 2004, S. 83ff.).
Auf welche Schulform der Sekundarstufe der Wechsel auch erfolgt: Fur das Schulkind wird dieser Ubergang als einschneidende Veranderung in seiner Biographie erfahrbar. Der Schulubergang von der Grundschule in die Sekundarstufe fuhrt zu einem regelrechten Bewahrungsprozess, in welchem sich der Schuler mit den nunmehr veranderten Rahmenbedingungen seiner Schulkarrie- re auseinandersetzen muss. Die biographische Verarbeitung dieses schuli- schen Ubergangsprozesses wirkt neben anderen Parametern auf den Verlauf der Schulkarriere (vgl. Helsper/Kramer 2005).
Fragestellung
In einer einfuhrenden allgemeinen Betrachtung sollen die wesentl]ichen Rahmenbedingungen fur den Ubergang von der Grundschule in die Sekundarstufe herausgearbeitet werden. MaRgeblich dafur ist die Klarung folgender Fragen:
- Welchen Stellenwert hat der Ubergang von der Grundschule in die Sekundarstufe im deutschen Schulsystem?
- Wie lassen sich Ubergange theoretisch betrachten?
- Wie determinieren die rechtlichen Rahmenbedingungen den Schulubergang?
- Welche Bedeutung haben die einzelnen Akteure fur den Ubergang?
Im empirischen Teil erfolgt die Rekonstruktion eines Einzelfalls. Dieser ent- stammt dem groReren Zusammenhang eines aktuellen Forschungsprojekts[3], welches unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Helsper und Herrn Dr. Kramer steht und neue Aussagen uber den Zusammenhang von Schulerbiographie und Schulkarriere erwarten lasst (vgl. ebd.). Grundlage der Fallrekonstruktion sind zwei narrative Interviews, die jeweils kurz vor und kurz nach dem Schulubergang durchgefuhrt wurden. Die Auswertung des erhobenen Materials dient der Klarung folgender Fragen:
- Welche Orientierungen lassen sich fur den schul- und bildungsbe- zogenen individuellen Orientierungsrahmen herausarbeiten?
- Welche Chancen- und Krisenpotenziale bestehen nach dem Ende der Grundschulzeit fur den weiteren Verlauf der Schulkarriere?
- Wie wird der Ubergang subjektiv gedeutet? Werden Enaktierungs- potenziale oder Formen der Bearbeitung aktiviert?
- Deuten sich eventuell Transformationspotenziale fur den individuel- len Orientierungsrahmen an?
- Welche Chancen- und Krisenpotenziale bestehen nach dem Ubergang auf die exklusive Schule fur den weiteren Verlauf der Schul- karriere?
- Welche vorlaufige Typologisierung lasst sich fur den rekonstruierten Fall vornehmen?
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen Allgemeinen Teil und einen Empiri- schen Teil. Im Allgemeinen Teil werden grundlegende Aspekte und Rahmenbe- dingungen des Schulubergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe dar- gestellt. Im ersten Kapitel erfolgt deshalb eine einfuhrende Betrachtung zum Schulwesen. Dabei finden die allgemeinen Funktionen von Schule ebenso Be- rucksichtigung wie die spezifische Ausformung des Schulwesens in der Bun- desrepublik Deutschland.
Im zweiten Kapitel sollen einige theoretische Zugange zum Ubergangs- begriff vorgestellt werden, da sich die wissenschaftliche Perspektive auf Uber- gange durchaus facettenreich gestaltet.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen fur den Schulubergang von der Grundschule in die weiterfuhrenden Schulen der Sekundarstufe werden in Deutschland von den einzelnen Bundeslandern festgelegt. Diese Praxis fuhrt teilweise zu ahnlichen, aber auch zu recht unterschiedlichen, nebeneinander bestehenden Ubergangsverfahren. Eine Betrachtung dieser formalrechtlichen Regelungen des Ubergangs erfolgt im dritten Kapitel.
Das vierte Kapitel nimmt schlieRlich die am Schulubergang beteiligten Akteure in den Blick. Lehrer, Eltern und Schuler beeinflussen den Ubergang auf jeweils ganz eigene Weise und sind auch in unterschiedlichem MaRe von ihm betroffen. Die Betrachtung der Ebene der Schuler stellt gleichzeitig die Uberlei- tung zum Empirischen Teil dar.
Die methodologischen Grundlagen der empirischen Arbeit werden im funften Kapitel behandelt. Dabei wird die dokumentarische Methode der Interpretation vorgestellt, deren Modifikation im Rahmen der Forschungsarbeit und die Herkunft des zu analysierenden Falls beschrieben.
Die Interpretationsprotokolle, die das analytische Vorgehen und die in- haltlichen Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte der Methode dokumentie- ren, sind Bestandteil des sechsten Kapitels.
Im siebenten Kapitel erfolgt auf Grundlage der Interpretationsergebnisse die Rekonstruktion des Falls. Dabei werden die grundlegenden Orientierungen herausgearbeitet.
Im achten und abschlieRenden Kapitel wird eine Kontrastierung des rekon- struierten Falls mit den bereits im Verlauf des Forschungsprojektes analysierten Fallen, die ebenfalls den Ubergang auf ein exklusives Gymnasium vollzogen haben, vorgenommen.
Allgemeiner Teil
1 Allgemeine Betrachtungen zum Schulwesen
1.1 Funktionen der Schule
Die Schule als Bestandteil des Bildungssystems erfullt vielfaltige gesellschaft- liche und individuelle Funktionen. So soll das Individuum gebildet werden, um spater eine berufliche Tatigkeit ausuben zu konnen. Die Schuler sollen zu mundigen Burgern erzogen werden, die aktiv am demokratischen System partizipieren und die freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen. Sie sollen lernen, das kulturelle Erbe zu achten und zu pflegen. Gleichzeitig nimmt die Schule eine Auslese vor, in der gute, weniger gute und schlechte Schuler voneinander unterschieden werden. Diese Auslese hat Auswirkungen auf den gesamten biographischen Verlauf eines Individuums.
Die schulischen Funktionen werden auch rechtlich legitimiert und in den Schulgesetzen der Bundeslander festgeschrieben. Demnach hat die Schule den Auftrag, die Schuler zur „Achtung der Wurde des Menschen“ zu erziehen. Sie soll den Schulern Kenntnisse, Fahigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, um die „Entfaltung der Personlichkeit“ zu fordern. Die Schuler sollen auf die „Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt, des offentlichen Lebens, der Familie und der Freizeit“ vorbereitet werden. Auch zu „Toleranz gegenuber kultureller Vielfalt und zur Volkerverstandigung“ sollen die Schuler erzogen werden (Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt 2005, S. 10). In Bayern manifestiert sich sogar die religiose Uberzeugung unseres christlichen Kultur- kreises im Bildungsauftrag: Die „Ehrfurcht vor Gott“ wird zu einem der obersten Bildungsziele erhoben (Bayerisches Staatsministerium fur Unterricht und Kultus 2000, S. 417).
Schulsysteme haben als „Institutionen der gesellschaftlich kontrollierten und veranstalteten Sozialisation“ eine tragende Funktion fur das Individuum (Fend 1981, S. 2). Sie gelten als sekundare Sozialisationsinstanz, da sich professionelles Fachpersonal um die Kinder kummert. Die Beziehungen sind durch formale Kriterien, institutionelle Regeln der Bezugnahme und ausge- pragte Hierarchien bestimmt (vgl. Hurrelmann 2002, S. 187ff.; Grundmann 2006, S. 97).
Wichtige Funktionen von Schule sind also Bildung, Erziehung[4], Soziali- sation und Selektion. In der Literatur finden sich diesbezuglich verschiedene Darstellungsweisen (vgl. Fend 1974, 1981 u. 2006; Fend u. a. 1976; Rolff 1997; Melzer/Sandfuchs 2001). Dennoch lassen sich einige wesentliche Funktionen bestimmen und systematisieren.
Fend (2006) hebt die „Resubjektivierung von Kultur“[5] als Aufgabe des Bildungssystems und damit auch der Schule hervor. „Die Kultur einer Gesell- schaft ist die zentrale ,Umwelt’ fur das Bildungswesen. Es lebt von dieser Kultur, synthetisiert sie, transformiert sie in Unterricht und fuhrt so in sie ein“ (ebd., S. 48). Eine zentrale Aufgabe der Schule besteht also darin, dafur zu sorgen, dass heranwachsende Menschen in ihrer Kultur keine Fremden bleiben und sich mit ihr identifizieren konnen.
Aus gesellschaftlicher Sicht erfullt das Bildungswesen die Funktion der „Reproduktion und Innovation von Strukturen der Gesellschaft und Kultur“. Jede Generation wird durch das Bildungswesen an den Stand der Fahigkeiten, des Wissens und der Werte herangefuhrt, der fur den Fortbestand der Gesellschaft notwendig ist (ebd., S. 49). Folgende gesellschaftliche Funktionen von Schule lassen sich herausstellen (siehe auch Abbildung 1 auf S. 8):
Enkulturationsfunktion
Das Schulsystem institutionalisiert die Reproduktion kultureller Sinnsysteme. Es werden sowohl grundlegende Symbolsysteme wie Sprache und Schrift vermit- telt, als auch elementare Wertorientierungen, wie Vernunftfahigkeit und moralische Verantwortlichkeit, internalisiert. Damit erhalten die Individuen wichtige kulturelle Fertigkeiten und Verstandnisformen fur die Kultur, in der sie leben. Die Schule erfullt somit neben der Reproduktion kultureller Inhalte auch eine kulturelle Initiation fur den Einzelnen und hilft ihm, in der jeweils eigenen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Funktionaler Zusammenhang von Schule und Gesellschaft (Quelle: Fend 2006, S. 51)
Kultur „heimisch“ zu werden. Das Individuum erwirbt auf diesem Wege eine eigene kulturelle Identitat und erhalt die Moglichkeit zur kulturellen und gesell- schaftlichen Partizipation (Fend 2006, S. 49).
Qualifikationsfunktion
Schule erfullt eine Qualifizierungsfunktion[6] durch die Vermittlung von Fertig- keiten und Kenntnissen. In Lehre und Unterricht werden berufsrelevante Fahig- keiten vermittelt, die den Einzelnen befahigen, Teil der Erwerbsgesellschaft zu werden und einer Berufstatigkeit nachzugehen (vgl. Fend 2006, S. 50). Fraglich ist aber, ob die Ziele, Inhalte und Methoden des schulischen Unterrichts dies uberhaupt hinreichend leisten konnen (vgl. Sandfuchs 2001, S. 15f.).
Allokationsfunktion
Die Allokationsfunktion[7] der Schule betrifft die Sozialstruktur der Gesellschaft, also deren soziale Gliederung nach Bildung, Einkommen und Kultur. Uber Prufungen erwirkt die Schule Zuordnungen zwischen den Leistungen der Schuler und ihrer beruflichen Laufbahn und damit ihrer gesellschaftlichen Stellung (vgl. Fend 2006, S. 50). Hierin kommt auch die Selektionswirkung[8] der Schule zum Ausdruck. Terhart (2001, S. 104ff.) spricht im Zuge der Entkopp- lung von Bildungslaufbahnen jedoch von einem zunehmenden „Verblassen der Selektionsfunktion“.
Integrationsfunktion
Die Schule wirkt als Instrument gesellschaftlicher Integration. Sie institutionalise Normen, Werte und Weltsichten, die zur „Stabilisierung der politischen Verhaltnisse“ dienen (Fend 2006, S. 50).
1.2 Das Schulwesen der Bundesrepublik Deutschland
Da das Bildungssystem schulische Ubergange erst notwendig macht, soil an dieser Stelle dessen Gliederung naher betrachtet werden.
Die Verantwortlichkeit fur das Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland wird durch die foderalistische Staatstruktur bestimmt, wobei das „gesamte Schulwesen“ unter Aufsicht des Staates steht (Art. 7 Abs. 1 GG). Die Kulturhoheit bleibt jedoch den 16 Bundeslandern vorbehalten, weshalb das deutsche Bildungssystem eine multizentrale Organisation aufweist. Dabei nehmen die 16 verschiedenen Schulsysteme der Lander, bezogen auf die Schulerzahlen, recht unterschiedliche Dimensionen ein (siehe Abbildung 2 auf S. 11). So wurden im Jahr 2003 im groRten Bundesland Nordrhein-Westfalen uber 2,3 Millionen Schuler unterrichtet, in Bremen dagegen, dem kleinsten Bundesland, nur ca. 74.000 (BMBF 2005).
Jedes Bundesland besitzt ein eigenes Schulgesetz, das sich aus dem landespezifischen Schulrecht ableitet und Rechtswirksamkeit nur in dem betroffenen Bundesland entfaltet. Zwischen den Landern bestehen also durchaus Unterschiede in der Gestaltung des Schulsystems. Dass das deutsche Schulwesen in den Grundzugen seines Aufbaus, seiner Inhalte und Abschlusse trotzdem eine relative Einheitlichkeit aufweist, ist weniger das Ergebnis einer zentralstaatlichen Festlegung, als vielmehr der Absprache zwischen den Kultusverwaltungen der Lander zu verdanken, die dafur ein eigenes Koordinierungsorgan, die Standige Konferenz der Kultusminister[9] der Lander, eingerichtet haben (vgl. Leschinsky/Cortina 2003, S. 24).
Die Mehrheit der deutschen Schulen sind Halbtagsschulen[10]. Staatliche Internatsschulen gibt es nur wenige. Auch die Schulerzahlen der Privat- schulen[11] und Alternativschulen sind gering (vgl. ebd., S. 25f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Zahl der Schuler an allgemein bildenden Schulen (in Tausend), (Stand 2006)
(Daten: Statistisches Bundesamt 2006; Karte: Leschinsky 2003, S. 153; verand.)
Ganztagsschulen[12] haben ebenfalls nur eine marginale quantitative Bedeutung (vgl. Hohmann/Holtappels/Schnetzer 2004).
Das Bildungswesen Deutschlands untergliedert sich in die folgenden 5 Bereiche (siehe dazu auch Abbildung 3 auf S. 13):
- Elementarbereich
- Primarbereich
- Sekundarbereich
- Tertiarer Bereich
- Bereich der Weiterbildung
Elementarbereich
Der Elementarbereich umfasst Einrichtungen, uberwiegend Kindergarten[13], fur Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt, der in der Regel mit sechs Jahren erfolgt. Der Besuch von Einrichtungen des Elementarbereichs ist rechtlich garantiert, jedoch nicht verpflichtend. Fur schulpflichtige, aber nicht schulfahige Kinder gibt es weitere Einrichtungen wie Schulkindergarten bzw. Vorklassen, deren Zugehorigkeit zum Elementarbereich oder Primarbereich landerspezifisch geregelt ist (vgl. KMK 2006a, S. 30).
Einrichtungen des Elementarbereichs haben „grundsatzlich die Aufgabe, die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschafts- fahigen Personlichkeit zu fordern“ (ebd., S. 73). Diese Aufgabe umfasst die Bildung, Betreuung und Erziehung des Kindes. Weiterhin kommt den Kindergarten die Aufgabe zu, den Kindern den Ubergang in die Primarstufe zu erleichtern. Je mehr jedoch die propadeutische Funktion des Kindergartens im Laufe der Zeit an Bedeutung gewann, desto mehr wurden auch die Organi- sationsformen des Kindergartens denen der Schule angepasst (vgl. Diehm 2004, S. 535).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach Vollendung des sechsten Lebensjahres sind Kinder in Deutschland schulpflichtig und werden in die Grundschule eingeschult. Diese umfasst die Klassenstufen eins bis vier. Lediglich in den Bundeslandern Berlin und Brandenburg besteht die Grundschule einheitlich aus sechs Klassenstufen. Fur Kinder mit sonderpadagogischem Forderbedarf gibt es den Behinderungen entsprechende unterschiedliche Arten von Sonderschulen[14] bzw. Forderschu- len (vgl. KMK 2006a, S. 30).
Sekundarbereich
Der Sekundarbereich besteht aus weiterfuhrenden Schularten[15], die mindestens bis zum Ende der Schulpflicht besucht werden mussen. Der Ubergang in die Schulen der Sekundarstufe ist in Abhangigkeit von der Landesgesetzgebung unterschiedlich geregelt (siehe dazu Kapitel 3.4).
Tertiarer Bereich
Der tertiare Bereich bezeichnet Hochschulen und alle sonstigen Einrichtungen, die berufsqualifizierende Studiengange fur Absolventen mit Hochschulzugangs- berechtigung anbieten. In Deutschland gibt es verschiedene Hochschularten: Universitaten, Technische Hochschulen/Universitaten, Padagogische Hochschulen, Theologische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen und Fach- hochschulen (vgl. KMK 2006a, S. 32).
Bereich der Weiterbildung
Dieser Bereich umfasst alle Einrichtungen, an denen eine Fortsetzung oder Wiederaufnahme des organisierten Lernens nach dem Abschluss einer unterschiedlich langen ersten Ausbildungsphase moglich ist. Im Zuge des lebenslangen Lernens gewinnt der Bereich der Weiterbildung[16] immer mehr an Bedeutung und entwickelt sich zu einem eigenstandigen Bereich im Bildungs- wesen.
1.2.1 Bedeutung der Grundschule fur die Schullaufbahn
In der Grundschule[17] bekommen die Schuler grundlegendes Wissen vermittelt, z. B. Lesen, Schreiben, Grundrechenarten usw. Ziel ist die „Schaffung eines gemeinsamen Grundstocks an Bildung“ (Einsiedler 2003, S. 285). Damit ist das Durchlaufen eines Mindestlehrplans gemeint, um ein gemeinsames Lern- und Bildungsniveau fur die nachfolgende Sekundarstufe zu erreichen.
Weiterhin soll die Grundschule die Schuler von den eher spielerischen Lernformen des Elementarbereichs zu den systematischen Formen des schu- lischen Lernens hinfuhren und das Lernangebot den individuellen Lern- voraussetzungen und Moglichkeiten anpassen (vgl. KMK 2006a, S. 80).
Padagogische Reformen zielten bisher auf die Gestaltung eines schuler- orientierten Unterrichts, um die Selbsttatigkeit und das Selbstvertrauen der Schuler und das Lernen in facherubergreifenden Zusammenhangen zu fordern. Im Jahr 2004 beschloss die Kultusministerkonferenz Bildungsstandards fur den Primarbereich in den Fachern Deutsch und Mathematik. Diese Standards bestimmen allgemeine Bildungsziele und legen fest, welche Kompetenzen die Schuler bis zum Ende der vierten Klassenstufe erworben haben sollten (vgl. ebd., S. 80).
Am Ende der vierten Klasse[18] steht der Ubergang in eine Schulform der Sekundarstufe bevor. Die Wahl der Schulform legt den anzustrebenden Schul- abschluss fest, der das Ziel der Schullaufbahn ist und uber weiterfuhrende berufliche Qualifizierungsmoglichkeiten bestimmt. Auf welche Schulform der Ubergang nach dem Ende der Grundschulzeit letztendlich erfolgt, hangt von der schulischen Leistungsfahigkeit des Kindes ab, von der Empfehlung der abgebenden Grundschule und der Bildungsaspiration der Eltern. Am Ende der Grundschulzeit wird weder eine Abschlussprufung durchgefuhrt noch ein Abschlusszeugnis erteilt (vgl. KMK 2006a, S. 90).
Der Grundschule kommt in diesem Sinne also eine zentrale Bedeutung in der individuellen Schullaufbahn zu. Sie ist die einzige schulische Einrichtung, die alle Schuler unabhangig von bestimmten Vorleistungen und ungeachtet ihrer sozialen Herkunft fordert und an der Bildung gleichermaRen teilhaben lasst. Die Bedeutung der Grundschule fur die Schullaufbahn wird auch an anderer Stelle deutlich: „Was auf Ebene der Grundschule nicht gelingt, lasst sich offenbar - das zeigen die PISA-Befunde[19] - auf der Ebene der Sekundar- stufe I nicht mehr kompensieren. Vielmehr ist nach den PISA-Befunden davon auszugehen, dass sich die auf der Ebene der Grundschule nicht befriedigend gelosten Probleme auf der Ebene der Sekundarstufe I weiter verscharfen“ (Schwippert/Bos/Lankes 2003, S. 300).
Das in der Grundschule erreichte Leistungsniveau hat damit einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der Schulkarriere. Auch Schuler, die im Rahmen von IGLU[20] zur unteren Leistungsgruppe gehoren, werden es schwerer haben, Anschluss an das Lernen in der Sekundarstufe I zu finden (vgl. ebd., S. 300).
1.2.2 Die „strukturelle Pluralitat“ der Sekundarstufe
Nach der Grundschulzeit erfolgt der Ubergang in die Sekundarstufe. Diese besteht aus dem Sekundarbereich I (Jahrgangsstufe 5 - 10) und dem Se- kundarbereich II, zu dem alle Bildungsgange gehoren, die auf dem Sekundar- bereich I aufbauen. Der Sekundarbereich I geht vom Grundsatz einer allge-meinen Bildung, einer individuellen Schwerpunktsetzung und einer leistungs- gerechten Forderung aus. Alle Bildungsgange des Sekundarbereichs I haben die Funktion der Vorbereitung auf die Bildungsgange des Sekundarbereichs II, an deren Ende eine berufliche Qualifikation oder eine Berechtigung fur den Zugang zu einer Hochschulausbildung erworben werden kann (KMK 2006a, S. 97f.). Der Sekundarbereich I umfasst folgende Schularten:
- Hauptschule[21]
- Realschule[22]
- Gymnasium[23]
- Gesamtschule[24]
Der Sekundarbereich II umfasst die gymnasiale Oberstufe[25] und die berufs- bildenden Schulen[26].
Das deutsche Schulsystem zeichnet sich also durch eine Gliederung in bestimmte Schulformen aus, an denen verschiedene Bildungsabschlusse erworben werden konnen. Allerdings ist die Gliederung der Sekundarstufe in den einzelnen Bundeslandern unterschiedlich umgesetzt worden, so dass man zu Recht von einer „strukturellen Pluralitat“ (siehe Abbildung 4) des deutschen Schulwesens sprechen kann (Avenarius u. a. 2003, S. 54).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Struktur des allgemein bildenden Schulwesens in Deutschland (Stand 2003) (Quelle: Avenarius 2003, S. 54)
Lediglich das Gymnasium ist als einzige Schulform in allen Landern vorhanden. Die klassische Dreigliederung des Schulsystems in Hauptschule, Realschule und Gymnasium existiert in den Landern Bayern und Baden-Wurttemberg. In einigen alten Bundeslandern, wie Bremen, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gibt es ein vierglied- riges Schulwesen, bestehend aus Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule, die jedoch nicht flachendeckend angeboten wird. In Bremen und Sachsen-Anhalt existierte bislang eine Orientierungsstufe[27] fur die Jahrgangs- stufen 5 und 6. In hessischen Schulen kann eine Forderstufe[28] eingerichtet werden. In einigen neuen Bundeslandern ist die Sekundarstufe uberwiegend zweigliedrig organisiert. Dort bestehen neben dem Gymnasium in der Sekundarstufe I als weitere Schulform nur die Sekundarschule (Sachsen- Anhalt), die Mittelschule (Sachsen) und die Regelschule (Thuringen). An diesen Schulen[29] sind Haupt- und Realschulbildungsgange moglich. Das Land Brandenburg betreibt ein dreigliedriges Schulsystem mit Realschule, Gesamtschule und Gymnasium. Das am starksten gegliederte Schulsystem im Sekundarbereich I existiert in Rheinland-Pfalz. Dort gibt es neben Haupt-, Realschule, Regionaler Schule, Gymnasium und Gesamtschule eine Duale Oberschule. Hierbei han- delt es sich um eine neue Schulform, in der die Verknupfung von allgemeiner und beruflicher Bildung angestrebt wird (vgl. Avenarius u. a. 2003, S. 56).
Die unterschiedliche Gliederung der Sekundarstufe in den einzelnen Bundeslandern, mit ihren 16 verschiedenen Schulsystemen, soll nicht daruber hinwegtauschen, dass bezuglich der Grundstruktur des Bildungswesens und der gegenseitigen Anerkennung der Schulabschlusse eine gewisse Einigkeit herrscht. Dies ist den Beschlussen[30] der Kultusministerkonferenz zu verdanken.
Das Schulsystem in Deutschland weist trotz seiner strukturellen Viel- gliedrigkeit der Sekundarstufe in den einzelnen Landern, bezogen auf die Schulabschlusse, eine Dreigliedrigkeit auf. Egal wie die jeweiligen Schulformen landerspezifisch bezeichnet werden, Hauptschule, Realschule, Sekundarschu-le, Regionale Schule, Gymnasium oder Gesamtschule, die Schuler konnen letztlich einen von drei Bildungsabschlussen[31] erwerben: Hauptschulabschluss, Mittlerer Schulabschluss oder Abitur.
Buchner und Koch (2001, S. 145) kommen allerdings zu dem Schluss, dass sich vor allem bei den Eltern inzwischen eine „Zweigliedrigkeit des Schul- laufbahndenkens“ durchgesetzt hat. Der Realschulabschluss gilt mittlerweile als Mindestnorm fur den anzustrebenden Schulabschluss, wahrend dem Abitur der hochste Stellenwert eingeraumt wird. Demnach besitzt der Hauptschulabschluss nur noch eine sehr geringe Attraktivitat. Die Hauptschule verkommt somit zur „Restschule“ (Avenarius/Jeand’Heur 1992, S. 11).
1.2.3 Zur selektiven Wirkung der Wahl des Bildungsganges
Im Sekundarbereich I vermitteln die Hauptschulen den Schulern eine grund- legende allgemeine Bildung. Der Hauptschulabschluss ist der erste allgemein bildende Schulabschluss und wird in der Regel in Klassenstufe 9 erworben. Dieser Abschluss ermoglicht die Aufnahme einer Berufsausbildung im dualen System[32]. Er berechtigt weiterhin zum Eintritt in Berufsfachschulen, in das Berufgrundbildungsjahr und spater in Fachschulen und Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges (vgl. KMK 2006a, S. 121). Die Aufnahme eines weiter- fuhrenden Bildungsganges an einer Einrichtung des tertiaren Bereichs ist mit dem Hauptschulabschluss nicht moglich.
Die Realschulen vermitteln den Schulern eine erweiterte allgemeine Bildung. Am Ende der Klassenstufe 10 kann der Mittlere Schulabschluss (Realschulabschluss) durch eine erfolgreich bestandene Abschlussprufung erworben werden. Er ermoglicht den Eintritt in weiterfuhrende schulische Bildungsgange, z. B. Berufsfachschule, Fachoberschule und die Aufnahme einer Berufsausbildung im dualen System (vgl. ebd., S. 121).
Die Erfullung bestimmter Leistungsanforderungen am Ende der Jahrgangs- stufe 10 des Gymnasiums und der Gesamtschule, an der auch Haupt- und Realschulabschlusse erworben werden konnen, berechtigt zum Besuch der gymnasialen Oberstufe des Sekundarbereichs II. Dieser soll den Schulern den Erwerb von studien- und berufsqualifizierenden Abschlussen ermoglichen (KMK 2006a, S. 98). Zugangsvoraussetzung fur die gymnasiale Oberstufe ist die Zugangsberechtigung, die am Ende der Jahrgangsstufe 9 bzw. 10 des Gymnasiums oder bei vergleichbaren Anforderungen an anderen Schularten des Sekundarbereichs I erworben werden kann (vgl. ebd., S. 103). Auf diesem Weg kommt es immer mehr zu einer Entkopplung von Bildungsgang und Abschluss, die traditionell einen hohen „Deckungsgrad“ aufwiesen. Bezuglich des erreichten Abschlusses ubernimmt die Hauptschule zunehmend die Funktion der Realschule, an Realschulen wird die Zugangsberechtigung zur gymnasialen Oberstufe erworben und eine Reihe von Gymnasiasten verlasst die Schule lediglich mit einem Realschulabschluss, den sie auch an einer Realschule hatten erwerben konnen (Avenarius u. a. 2003, S. 57; S. 177).
Letztlich bestimmt der erworbene Schulabschluss in hohem MaRe die individuellen beruflichen Qualifizierungsmoglichkeiten. Damit entwickelt der Schulabschluss eine selektive Wirkung, denn je hoher der Bildungsabschluss ist, desto besser sind die Verdienstmoglichkeiten und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, eine hoch qualifizierte Tatigkeit auszuuben. Uberspitzt formuliert: Der Schuler, der das Abitur erwirbt, hat beispielsweise die Moglichkeit, Betriebswirtschaft an einer Universitat zu studieren und spater eine berufliche Karriere als Fuhrungskraft in einem Unternehmen zu durchlaufen. Der Schuler mit Realschulabschluss absolviert eine Lehre und konnte spater in einem Hand- werksberuf tatig sein. Die Hohe des moglichen Einkommens und der soziale Status dieser beiden „Schuler“ weichen dann stark voneinander ab. Vor diesem Hintergrund wird die selektive Wirkung von Bildungsentscheidungen, also der Wahl eines bestimmten Bildungsganges und des somit potenziell erreichbaren Bildungsabschlusses, deutlich.[33]
Allerdings hat die Bildungsexpansion seit den sechziger Jahren zu einer Entwertung der hochwertigen Bildungsabschlusse gefuhrt. So wurde die Statuszuweisung tendenziell vom Schulerfolg „abgehangt“. Ein hoher Bildungs- abschluss, den mittlerweile viele besitzen, ist immer weniger ein Garant fur eine hohe Statusposition. Heute ist mit demselben Bildungsniveau im Durchschnitt sogar weniger Einkommen, eine niedrigere Berufsposition und weniger Prestige zu erwarten als fruher (Rolff 1997, S. 239). Im Umkehrschluss lasst sich die Feststellung treffen, dass zu bestimmten Ausbildungsplatzen inzwischen immer hoherwertige Eingangsqualifikationen erwartet werden (vgl. Pfeiffer/Rosner 2000, S. 98).
Die gestiegenen Ubergangsquoten zum Gymnasium (im Jahr 1997 er- hielten 33 % aller Schuler eines Jahrgangs eine Hochschulzugangsberech- tigung, 25 Jahre zuvor nur 7 %) fuhrten zu einem regelrechten „Abiturienten- berg“. Infolgedessen verlor das Abitur seine einstmalige Exklusivitat und die Universitaten sehen sich zunehmend einem „Ansturm halbgebildeter Abiturien- ten“ ausgesetzt (Dresselshaus 1997, S. 259; Diederich/Tenorth 1997, S. 204ff.). Die Ursachen fur den Wandel bei der Wahl der weiterfuhrenden Schule, also dem Drang nach hoheren Bildungsabschlussen, sind die Expansion des Dienst- leistungssektors im Arbeitsmarkt, die gestiegene Bildungsaspiration der Eltern, der Wegfall von Zugangsbeschrankungen zu Realschulen und Gymnasien, die immer bessere Erreichbarkeit der begehrten Bildungsgange im Zuge ihres Aus- baus, eine explizite Bildungswerbung und ein starker Ruckgang der Schuler- zahlen, so dass die Aufnahme und der Verbleib auch weniger leistungsstarker Schuler groRzugig gehandhabt wurden (vgl. Pfeiffer/ Rosner 2000, S. 85f.).
Ohne den entsprechenden Schulerfolg sind die Statuserwerbschancen heute jedoch erst recht gesunken. Eine erfolgreiche Schullaufbahn und ein daraus resultierender guter Schulabschluss sind „immer mehr eine notwendige Voraussetzung fur Statuskarrieren geworden und gleichzeitig immer weniger eine hinreichende“ (Rolff 1997, S. 239).
1.2.4 Elitare Bildung im deutschen Schulsystem
Die differenzierte Wahrnehmungsfahigkeit der Eltern bzw. Schuler bei der Schulwahl wird haufig von der Annahme verdrangt, sie besaRen ein „recht kon- sistentes Bild“ von den weiterfuhrenden Schulen (Helsper u. a. 2006a, S. 154). Die Wahl der Schule wird dabei vielfach mit der Wahl der Schulform gleichge- setzt, bei der nur der zu erreichende Abschluss eine Rolle spielt. Dass die Wahl der Schulform in wissenschaftlichen Studien eine sehr viel starkere Berucksich- tigung findet als die Wahl der konkreten Einzelschule, erscheint jedoch unge- rechtfertigt (vgl. ebd., S. 154).
In den PISA-Ergebnissen wird unter anderem deutlich, dass mit der so- ziookonomischen Stellung auf der individuellen Ebene auch weitere soziode- mographische Merkmale (Bildungsniveau usw.) variieren (vgl. Baumert/Schu- mer u. a. 2001, S. 462). Fur Schulen gilt dies in ahnlicher Weise. Eine Untersu- chung der Zusammensetzung der Schulerschaft anhand verschiedener sozio- demographischer und leistungsbezogener Merkmale zeigte, dass Schulen ver- schiedener Schulformen „differenzielle Lern- und Leistungsumgebungen“ dar- stellen (ebd., S. 462). In der Folge lassen sich die Schulen einer Schulform in bestimmte Cluster unterscheiden. Der Gymnasialbereich gliedert sich demnach in das Cluster der „normalen“ Gymnasien, die stark durch Sozialschichtzugeho- rigkeit und Bildungsniveau der Eltern gekennzeichnet sind. Das kleinere zweite Cluster besteht aus Gymnasien in „sozial privilegierter Lage“, die uberwiegend Akademikerkinder anziehen und auch fur Zuwandererfamilien mit hohem Sozi- al- und Bildungsstatus attraktiv sind. Allerdings unterscheiden sich die Gymnasien der beiden Cluster nicht in den Leistungsresultaten (ebd., S. 465).
Obwohl sich fur Deutschland schulische Orte elitarer Bildung nicht so eindeutig „identifizieren“ lassen wie etwa im englischen oder franzosischen Bil- dungsraum, finden sich doch durchaus Hinweise fur derartige exklusive Seg- mente (Helsper 2006, S. 169): Schulen in konfessioneller Tragerschaft (Ver- bunde aus konfessionellen Grundschulen und Gymnasien); herausgehobene gymnasiale Bildungsanstalten mit langerer Tradition (aus Dom-, Stifts- oder Furstenschulen hervorgegangen); International Schools (mit weltweit abge- stimmtem Curriculum fur das ..international nomadisierende Management1'); die „schweren“ Gymnasien mit traditionsreichem Ruf in groReren Stadten, die um die Kinder regionaler Eliten konkurrieren; verschiedene Traditionsschulen der „alten Reformpadagogik" und neuere reformpadagogisch orientierte Schulen, die fur spezifische bildungsstarke Milieus interessant sind (ebd., S.169).
Die aufgefuhrten Beispiele zeigen, dass es im deutschen Schulsystem Orte exklusiver hoherer Bildung gibt. Nachdem das Abitur fur eine ausreichende Distinktion nicht mehr „hinreichend“ ist, wird es zunehmend wichtiger, an wel- chem Gymnasium das Abitur erworben wurde. Deutlich wird dies zum Beispiel in der Tendenz, dass die Gewinne bei „leichten“ Gymnasien, in denen der noti- ge NC-Schnitt sehr einfach erreicht werden kann, dadurch zuruckgehen, dass die ..Abnehmereinrichtungen" (Hochschulen) immer haufiger selbst selektieren (ebd., S. 170). Dagegen gewinnen die Gymnasien an Bedeutung, die sich durch eine spezielle Profilierung (mathematisch-naturwissenschaftlicher oder sprach- licher Schwerpunkt) und durch eine hohe Selektivitat auszeichnen und fruhzei- tige Fordermoglichkeiten durch die Teilnahme an regionalen, nationalen oder internationalen Leistungswettbewerben ermoglichen.
Fakt ist: „Die gymnasiale Bildungslandschaft ist in sich differenziert, was sich bei fortschreitender Bildungsautonomie weiter steigern wird" (ebd., S. 170). Unter diesen Voraussetzungen wird sich eine trennscharfe Zweiklassigkeit des gymnasialen Segments weiter etablieren - die groRere Klasse besteht dabei aus den Gymnasien, an denen das inflationar gewordene Abitur der breiten Masse erworben werden kann und die kleinere Klasse besteht aus den ausge- suchten elitaren Gymnasien, die durch ihre Exklusivitat und die Vergabe ihres Bildungszertifikats hervorstechen und ihren Absolventen eine gewisse Exzel- lenz bescheinigen.
2 Allgemeine Betrachtungen zum Ubergang
2.1 Begriffsbestimmung
Der Lebenslauf eines Individuums ist durch zahlreiche Ubergange gepragt, die in ganz unterschiedlichen Kontexten ihre Wirkung entfalten konnen. Einige Ubergange sind vom Menschen nur begrenzt beeinflussbar. Sie entwickeln eine tief greifende psycho-physische Bedeutung, wie zum Beispiel die Geburt und der Tod. Weitere Ubergange im entwicklungsbiologischen Kontext sind die Ubergange vom Kind zum Jugendlichen und zum Erwachsenen (vgl. Daschler- Seiler 2004, S. 16f.).
Im kulturellen Kontext werden Ubergange haufig in Form von rituellen Handlungen oder Feierlichkeiten markiert. Sie erzeugen dadurch soziale Auf- merksamkeit, so zum Beispiel die Taufe, die Geburtstagsfeier, die Konfirmation oder das Hochzeitsfest. Diese zeremoniellen Ereignisse haben dabei haufig die Funktion eines Initiationsritus, der den Ubergang als bedeutende Zasur hervorhebt: die Ankunft und Aufnahme in eine Familie oder Gemeinde, die Anerkennung der jugendlichen Selbststandigkeit, die Einmundung in eine Ehe usw. Das Leben erhalt durch diese Formen der Bewusstmachung von Uber- gangspassagen eine gewisse Uberschaubarkeit und, bezogen auf die erlebte Zeit zwischen diesen Passagen, eine strukturelle Gliederung (vgl. ebd., S. 18f.).
Da Ubergange zur Veranderung von habitualisierten Handlungsablaufen fuhren, konnen sie auch als „kritische Lebensereignisse“ bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die durch „Veranderungen der Lebens- situation der Person gekennzeichnet sind und mit entsprechenden Anpassungs- leistungen der Person beantwortet werden mussen“. Die Veranderung der bisherigen Verhaltensmuster kann als „stressreich“ erlebt werden (Filipp 1995, S. 23ff.).
Neben der Veranderung von Verhaltensmerkmalen konnen Ubergange zur Veranderung von Prozessmerkmalen fuhren. Es kommt dabei zu einer „quantitativen oder qualitativen Veranderung der Entwicklungsdynamik“, also einer Beschleunigung der Entwicklungsgeschwindigkeit oder einem Wechsel von Entwicklungsrichtung und Entwicklunqsart. Ubergange konnen deshalb als Krise und Storung oder Entwicklungsanreiz und Wachstum wirken (Olbrich 1995, S. 123ff.).
„Ubergange im Lebenslauf stellen Einschnitte dar, die vom Individuum einerseits als Verunsicherung oder Bedrohung, andererseits aber auch als Chance gesehen werden konnen.“ (Ditton/Krusken 2006, S. 348). Wenn Ubergange gelingen, konnen sie Perspektiven eroffnen, die vorher so nicht vorhanden waren. Sie tragen dadurch zur „produktiven Weiterentwicklung des Individuums“ bei (Buchner/Koch 2001, S. 15). Gelingen sie nicht, kann dieses Misserfolgserlebnis zu Misstrauen gegenuber den eigenen Fahigkeiten und zu negativen Veranderungen des Selbstbildes fuhren.
Ubergange werden auch als „Prozesse mit offenem Ausgang“ be- zeichnet (ebd., S. 15). Dem ist aber nur bedingt zuzustimmen, denn bei Uber- gangen, die mehrere Handlungsoptionen bereitstellen und somit eine konkrete Ubergangsentscheidung erfordern, werden bestimmte Entwicklungsverlaufe des Individuums ausgeschlossen bzw. erst ermoglicht. Bei der Offenheit des Prozesses handelt es sich dann nicht mehr um eine absolute, sondern nur noch um eine relative.
Mit folgenden Eigenschaften lassen sich Ubergange also weitgehend be- schreiben. Ubergange
- werden als biographische Zasur wahrgenommen.
- stellen eine Statuspassage dar (z. B. in der Bildungslaufbahn).
- erfordern haufig eine Ubergangsentscheidung.
- stehen in einem Bedingungsgefuge von Entscheidung und Konsequenz.
- haben Ereignis-, aber auch Prozesscharakter.
- fuhren zu Anpassungsleistungen des Individuums.
- konnen gelingen oder scheitern.
- eroffnen Chancen, aber auch Risiken.
Ubergange sind also eine bedeutende Zasur im Lebenslauf. Ein Ubergang findet von einer Ausgangssituation in eine wie auch immer veranderte Folge- situation statt. Dabei mussen verschiedene Anpassunqsleistunqen erbracht werden, denn es erfolgen Veranderungen, die sich auf die Lebenssituation des Individuums auswirken. Ubergange konnen somit Chancen und neue Moglich- keitsspielraume eroffnen, aber auch ein Risiko fur die Weiterentwicklung dar- stellen.
2.2 Theoretische Zugange
2.2.1 Der Ubergang als Statuspassage
Riten der Initiation, die bestimmte Statuspassagen in fremden und archaischen Kulturen markieren, sind Bestandteil kulturanthropologischer Forschung. In zahlreichen ethnographischen Studien wurden die Besonderheiten dieser teil- weise martialisch anmutenden Praktiken untersucht und beschrieben. Bei ei- nem Vergleich der Reifefeiern eines Indianerstammes mit den Weihezeremo- nien antiker Mysterienkulte verwendete der franzosische Geistliche Lafiteau bereits 1724 den Begriff „Initiation“. Auf der Grundlage unterschiedlichen ethnographischen Materials beschrieb der Ethnologe van Gennep in seinem Werk „Les rites de passage1' (1909) das Ablaufschema einer Initiation und pragte da- fur den Begriff „Ubergangsriten“ (vgl. Friebertshauser 1992, S. 21).
Ubergangsriten zum Ubergang in den Status des Erwachsenen umfas- sen demnach eine raumliche und soziale Separierung des Novizen bzw. Initianten. Dabei werden verschiedene Ebenen einbezogen, um die Uberleitung und Integration in den neuen Zustand (Status) kulturell zu organisieren: die kognitive Ebene (Unterrichtung, Unterweisung), die emotionale Ebene (korper- liche und psychische Attacken) und korperliche Erfahrungen (Nahrungstabus, Waschungen). Diese korperlichen Anstrengungen und die physische und psy- chische Schwachung der Novizen dienen der Ablosung vom bisherigen Status und der Vorbereitung und Initiation in den neuen Status. Nach der Seklusion, also der Herausnahme des Initianten aus seiner bisherigen Umgebung, und der „Initiationsmarter“ kann der Initiant als vollwertiges und erwachsenes Mitglied in die Gesellschaft zuruckkehren. Wahrend der Statuspassaqe befindet sich das Individuum in einem „Schwellenzustand“, welcher die Phase der Statuslosiqkeit zwischen Ablosung von der alten Welt und Reintegration in die neue Welt bezeichnet (ebd., S. 22ff.).
Die Beschreibung eines Ubergangs als Statuspassage legt Folgendes zugrunde: „Jeder Status beinhaltet also bestimmte Anforderungen in Form von Regeln, Konventionen, Lebensweisen, deren Ubernahme gerade die Trager- Innen dieses Status auszeichnet. Zur Reproduktion dieser Statuselemente be- darf es der Anerkennung und letztlich der Ubernahme durch die Neulinge, die in den Status eintreten. Da sicherzustellen ist, daß nachruckende Generationen den Status, den sie aufgrund formaler Kriterien wie Alter, Berufsabschluß , Hei- rat, etc. erwerben konnen, auch inhaltlich entsprechend tradierter Definitionen ausfullen und damit zur Reproduktion[34] des Bestehenden beitragen, sind von Seiten der Kultur oder Gesellschaft entsprechende Anstrengungen notwendig.“ (ebd., S. 27).
Fur Ubergange in Lebenslaufen moderner Gesellschaften wurde von Glaser und Strauss der Begriff „status passage1' (1971) gepragt. Sie beschaftig- ten sich mit der Frage nach den Wandlungen von Ubergangen der heutigen Zeit gegenuber archaischen Initiationen. Statuspassagen gegenwartiger Gesell- schaften sind demnach nicht mehr vorherbestimmt, rituell geregelt oder formalisiert.
[...]
[1] Die verwendeten Personenbezeichnungen sind geschlechtsneutral. Auf die durchgangige Verwendung der weiblichen und mannlichen Form wird aus stilistischen Grunden verzichtet.
[2] Buchner/Koch (2001) bestatigen zwar die Existenz von Ubergangsproblemen, ihre For- schungsergebnisse relativieren jedoch WeiRbachs These vom „Sekundarstufenschock“.
[3] Der vollstandige Titel des Projekts lautet: „Erfolg und Versagen in der Schulkarriere - Ein qualitativer Langsschnitt zur biographischen Verarbeitung schulischer Selektionsereignisse“.
[4] Erziehung und Sozialisation sind voneinander zu unterscheiden. Im Rahmen der Erziehung wirken Erwachsene gezielt auf Heranwachsende ein, um die gewunschten Verhaltensweisen zu erreichen. Der Begriff der Sozialisation verweist jedoch auf Prozesse, die fur die Person- lichkeitsentwicklung bedeutsam sind und uber erzieherische Interaktionen hinausgehen (Kru- ger/Grunert 2004, S. 467f.; Hurrelmann 2002, S. 23).
[5] „Resubjektivierung von Kultur“ wird von Fend als Prozess verstanden, in welchem Kultur von Generation zu Generation tradiert und weitergegeben wird (vgl. Fend 2006, S. 48).
[6] Allerdings gibt es Anzeichen dafur, dass die Schule ihrer Qualifikationsfunktion nicht immer und im erforderlichen MaGe nachkommt. So besteht eine Diskrepanz zwischen dem Qualifi- kationsbedarf des Arbeitsmarktes und der Qualifikationsleistung der Schule. Wahrend die Anforderungen in Ausbildung und Beruf zunehmen, sinken zugleich die Basisqualifikationen der Schuler. Nicht nur Vertreter der Wirtschaft monieren ein erkennbares Nachlassen der Leistungen in Deutsch und Mathematik. Auch erziehungswissenschaftliche Untersuchungen wie die PISA-Studie machen deutlich, dass diese Fahigkeiten bei deutschen Schulern im internationalen Vergleich schlechter ausgepragt sind (vgl. Marotzki/Nohl/Ortlepp 2005, S. 39f.). Tenorth (2001, S. 256) dagegen fragt jedoch kritisch, ob tatsachlich alles der Schule zuzurechnen ist, was an Leistungen „in aller Differenz“ zu beobachten ist. Die TIMS-Studie (Third International Mathematics and Science Study) gibt z. B. bezuglich der „Kausalitat der Leistungserbringung“ keine befriedigenden Antworten.
[7] Allokation bezeichnet die Verteilung von Personen auf soziale Positionen in einer arbeitsteili- gen, funktional und hierarchisch gegliederten Gesellschaft (Reinhold/Pollak/Heim 1999, S. 4).
[8] Selektion bezeichnet die Einschrankung von Moglichkeitsspielraumen (vgl. Lenzen 1989, S. 1367). Fend vermeidet den Begriff jedoch, da fur ihn nicht die AusschlieGung aus er- wunschten Bildungslaufbahnen im Vordergrund steht, sondern die „legitimierbare Allokation von Personen mit bestimmten Qualifikationen zu Aufgaben mit bestimmten Anforderungen“ (Fend 2006, S. 50).
[9] Die Kultusministerkonferenz wurde 1948 gegrundet und zielt auf eine „vergleichbare Entwick- lung des Bildungswesens in den Landern“ (KMK 2006a, S. 25).
[10] Anzahl allgemein bildender Schulen nach Schularten (Schuljahr 2005/06): Grundschulen (16.814), Hauptschulen (5.005), Realschulen (2.976), Gymnasien (3.096), Integrierte Ge- samtschulen (717), Freie Waldorfschulen (181), Forderschulen (3.468), (Statistisches Bun- desamt 2006, S. 22).
[11] Schulerzahlen (Stand 2003): allgemein bildende staatliche Schulen (9.727.000), allgemein bildende Privatschulen (605.800), (BMBF 2005).
[12] Ganztagsschulen sind laut Definition der KMK Schulen, bei denen im Primarbereich oder Sekundarbereich I uber den vormittaglichen Unterricht hinaus an mindestens drei Tagen pro Woche ein ganztagiges Angebot fur die Schuler bereit gestellt wird, das taglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst, an allen Tagen des Ganztagsbetriebs den teilnehmenden Schu- lern ein Mittagessen bereit gestellt wird und die nachmittaglichen Angebote in konzeptionel- lem Zusammenhang mit dem Vormittagsunterricht stehen.
[13] Die Versorgungsquote von Kindergartenplatzen fur Kinder im Alter von drei bis sechseinhalb Jahren lag im Jahr 2002 fur die Bundesrepublik Deutschland bei 90 % (KMK 2006a, S. 78). RoGbach (2003, S. 260f.) macht allerdings darauf aufmerksam, dass Kindergartenplatze auch von Kindern unter drei Jahren bzw. einem erheblichen Anteil von Kindern uber sechs Jahren belegt werden. Weiterhin bestehen deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundeslandern. Aus Bedarfsgrunden wurden in Westdeutschland im Zeitraum von 1991 bis 1998 zwar 600.000 neue Platze geschaffen, fur eine Vollversorgung reichte das jedoch nicht. In Ostdeutschland wurden dagegen im gleichen Zeitraum 380.000 Platze abge- baut. Aus demographischen Grunden besteht dennoch ein Uberangebot.
[14] Laut Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1972 werden zehn Typen von Sonderschulen unterschieden: Schulen fur Blinde, Gehorlose, Sehbehinderte, Schwerhorige, Geistigbe- hinderte, Korperbehinderte, Kranke, Lernbehinderte, Sprachbehinderte und Verhaltensge- storte (KMK 2006a, S. 243).
[15] Durchschnittliche Verteilung eines Schulerjahrgangs auf die Schularten in Jahrgangsstufe 9 (Schuljahr 2004/05): Hauptschule 25,6 %, Realschule 26,6 %, Gymnasium 30,3 %, Integrier- te Gesamtschule 7,2 %, Schule mit mehreren Bildungsgangen 9,6 % (Konsortium Bildungs- berichterstattung 2006, S. 239).
[16] Weiterbildungsangebote sind nicht grundsatzlich altersgebunden und werden von kommuna- len Einrichtungen, privaten Tragern, Einrichtungen der Kirche, der Gewerkschaften, der Kam- mern, der Parteien und Verbande, der Betriebe, offentlichen Verwaltungen, Elternschulen und Familienbildungsstatten, Akademien, Fachschulen, Hochschulen und Fernlehrinstitute angeboten (KMK 2006a, S. 33).
[17] Die Grundschule wurde als Einheitsschule fur alle Kinder in Deutschland ab 1920 gemaG des Reichsgrundschulgesetzes auf Grundlage des Artikels 146 der Weimarer Verfassung institutionalised (KMK 2006a, S. 79).
[18] In den Bundeslandern Berlin und Brandenburg dauert die gemeinsame Grundschulzeit sechs Jahre (§ 19 Abs. 3 BbgSchulG; § 17 Abs. 1 Schulgesetz fur das Land Berlin).
[19] Das ..Programme for International Student Assessment1' (PISA) ist eine internationale Schul- leistungsstudie und wird seit dem Jahr 2000 im dreijahrigen Turnus in den Teilnehmerstaaten durchgefuhrt.
[20] IGLU: Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung.
[21] Die Hauptschule umfasst die Jahrgangsstufen 5 - 9. In den Bundeslandern mit sechsjahriger Grundschule bzw. schulartunabhangiger Orientierungsstufe beginnt die Hauptschule in der Jahrgangsstufe 7. In Bundeslandern mit zehnjahriger Vollzeitschulpflicht schlieRt die Hauptschule die Jahrgangsstufe 10 mit ein (KMK 2o06a, S. 99).
[22] Die Realschule umfasst die Jahrgangsstufen 5 - 10. In den Bundeslandern mit sechsjahriger Grundschule bzw. schulartunabhangiger Orientierungsstufe umfasst die Realschule die Jahrgangsstufen 7 - 10. Daneben gibt es auch die drei und vier Klassenstufen umfassende Realschule fur Schuler der Hauptschule, die in Klasse 6 und 7 auf die Realschule wechseln kon- nen. Weiterhin existieren in einigen Bundeslandern im Sekundarbereich I Haupt- und Realschule nicht als eigenstandige Schulart. An der Mittelschule (Sachsen), der Sekundarschule (Sachsen-Anhalt) und der Regelschule (Thuringen) konnen sowohl Haupt- als auch Real- schulabschluss erworben werden (KMK 2006a, S. 100ff.).
[23] Das Gymnasium umfasst grundsatzlich die Jahrgangsstufen 5 - 13, in Bundeslandern mit sechsjahriger Grundschule bzw. schulartunabhangiger Orientierungsstufe 7 - 13. In den meisten Bundeslandern vollzieht sich zurzeit eine Umstellung auf das achtjahrige Gymnasium, so dass die Allgemeine Hochschulreife bereits nach 12 Schuljahren erworben werden kann (KMK 2006a, S. 100ff.).
[24] Gesamtschulen gibt es in integrierter und kooperativer Form. In Integrierten Gesamtschulen erfolgt ein Teil des Fachunterrichts in leistungsdifferenzierten Kursen. Kooperative Gesamtschulen fassen Hauptschule, Realschule und Gymnasium organisatorisch zusammen, wobei der Unterricht in auf die verschiedenen Abschlusse bezogenen Klassen erteilt wird. An bei- den Formen der Gesamtschule konnen nach der Jahrgangstufe 9 bzw. 10 alle Abschlusse des Sekundarbereichs I sowie die Obergangsberechtigung fur die gymnasiale Oberstufe (Sekundarbereich II) erworben werden (KMK 2006a, S. 101).
[25] Die gymnasiale Oberstufe gliedert sich in der Regel in eine einjahrige Einfuhrungsphase und eine zweijahrige Qualifikationsphase. Spatestens in der Qualifikationsphase erfolgt ein Ober- gang vom Unterricht im Klassenverband zum Unterricht in Kursen. Das Unterrichtsangebot wird durch Grundkurse und Leistungskurse dem Niveau nach differenziert (KMK 2006a, S. 111).
[26] Berufsfachschule, Fachoberschule, Berufliches Gymnasium/Fachgymnasium, Berufsober- schule, Berufsausbildung im dualen System.
[27] Die Orientierungsstufe umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 6. Die Schullaß fbahnentscheidung wird bis zum Ende der Klasse 6 offen gehalten (KMK 2006a, S. 31). S. o.
[28] S. o.
[29] In der Regionalen Schule werden die Bildungsgange der Haupt- und Realschule in integrier- ter Form zusammengefuhrt (Avenarius 2003, S. 56).
[30] Das Hamburger Abkommen (1964/71) enthalt allgemeine Feststellungen zu Beginn und Dau- er der Vollzeitschulpflicht, zur Dauer des Schuljahres und der Ferien, Bestimmungen und Bezeichnungen der Bildungseinrichtungen und deren Organisationsformen, zur Anerkennung von Prufungen und Zeugnissen. Auf Grundlage des Hamburger Abkommens erlasst die Kultusministerkonferenz Beschlusse zur landerubergreifenden Entwicklung des Schulwesens und der gegenseitigen Anerkennung der Schulabschlusse (KMK 2006a, S. 40).
[31] Ein weiterer Schulabschluss ist die Fachhochschulreife. Sie wird jedoch aufbauend auf einem anderen Schulabschluss (Mittlerer Schulabschluss) erworben. Die Schulabschlusse Hauptschulabschluss und Realschulabschluss gibt es auch in erweiterter Form. Sie ermoglichen dann den Ubertritt in die jeweils hohere Schulform.
[32] J Berufsausbildung im dualen System: Ausbildung an zwei Lernorten (Betrieb und Berufsschu- le).
[33] Der Schulerfolg, der letztendlich zum Selektionswirkung entfaltenden Bildungsabschluss fuhrt, ist „in hohem MaRe von der Herkunftsschicht und der Herkunftsfamilie abhangig“. Die Vorteile der sozialen und familialen Herkunft lassen sich zum groRten Teil nur uber das Bil- dungssystem in Statusvorteile „ummunzen“ (Rolff 1997, S. 239).
[34] Bezuglich der Reproduktionsfunktion von Ubergangsriten, die die zu vollziehende Statuspassage begleiten bzw. initiieren, verwendet Bourdieu den Begriff „Einsetzungsriten“ (1990, S. 84). Bourdieu hebt damit einen ganz wesentlichen Effekt des Ritus hervor: namlich „die Trennung derer, die ihn durchlaufen haben, nicht etwa von denen, die ihn noch nicht durch- laufen haben, sondern von denen, die ihn unter gar keinen Umstanden durchlaufen werden, also die Instituierung oder Setzung einer dauerhaften Unterscheidung zwischen denen, die von diesem Ritus betroffen sind, und denen, die nicht von ihm betroffen sind.“ Einsetzungsri- ten verdeutlichen somit, „daR jeder Ritus auf Bestatigung oder Legitimation abzielt, also darauf, daR eine willkurliche Grenze nicht als willkurlich erkannt, sondern als legitim und na- turlich anerkannt wird [...]“ (ebd., S. 84). Der Sinn der Einsetzung besteht nun darin, „Eigen- schaften sozialer Natur so zuzuschreiben, daR sie als Eigenschaften naturlicher Natur er- scheinen [...]“. Denn „die sozial wirksamsten Unterschiede sind diejenigen, die den Anschein erwecken, sie beruhten auf objektiven Differenzen“ (ebd., S. 85f.). Dieser Argumentation folgend, lasst sich den Einsetzungsriten eine entscheidende Funktion, die der Reproduktion (und damit einer fortwahrenden Konstituierung) sozialer Unterschiede, zuschreiben.
- Citation du texte
- Ron Klug (Auteur), 2007, Schulübergang von der Grundschule in die Sekundarstufe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152506
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