Die Betonung von Respekt, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Freiheit und unter anderem das Verbot von harten Drogen kennzeichnen die Selbstdarstellung des berüchtigten Motorradclubs der Hells Angels. Weltweit bekannt geworden ist der Verein jedoch nicht durch die vorbildliche Tugendhaftigkeit seiner Mitglieder, sondern vielmehr aufgrund regelmäßiger Gewaltexzesse innerhalb der Rockerszene, sowie der Unterstellung in kriminelle Aktivitäten wie Zuhälterei, Raub, Schutzgelderpressung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel verstrickt zu sein. Auch in Deutschland geriet der gewaltsame, scheinbar eskalierende Konflikt zwischen Hells Angels und dem konkurrierenden Rockerclub Bandidos jüngst zunehmend in den Blickpunkt von Medien und Polizeibehörden. Gerade der Übertritt von 70 Mitgliedern der Bandidos in die Reihen der Hells Angels Ende Januar 2010 wird von den Sicherheitsbehörden als Beginn einer neuen Stufe der Gewalt und einem verstärkten Kampf um die Vorherrschaft im Rotlichtmilieu, Drogen- und Waffenhandel, sowie Schutzgeldgewerbe angesehen.
Folgt man der medialen Berichterstattung, ergibt sich das Bild einer Rockerszene, die abgekoppelt und unbeeindruckt vom staatlichen Rechtssystem nach eigenen Regeln operiert und diese Regeln niedrigschwellig mit Gewalt durchsetzt. Wohlwissend um massenmediale Eigenlogiken und die daraus resultierende Überspitzung der Thematik im gesellschaftlichen Diskurs scheint es vor diesem Hintergrund und der erfolgreichen Abschottung der Hells Angels gegenüber polizeilicher Aufklärung dennoch grotesk, von einem staatlichen Monopol physischer Gewaltsamkeit zu sprechen. Kernfrage dieser Arbeit wird es daher sein, ob die kriminellen Aktivitäten der Hells Angels tatsächlich das staatliche Gewaltmonopol in Deutschland untergraben und so zu seiner Erosion beitragen.
Selbstverständlich kann in diesem Kontext ein Übertreten gesetzlicher Grenzen oder speziell Erscheinungsformen organisierter, krimineller Gewalt nicht gleich das Ende des staatlichen Gewaltmonopols bedeuten. Vielmehr rückt nicht die bloße Anwendung von physischer Gewaltsamkeit, sondern ihre Legitimität ins Zentrum der Analyse, denn nur, falls sich die Gewalt der Hells Angels in gewissen Grenzen inter-subjektiv rechtfertigen ließe und damit Unterstützung aus Teilen der Bevölkerung zu erwarten wäre, ließe sich auch eine Konkurrenz für das staatliche Monopol legitimer Gewalt begründen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 2. GESELLSCHAFTSTHEORETISCHE GRUNDLEGUNGEN
- 2.1 MACHTKÄMPFE
- 2.2 GEWALT UND LEGITIMITÄT
- 3. ENTSTEHUNG UND KRISE DES GEWALTMONOPOLS
- 3.1 ENTSTEHUNG MODERNER STAATLICHKEIT
- 3.2 KRISE DES GEWALTMONOPOLS
- 4. HELLS ANGELS UND DIE GEWALT
- 4.1 ENTSTEHUNG UND GESCHICHTE
- 4.2 SOZIOLOGIE DER HELLS ANGELS
- 5. FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob die kriminellen Aktivitäten der Hells Angels das staatliche Gewaltmonopol in Deutschland untergraben. Sie fragt nach der Legitimität der Gewaltanwendung der Hells Angels und deren möglicher Konkurrenz zum staatlichen Gewaltmonopol. Der Kontext wird durch eine Analyse sozialer Interaktion, der Entstehung und Krise des Gewaltmonopols sowie einer Untersuchung der Hells Angels als nicht-staatliche Gewaltakteure geschaffen.
- Das staatliche Gewaltmonopol und seine Krise
- Die Hells Angels als nicht-staatliche Gewaltakteure
- Legitimität von Gewalt und Machtkämpfe in der Gesellschaft
- Soziale Interaktion und die Rolle von Gewalt
- Die gesellschaftliche Einbettung der Hells Angels
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Untergrabung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Hells Angels in den Mittelpunkt. Sie beschreibt den scheinbar eskalierenden Konflikt zwischen den Hells Angels und den Bandidos und die mediale Darstellung der Rockerszene als vom staatlichen Rechtssystem abgekoppelt. Die Arbeit untersucht, ob die Gewalt der Hells Angels tatsächlich eine Konkurrenz zum staatlichen Gewaltmonopol darstellt und bezieht sich dabei auf den Diskurs um „failed states“. Die Legitimität der Gewaltanwendung wird als entscheidender Aspekt hervorgehoben, wobei die mögliche funktionale und territoriale Beschränkung der Hells Angels auf die Bereitstellung von Sicherheit als Faktor der Legitimierung diskutiert wird. Methodische Herausforderungen wie die begrenzte wissenschaftliche Literatur und die Problematik der medialen Darstellung werden angesprochen.
2. Gesellschaftstheoretische Grundlegungen: Dieses Kapitel analysiert soziale Interaktion mit Fokus auf Gewalt und Legitimität. Es diskutiert den Wandel sozialer Beziehungen durch Globalisierungsprozesse und das Ende des nationalstaatlichen Modells. Unter Bezugnahme auf Max Weber und Pierre Bourdieu wird der Begriff der Macht und Machtkämpfe als Grundlage gesellschaftlicher Interaktion erläutert. Macht wird als Chance zur Durchsetzung des eigenen Willens definiert und mit Bourdieus Kapitalbegriff (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) in Verbindung gebracht. Die Dynamik von Machtkämpfen und die daraus resultierenden Ordnungen und Regeln werden analysiert, wobei Webers Konzept von Legitimität und Searles Theorie sozialer Ordnung berücksichtigt werden.
Schlüsselwörter
Gewaltmonopol, Hells Angels, Rockerbanden, organisierte Kriminalität, Legitimität, Macht, Machtkämpfe, Staatlichkeit, Postmoderne, Globalisierung, soziale Interaktion, Kapital (Bourdieu), soziale Ordnung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: "Untergrabung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Hells Angels?"
Was ist das zentrale Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht, ob die kriminellen Aktivitäten der Hells Angels das staatliche Gewaltmonopol in Deutschland untergraben. Sie analysiert die Legitimität der Gewaltanwendung der Hells Angels und deren mögliche Konkurrenz zum staatlichen Gewaltmonopol im Kontext sozialer Interaktion, der Entstehung und Krise des Gewaltmonopols sowie der Hells Angels als nicht-staatliche Gewaltakteure.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Gesellschaftstheoretische Grundlegungen (inkl. Macht und Machtkämpfe sowie Gewalt und Legitimität), Entstehung und Krise des Gewaltmonopols, Hells Angels und die Gewalt (inkl. Entstehung und Geschichte sowie Soziologie der Hells Angels) und Fazit.
Welche gesellschaftstheoretischen Grundlagen werden behandelt?
Das zweite Kapitel analysiert soziale Interaktion mit Fokus auf Gewalt und Legitimität, unter Berücksichtigung von Globalisierungsprozessen und dem Ende des nationalstaatlichen Modells. Es bezieht sich auf Max Weber und Pierre Bourdieu, um Macht, Machtkämpfe, Legitimität und soziale Ordnung zu erläutern. Der Kapitalbegriff Bourdieus (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) spielt eine wichtige Rolle.
Wie werden die Hells Angels in der Arbeit betrachtet?
Die Hells Angels werden als nicht-staatliche Gewaltakteure analysiert. Die Arbeit untersucht ihre Entstehung und Geschichte, ihre soziale Struktur und ihre Rolle im Kontext des staatlichen Gewaltmonopols. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage nach der Legitimität ihrer Gewaltanwendung und ihrer möglichen Konkurrenz zum Staat.
Welche methodischen Herausforderungen werden angesprochen?
Die Einleitung thematisiert methodische Herausforderungen wie die begrenzte wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema und die Problematik der medialen Darstellung der Hells Angels und ihrer Aktivitäten.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Gewaltmonopol, Hells Angels, Rockerbanden, organisierte Kriminalität, Legitimität, Macht, Machtkämpfe, Staatlichkeit, Postmoderne, Globalisierung, soziale Interaktion, Kapital (Bourdieu), soziale Ordnung.
Was ist die zentrale Forschungsfrage?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Untergraben die kriminellen Aktivitäten der Hells Angels das staatliche Gewaltmonopol in Deutschland?
Wie wird die Legitimität der Gewalt behandelt?
Die Legitimität der Gewaltanwendung, sowohl staatlicherseits als auch seitens der Hells Angels, ist ein zentraler Aspekt der Arbeit. Es wird untersucht, ob und wie die Hells Angels ihre Gewaltanwendung legitimieren könnten (z.B. durch funktionale und territoriale Beschränkung auf die Bereitstellung von Sicherheit).
- Citation du texte
- Dipl. Verwaltungswirt (FH) Hendrik Thurnes (Auteur), 2010, Hells Angels und der Zerfall des Gewaltmonopols, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149827