"Warum ging Sokrates den Schönen nur nach, wenn Gestaltverächter und Körperlose sich heute ungestraft als Jünger rühmen?"1 So beginnt H. Friedemann sein Kapitel über den Gott der Liebe, den Eros. Ich finde das dieser Einstieg immer noch gut paßt, denn wenn man heute einen Menschen, der nichts mit der Philosophie zu tun hat, fragt, was er mit dem Namen Platon verbindet, wäre mit Sicherheit der Begriff der "platonischen Liebe" einer der ersten die ihm einfallen würden. Dabei meint er wahrscheinlich, wenn er zum Beispiel sagt, "unsere Liebe ist rein platonisch", daß man sich im eigentlichen Sinne nicht liebt, schon gar nicht körperlich, sondern nur auf geistiger Ebene gut miteinander auskommt. Jede Form von körperlicher Beziehung ist dabei grundsätzlich ausgeschlossen. Um zu überprüfen, was platonische Liebe wirklich ist, muß man bei Platon selbst nachlesen.
Platon hat in mehreren Werken über die Liebe, den Eros, geschrieben. Zwei Bücher sind jedoch fast vollständig dem Eros gewidmet. Das Gastmahl und der Phaidros, bei dem, unter Philosophen, immer noch gestritten wird, ob dieser wirklich von Platon geschrieben worden ist.
Mit Hilfe des Phaidros und des Symposion soll versucht werden folgende Fragen zu klären: Was ist das Wesen des Eros und in welcher Weise wirkt der Eros auf den Menschen? Daraus folgt eine Bewertung, ob der Eros für den Menschen eher schlecht oder gut ist. Dabei wird sich auch zeigen, ob die allgemeine Meinung mit Platons Realität übereinstimmt.
Im Symposion wird auch kurz auf die Vorredner des Sokrates eingegangen werden, da der inhaltliche Zusammenhang, in dem die Rede des Sokrates steht, wichtig ist. Außerdem kann man an den Vorreden Platons Verhältnis zu seinen Zeitgenossen und deren Verständnis zum Eros sehen.
Zum Schluß sollen beide Bücher hinsichtlich Übereinstimmungen und Unterschiede verglichen werden, um ein Bild des Eros bei Platon zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Eros im Phaidros
2.1. Einleitendes Gespräch
2.2. Die Eros Rede des Lysias
2.3. Erste Rede des Sokrates
2.4. Zweite Rede des Sokrates
3. Der Eros im Symposion
3.1. Einleitendes Gespräch
3.2. Rede des Phaidros
3.3. Rede des Pausanias
3.4. Rede des Eryximachos
3.5. Rede des Aristophanes
3.6. Rede des Agathon
3.7. Rede des Sokrates
4. Zusammenfassung und Bewertung
4.1. Das Wesen des Eros
4.2. Die Wirkung des Eros auf den Menschen
4.3. Bewertung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
"Warum ging Sokrates den Schönen nur nach, wenn Gestaltverächter und Körperlose sich heute ungestraft als Jünger rühmen?"[1] So beginnt H. Friedemann sein Kapitel über den Gott der Liebe, den Eros. Ich finde das dieser Einstieg immer noch gut paßt, denn wenn man heute einen Menschen, der nichts mit der Philosophie zu tun hat, fragt, was er mit dem Namen Platon verbindet, wäre mit Sicherheit der Begriff der "platonischen Liebe" einer der ersten die ihm einfallen würden. Dabei meint er wahrscheinlich, wenn er zum Beispiel sagt, "unsere Liebe ist rein platonisch", daß man sich im eigentlichen Sinne nicht liebt, schon gar nicht körperlich, sondern nur auf geistiger Ebene gut miteinander auskommt. Jede Form von körperlicher Beziehung ist dabei grundsätzlich ausgeschlossen. Um zu überprüfen, was platonische Liebe wirklich ist, muß man bei Platon selbst nachlesen.
Platon hat in mehreren Werken über die Liebe, den Eros, geschrieben. Zwei Bücher sind jedoch fast vollständig dem Eros gewidmet. Das Gastmahl und der Phaidros, bei dem, unter Philosophen, immer noch gestritten wird, ob dieser wirklich von Platon geschrieben worden ist.
Ich möchte mit Hilfe des Phaidros und des Symposion versuchen folgende Fragen zu klären: Was ist das Wesen des Eros und in welcher Weise wirkt der Eros auf den Menschen? Daraus folgt eine Bewertung, ob der Eros für den Menschen eher schlecht oder gut ist. Dabei wird sich auch zeigen, ob die allgemeine Meinung mit Platons Realität übereinstimmt.
Ich gehe im Symposion auch kurz auf die Vorredner des Sokrates ein, da ich denke, daß der inhaltliche Zusammenhang in dem die Rede des Sokrates steht, wichtig ist. Außerdem kann man an den Vorreden Platons Verhältnis zu seinen Zeitgenossen und deren Verständnis zum Eros sehen.
Zum Schluß werde ich beide Bücher hinsichtlich Übereinstimmungen und Unterschiede vergleichen, um ein Bild des Eros bei Platon zu erhalten.
Angaben bei Zitaten aus dem Phaidros bzw. dem Symposion, die in eckigen Klammern geschrieben sind, beziehen sich immer auf die Seitenzahlen der Schleiermacher Übersetzung. Bei der von Worm herausgegebenen CD "Platon im Kontext", die eine Gesamtausgabe von Platon in der Übersetzung von Schleiermacher enthält, sind keine Seitenzahlen vorhanden. Daher werde ich bei Zitaten daraus ausschließlich die Seitenzahlen der Schleiermacher Übersetzung angeben können.
2. Der Eros im Phaidros
2.1. Einleitendes Gespräch
Sokrates trifft vor den Mauern Athens den Phaidros. Dieser kommt gerade von einer Rede des Lysias, über die Vorzüge und Nachteile der Liebe. Sokrates schließt sich ihm an und sie suchen gemeinsam einen Platz zum Rasten.
Ihre Wahl fällt auf einen schattigen Platz unter einer Platane. Schon hier zeigt sich, wie wichtig das folgende Gespräch ist. Die Stelle scheint nicht zufällig gewählt, denn Sokrates betont, "es scheint ein heiliger Ort zu sein"[2].
Nachdem Sokrates bei Phaidros eine Schriftrolle, die den Text von Lysias Rede enthält, entdeckt hat, fordert er Phaidros auf, ihm die Rede vorzulesen.
2.2. Die Eros Rede des Lysias
Es wird schnell[3] klar, daß der Verfasser der Rede, die hier von Phaidros vorgetragen wird, die Liebe an sich und ihre Wirkung auf den Menschen als schlecht ansieht. Die These des Lysias ist nämlich, "man müsse eher dem zu Willen sein, der nicht verliebt ist, als dem Verliebten"[4].
Um diese These zu untermauern, stellt Lysias Thesen auf, die an Beispielen verschiedener Wirkungsweisen der Liebe zeigen, welche negativen Auswirkungen die Liebe auf den Menschen und seine Beziehungen zu anderen Menschen hat.
Man sieht schon bei seiner ersten These, daß die Vorstellung, die Lysias von der Liebe hat, eher die einer rein körperliche Beziehung ist. Denn er sagt, daß Verliebte unter dem Druck der Begierde zum Geliebten gute Taten tun würden, die sie dann beim Wegfall der Begierde sofort bereuen würden. Nicht Verliebte dagegen, würden diese guten Taten von vorne herein aus freiem Willen tun und somit nichts zu bereuen haben[5]. Dieses Beispiel zeigt auch, daß die Begierde, die Lysias beschreibt dem freien Willen entgegengestellt wird und somit selbst eine Art von außen kommender Zwang ist.
Die nächste These zielt auf das selbe ab, wenn er behauptet, Verliebte würden irgendwann anfangen abzuwägen zwischen den guten Taten, die sie für den Geliebten tun und den Versäumungen, die sie dadurch erleiden.
Wichtiger ist der Punkt den Lysias danach anspricht, da dieser von Sokrates, in seiner zweiten Rede, aufgenommen wird. Es geht dabei darum, daß der Verliebte, um das Beste für den Geliebten zu erreichen, sich auch in feindlicher Weise gegen andere richten würde. Das könnte dazu führen, daß er in Zukunft auch gegen seinen jetzigen Geliebten vorgehen würde, wenn es seine neue Liebe erfordert. Diese Art von Wesensänderung bezeichnet Lysias als krankhaft, verstandlos und wahnsinnig[6].
Natürlich hat Lysias auch praktische Gründe gegen das Verliebtsein. Da man als Verliebter, im Gegensatz zu den nicht Verliebten, nur aus einer kleinen Gruppe von Menschen wählen kann, ist die Wahl des passenden Lebenspartner viel schwieriger.
Die folgenden moralischen Einwände die Lysias hat, sind so, daß er glaubt Verliebte würden vor anderen mit ihren Eroberungen protzen, um Ehre zu bekommen, Nicht Verliebte dagegen würden eher nach dem Besten streben. Außerdem meint er, daß wenn die Menschen zwei Verliebte zusammen sehen, sie immer denken, die beiden hätten gerade Sex gehabt.
Im weiteren Verlauf der Rede werden Verliebte als paranoid und eifersüchtig bezeichnet, da sie immer denken, ein anderer könnte, z.B. durch sein Geld, ihm den Geliebten abwerben.
Zum Schluß bestreitet er noch die Ehrlichkeit der Verliebten. Verliebte würden ihren Geliebten nur gutes sagen und ihn loben, auch wenn dazu kein Grund besteht, aus Angst, er könnte den Geliebten verlieren. Das zeigt, daß der Verliebte nicht urteilsfähig ist. Damit endet die Rede des Lysias.
2.3. Erste Rede des Sokrates
Als erstes[7] lobt Sokrates die Vortragsweise und den Stiel der Rede, die Phaidros vorgetragen hat. Dennoch hat Lysias, in wunderbaren Worten, eine Rede präsentiert, die einseitig und schlecht strukturiert ist.
Sokrates ziert sich seinerseits eine Rede zu halten, wird jedoch von Phaidros in einen Bann gezogen. Was dieser Bann genau ist, wird in der zweiten Rede des Sokrates klar, wenn er im Seelengleichnis von den Wirkungen des schlechten Pferdes spricht.
Dieser Bann bringt Sokrates dazu, nicht seine Rede zu halten, sondern es wird klar, daß diese Rede vom Phaidros stammt, wenn Sokrates sagt:
"Es war also ein Knabe oder vielmehr ein halb erwachsener Jüngling, der war gar schön, und hatte der Liebhaber sehr viele. Unter diesen war einer sehr listig, welcher den Knaben, in den er nicht minder als einer verliebt war, dennoch überredet hatte, er sei es nicht; und einmal als er auch in ihn drang, überredete er ihn eben dieses, daß er den Nichtverliebten vor dem Verliebten begünstigen müsse. Er redete aber also:"[8]
Die Rede hat thematisch das selbe Ziel, wie die Rede des Lysias. Sokrates ändert nur die Struktur. Als erstes will er die Definition des Begriffes, in diesem Fall die Liebe, klären. Dazu muß man erst sein Wesen bestimmen und als zweites seine Wirkung auf den Menschen. Danach kann man dann sein Urteil fällen, ob der behandelte Begriff zum Nutzen oder Schaden für den Menschen ist.
Entsprechend dieser Struktur bestimmt Sokrates zuerst das Wesen der Liebe. Liebe ist Begierde. Aber auch nicht Verliebte empfinden Begierde. Somit muß zuerst die Begierde definiert werden. In allen Menschen sind zwei Mächte, zwei Formen der Begierde. Eine uns angeborene Begierde nach körperlicher Lust und eine von uns erworbene Begierde nach dem Besten zu streben. Diese Form der Begierde bezeichnet Sokrates als Besonnenheit, die andere, körperliche Form, ist Ausschweifung.
Sokrates ist jetzt bereit das Wesens der Liebe zu bestimmen. Die Begierde, die nur zur Schönheit des Körpers strebt, ist seiner Meinung nach die Liebe.
Aus dieser Definition, kann die Wirkung der Liebe auf den Menschen bestimmt werden. Er tut dies am Beispiel des knabenliebenden Verliebten, der, um seinen geliebten und den damit verbundenen körperlichen Genuß, nicht zu verlieren, versucht zu verhindern, daß der Geliebte sich zum Mann entwickelt. Dieses würde nämlich zur Unabhängigkeit und damit zum Verlust des Geliebten führen. Er tut dies, indem er den Knaben von Gesprächen mit anderen und somit von der Philosophie fernhält. Das führt dazu, daß der Verstand des Knaben sich nicht entwickeln und er somit nicht zu einem besonnenen Urteil kommen kann. Dieses besonnene Urteilsvermögen würde, laut Definition der Begierde, zum Besten führen. Daraus folgt, daß die Wirkung der Liebe auf den Geist des Menschen nicht zu seinem Nutzen ist.
Jetzt fehlt nur noch die Wirkung der Liebe auf den Körper und die entsprechende Bewertung.
Der Verliebte möchte natürlich auch das körperliche Idealbild seines Geliebten erhalten. Das Idealbild ist weiß, weich und jung. Diese körperliche Weichheit führt wieder zu einer Abhängigkeit zum Verliebten. Und auch, daß der Verliebte die Bildung von Vermögen und Freundschaft des Geliebten verhindert, führt zur Abneigung und somit zur Verhinderung von Freundschaft zwischen den beiden.
An dieser Stelle bricht Sokrates seine Rede ab. Abschließend kann man sagen, daß er, in dieser Rede des Phaidros, die Wirkung der Liebe auf den Menschen, sowohl geistig wie körperlich, als schlecht ansieht.
[...]
[1] Friedemann, Platon, 1931, S.50
[2] Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.34 [230C]
[3] Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.34ff [230E-237A]
[4] Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.30 [227D]
[5] Vgl. Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.35 [231A]
[6] Vgl. Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.35 [231B-231C]
[7] Apelt(Hrsg.), Phaidros, S.43ff [237a-241d]
[8] Worm(Hrsg.), Platon im Kontext, [237b]
- Arbeit zitieren
- M.A. Thorsten Scherff (Autor:in), 2002, Platons Eros - Über die platonische Liebe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15045
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