In den Mithrasmysterien begegnet uns einer der bekanntesten Mysterienkulte der griechisch-römischen Welt. Dieser Kult, ausgeübt nur von Männern in an Höhlen erinnernden Kulträumen, den Mithräen, verbreitete sich ab dem 1. Jahrhundert n.Chr. im gesamten römischen Imperium, mit Schwerpunkten an den Grenzen, wo die Soldaten stationiert waren, die mit Kaufleuten und Sklaven die Mehrheit der Anhängerschaft stellten.
Trotz jahrzehntelanger Forschung ist bislang nicht geklärt, wo dieser Mysterienkult entstand, ob in Kleinasien, wo die Gottheit Mithra ihren Ursprung in der indisch-persischen Religion hatte, oder im Bereich des römischen Imperiums, in der Stadt Rom bzw. in den Rhein-/Donauprovinzen, wo sich die frühesten archäologischen Zeugnisse des Kultes finden.
Ziel dieser Arbeit ist es, die wichtigsten Entstehungstheorien kurz vorzustellen und zu vergleichen, wobei auf die jeweiligen Kritikpunkte eingegangen wird.
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Ursprung der Mithrasmysterien
2.1. Die indisch-persischen Ursprünge des Gottes Mithra
2.2. Mithras im hellenistischen Kleinasien
2.3. Mithras in Rom
2.4. Andere Hypothesen zur Entstehung der Mithrasmysterien
3. Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Mithrasmysterien bergen wie alle Mysterienkulte viele Geheimnisse. Eines davon ist ihr Ursprung. Im Laufe der letzten einhundert Jahre haben sich viele Historiker und Archäologen mit diesem Thema beschäftigt, ohne dass es bis heute zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen wäre.
Der belgische Gelehrte F. Cumont war es, der mit seinen Werken die Grundlagen der Mithrasforschung legte. In seinem großen zweibändigen Werk „Textes et monuments figurés aux mystères de Mithra“ (1896-99) stellte er erstmals die Zeugnisse des Mithraskultes, aufgeteilt nach literarischen Texten, epigraphischen Quellen und archäologischen Zeugnissen, vor. Mit seinen Arbeiten bestimmte er die Forschung für ein halbes Jahrhundert.
Zwischen 1956 und 1960 erschien eine neue Sammlung der epigraphischen und ikonographischen Zeugnisse, das „Corpus Inscriptionum Monumentorum Religionis Mithriacae“ des Niederländers M. J. Vermaseren, das bis heute als Standardwerk für die Zeugnisse des Mithraskultes gilt. Leider ist über die Mithrasmysterien nur sehr wenig literarisch überliefert, meist von christlichen Autoren, die diesem Kult feindlich gegenüber standen. Daher können im Grunde nur die archäologischen und epigraphischen Quellen über den Gott, seinen Mythos und auch über das Entstehen seines Kultes berichten.
Diese Arbeit soll einige der Theorien vorstellen und mögliche Kritikpunkte aufzeigen. Die jeweiligen Arbeiten, auf die hier Bezug genommen werden soll, gehen unterschiedlich an die Thematik heran. Einige beziehen sich auf die epigraphischen Quellen, andere vergleichen die Ikonographie der verschiedenen Mithräen. Auch die wenigen antiken Schriftquellen werden zu Rate gezogen. Bevor jedoch die Theorien zur Entstehung der Mithrasmysterien näher betrachtet werden, soll kurz auf den Ursprung der Mithraverehrung in der persisch-indischen Religion eingegangen werden.
2. Der Ursprung der Mithrasmysterien
2.1. Die indisch-persischen Ursprünge des Gottes Mithra
Der Gott Mithra wurde bereits lange Zeit vor Entstehen der Mithrasmysterien verehrt. Fassbar wird er im 14. Jahrhundert v.Chr. in einer Inschrift, die 1907 im Inneren Anatoliens bei Ausgrabungen in Boğazköy, der alten Hauptstadt des Hethiterreiches Hattuša, gefunden wurde. Bei dieser Inschrift handelt es sich um einen Vertrag, den die Hethiter mit den Mitanni abgeschlossen hatten. Mithra wird darin, neben anderen Göttern, als Zeuge angerufen.[1] Desweiteren wird Mithra sowohl in den indischen Veden als auch im persischen Awesta erwähnt. In Indien war er eng mit Waruna, dem Gott der Wahrheit, verknüpft. Der Mithra des Awesta war für die Beziehungen zwischen den Menschen zuständig. Sein Name bedeutet im Persischen soviel wie „Freund“, „Vertragspartner“ oder auch „Verbindlichkeit“. Außerdem stand Mithra in einem engen Verhältnis zur Sonne: „Er beginnt vor ihr seinen Weg über den Tageshimmel. Sein Wagen ist ein mythisches Fahrzeug mit nur einem goldenen Rad und ist – wie der Sonnenwagen – mit weißen Rossen bespannt.“[2] Dieses Verhältnis zur Sonne erinnert an die Verbindung mit dem römischen Sol, die häufig auf den Stiertötungsreliefs des Mithraskultes dargestellt ist.
Die Rolle, die Mithra bei dem Reformator Zarathustra spielte, ist umstritten. Da dieser versuchte, ein dualistisches Prinzip einzuführen, in dem es nur die zwei Kräfte Gut und Böse, verkörpert durch Ahura Mazda und Ahriman, gab, war eigentlich kein Platz für Mithra. Daher kommt er in den Schriften Zarathustras auch nicht vor.
Die Achämenidenherrscher bekannten sich zur Lehre Zarathustras, allerdings vermutet man, dass sich seine Lehre im Volk nicht durchsetzen konnte und die alten Gottheiten, also auch Mithra, weiter verehrt wurden. Unter Artaxerxes II. Mnemon (404-359 v. Chr.) taucht Mithra dann auch wieder in Inschriften aus Susa und Hamadan auf.[3]
Im Rahmen der Ausdehnung des Perserreiches kam die persische Religion und mit ihr auch Mithra nach Kleinasien, wo einige Forscher den Entstehungsort der Mithrasmysterien vermuten.
2.2. Mithras im hellenistischen Kleinasien
Der erste, der die These vertrat, die Mithrasmysterien seien in Kleinasien entstanden, war Franz Cumont. Er ging davon aus, dass sich der Mithraskult in einem langen Entwicklungsprozess aus der Mithraverehrung der persisch-indischen Religion heraus entwickelt hat. Eine wichtige Rolle hätten dabei die Magier, Priester der persischen Religion, gespielt. In Babylon, der Winterresidenz der persischen Herrscher, habe sich dann die „gelehrte und geschlossene Theologie der Chaldäer in den primitiven Mazdaismus“ geschlichen[4], sprich habe diesen durch die semitische Astrologie erweitert: „Die Umwandlung, welche die persischen Glaubensvorstellungen durch die semitische Anschauung erfuhr, war eine so durchgreifende, dass man viele Jahrhunderte später in Rom das wahre Vaterland des Mithra bisweilen am Ufer des Euphrat suchte.“[5]
Doch Babylon war nach Cumont nur eine Etappe auf dem Weg des Mithras in den Westen. Er führt aus, dass die Magier sich schon unter den Achämeniden in Kleinasien angesiedelt hätten und auch später unter den Diadochen gefördert worden seien. Die kleinasiatischen Dynastien führten ihre Genealogien teils auf die Achämeniden zurück und sahen sich daher verpflichtet, die Götter ihrer vermeintlichen Ahnen anzubeten. Daher hatten sie erwiesener Maßen eine besondere Vorliebe für Mithras. Während dieser Zeit, die Cumont als eine „Periode der moralischen und religiösen Gärung“ als Folge der makedonischen Eroberung beschreibt[6], habe der Mithriazismus dann seine nahezu endgültige Form erhalten. Als er sich schließlich im römischen Reich verbreitete, sei er bereits „kraftvoll entwickelt“ gewesen.[7]
Der Kontakt zum Westen wurde durch die römischen Eroberungszüge geknüpft, somit waren die „aufeinanderfolgenden Annexionen der Cäsaren (…) die erste Ursache der Verbreitung der mithrischen Religion in der lateinischen Welt.“[8]
Cumonts Ansichten blieben lange Zeit maßgebend und andere Forscher bauten ihre Thesen darauf auf. Dabei ist von großer Bedeutung, dass sich in ganz Kleinasien Hinweise für die Verehrung von Mithras finden. E. Schwertheim weist auf die besondere Stellung des Mithras im Königreich Kommagene hin. Dieses Königreich am oberen Euphrat lag wie eine Drehscheibe zwischen Kleinasien, Syrien und Persien und beherrschte die wichtigsten Euphratübergänge. Nicht nur die Heereswege von Ost nach West führten dort her, sondern es war auch der Weg, den kulturelle und religiöse Bewegungen nehmen mussten. Das kommagenische Königreich existierte vom 1. Jahrhundert v.Chr. bis zum 1. Jahrhundert n.Chr. Der wichtigste kommagenische Herrscher, Antiochus I. (1. Jh. v.Chr.) hinterließ viele Inschriften, mit denen er seine politischen und religiösen Zielsetzungen bekannt machte. Mithras spielte dabei eine wichtige Rolle.[9] Er war einer der vier Hauptgötter der kommagenischen Könige und wurde daher häufig in Kultinschriften genannt.
Bei der Errichtung des Nemrud Dagh, dem zentralen Kultort des kommagenischen Königreiches, wurden die persischen Götter von Antiochus I. in seinen Pantheon aufgenommen. Er konzipierte dort seine Ahnenreihe, wobei er seine väterlichen Vorfahren auf den persischen Großkönig Dareios zurückführte, seine mütterlichen auf Alexander den Großen. Somit musste er „mit der Einführung des Ahnenkultes (…) dann folgerichtig neben griechisch-makedonischen Göttern persische einführen.“[10]
Obwohl dies alles noch kein Beweis für eine Umformung der Mithrasverehrung in den Mithraskult ist, geht E. Schwertheim davon aus, dass „ … nicht zuletzt von hier aus (…) der Kult auf seinen Siegeszug von Ost nach West ganz Kleinasien eingenommen haben“ müsse.[11] Er führt aus, „… dass in diesem Umkreis die Mithrasverehrung zum Mithraskult wurde. Es lag in ihrem Interesse, aus dem Gemisch der verschiedensten religiösen Strömungen etwas Neues zu schaffen. Ein König wie Antiochus I. von Kommagene, der in griechischer Tradition erzogen worden war und der sich durch die geographisch-politische Lage seines Landes zwischen West und Ost gedrängt sah, mußte einfach eine Mittlerrolle übernehmen. Besonders ausgeprägt ist diese in seinem religiösen Synkretismus, den er zur Staatsreligion erhob. Doch es genügt ja nicht, daß er seine Macht legitimiert und festigt durch die Schaffung eines neuen Götterordo, sondern er muß, da das ganze Volk diese Götter ja in einer Opferhandlung verehren soll, einen neuen Ritus schaffen und diesen dann auch „theologisch“ begründen.“[12] Abschließend kommt Schwertheim zu dem Urteil, dass die Annahme berechtigt sei, „… daß hier nicht die Umformung in ihrer Gesamtheit, jedoch der Beginn der Wandlung von der Mithrasverehrung zum Mithraskult stattgefunden hat.“[13]
[...]
[1] Siehe Schwertheim, Mithras, S. 8f.
[2] Jacobs, Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien, S. 11.
[3] Siehe Schwertheim, Mithras, S. 8-10.
[4] Cumont, Die Mysterien des Mithras, S. 10-11.
[5] ebd., S. 11.
[6] ebd., S. 16.
[7] ebd., S. 16, 26-27.
[8] ebd., S. 33.
[9] Siehe Dörner, Mithras in Kommagene, S. 178. B. Jacobs weist allerdings daraufhin, dass die Inschrift des Antiochus I. in Arsameia am Nymphaios, in der ein eigens für den Kult des Mithras-Helios-Apollon-Hermes bestellter Priester erwähnt wird, der einzige Hinweis auf eine Sonderstellung des Mithras sei und z.B. auf dem Nemrud Dagh eindeutig Zeus-Oromasdes die Führungsrolle im Pantheon innehabe; siehe Jacobs, Die Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien, S. 28.
[10] Schwertheim, Mithras, S. 16.
[11] ebd., S. 17.
[12] ebd., S. 18.
[13] ebd., S. 18.
- Citation du texte
- M.A. Martina Kleinau (Auteur), 2000, Der Ursprung der Mithrasmysterien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149716
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.