Dreimal nahm er vergeblich an der Aufnahmeprüfung zur Ecole des Beaux Arts teil, mehrmals wurden seine Werke vom Pariser Salon abgelehnt. Noch bis ins hohe Alter musste Auguste Rodin sich gegen Kritiker verteidigen und zahllose Anfeindungen und Schmähungen einstecken. Trotz der Niederschläge und einer andauernden Erfolglosigkeit kämpfte der Künstler mit Kraft und Überzeugung weiter und verhalf so der Skulptur des 19. Jahrhunderts zu neuem Ausdruck und neuer Lebendigkeit. Die Kraft und Energie des Künstlers finden sich vor allem in seinen Skulpturen wieder. Sie strotzen vor Lebendigkeit; so sehr, dass eines seiner ersten Werke „Das Eherne Zeitalter“ sogar als Modellabguss verdächtigt wurde. Ein Vorwurf durch den auch dieses Werk vom Salon zurückgewiesen wurde. Zwar war Rodin die Ausstellung im Salon verwehrt, doch der Skandal um sein Werk machte seinen Namen öffentlich bekannt und verhalf ihm dennoch zu seinen ersten Aufträgen.
Inspiriert durch Plastiken der italienischen Renaissance, insbesondere die Michelangelos, entsprechen Rodins Werke in ihrer Naturtreue und Antikenanlehnung durchaus dem damaligen Kunstgeschmack. Sein Werk trägt auch Züge der ästhetischen Richtungen seiner Zeit: „Es entspringt der Romantik und zählt gleichermaßen zum Symbolismus [sowie zum Impressionismus] bis hin zu den ersten Ansätzen des Expressionismus“.
Worin liegt also das Besondere und Neue in seinen Arbeiten, die das Kunstpublikum in zwei Lager teilte - in die der Kritiker, die sich in sarkastischen und abwertenden Bemerkungen überboten, und in die, welche Rodin als Genie feierten und in seine Ateliers pilgerten? Mit welchen Mitteln verhalf er der Skulptur des 19. Jahrhunderts aus ihrer Festgefahrenheit in Traditionen heraus, brachte sie wieder zu neuem Aufschwung und bereitete ihr den Weg in die Moderne vor? Fünf seiner wichtigsten Werke (der Denker, der Kuss, die Bürger von Calais, Balzac Denkmal, die Hand Gottes) geben die Antworten darauf. Sie zeigen zugleich Rodins Weg auf der Suche nach neuen, modernen Formen.
Inhaltsverzeichnis
1. Der verkannte Moderne
2. Muskeln und Geist
3. Gefühle
4. Bewegung
5. Genie
6. Fragmente der Moderne
7. Literaturverzeichnis
1. Der verkannte Moderne
Dreimal nahm er vergeblich an der Aufnahmeprüfung zur Ecole des Beaux Arts teil, mehrmals wurden seine Werke vom Pariser Salon abgelehnt. Noch bis ins hohe Alter musste Auguste Rodin sich gegen Kritiker verteidigen und zahllose Anfeindungen und Schmähungen einstecken. Trotz der Niederschläge und einer andauernden Erfolglosigkeit kämpfte der Künstler mit Kraft und Überzeugung weiter und verhalf so der Skulptur des 19. Jahrhunderts zu neuem Ausdruck und neuer Lebendigkeit. Die Kraft und Energie des Künstlers finden sich vor allem in seinen Skulpturen wieder. Sie strotzen vor Lebendigkeit; so sehr, dass eines seiner ersten Werke „Das Eherne Zeitalter“ sogar als Modellabguss verdächtigt wurde. Ein Vorwurf durch den auch dieses Werk vom Salon zurückgewiesen wurde. Zwar war Rodin die Ausstellung im Salon verwehrt, doch der Skandal um sein Werk machte seinen Namen öffentlich bekannt und verhalf ihm dennoch zu seinen ersten Aufträgen.
Inspiriert durch Plastiken der italienischen Renaissance, insbesondere die Michelangelos, entsprechen Rodins Werke in ihrer Naturtreue und Antikenanlehnung durchaus dem damaligen Kunstgeschmack. Sein Werk trägt auch Züge der ästhetischen Richtungen seiner Zeit: „Es entspringt der Romantik und zählt gleichermaßen zum Symbolismus [sowie zum Impressionismus] bis hin zu den ersten Ansätzen des Expressionismus“[1].
Worin liegt also das Besondere und Neue in seinen Arbeiten, die das Kunstpublikum in zwei Lager teilte - in die der Kritiker, die sich in sarkastischen und abwertenden Bemerkungen überboten, und in die, welche Rodin als Genie feierten und in seine Ateliers pilgerten? Mit welchen Mitteln verhalf er der Skulptur des 19. Jahrhunderts aus ihrer Festgefahrenheit in Traditionen heraus, brachte sie wieder zu neuem Aufschwung und bereitete ihr den Weg in die Moderne vor? Fünf seiner wichtigsten Werke geben die Antworten darauf. Sie zeigen zugleich Rodins Weg auf der Suche nach neuen, modernen Formen.
2. Muskeln und Geist
Im Sommer 1880, erhielt Rodin den Auftrag für eine bronzene Tür für das geplante Musée des arts decoratifs. Er wählte für dieses Werk selbst das Thema – Dantes göttliche Komödie, insbesondere das Infernogeschehen. Dieses Tor wird Rodin von da an insgesamt 35 Jahre in Anspruch nehmen und ihn zu 185 Figuren anregen.
Lediglich die Grundkomposition ist in Bronze gegossen. Das Gesamtwerk blieb unvollendet, da Rodin immer wieder Figuren entfernte, sie verrückte oder neue Figurengruppen hinzufügte. Vollendet sind dagegen zahlreiche Figuren, die durchaus als autonome Werke wirken und insgesamt den „ganzen künstlerischen Kosmos“[2] des Auguste Rodins bilden.
Eine der daraus entsprungenen und berühmtesten Figuren ist der Denker (le Penseur), dessen erster Bronzeguss 1880 zusammen mit dem Modell der Pforte entstand. Rodin plante ihn zunächst als Verkörperung des Dichters Dante vor der Höllentür: „Dante saß vor diesem Tor auf einem Felsen und in seinen Gedanken entstand das Gedicht.“[3] Im Bronzemodell thront er über seiner Schöpfung, doch ist es nicht der schmächtige Dante, sondern eine athletische Aktfigur, ein muskulöser Anonymus. In der originalen Bronzeausführung, welche das Musée Rodin in Paris besitzt, entspricht der Denker mit 0,72 x 0,45 x 0,56 Metern nur zur Hälfte den menschlichen Proportionen. Seine Wirkung verliert er durch seine geringe Größe nicht. Auf einem Fels stützt er sich nach vorne gebeugt auf seinen linken Oberschenkel. Der Kopf ruht auf einer seiner großen Hände. Der raue, kantige Stein bildet einen Kontrast zum glattpolierten Körper, auf dem das Licht durch Reflektionen und Schatten seine Muskeln umspielt. Jeder Muskelstrang ist angespannt und lässt den Betrachter die Anstrengung seines Gedankenganges förmlich spürbar werden. Seine Stirn ist in tiefe Falten gelegt, der Blick nach innen versunken. Er grübelt, er denkt.
Neben Dante sind es die Texte von Charles Baudelaire fleurs du mal und die antiken Metamorphosen Ovids, die Rodin zu seinem Werk anregen. Daneben ließ sich der Künstler auch von den Plastiken und Bildern der Antike und Renaissance inspirieren: „Ich gehe weit zurück in die fernste Antike. Ich möchte die Antike wieder an die Gegenwart anbinden, die Erinnerung wieder lebendig machen, über sie urteilen und schließlich zu einem ganzen Bild vervollständigen.“[4] Während seiner Italienreise 1876 bewunderte Rodin vor allem die Werke Michelangelos. Der Denker zeigt deutlich den Einfluss Michelangelos auf Rodin. In der Literatur wird er verglichen mit dem Moses aus dem Grabmahl für Papst Julius II.[5], dem Propheten Jeremias von der Sixtinischen Decke, sowie mit der Statue des Lorenzo de’ Medici aus der Medici-Kapelle in Florenz[6]. Besonders die Art und Weise, wie Rodin Körper modelliert, jedem Muskelstrang und Sehne unter der Haut bewusst, verleiht seinen Figuren einen Hauch von Michelangelo. Dem Denker verlieh Rodin die kräftigen Michelangelo- Hände und -Füße. Doch das Wichtigste, an was er anknüpfte war die Verbindung von Kraft und Geist, der Einklang von Sensibilität und herkulischer Kraft in einer Skulptur.
Trotz seiner Muskeln ist der Denker durch seine tiefe Versunkenheit angreifbar. Sein Körper ist nicht der Ausdruck körperlicher Stärke, sondern seines starken Geistes und innerer Gefühlswelt. Rodin geht es nicht wie seinen zeitgenössischen Mitstreitern um die Illustration eines literarischen Textes, sondern um den autonomen Ausdruck und dessen inneren Wert, welchen er durch das Modellieren der Körper erreicht. Dies ist Rodin bei der Umsetzung von Dantes göttlicher Komödie gelungen. Es ist nicht mehr Dante, den er darstellt. Die Figur wird individuell, „er ist kein Träumer. Er ist ein Schöpfer.“[7] Durch diese Aussage Rodins wird der Denker bald mit Rodin selbst identifiziert. Daher ist es kein Zufall, dass einer der vielen Abgüsse des Denkers Rodins Grab in Meudon ziert.
3. Gefühle
Neben Denkmälern und Porträts ist Rodins Werk reich an allegorischen, mythologischen und literarischen Paardarstellungen. Viele verkörpern auf den ersten Blick eine Gefühlswelt mit allen Nuancen von Zärtlichkeit, Leidenschaft und Sinnlichkeit. Doch beim genauen Betrachten können nur die „wenigsten seiner Paare als glücklich, als Verkörperung von ungetrübtem Eros“[8] bezeichnet werden. Rodins Paarplastiken vermitteln mehr als das vordergründig zu sehende glückliche Liebespaar. Er verleiht seinen Paaren Persönlichkeit und Individualität im Gefühlsausdruck. Diese für die damalige Zeit neue Umsetzung der Paarthematik soll am Beispiel des Kusses genauer betrachtet werden.
„Der Kuss“ ist neben dem „Denker“ eine der bekanntesten Plastiken Rodins. Seit Generationen gilt sie als Ikone körperlicher, sinnlicher Liebe. Dieses Bild des in sich versunkenen Liebespaares hat seinen Grund in den Abermillionen Fotos, Postkarten, Postern und fotografischen Reproduktionen. Sie zeigen das Paar, frontal von einem leicht nach links versetzten Standpunkt aufgenommen, so dass die männliche Figur fast vollständig von der weiblichen verdeckt wird. Doch dem Betrachter wird so lediglich ein inniger Kuss vorgetäuscht. Die Vielschichtigkeit des dreidimensionalen Werkes offenbart sich erst durch eine Rundum-Ansicht..
Die Figuren entsprangen wie der Denker dem Skulpturenkosmos der Höllenpforte nach Dantes Göttlicher Komödie. Sie zeigen das frevelhafte und tragische Liebespaar Paolo und Francesca, Schwager und Schwägerin, die sich bei der Lektüre der Geschichten von Lanzelot den verbotenen Kuss gaben und danach in der Hölle bestraft wurden.
Rodin schafft es, diese Spannung aus dem Augenblick des Verliebens und der gleichzeitigen Furcht vor dem Verbotenen darzustellen. In der Höllenpforte wäre solch eine komplexe Komposition in einer einzigen Ansicht gefangen und hätte so ihre Wirkung verloren. Aus diesem Grund hat er das Kuss-Paar herausgelöst und durch ein in die Hölle stürzendes ersetzt. Als autonome Plastik wurde aus „Paolo und Francesca“ bereits nach der ersten Ausstellung „der Kuss“, welche von da an ihre Karriere als berühmt-berüchtigte und schließlich beliebteste Skulptur Rodins antrat.
Die Marmorfassung von 1886-1898[9] zeigt zwei naturalistisch dargestellte lebensgroße Figuren, auf einem Felsblock sitzend scheinbar in einem innigen Kuss vereint. Ihre nackte Haut wirkt durch den zarten Marmorschimmer sanft und weich. Sie bilden einen Gegensatz zu dem kantig, rauen Stein, der sich ihrer Haltung genau anpasst. In weich fließenden Formen neigt sich die Frau mit völliger Hingabe dem Mann entgegen. Besonders in ihrer Rückansicht wird deutlich, wie sehr sie sich von ihrem Steinrand zu seinem beugt. Ihr rechtes Bein liegt auf dem linken Oberschenkel des Mannes. Ihre Füße berühren kaum noch den Boden, als würde sie schweben. Der Mann wirkt im Vergleich zu seiner Partnerin steif. In seiner aufrechten Haltung ist er nur leicht der Frau zugewannt und auch der Kopf nur zögerlich ihr zugeneigt. Nicht nur seine Nackenmuskulatur wirkt stark angespannt, auch sein Rücken scheint verkrampft. Sein rechter Fuß liegt fest auf dem Stein, die Zehen krallen sich in ihn hinein. Seine ganze Haltung zeigt eher Abwehr als innige Liebe. Wie kann also seine rechte Hand auf ihrem Schenkel gedeutet werden? Als liebevoll, zögerlich oder sogar teilnahmslos? In einem noch erhaltenen Terracotta-Bozzetto von 1882, dass noch die ursprüngliche Zusammenstellung des Paares zeigt, berührt seine rechte Hand nicht einmal ihren Oberschenkel. Sie schwebt lediglich über ihrem Bein. Der Mann zögert vor dem Verbotenen.
Jede Ansicht vermittelt einen unterschiedlichen Eindruck: von der liebevollen Umarmung bis zum erzwungenem Kuss. Zwar küssen sich die beiden, doch gibt es nur wenige wirkliche Berührungspunkte. In mehreren Ansichten wird der große Freiraum zwischen den Figuren deutlich, unbehauener Stein, der die Körper 10 bis 20 cm voneinander trennt. Auch an anderen Stellen erscheint die Bearbeitung des Steines noch unvollständig. So beispielsweise am linken Fuß des Mannes, der unter ihrem linken Bein beinahe mit dem Felsen zu verschmelzen scheint. Ebenso bei seiner linken Hand, die hinter ihrem Rücken das Buch nur noch andeutet, welches zu dem schicksalhaften Kuss führte. Die Konturen von Hand und Buch verbinden sich mit dem Stein.
[...]
[1] Jarrassé, Dominique, Rodin. Faszination der Bewegung, Paris, 1993, S.10.
[2] Röper, Lars, Auguste Rodin, München, 2007, S. 42.
[3] Marcelle, Adam, Le Penseur, in: Gil Blas, Paris, 1904, S. 191.
[4] Néret, Gilles, Auguste Rodin Skulpturen und Zeichnungen, Köln, Taschen Verlag, 1993, S. 7.
[5] ebenda, S. 35.
[6] Keisch, Claude, Auguste Rodin –Plastik, Zeichnungen, Graphik, Berlin, 1979, S. 104.
[7] Jarrassé, Dominique, Rodin. Faszination der Bewegung, Paris, 1993, S. 90.
[8] Bonnet, Anne-Marie, „Das Thema »Paare« bei Rodin in: Bonnet, Anne-Marie, Hartwig Fischer, Christiane
Lange (Hrg.), Auguste Rodin –der Kuss die Paare, Katalog zur Ausstellung in München, Hypo-Kunsthalle, 22.09.2006-07.01.2007, München 2006, S. 21.
[9] Diese befindet sich heute im Museé Rodin in Paris.
- Arbeit zitieren
- Cornelia Maser (Autor:in), 2009, Auguste Rodin - Menschenbilder seines Schaffens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149359
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