`Der 11.September 2001 hat die Welt verändert´ - so oder ähnlich argumentieren Journalisten, Politiker, Manager, Wissenschaftler, ja sogar Künstler, um Geschaffenes zu rechtfertigen, Diskussionen anzuregen, oder auch nur um zu erinnern oder sogar zu provozieren. Eigentlich war 2001 von den Vereinten Nationen als "Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen" gedacht.1 Hat sich die Welt nach den schrecklichen Terroranschlägen in New York so sehr verändert, dass wir alles anders machen müssen in unseren westlichen Zivilisationen? Vom Kulturkampf ist die Rede, davon, dass die westliche Lebensweise angegriffen sei und die Demokratien sich verteidigen müssen. Doch gegen wen? Gegen die Kulturen die uns auf den ersten Blick fremd sind und die uns zumindest falsch zu verstehen scheinen während von uns manche sehr deutlich ihr Desinteresse zeigen und oft ihre `kulturelle´ Überlegenheit ausspielen? Nicht nur zwischen entwickelten und entwickelnden Staaten scheint es Verständigungsprobleme zu geben. Von transatlantischen Spannungen, Verstimmungen und sogar einer Kluft ist die Rede, man versteht nicht mehr wie die anderen denken. Jeder Akteur betrachtet die Welt aus seiner eigenen Perspektive, der sich der andere bewusst verweigert. Wissen ist der Schlüssel um sich besser zu verstehen mit dem Ziel Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden. Verständnis beruht auf Kenntnissen über den Anderen, die andere Kultur und Lebensweise. Aufgabe der Staaten ist ihre ureigensten Denkschulen, Interessen, ihre Geschichte und Kunst, sowie ihren Fortschritt im Ausland darzustellen und Interesse zu wecken, nicht nur bei den Eliten der Gastländer sondern auch verstärkt bei der breiten Bevölkerung. Dieser Aufgabe widmet sich das Politikfeld, das als `Auswärtige Kulturpolitik´ bezeichnet wird und Instrument, oder sogar, wie Willy Brandt erklärte, die `3. Säule´ der Außenpolitik ist. Doch was genau unter dem Begriff `Auswärtige Kulturpolitik´ von verschiedener Seite verstanden wird, deutet große Differenzen in der Vorstellung vom Sinn und den Aufgaben einer deutschen auswärtigen Kulturpolitik an.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Auswärtige Kulturpolitik aus der Perspektive der Außenpolitiktheorien
II.1. Realismus
II.2. Liberalismus
II.3. Modernisierungstheorie
III. Schwerpunktregionen der Auwärtigen Kulturpolitik-Wende oder Kontinuität?
III. 1. Ausweitung der regionalen Schwerpunkte und neue Aufgaben?
III.2. Auswärtige Kulturpolitik im Sinne von Krisen- oder Konfliktprävention?
III.3. Beeinflussung der Auswärtigen Kulturpolitik durch Außenpolitik-Theorien?
IV. Fazit
Literaturangabe
I. Einleitung
`Der 11.September 2001 hat die Welt verändert´ - so oder ähnlich argumentieren Journalisten, Politiker, Manager, Wissenschaftler, ja sogar Künstler, um Geschaffenes zu rechtfertigen, Diskussionen anzuregen, oder auch nur um zu erinnern oder sogar zu provozieren. Eigentlich war 2001 von den Vereinten Nationen als „Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen“ gedacht.[1]
Hat sich die Welt nach den schrecklichen Terroranschlägen in New York so sehr verändert, dass wir alles anders machen müssen in unseren westlichen Zivilisationen?
Vom Kulturkampf ist die Rede, davon, dass die westliche Lebensweise angegriffen sei und die Demokratien sich verteidigen müssen. Doch gegen wen?
Gegen die Kulturen die uns auf den ersten Blick fremd sind und die uns zumindest falsch zu verstehen scheinen während von uns manche sehr deutlich ihr Desinteresse zeigen und oft ihre `kulturelle´ Überlegenheit ausspielen? Nicht nur zwischen entwickelten und entwickelnden Staaten scheint es Verständigungsprobleme zu geben. Von transatlantischen Spannungen, Verstimmungen und sogar einer Kluft ist die Rede, man versteht nicht mehr wie die anderen denken. Jeder Akteur betrachtet die Welt aus seiner eigenen Perspektive, der sich der andere bewusst verweigert.
Wissen ist der Schlüssel um sich besser zu verstehen mit dem Ziel Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden. Verständnis beruht auf Kenntnissen über den Anderen, die andere Kultur und Lebensweise.
Aufgabe der Staaten ist ihre ureigensten Denkschulen, Interessen, ihre Geschichte und Kunst, sowie ihren Fortschritt im Ausland darzustellen und Interesse zu wecken, nicht nur bei den Eliten der Gastländer sondern auch verstärkt bei der breiten Bevölkerung.
Dieser Aufgabe widmet sich das Politikfeld, das als `Auswärtige Kulturpolitik´ bezeichnet wird und Instrument, oder sogar, wie Willy Brandt erklärte, die `3. Säule´ der Außenpolitik ist.
Doch was genau unter dem Begriff `Auswärtige Kulturpolitik´ von verschiedener Seite verstanden wird, deutet große Differenzen in der Vorstellung vom Sinn und den Aufgaben einer deutschen auswärtigen Kulturpolitik an.
Traditionell hat jeder Staat ein Interesse, das was ihn auszeichnet, das was die Bürger dieses Staates interessiert und verbindet, im Ausland darzustellen. Die Wahrnehmung eines Landes im Ausland kann auch wichtige Effekte auf Bereiche wie die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen haben. Andererseits stärkt eine geachtete Kultur das Ansehen eines Landes und kann auf politischer Ebene indirekt Einfluss auf Entscheidungsprozesse oder Verhandlungen nehmen. Das Wissen über die Kultur und das Interesse an den Verhältnissen und der Identität eines anderen Landes kann mithilfe von gegenseitige Kulturbeziehungen vermittelt werden. Die Sprache ist ein wichtiger Faktor zum Verstehen der Kultur eines Landes. Doch kann nicht Sprache auch ein wichtiger Faktor sein, der den Machteinfluss, die Ideen und Überzeugungen eines Volkes oder Staates befördern kann?
Während wichtige Industrieländer ihre Aufgabe der Kulturvermittlung gegenüber den Gastländern jahrzehntelang eher als Mission auffassten, so stellen Staaten wie z.B. Deutschland den Dialog mit dem Partnerland in den Mittelpunkt ihrer Konzeption. Geschichtlich gesehen war die Auswärtige Kulturpolitik zur Nachversorgung von Auswanderern gedacht und war in den Anfängen vorwiegend der Förderung deutscher Schulen im Ausland gewidmet. Später verbreiterten sich die funktionalen Schwerpunkte genauso wie sich die regionalen Schwerpunkte ausweiteten.
Wie sieht die regionale Ausrichtung dieser als `3. Säule´[2] bezeichneten Kultur-Außenpolitik aus? Gibt es Gründe für eine neue regionale Ausrichtung oder einen Wandel in den letzten Jahren und welche Position nimmt die `Konzeption 2000´ des Auswärtigen Amtes ein? Nach zahlreichen Reden und Forderungen wird ein verstärkter Einsatz der finanziellen Mittel der Auswärtigen Kulturpolitik in Regionen gefordert, in denen es wenig Möglichkeiten gibt eine alternative Versorgung zu gewährleisten.
Was sind die zukünftigen Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik? Ist es sinnvoll, die Auswärtige Kulturpolitik als Krisenprävention, quasi zur Vermittlung von Werten und der demokratischen Idee einzusetzen? Wie stark kann sich die deutsche AKP in Zukunft in einem vermeintlich immer unipolarer dominierten Weltsystem engagieren?
II. Auswärtige Kulturpolitik aus der Perspektive der Außenpolitiktheorien
Joseph Nye, Dekan der Kennedy School of Government in Harvard, sieht die Machtverhältnisse der Staaten im 21. Jahrhundert differenzierter als die meisten seiner amerikanischen Kollegen. Für ihn gleichen sie einem Schachspiel mit drei Dimensionen. Die erste Achse, die militärische, wird unipolar von den USA dominiert. Die zweite Achse stellt für ihn die Wirtschaft dar. Auf dieser Achse dominiert kein Staat eindeutig und er bezeichnet die Machtverhältnisse als multipolar. „Die USA können ohne die Zustimmung der Europäer keine weltweit gültige Handelsvereinbarung erwirken“[3] kommentiert Nye. Auf der dritten Achse fasst er globale Themen wie z.B. illegale Einwanderung, Drogenhandel, ansteckende Krankheiten, Klimawandel und internationale Terrorismusnetzwerke zusammen und kommt zu dem Schluß, dass hier zumindest eine transatlantische Kooperation zwischen den USA und Europa sinnvoll sein kann.[4] Obwohl also Europa bei weitem militärisch unterlegen ist, betont Nye die Integrationskraft und Überzeugungsfähigkeit der `soft power´ der Kultur, Wertvorstellungen und dem Erfolgsmodell EU[5]. Also ist auf der dritten Ebene der globalen Themen Platz für das außenpolitische Instrument einer Kultur- und Wertevermittlung, denkt man Nyes logische Argumentation weiter. Kann eine Auswärtige Kulturpolitik also die Aufgabe einer Krisenpräventionspolitik verfolgen und wahrnehmen?
Volker Rittberger kritisiert, dass die Auswärtige Kulturpolitik in der Forschung bisher grob vernachlässigt wurde und fragt nach der Leistungsfähigkeit der wichtigsten Theorien der Internationalen Beziehungen. 1999 wurde die Schließung von einigen Goethe-Instituten diskutiert, was die Autoren Gerald Schneider und Julia Schiller zu der Frage veranlasste, wovon die Standortpolitik der Goethe-Institute abhängt. In einer makro-quantitativen Untersuchung versuchen sie die Determinanten der Entscheidungen für und gegen Standorte der Goethe-Institute festzulegen und können darstellen, dass der enge Auftrag an die Institution vernachlässigt wird und der Realismus-Denkschule zuzuordnende Faktoren bei der Auswahl überwiegen. Zentrale These von Gerald Schneider und Julia Schiller ist, „...dass vor allem machtpolitische und wirtschaftliche Erwägungen die weltweite Präsenz der zentralen Mittlerorganisation der Auswärtigen Kulturpolitik leiten.“[6]
Um einen ganzheitlichen Blick auf das Feld der Auswärtigen Kulturpolitik werfen zu können, um eine Abschätzung möglich zu machen nach welchen theoretischen Faktoren die AKP betrieben wird, möchte ich die wichtigsten außenpolitischen Denkschulen aufführen und ihren möglichen Einfluß auf das Feld der Auswärtigen Kulturpolitik erörtern.[7]
II.1. Realismus
Souveräne Staaten als Hauptakteure in der internationalen Politik werden betont. Die Struktur des internationalen Systems ist anarchisch, daher hat jeder Staat ein Sicherheitsinteresse, dass er mithilfe seiner eigenen Macht durchzusetzen versucht.
Im Neorealismus wird der Begriff Macht, statt als absolute Macht ins Verhältnis zu konkurrierenden Staaten gesetzt. Nach neorealistischer Sichtweise verfolgen Staaten immer ihre nationalen Interessen, ob im Krieg oder bei Verhandlungen. Nach Waltz:“A state that is stronger than an other can decide for itself whether to conform ist policies to structural pressures and whether to avail itself of the opportunities that structural change offers, with little fear of adverse affects in the short run“[8] Militärische Macht sei nicht mehr so wichtig, wie das z.B. im Realismus betont wurde. „Military power no longer brings political control, but then it never did. Conquering and governing are different processes.”[9] Während Waltz die Kombination der Fähigkeiten eines Staates als ausschlaggebend für die Durchsetzung von Interessen sieht, differenziert Morgenthau umso mehr. Er betont auch nationalen Charakter und nationale Moral eines Staates, sowie dessen Qualität der Diplomatie.[10] Diesen letzten Faktor sieht er auch als wichtigsten und entscheidenden an. Eine gute Diplomatie gebraucht die Machtpotentiale des Staates zu seinem Vorteil.
Joseph M. Grieco greift die Frage der Kooperationen in seinem Artikel `Realist Theory and the Problem of International Cooperation: Analyses with an Amended Prisoner`s Dilemma Model´ auf. In diesem 1988 erschienenen Artikel versucht er das `relative-gains´ Problem der Kooperation zu lösen, da Kooperation der realistischen Perspektive hinsichtlich der Ziele von Staaten zu wiedersprechen scheint. Kooperation ist eine der entscheidenden Bedingungen für die deutsche Auswärtige Kulturpolitik. Wie lässt sich nun also eine AKP durch den Neorealismus rechtfertigen, ohne Altruismus zu unterstellen?
Grieco modifiziert hierfür das Prisoner`s Dilemma Model.[11] Wenn Staaten in Institutionen kooperieren, versuchen sie trotzdem im Verhältnis zu den anderen Staaten „relative gains“[12] zu erzielen? Waltz meint dazu: ”[...] realists believe that international institutions are shaped and limited by the states that found and sustain them and have little independent effect.“[13]
„Kooperation von Staaten in Institutionen“ ist die Fähigkeit, in einer mehrere Mitgliedsländer zählenden Organisation, zu von allen akzeptierten, gültigen Beschlüssen zu gelangen. Die „relative gains“ sind Gewinne, die im Verhältnis zu dem konkurrierenden Staat durch Verhandlungen oder Kriege, realisiert werden können. Also ist ein Staat auch an auswärtiger Kulturpolitik interessiert, sofern er dadurch, im Verhältnis zu Konkurrenten, relative Gewinne erzielen. Dies könnten z.B. handelspolitische Vorteile oder militärstrategische Abmachungen sein.
Rittberger sieht im Sinne des Realismus/Neo-Realismus die Auswärtige Kulturpolitik als Mittel zur Stärkung des Einflusses Deutschlands. Ein Instrument hierfür sei vor allem die deutsche Sprachförderung `Wer Deutsch spricht, kauft auch Deutsch´.[14] Diese Argumentation macht sich auch die deutsche Wirtschaft gerne zu eigen, wie die Position von Ingo Plöger, dem Präsidenten der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer, in der Zeitschrift `KulturAustausch´ zeigt.[15] Ein Beweis, dass immer noch starke nationalen Interessen existieren war die EU-Regierungskonferenz von Nizza 2000, in der die Stimmgewichtung der verschiedenen Länder verhandelt wurde und zu heftigem Gezerre zwischen den Mitgliedsländern führte.[16]
[...]
[1] Vgl. Fischer, Joschka: Sensibel in der Form, fest in der Sache in Zeitschrift für KulturAustausch. Mit Kultur gegen Krisen, IFA: 51.Jahrgang 2/01
[2] Vgl. Brandt, 1967: 613
[3] Zitat Joseph Nye: Europas unterschätzte Macht in Financial Times Deutschland vom 12.März 2003:26
[4] Vgl. Nye, Joseph: Europas unterschätzte Macht in Financial Times Deutschland vom 12.März 2003:26
[5] Vgl. Nye, Joseph: Europas unterschätzte Macht in Financial Times Deutschland vom 12.März 2003:26
[6] Vgl. G. Schneider/J. Schiller: Goethe ist nicht überall, Abstract
[7] Vgl. Rittberger, Volker: Auswärtige Kulturpolitik- ein Stiefkind der Forschung? Die Auswärtige Kulturpolitik in Außenpolitiktheorien. IFA: Institut für Auslandsbeziehungen, www.ifa.de
[8] Vgl. Waltz, 2000: 24
[9] Waltz, 1979: S.191
[10] Vgl. Morgenthau, 1950, S. 100f
[11] Vgl. Grieco, Joseph M.: “Realist Theory and the Problem of International Cooperation“ JOP, 1988
[12] Vgl. Waltz, 1979
[13] Vgl. Waltz, 2000
[14] Vgl. Rittberger, Volker: Auswärtige Kulturpolitik- ein Stiefkind der Forschung? Die Auswärtige Kulturpolitik in Außenpolitiktheorien. IFA: Institut für Auslandsbeziehungen, www.ifa.de
[15] Vgl. Plöger, Ingo: Die Sprache als Bindeglied zu Deutschland. In Zeitschrift für KulturAustausch. Mit Kultur gegen Krisen, IFA: 51.Jahrgang 2/01
[16] Vgl. Rittberger, Volker: Auswärtige Kulturpolitik- ein Stiefkind der Forschung? Die Auswärtige Kulturpolitik in Außenpolitiktheorien. IFA: Institut für Auslandsbeziehungen, www.ifa.de
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- Andreas Biesinger (Author), 2003, Auswärtige Kulturpolitik am Wendepunkt? Regionale Schwerpunkte und Anforderungen einer zukünftigen Auswärtigen Kulturpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14941
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