Video als Medium ist ungefähr drei Generationen alt. Seit den Olympischen Spielen in Berlin 1936, die erstmals durch den Einsatz von Videotechnik live übertragen wurden, hat dieses Medium umfassende Gestaltungsinnovationen herausgefordert. Die Videotechnik wurde zur Reproduktion der Wirklichkeit erfunden und erst eine Generation später aus ihrem funktionalen Rahmen gelöst. In die Kunst zog das Medium erst 1965 ein, durch die Einführung der relativ handlichen Ausführung einer Videokamera.
Diese Arbeit führt allgemein in die Arbeitsweisen, Gestaltungsprinzipien und Ästhetik der Videokunst ein. Im Zentrum stehen die Veränderungen, denen das Videobild als Material künstlerischer Arbeit bis heute ausgesetzt war, bedingt durch den künstlerischen Zeitgeist, aber besonders auch aufgrund der raschen technologischen Entwicklung des Mediums. Anhand einiger Arbeiten der Künstler Nam June Paik, Dan Graham, Bill Viola, Paul Garrin, Lynn Hershman werden diese Veränderungen exemplarisch aufgezeigt.
Inhalt
1 Einleitung
2 Allgemeine Einführung in Arbeitsweise und Gestaltungsprinzipien des Medium Video
3 Die Ästhetik der Videokunst
4 Die Entwicklung und Verwendung des Videobildes als künstlerisches Material
4.1 Die erste Phase: Die Ästhetik der "Realzeit"
4.1.1 Zu Beginn eine Rebellion
4.1.2 Do It Yourself - das erste eigene Videomaterial
4.1.3 Ich sehe mich sehe mich... - das Closed-Circuit Verfahren
4.1.4 Die Geburt eines neuen Selbstbildnis
4.1.5 Das immaterielle Videobild
4.1.6 Der Einzug der Videokunst ins Fernsehprogramm
4.2 Die zweite Phase
4.2.1 Die Ästhetik der "Realzeit" ist tot – eine neue Zeitästhetik für eine neue Künstlergeneration
4.2.2 Digitalität, Bearbeitung und Adaption, Appropriation der Bilder als Objet trouvée
4.2.3 Wieder die Auseinandersetzung mit den Fernsehbildern
4.2.4 Konstruktion der Narration durch den Betrachter
4.2.5 Abhärtung der Zuschauer durch Bilderüberflutung
4.2.6 Kurzes Fazit
4.3 Dritte Phase
4.3.1 Interaktion zwischen Betrachter und Videobild
4.3.2 Der Rezipient als Protagonist
5. Schluss
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Video als Medium ist ungefähr drei Generationen alt. Seit den Olympischen Spielen in Berlin 1936, die durch den Einsatz von Videotechnik erstmals live ausgestrahlt werden konnten, hat es umfassende Gestaltungskonzepte, -innovationen und Realisationen herausgefordert. Die Videotechnik wurde zur realitätsnahen Reproduktion und zur Information erfunden, erst eine Generation später wurde die Videotechnik aus ihrem funktionalen Rahmen gelöst. In die Kunst zog das Medium dann erst durch die Einführung des "Portapack", der relativ handlichen Ausführung einer Videokamera der Firma Sony, im Jahre 1965 ein. Ich möchte in meiner Arbeit zuerst allgemein in die Arbeitsweisen, Gestaltungsprinzipien und Ästhetik der Videokunst einführen. Der Hauptteil der Arbeit geht dann auf die Veränderungen ein, denen das Videobild als Material künstlerischer Arbeit seit jener Zeit bis heute ausgesetzt war, bedingt durch den künstlerischen Zeitgeist, aber besonders auch aufgrund der raschen technologischen Entwicklung des Mediums. Anhand einiger Arbeiten der Künstler Nam June Paik, Dan Graham, Bill Viola, Paul Garrin, Lynn Hershman und anderen möchte ich diese Veränderungen exemplarisch aufzeigen.
2 Allgemeine Einführung in Arbeitsweise und Gestaltungsprinzipien des Medium Video
"Was ist Video ? Video ist ein technisches Verfahren zur elektromagnetischer Aufzeichnung von Bildern. Grob gesagt, ein Tonband, mit dem man filmen kann. Doch lässt sich damit nicht nur die Sportschau aufzeichnen, mit Video kann jeder sein eigenes Fernsehen machen."[1]
In der Arbeit mit Video werden als technologische Mittel zum einen Videokamera, Videorecorder, Videoband sowie Computerprogramme zur digitalen Bildbearbeitung verwendet. Diese technischen Grundlagen sind auf Reproduzierbarkeit und Nicht-Originalität angelegt. Wesentliche Merkmale des Verfahrens bestehen zum einen in der sofortigen Kontrolle der Bilder, Gleichzeitigkeit von Vorgang und Abbild, von Realität und Reproduktionen, zum anderen in zahlreichen elektronischen Möglichkeiten (z.B. Kombination mit Synthesizern, Blue Box, Feedback usw.) So können künstliche Realitäten, Interaktion, Digitalität und Transformation erzeugt werden.
Da nicht wie in der Malerei eine Leinwand als Bildträger dient, sondern die Wiedergabe der Bilder auf Fernsehgeräten, Monitoren oder mit Hilfe von Projektoren erfolgt, ist eine Darstellung in verschiedensten Räumlichkeiten mit unterschiedlichsten Lichtverhältnissen möglich. Daraus resultieren verschiedenste Kombinationsmöglichkeiten in der Komposition von Gesamtkunstwerken.
Ein wesentlicher Teil der künstlerischen Gestaltung eines Videobandes liegt in der möglichen Manipulation des Zeitablaufs. (Slow-Motion und Zeitraffer, schnelle und langsame Schnittfolge) Daraus entwickelten sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Ansätze, wie die Ästhetik der "Realzeit", die als erste Strömung genannte werden kann, und die Ästhetik der "imaginären Zeit"[2], auf welche ich später genauer eingehen werde.
Die "Augenblicklichkeit", das gleichzeitige Aufnehmen und Wiedergeben (CLOSED-CIRCUIT), die damit verbundene Echtzeitwiedergabe (realtime) sowie die synchrone Aufnahme von Bild und Ton zählen zu den wichtigsten Möglichkeiten des Mediums Video. Mit diesen Mitteln kann eine einmalige Aktualität ohne Anfang und Ende hergestellt werden. Dadurch kann der Betrachter für die Zeitlichkeit von Wahrnehmungsakten sensibel gemacht werden.
Einen wesentlichen Aspekt der Gestaltungsprinzipien in der Videokunst stellt auch die Eigenständigkeit des Künstlers in der Ausführung seiner Arbeit dar, was eine große Veränderung der Aufnahmesituation gegenüber dem Film im klassischen Sinn mit sich bringt. Alle Funktionen bei der Produktion eines Bandes, von der Idee über die Regie, die Darstellung und die Aufnahme bis hin zur Verarbeitung im Schnitt und der elektronischen Nachbearbeitung kann der Videokünstler theoretisch selbst ausführen:
"...alles hab ich gemacht: die Produktion, die Regie, das Buch, die Kamera, die Beleuchtung, den Ton, die Darsteller, den Schnitt, die Maske, das Kostüm. Ich mag Spezialistentum nicht, weil es weite Strecken des Gehirns und viele Teile des Körpers immer mehr und mehr verkümmern lässt...Indem ich alles selbst gemacht habe, konnte ich mich endlich universell verwirklichen. Es war die Aufhebung der Trennung von Kopf- und Handarbeit."[3] Friederike Petzold 1982
Diese Eigenständigkeit des Künstlers und das damit verbundene Alleinsein bei der Arbeit ist ein wesentlicher Grund für das Entstehen von sehr eindringlichen und intimen Dialogen zwischen Kamera und Künstler.
Video als Medium bietet außerdem auch die Möglichkeit der Beschäftigung mit musikalischen, bzw. akustischen Gestaltungsmöglichkeiten, die sogar gleichberechtigt mit dem Bild sein kann. Der Übergang zum Videoclip ist daher oft fließend.
Bis in die heutige Zeit entwickelte sich das Medium stark hin zu einer Verschmelzung mit Computertechnologie. In dieser Verschmelzung kann ein Videobild auf jegliche Art und Weise manipuliert oder auch ausschließlich am Bildschirm generiert werden. Außerdem ist der Betrachter ist im Laufe dieser Entwicklung selbst Bestandteil des Kunstwerkes geworden, durch zunehmende Integration und Interaktion zwischen Mensch und Computer. Im Cyberspace sind konventionelle Sub- und Objektivitäten aufgelöst.
3 Die Ästhetik der Videokunst
Walter Benjamins Überlegungen entsprechend besitzt das beliebig reproduzierbare Videobild keine Aura[4], aber auch in anderer Hinsicht verändert Videokunst, als eine elektronische Kunst tradierte Kunstbegriffe. Die überlieferten Begriffe der Kunsttheorie und -rezeption werden fragwürdig, denn die Videokunst ist eine ,,Ganzkörpererfahrung", wie sie es in der bisherigen Kunstgeschichte nicht gab. Der Betrachter ist nicht mehr in der Rolle eines stillen Wahrnehmenden, sondern wird aus seiner Passivität gerissen, um mit seiner körperlichen und geistigen Fähigkeit das Bild zu beeinflussen. Das mediale Bild existiert meist nicht im unverändertem Status, es hat seine Erscheinung in der Ausstrahlung des Monitors ohne jegliche Permanenz. Es kann unendlich multipliziert werden, ohne seiner Authentizität beraubt zu sein. So entfällt der sonst übliche Standard von Kunst, Sammler- oder Investitionsobjekt zu sein. Videoarbeiten können wie keine Kunst zuvor, räumliche Illusionen schaffen. Eine Entgrenzung der Kunst in das Leben hinein ist durch die Videokunst, besonders mit interaktiven Arbeiten möglich geworden. Sie fordert den Betrachter auf, sich auf eine neue Wahrnehmungs- und Handlungsebene einzulassen, wodurch eine Ästhetik des Handelns entsteht.
4 Die Entwicklung und Verwendung des Videobildes als künstlerisches Material
Ich möchte nun zum Hauptteil meiner Arbeit kommen. Grundsätzlich lassen sich die Ansätze der künstlerischen Arbeit mit dem Medium Video in drei unterschiedliche Bereiche unterteilen, wobei neben allgemein-künstlerischen Tendenzen die technologische Entwicklung des Mediums ausschlaggebende Impulse gab. Die erste Phase ist in der Zeit von 1963 bis Mitte der 70er Jahre einzuordnen. Von hier bis zur Mitte der 80er Jahre ist die zweite Phase anzusetzen, in der sich eine neue Ästhetik entwickelt, die bis heute noch die Videokunst wesentlich bestimmt. Die dritte Phase dagegen ist bedingt durch eine sprunghafte Entwicklung der Medientechnologie. In ihr liegt der Grundstein für die aktuelle Medienkunst, auf die ich jedoch nicht weiter eingehen werde. An verschiedenen Beispielen möchte ich die unterschiedlichen Ansätze exemplarisch veranschaulichen.[5]
4.1 Die erste Phase: Die Ästhetik der "Realzeit"
4.1.1 Zu Beginn eine Rebellion
"Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert- jetzt schlagen wir zurück ! Ich möchte die Elektronik humanistischer, bewußter für die Problematik der darzustellenden Realität und diese sichtbarer machen. Ich liebe die anti-technische Technologie." Nam June Paik[6]
Der Beginn der Videokunst lässt sich auf den März 1963 datieren. In einer Ausstellung des Koreaners Nam June Paik ,,Exposition of music - Electronic television" in der Wuppertaler Galerie Parnass werden auf zwölf Fernsehgeräten Fernsehbilder gezeigt, die durch die Verwendung von an der Bildröhre angebrachten Magneten verändert und verzerrt werden. Teils zufällig, teils vorbestimmt zeichnet Paik so elektronische Linien.(Abb.1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1
Er befindet sich mit diesen Arbeiten inmitten der Fluxus-Bewegung der sechziger Jahre, die in einer Art Anti-Geste als Hauptimpuls die spielerische, ironische und auch zerstörerische Verfremdung von Gegenständen, Wertvorstellungen und Traditionen hat Diese Veränderungs- und Wandlungsprozesse zeigen sich in vielen Konzerten, Aktionen, Happenings, Ausstellungen und Lesungen.
Es ist eine Zeit, in der sich der Prozess des Kunstschaffens und die Wahrnehmung von Kunst verändert. Das Engagement der Künstler richtet sich auf die unmittelbare Erfahrung der physischen Präsenz ihres Materials.
Nam June Paik, der eigentliche ,,Vater" der neuen Kunstform Videokunst, gehört dieser Fluxus-Bewegung an, wie auch die Künstler Wolf Vostell und später auch Joseph Beuys. Paiks Art und Weise mit Kamera, Monitor und technischen Hilfsmitteln umzugehen, ist innerhalb der Kunstgeschichte neu. Das Fernsehgerät wird als Objekt behandelt und misshandelt. Die Bildinformationen werden mit Hilfe von Magneten verändert, der Informationsfluss unterbrochen, die vorgegebene Richtung vom Gerät zum passiven Konsumenten unterbrochen. Die Fernsehkiste wird stellvertretend ‚bestraft’ aus Aggression gegen die Informationsüberflutung mit scheinbaren Fakten und die Manipulationsmöglichkeiten. Der Zuschauer wird `befreit´.[7]
Diese Aggression ist in den meisten Arbeitern der Künstler dieser Video-Anfangszeit zu sehen, besonders bei Nam June Paik "Zen for TV", Wolf Vostell "TV-Begräbnis", Joseph Beuys "Filz-TV", aber auch bei Wolf Kahlen, Ingo Günter, Günther Uecker. Neben der allgemeinen Ablehnung des Fernsehens als Kulturträger war es diesen Künstlern wichtig, den Fernseher als reine Informationsquelle und als skulpturales Objekt zu thematisieren.
Ich möchte hier als weiteres Beispiel neben Nam June Paiks Bildmanipulationen Wolf Vostell anführen. 1963, kurz nach Paik stellt der Fluxus-Künstler in der ,,Smolin Gallery" unter dem Begriff ,,De-collage" sechs Fernsehgeräte mit verschiedenen Bildmanipulationen vor. Vostell führt im gleichen Jahr eine ganze Reihe von Aktionen mit dem Fernsehgerät durch, u.a. die Betrachtung der Nachrichtensendung auf einem vorher mit einer Sahnetorte beworfenen Apparat, oder auch die Tötung des Geräts durch einen gezielten Schuss. Die wichtigste und bezeichnendste ist wohl die des "TV-Begräbnis". Unter dem Beisein der Zuschauer des YAM- Festivals im Mai 1963 umwickelt er einen angeschlossenen und laufenden Fernsehapparat mit Stacheldraht und versenkt ihn in der Erde.
Zu diesem Zeitpunkt stehen den Künstlern noch keine technische Geräte zur eigenen Produktion von Bildmaterial zur Verfügung. 1965 ändert sich die Arbeitsweise rasant, als ein neues Produkt auf den Markt kommt:
4.1.2 Do It Yourself - das erste eigene Videomaterial
Im Jahr 1965 ändert sich die Arbeitsweise der Videokünstler, als die Firma Sony eine tragbare Videoausrüstung (das sogenannte Portapack) preisgünstig auf den Markt bringt. Mit diesem Gerät kann Bild und Ton synchron aufgezeichnet und gleich wieder abgespielt werden. Diese Möglichkeit selbst elektronische Bilder herstellen zu können, ohne teure Studiogeräte von Fernsehanstalten zu benötigen, eröffnet der Videokunst ein neues breites Einsatzfeld und den Künstlern ein großes Experimentierpotential. Nam June Paik formuliert noch im gleichen Jahr:
[...]
[1] Herzogenrath 1982, S .1.
[2] Torcelli 1996, S. 169.
[3] Herzogenrath 1982, S. 105.
[4] Benjamin, 1979.
[5] Wesentliche Anregung zu diesem Kapitel verdanke ich Violetta Torcelli, Video Kunst Zeit, 1996.
[6] Paik in: Herzogenrath 1983.
[7] Vgl. Herzogenrath 1982, S. 27.
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