Der erste Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung der biografischen Verläufe von hochbegabten Underachievern der Jahrgänge 2003/2004 und 2004/2005 von der Primarstufe bis heute. Die Daten wurden anhand von telefonischen Interviews ermittelt. Die Untersuchungsgruppe bestand aus 16 hochbegabten Underachievern, von denen die Erreichbarkeiten vorlagen.
In Anlehnung an die Ergebnisse der Studie von Stephan Schumann, wurden die Befunde analysiert und interpretiert. Schumann ermittelte die biografischen Verläufe von Jugendlichen, die eine berufsvorbereitende Maßnahme bei der bbw Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft mbH absolvierten, interpretierte diese und typisierte deren Werdegänge. Bei der Typisierung legte er den Fokus überwiegend auf den Verbleib der Jugendlichen nach der berufsvorbereitenden Maßnahme (MDQM I).
Die erste zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet: Unterscheiden sich die Lebensläufe der hochbegabten Underachiever stark von den Werdegängen der Jugendlichen in Schumanns Studie? Es wird erwartet, dass die hochbegabten Underachiever aufgrund ihrer Spezifik frühzeitiger Brüche in ihren Werdegängen aufweisen aber bei entsprechender Förderung, die sie bei MDQM erhalten, gute Ergebnisse erzielen können. Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung werden die möglichen Ursachen für die Minderleistungen diskutiert. Von besonderem Interesse sind die Tätigkeiten nach MDQM I. Es wird aufgezeigt, ob die Maßnahme ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht hat.
Der zweite Schwerpunkt der Arbeit ist die Erforschung, mit welchen Empfindungen die hochbegabten Underachiever ihrer Zukunft entgegen gehen. Als Grundlage dienen die Ergebnisse der Shell Studie von 2006. Die Zukunftserwartungen und Ängste der Jugendlichen wurden ebenfalls mit Hilfe telefonischer Interviews ermittelt, welche mit Hilfe eines Fragebogens geführt wurden. Die zweite zentrale Fragestellung lautet somit: Sind die befragten hochbegabten Underachiever hinsichtlich ihrer Zukunft besorgter und ängstlicher als normal begabte Jugendliche, die weniger problematische Lebensläufe aufweisen?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das berufsbildende System
1.2 Berufsvorbereitungslehrgänge
1.2.1 Vollzeitlehrgang für Arbeitslose (VZ11)
1.2.2 Modulare- Duale- Qualifizierungsmaßnahme Stufe I (MDQM I)
1.2.3 Berufsbefähigender Lehrgang (BB 10)
1.2.4 Einjährige Berufsfachschule (OBF 1)
1.3 Die Berufsausbildung
1.3.1 Betriebliche Ausbildung
1.3.2 Verbundausbildung
1.3.3 Außerbetriebliche Ausbildung
1.3.4 Modulare- Duale- Qualifizierungsmaßnahme Stufe II (MDQM II)
1.3.5 Ausbildung in Berufsfachschulen
1.4 Ausbildungsmarktchancen
2. Biografische Verläufe der Berufsvorbereitungsschüler
2.1 Askriptive, soziokulturelle und biografische Merkmale
2.2 Teilverläufe von der Primarstufe bis zu MDQM I
2.2.1 Primarstufe
2.2.2 Sekundarstufe I
2.2.3 Übergang in den berufsbildenden Bereich
2.2.4 Typisierung der Verläufe der Jugendlichen nach MDQM I
2.3 Zusammenfassung
3. Shell Studie
3.1 Lebensphase Jugend
3.2 Stellung der Familie
3.3 Bedeutung der sozialen Herkunft
3.4 Ängste der Jugendlichen
3.5 Freizeitverhalten
3.6. Zusammenfassung
4. Hochbegabung und Underachievement
4.1 Hochbegabung
4.1.1 Definitionen von Hochbegabung
4.1.1.1 Intelligenz
4.1.1.2 Begabung
4.1.2 Diagnostik von Hochbegabten
4.1.2.1 Erfassung der intellektuellen Fähigkeiten
4.1.2.2 Weitere Identifikationsmöglichkeiten
4.1.3 Grenzen der Hochbegabung
4.1.4 Hochbegabung - angeboren oder erworben?
4.2 Hochbegabte Underachiever
4.2.1 Definition von Underachievement
4.2.2 Ursachen für Underachievement
5. Untersuchung: Hochbegabte Underachiever bei MDQM Berlin
5.1 Untersuchungsdesign
5.1.1 Beschreibung der Untersuchungsgruppe
5.1.2 Erhebungsinstrument
5.1.3 Auswertung
6. Darstellung der biografischen Verläufe
6.1 Schüler Ernst Auswertung des biografischen Verlaufs von Ernst
6.2 Schülerin Franziska Auswertung des biografischen Verlaufs von Franziska
6.3 Schüler Lars Auswertung des biografischen Verlaufs von Lars
6.4 Schüler Norman Auswertung des biografischen Verlaufs von Norman
6.5 Schülerin Carla Auswertung des biografischen Verlaufs von Carla
6.6 Schüler Dennis Auswertung des biografischen Verlaufs von Dennis
6.7 Schüler Michael Auswertung des biografischen Verlaufs von Michael
6.8 Schüler Olaf Auswertung des biografischen Verlaufs von Olaf
6.9 Zusammenfassung der biografischen Verläufe der befragten Jugendlichen
6.10 Zusammenfassung
7. Auswertung der Fragebögen
7.1 Lebensphase Jugend
7.2 Soziale Stellung der Familie
7.3 Bedeutung der sozialen Herkunft
7.4 Ängste der Jugendlichen
7.5 Freizeitverhalten der Jugendlichen
7.6 Zusammenfassung
8. Schlussbetrachtungen
9. Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Darstellung Schulabsolventen und Lehrstellenangebot
Abbildung 2: Statusentwicklung in den ersten 30 Monaten
Abbildung 3: Erste und zweite Episode im individuellen Verlauf
Abbildung 4: Verzögerte Ausbildungskarriere
Abbildung 5: Maßnahmekarriere
Abbildung 6: Jobberkarriere
Abbildung 7: Arbeitslosigkeitskarriere
Abbildung 8: Regelloser Verlauf
Abbildung 9: Verhältnis zu den Eltern
Abbildung 10: Auskommen nach Schichtzugehörigkeit
Abbildung 11: Verhältnis zu den Eltern in Abhängigkeit von der Familienform
Abbildung 12: Wahrgenommener Erziehungsstil der Eltern
Abbildung 13: Erziehungsstil nach Schichtzugehörigkeit
Abbildung 14: Jugendliche die sich eher/sehr sicher sind ihre beruflichen Wünschen zu schaffen
Abbildung 15: Die häufigsten Ängste der Jugendlichen
Abbildung 16: Checkliste für die Diagnostik von Hochbegabten
Abbildung 17: Normalverteilung des Intelligenzquotienten
Abbildung 18: Zeitstrahl Ernst
Abbildung 19: Zeitstrahl Franziska
Abbildung 20: Zeitstrahl Lars
Abbildung 21: Zeitstrahl Norman
Abbildung 22: Zeitstrahl Ernst
Abbildung 23: Zeitstrahl Dennis
Abbildung 24 Zeitstrahl Michael
Abbildung 25: Zeitstrahl Olaf
Abbildung 26: Erziehungsstil der Eltern
Abbildung 27: Frage zur Zukunft
Abbildung 28: Ergebnisse der Befragung zu den Ängsten
Abbildung 29: Frage zu den Peers
Abbildung 30: Ergebnisse des Fragebogens
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Geburtsland sowie Alter beim Zuzug
Tabelle 2 Schulformspezifischer Übergang in die Sekundarstufe I
Tabelle 3 Schulabschlüsse am Ende der Sekundarstufe I
Tabelle 4 Verlaufstypen
Tabelle 5 Zusammenfassung der Ergebnisse von Schumann
Tabelle 6 IQ- Verteilung in MDQM I und MDQM II
Tabelle 7 Verteilung des Intelligenzquotienten bei der Untersuchungsgruppe von MDQM
Tabelle 8 Zusammenfassung der biografischen Stationen, eigener Entwurf
Einleitung
Bildungspolitisches Ziel in Deutschland ist, dass unabhängig von individuellen und sozialen Voraussetzungen, jedes Kindes die gleichen Bildungsmöglichkeiten erhält (vgl. Stapf, 1997, S. 2). Experten kritisieren, dass sich das öffentliche Interesse zu stark auf lernschwache oder sozial benachteiligte Schüler beschränkt. In den Medien wird überwiegend über die Problematik der sozial Schwachen und die mangelnde Integration von ausländischen Schülern berichtet. Eine kleine aber bedeutende Gruppe wird bei dem Aktionismus der letzten Jahre, der aufgrund der erschreckenden Ergebnisse der Pisa Studien von 2000/2003 ausgelöst wurde, vernachlässigt. Die Hochbegabten. Eine Gruppe, die herausragende und innovative Leistungen vollbringen könnte. Allerdings ist eine spezielle Förderung dieser Klientel notwendig, um ihre kognitiven Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Besonders auf dem Gebiet der Identifikation zeigen sich in Deutschland erhebliche Schwachstellen. Anstatt die Talente zu unterstützen, bleiben diese häufig unerkannt. Hochbegabtenberatungsstellen, die auf den Vorschulbereich spezialisiert sind, Hochbegabtenkindergärten, deren Erzieher eine entwicklungspsychologische Ausbildung aufweisen, flächendeckende Identifikationen hochbegabter Kinder, spezielle Ausbildungen für die Lehrkräfte oder Frühfördercurricula für hochbegabte Kinder sind bisher nur Wunschträume. Der Schulentwicklungsplan 2006 bis 2011 für Berlin enthält Ansätze für die Förderung von Hochbegabten, die sich ausschließlich auf das Überspringen von Klassenstufen und Zusatzkurse beschränken (vgl. Ziegler, 2006, S.2, Bildung für Berlin, 2006, S.40f).
Die Ursache für die fehlende Sensibilität dieser Thematik resultiert aus Vorurteilen und falschen Einstellungen in der Öffentlichkeit. Argumente wie: „Hochbegabte setzen sich sowieso durch, da sie schon privilegiert sind und nicht noch extra Aufmerksamkeit brauchen oder dahinter stecken nur überehrgeizige Eltern“ (siehe Ringel, 1987, S.91) sind in den Ansichten der Gesellschaft tief verwurzelt. Auch die Behauptung, dass hochbegabten Kindern alles in den Schoß fallen müsse, weil sie Genies sind, verursacht Nachlässigkeit bei der Diagnostik dieser Schüler. Bei fehlender Zuwendung und mangelnder individueller Förderung scheitern hochbegabte Kinder genauso, wie normal begabte (vgl. Ringel, 1987, S. 90ff).
Werden die kognitiven Fähigkeiten und die hohe Intelligenz nicht erkannt, kann ihr Potential nicht ausgeschöpft werden, und es treten häufig verheerende Reaktionen und Folgen bei den Betroffenen auf. Sie beginnen, sich im Unterricht aufgrund der Unterforderung zu langweilen, resignieren oder stören und im schlimmsten Fall bleiben sie der Schule fern. Intelligenz reicht nicht aus, um gute Schulleistungen zu vollbringen. Faktoren wie Familie, Schule und Freundschaften sind ebenfalls von Bedeutung. Folglich ist die schulische Leistungsfähigkeit nicht nur durch kognitive Leistungsfähigkeiten zu erklären (vgl. Hanses 1998, 53).
Eine Gruppe, die in diesem Zusammenhang bisher wenig Berücksichtigung fand, sind die hochbegabten Underachiever. Mit dieser Gruppe wird sich in dieser Arbeit näher beschäftigt. Während des Studiums zum Diplom-Wirtschaftspädagogen ist mir die mangelhafte Ausbildung auf diesem Gebiet aufgefallen. Als zukünftiger Lehrer wird man wenig auf verhaltensauffällige und problematische Jugendliche vorbereitet. Die Thematik der Hochbegabung ist komplett vernachlässigt worden. Auf den Oberstufenzentren nehmen allerdings die Schülerzahlen der berufsvorbereitenden Lehrgänge und vollzeitschulischen Ausbildungen immer stärker zu. In diesen Klassen befinden sich Jugendliche, die keine Ausbildungsplatzmöglichkeit gefunden haben und zum Teil biografisch gescheitert sind. Ein nicht befähigter Lehrer bringt die schlechten Schulleistungen mit fehlenden kognitiven Voraussetzungen in Verbindung und handelt dementsprechend. Das kann zu einer Falschbehandlung und entsprechender Erfolglosigkeit der Jugendlichen führen. Aus diesem Grund beschäftige ich mich näher mit diesem Phänomen, um auf die Wahrscheinlichkeit von schlechten Schulleistungen trotz hohen kognitiven Fähigkeiten aufmerksam zu machen.
Ungefähr 15% der Hochbegabten sind Underachiever. Das bedeutet, sie zeigen erwartungswidrig schlechte Schulleistungen (vgl. IFLW - Institut für integratives Lernen und Weiterbildung, Homepage). Ein nicht zu verachtender Prozentsatz von potentiellen Jugendlichen, die Höchstleistungen für die Gesellschaft vollbringen könnten. Underachievement ist allerdings kein neues Phänomen, sondern schon seit geraumer Zeit existent. Aus der Literatur sind einige hochbegabte Menschen bekannt, die in der Schule mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Dazu gehören unter anderen Albert Einstein, Winston Churchill oder Hermann Hesse, deren Biografien interessante Einblicke in ihre Minderleisterschullaufbahnen liefern (vgl. Stamm, 2003, S. 2).
Sie scheitern oft schon im Primarbereich und besonders häufig in der Sekundarstufe. Unter Scheitern werden häufige Klassenwiederholungen oder sogar ein fehlender Schulabschluss verstanden. Folglich haben diese Jugendlichen keine guten Chancen auf dem Ausbildungsmarkt. Finden sie keinen Ausbildungsplatz, münden sie oft in die Langzeitarbeitslosigkeit und sind für die Gesellschaft verloren. Allein in Berlin verlassen ca. 4.500 Jugendliche die allgemein bildende Schule ohne Schulabschluss. 1.500 Jugendliche beenden den Sekundarbereich mit einem einfachen Hauptschulabschluss. Für diese Klientel wurde 1998/1999 das Modell „Erfolgreiche Wege zur Ausbildung“ in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport ins Leben gerufen und eine Modulare Duale qualifizierende Maßnahme (MDQM) eröffnet (vgl. Schwarz, 1994, S.1). MDQM umfasst die Berufsvorbereitung und Berufsausbildung. Die Jugendlichen erhalten die Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen und trotz ihrer problematischen Lebensläufe, Ausbildungen zu absolvieren. Die Abschlussprüfungen erfolgen vor der zuständigen Kammer, so dass sie einen staatlich anerkannten Beruf erlangen.
Seit 1999 betreut die Abteilung Wirtschaftspädagogik der Humboldt Universität zu Berlin diese Maßnahme wissenschaftlich. Unter anderem führte sie eine Studie durch, die den Zusammenhang zwischen gezeigter Leistung und kognitiven Fähigkeiten erklärt. Bei den Untersuchungen galt als wesentlicher Prädiktor für gute Schulleistungen Intelligenz. Somit wurden unterdurchschnittliche Intelligenzen bei der Untersuchungsgruppe vermutet. Die ersten Ergebnisse ergaben, dass ca. 20% der Jugendlichen über hervorragende kognitive Fähigkeiten verfügen aber in der Schule aufgrund von unzureichenden Leistungen gescheitert sind. Ungefähr 8,5% konnten bei MDQM als hochbegabt identifiziert werden. Mit dieser kleinen Gruppe werden in dieser Arbeit weitere Analysen durchgeführt (vgl. Badel, 2005, S.120).
Der erste Schwerpunkt der Arbeit ist die Darstellung der biografischen Verläufe von hochbegabten Underachievern der Jahrgänge 2003/2004 und 2004/2005 von der Primarstufe bis heute. Die Daten wurden anhand von telefonischen Interviews ermittelt. Die Untersuchungsgruppe bestand aus 16 hochbegabten Underachievern, von denen die Erreichbarkeiten vorlagen. In Anlehnung an die Ergebnisse der Studie von Stephan Schumann, wurden die Befunde analysiert und interpretiert. Schumann ermittelte die biografischen Verläufe von Jugendlichen, die eine berufsvorbereitende Maßnahme bei der bbw Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft mbH absolvierten, interpretierte diese und typisierte deren Werdegänge. Bei der Typisierung legte er den Fokus überwiegend auf den Verbleib der Jugendlichen nach der berufsvorbereitenden Maßnahme (MDQM I).
Die erste zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet: Unterscheiden sich die Lebensläufe der hochbegabten Underachiever stark von den Werdegängen der Jugendlichen in Schumanns Studie? Es wird erwartet, dass die hochbegabten Underachiever aufgrund ihrer Spezifik frühzeitiger Brüche in ihren Werdegängen aufweisen aber bei entsprechender Förderung, die sie bei MDQM erhalten, gute Ergebnisse erzielen können. Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung werden die möglichen Ursachen für die Minderleistungen diskutiert. Von besonderem Interesse sind die Tätigkeiten nach MDQM I. Es wird aufgezeigt, ob die Maßnahme ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht hat.
Der zweite Schwerpunkt der Arbeit ist die Erforschung, mit welchen Empfindungen die hochbegabten Underachiever ihrer Zukunft entgegen gehen. Als Grundlage dienen die Ergebnisse der Shell Studie von 2006. Die Zukunftserwartungen und Ängste der Jugendlichen wurden ebenfalls mit Hilfe telefonischer Interviews ermittelt, welche mit Hilfe eines Fragebogens geführt wurden. Die zweite zentrale Fragestellung lautet somit: Sind die befragten hochbegabten Underachiever hinsichtlich ihrer Zukunft besorgter und ängstlicher als normal begabte Jugendliche, die weniger problematische Lebensläufe aufweisen?
Hier wird erwartet, dass sie ihrer Zukunft mit eher ängstlichen Gefühlen entgegen gehen. Sie erhielten zwar durch die MDQ Maßnahme die Chance, eine Ausbildung zu absolvieren, müssen allerdings anschließend einen Arbeitsplatz finden und sich gegen die Konkurrenz am Arbeitsmarkt durchsetzen. Das ist bei einer Arbeitslosenquote von 15,6 % sehr schwierig (vgl. Statistisches Landesamt Berlin, Homepage). Arbeitgeber können zwischen vielen qualifizierten Bewerbern auswählen und entscheiden sich meist für diejenigen, die einen einwandfreien und viel versprechenden Lebenslauf aufweisen. Hier hat die befragte Klientel wenig vorzuweisen. Bezüglich der Ängste der Underachiever erwarte ich, aus den bereits genanten Gründen, dass im Hinblick auf die schlechte Wirtschaftslage, Armut und Sorge keinen Arbeitsplatz zu finden, größere Ängste ermittelt werden, als in der Shell Studie.
Die Arbeit beginnt nach der Einleitung mit der Darstellung des berufsbildenden Systems. Das Wissen der unterschiedlichen Lehrgänge im berufsbildenden Bereich ist für das Verständnis der Schumann und Shell Studie notwendig. Das allgemein bildende System wird nicht näher erläutert, weil allgemeine Kenntnisse über die Primarstufe und Sekundarstufe (Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Sonderschule) vorausgesetzt werden. Im zweiten Kapitel wird die Studie von Schumann vorgestellt. Sie umfasst die Punkte askriptive, soziokulturelle und biografische Merkmale (2.1), Teilverläufe in der Primarstufe (2.2.1), Sekundarstufe (2.2.2) und den berufsbildenden Bereich (2.2.3) sowie eine Typisierung der Biografien (2.2.4). Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung, die die wesentlichen Punkte darstellt (2.3). Das dritte Kapitel beinhaltet die Darstellung der Shell Studie. Schwerpunkte sind die Lebensphase Jugend (3.1), Stellung der Familie (3.2), Bedeutung der sozialen Herkunft (3.3), Ängste der Jugendlichen (3.4), die Peers (3.5) und ihre Zukunftsansichten. In der Zusammenfassung werden die theoretischen Aspekte übersichtlich erläutert (3.6). Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Suche nach einer Arbeitsdefinition von Hochbegabung und Underachievement. Vorab sind unterschiedliche Definitionsansätze aus der Literatur vorgestellt, die zum Verständnis der Arbeit helfen (4.1.1) In diesem Zusammenhang werden die Konstrukte Intelligenz und Begabung voneinander abgegrenzt. Anschließend sind die Verfahren, die zur Identifikation der Hochbegabten dienen, erläutert (4.1.2). Von Relevanz sind ebenfalls die Grenzen, ab wann von Hochbegabung gesprochen wird (4.1.3) und ob es sich um angeborene oder erwerbbare Eigenschaften handelt (4.1.4).
Das vierte Kapitel beinhaltet auch eine Erläuterung des Phänomens Underachievement. Es wird eine Definition für die Arbeit festgelegt (4.2.1). Es schließt sich eine Illustration über die in der Literatur erforschten Ursachen für die Minderleistungen an (4.2.2). Hier sind die Bereiche Schule, Familie, Peers und Persönlichkeit von Relevanz.
Das fünfte Kapitel leitet das empirische Vorgehen ein. Es erläutert das Untersuchungsdesign, Erhebungsverfahren, die Untersuchungsgruppe und die Auswertungsmethode (siehe Kapitel 5.1). Im sechsten Kapitel erfolgt die Darstellung der biografischen Verläufe der befragten Jugendlichen, die mit Hilfe eines Zeitstrahls grafisch verdeutlicht sind. Zusätzlich werden mit Hilfe der theoretischen Ausführungen Begründungen in Form von Hypothesen für das jeweilige Scheitern dargelegt (6.1 bis 6.8). Dieses Kapitel endet mit einer Übersicht der wichtigen Stationen der jeweiligen Verläufe. Das siebte Kapitel wertet den Fragebogen des Interviews aus. Es werden die Ergebnisse der Shell Studie mit denen der Befragungen verglichen. Wiedergegeben werden die Aspekte Lebensphase Jugend, Stellung der Familie, soziale Herkunft, Ängste der Jugendlichen und das Freizeitverhalten (7.1 bis 7.4). Zum Schluss der Arbeit erfolgt ein Endfazit, dass die wesentlichen Erkenntnisse zusammenfasst.
1. Das berufsbildende System
Unter einer Normalbiografie wird in der Gesellschaft der reibungslose Übergang von dem allgemein bildenden in das Ausbildungssystem und anschließend in das Erwerbsleben verstanden. Nach der Absolvierung der Sekundarstufe I oder dem Abitur steht es jedem Jugendlichen frei, sich für eine Ausbildung in dualer Form zu bewerben. Allerdings ist es in Deutschland nicht einfach, eine Stelle zu bekommen (vgl. Kapitel 1.3). Haben die Jugendlichen keine Ausbildung gefunden, weil sie zum Beispiel nach Ansicht der Wirtschaft nicht ausbildungsfähig sind oder nur einen unzureichenden Schulabschluss aufweisen, besteht die Möglichkeit, einen berufsvorbereitenden Lehrgang zu absolvieren. Es gibt verschiedene Angebote, die im Folgenden dargestellt werden.
1.2 Berufsvorbereitungslehrgänge
Berufsvorbereitungslehrgänge sind einjährige Bildungsgänge, die Jugendliche auf die Anforderungen einer beruflichen Ausbildung vorbereiten. Viele Absolventen haben schlechte Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt, unter anderem, weil sie keinen Schulabschluss haben. Der Hauptschulabschluss kann während der Berufsvorbereitung durch das Absolvieren einer Prüfung nachgeholt werden. Die Schüler erweitern ihre Allgemeinbildung, sammeln berufliche Erfahrungen und trainieren Schlüsselqualifikationen. Die Berufsvorbereitung bereitet auf ein berufliches Grundwissen in mehreren Berufsfeldern, wie z.B. Elektrotechnik, Ernährung oder Wirtschaft und Verwaltung vor. Viele Schulen bieten ein Praktikum in Form von wöchentlichen Praxistagen in Betrieben an. Das Berufsvorbereitungsjahr kann meist nicht auf eine anschließende Ausbildung angerechnet werden (vgl. Berufsbildungsbericht 2003, Absatz 2.4). Zuerst werden die auf Landesrecht geregelten berufsvorbereitenden Lehrgänge dargestellt und anschließend die der Bundesagentur für Arbeit kurz wiedergegeben.
1.2.1 Vollzeitlehrgang für Arbeitslose (VZ11)
Dieser Lehrgang ist für Schüler, die die allgemeine zehnjährige Schulpflicht erfüllt aber keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die Jugendlichen erhalten einen allgemein bildenden, fachtheoretischen und fachpraktischen Unterricht, der vollzeitschulisch stattfindet. Sie können innerhalb dieser Maßnahme den Hauptschulabschluss nachholen bzw. erweitern. Ziel ist es, die schulische Qualifikation zu erhöhen und berufliche Grundkenntnisse zu erlangen. Es ist erwiesen, dass hauptsächlich männliche Jugendliche an dieser Maßnahme teilnehmen. Rund 40% verlassen den Lehrgang mit Erfolg. Ungefähr einem Drittel gelingt es, in eine berufliche Ausbildung überzugehen. Negativ wird bemerkt, dass diese Art von Berufsvorbereitung eher einen Warteschleifencharakter hat. Es existiert keine Anbindung (curricular, zertifikatsmäßig, zeitlich, institutionell) an die berufliche Ausbildung. Zudem ist es ein rein schulischer Lehrgang. Schulmüde Jugendliche werden wahrscheinlich in dieser Maßnahme keinen Erfolg haben, weil sie mit der starken Schoolarisierung Probleme haben (vgl. Schumann, 2005, S. 109f). Heute heißt dieser Vollzeitlehrgang BQL. Neu ist, dass Bausteine, bzw. Zertifikate erworben werden können, die auf eine spätere Ausbildung anrechenbar sind. Die Schülerzahlen haben eine steigende Tendenz (vgl. Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Sport, Berufliche Bildung 2006/2007, S.11f).
1.2.2 Modulare- Duale- Qualifizierungsmaßnahme Stufe I (MDQM I)
Dieser Bildungsgang versucht die Defizite der vorher beschriebenen berufsvorbereitenden Maßnahme zu mildern. MDQM richtet sich wie der VZ11 Lehrgang an Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die Teilnehmer weisen meist eine schlechte schulische Bildung auf. Im Durchschnitt haben in diesem Bildungsgang 70% keinen Schulabschluss, 25% einen Hauptschulabschluss und 5% einen erweiterten Hauptschulabschluss. Er charakterisiert sich durch die Dualität der Lehr-Lern-Institutionen und der Modularisierung des Curriculums. Der Lehrgang MDQM I beinhaltet die Berufsvorbereitung und dauert ein Jahr. Die fachtheoretischen Inhalte werden in der Berufsschule vermittelt und die fachprak-tischen Anteile in der Praxiseinrichtung bbw Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft mbH (10 Berufsfelder). Er beinhaltet 15 Wochenstunden (WS) fachpraktische Ausbildung, 8 WS fachtheoretischen Unterricht und 7 WS allgemeine Bildung. Bei Erreichen der entsprechenden Leistungen, werden ihnen die einzelnen Module zertifiziert. Somit werden Lernerfolge schnell belohnt und festgestellt. Das könnte die Lernmotivation der Schüler steigern. Die Berufsvorbereitung ist an der Berufsausbildung angeschlossen. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, sich nach einer erfolgreichen Absolvierung der Stufe I, für die dreijährige Stufe II (Ausbildung) zu bewerben oder sich einen Ausbildungsplatz in der freien Wirtschaft zu suchen. Zusätzlich erhalten sie die Zertifizierung des nächst höheren Schulabschlusses und erhöhen ihre Chancen am Arbeitsmarkt (vgl.www.berlin.de/sen/arbeit/einstieg/ausbildungsfoerderung.html, Schumann, 2005, S. 75ff). Die folgenden Bildungsgänge haben aufgrund ihrer inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung einen berufsvorbereitenden Charakter, gehören aber formell nicht zu diesen.
1.2.3 Berufsbefähigender Lehrgang (BB 10)
Dieser Lehrgang wurde für Jugendliche eingerichtet, die neun Jahre die allgemein bildende Schule besucht aber keinen Schulabschluss erreicht haben. Es besteht die Möglichkeit, das zehnte Pflichtschuljahr in einem beruflich orientierten Bildungsgang zu absolvieren. Es sind bevorzugt Schüler aus den Sonderschulen zu nehmen. Sollten freie Kapazitäten vorhanden sein, können Hauptschüler der 7. oder 8. Klasse an diesem Lehrgang teilnehmen. Der Unterricht beinhaltet allgemein bildende Bereiche, fachtheoretischen und fachpraktischen Unterricht, bezogen auf ein Berufsfeld. Ziel ist es, die schulische Qualifikation zu verbessern, um die Chancen auf eine Integration in den Ausbildungsmarkt zu erhöhen. Das bedeutet, es kann bei ausreichenden Leistungen nachträglich ein Hauptschulabschluss erworben werden, und sie sammeln fachpraktische Erfahrungen, die sie im Erwerbsleben nutzen können. Ungefähr 50% der Schüler nutzen diese Chance und schaffen einen Abschluss. Eine Anrechnung auf eine Berufsausbildung ist nicht möglich. Diese Maßnahme ist im Schuljahr 2006/2007 ausgelaufen, weil nur wenige Erfolge der Ausbildungsmarktintegration zu verzeichnen waren (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berufsbefähigende Lehrgänge 2003/2004).
1.2.4 Einjährige Berufsfachschule (OBF 1)
Dieser Bildungsgang wurde in den letzten Jahren aufgrund des Missverhältnisses von Ausbildungsplatznachfrage und -angebot stark ausgebaut. Er hat eine Puffer- bzw. Ergänzungsfunktion, kann nicht auf eine Ausbildung angerechnet werden und führt auch nicht zu einem beruflichen Abschluss. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an Jugendliche mit einem erweiterten Hauptschulabschluss und wird an den Berliner Berufsschulen vollzeitschulisch angeboten. Die Schüler müssen sich für ein Berufsfeld entscheiden. Dort können sie ihre Allgemeinbildung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erweitern. Zugangsvoraussetzung ist der erweiterte Hauptschulabschluss. Somit ist anzunehmen, dass die Basiskompetenzen der Teilnehmer besser sind als die in den anderen berufsvorbereitenden Lehrgängen (vgl. Badel, 2005, S. 142f).
Bei einem erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs, erhalten die Jugendlichen einen Realschulabschluss und können so ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt verbessern. Außerdem ist ihnen in einigen Berufsfeldern der Übergang in einen weiterführenden Bildungsgang sicher. Im wirtschaftlich- verwaltenden Bereich können sie in das zweite Ausbildungsjahr einer dreijährigen kaufmännischen Ausbildung in Berufsfachschulen übergehen. Außerdem können sie durch einen zweijährigen Bildungsgang der Fachoberschule die Fachhochschul-reife erwerben oder in die gymnasiale Oberstufe mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt wechseln (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport 2004b, S. 96 und 2006/2007, S. 11f).
Berufsvorbereitende Lehrgänge der Bundesagentur für Arbeit, wie z. B. tip-Lehrgänge (testen, informieren, probieren, Dauer 3 Monate), G- Lehrgänge (Grundausbildungslehrgänge, Dauer 12 Monate), BBE - Lehrgänge (Verbesserung beruflicher Bildungs- und Eingliederungschancen, 12 Monate), F- Lehrgänge (Förderlehrgänge F1 12 Monate, F2 24 Monate, F3 36 Monate, F4 6 Monate) verfolgen das Ziel, Jugendliche für die Aufnahme einer Ausbildung zu motivieren und zu befähigen (vgl. Newsletter BQM, 2006, S.4). Diese Maßnahmen sind für diese Arbeit nicht relevant. Keiner der befragten Jugendlichen hat einen Lehrgang der Bundesagentur für Arbeit absolviert.
1.3 Die Berufsausbildung
Die Berufsausbildung ist in ihrem ursprünglichen Sinn dual organisiert. Allerdings besteht seit einigen Jahren das Problem, dass für die Schulabgänger keine ausreichende Anzahl an Ausbildungsplätzen zur Verfügung steht. Der Ausbildungsstellenmarkt weist einen immer stärkeren Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze auf. Zusätzlich steigen im gesamten Bundesgebiet seit 1992 die Abgängerzahlen aus den allgemein bildenden Schulen um ungefähr 175.000 (+ 23%). Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die Entwicklungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1, Darstellung Schulabsolventen und Lehrstellenangebot, 2006 Quelle: Eberhard, Krewerth, & Ulrich , S. 9
In Berlin liegt eine konforme Entwicklung zu der bundesweiten Situation vor. Aus diesem Grund wurden als Alternative außerbetriebliche, vollzeitschulische und Verbundausbildungen eingerichtet. Ziel war es, die Ausbildungsplatzlücke zu verringern und die Jugendlichen für den Arbeitsmarkt zu befähigen (vgl. Eberhard, Krewerth, & Ulrich 2006). In dem folgenden Abschnitt werden die betriebliche (duale) Ausbildung und ihre Alternativen näher erläutert.
1.3.1 Betriebliche Ausbildung
In Deutschland beginnen ungefähr 600.000 Jugendliche jährlich im Anschluss an die Vollzeitschulpflicht eine Berufsausbildung im dualen System. „Dual“, weil die Ausbildung an den beiden Lernorten, dem Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule, durchgeführt wird. Es sollen Fachkräfte für einen allgemein anerkannten Ausbildungsberuf ausgebildet werden. Es werden eine berufliche Grundbildung und spezielle fachliche Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt (vgl. Europäische Kommission, 1995, S. 110). Am Ende der Ausbildung ist eine Prüfung vor der zuständigen Kammer zu bestehen. Drei Viertel der Lernzeit, fallen auf den Betrieb. Die fachliche und überfachliche Qualifikation findet unter Berücksichtigung der Ausbildungsordnung statt. Die Abbruchzahl liegt in Berlin deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Sie betrug im Jahre 2002 29%. Das bedeutet, fast ein Drittel aller Ausbildungsverträge werden vorzeitig gelöst. Wobei die Jugendlichen überwiegend im ersten Lehrjahr die Verträge lösen. Hauptschulabgänger und Sonderschulabgänger brechen zehnmal eher eine Ausbildung ab (vgl. Kloas, 1991, S. 15). Zudem schaffen sie häufig die Prüfung nicht (vgl. van Buer, 2001a, S.449). Bisher bildeten nur Betriebe aus, die über ausreichend geschultes und geeignetes Ausbildungspersonal für die Vermittlung der Inhalte verfügten. Diese Regelung ist ein wenig gelockert worden. Mit Hilfe einer Verbundausbildung können auch Betriebe ausbilden, die nicht über die notwendige Qualifikationsmöglichkeit verfügten. Die Berufsschule wird in der Regel zwei Mal die Woche besucht (vgl. Europäische Kommission, 1995, S. 111). Die duale Ausbildung genießt trotz einiger Schwächen einen allgemein guten Ruf, was auf die im internationalen Vergleich niedrige Jugendarbeitslosigkeit zurückzuführen ist. Allerdings haben ungelernte Jugendliche wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Baethge, 2003, S. 526). Im Anschluss an die Berufsausbildung erfolgt normalerweise der Einstieg in den Arbeitsmarkt. Hat ein Jugendlicher keinen Erfolg bei der Ausbildungsplatz-suche, kann er als Alternative eine außerbetriebliche und vollzeitschulische Ausbildung beginnen, die im Anschluss an das Kapitel Verbundausbildung erläutert wird.
1.3.2 Verbundausbildung
Nach §22 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes gibt es die Möglichkeit, eine Ausbildung auch in Zusammenarbeit mit anderen Betrieben oder Bildungseinrichtungen durchzuführen. Die Verbundausbildung ist eine Modifikation des dualen Systems. Die Dualität wurde durchbrochen, weil nicht alle Betriebe die erforderlichen Voraussetzungen für eine Berufsausbildung erfüllen. Aus diesem Grund kann ein Unternehmen sich mit anderen Betrieben und Bildungsorganisationen zusammenschließen, um gemeinsam Jugendliche auszubilden. Es ist als Ausbildungsbetrieb für die Einstellung der Auszubildenden verantwortlich und überträgt einige Teile der Ausbildung gegen Kostenerstattung auf einen anderen Betrieb (Verbundpartner). Der fachtheoretische Inhalt wird in der Berufsschule vermittelt. Die Verbundausbildung wurde zur Erweiterung des Ausbildungsplatzangebotes geschaffen. Folglich haben kleine Unternehmen die Chance, auszubilden. Diese Art von Ausbildung bietet einige Vorteile, wie zum Beispiel die Möglichkeit einer hohen technologischen Spezialisierung. Durch die unterschiedlichen Betriebe, Ausbildungsinhalte und Organisationen können sich die fachlichen und sozialen Kompetenzen erweitern. Wechselnde personelle, räumliche und organisatorische Rahmenbedingungen sind charakteristisch. Somit wird unter anderem die Fähigkeit, kooperativ in Arbeitsgruppen zusammenzuarbeiten, trainiert. Die Verbundausbildung wird durch Bund und Länder unterstützt (vgl. BIBB, Verbundausbildungen ).
1.3.3 Außerbetriebliche Ausbildung
Eine außerbetriebliche Berufsausbildung ist eine Ausbildung, die nicht in einem Betrieb sondern in einer anerkannten Einrichtung (Ausbildungsträger) stattfindet. Der Ausbildungsabschluss ist einem betrieblichen Abschluss gleichwertig und wird ebenfalls von der Kammer abgenommen. Das Angebot richtet sich an Jugendliche, die in irgendeiner Form benachteiligt sind, sich für eine betriebliche Ausbildung auf dem freien Markt nicht eignen oder keinen Erfolg bei der Ausbildungsplatzsuche hatten. Unter Benachteiligung werden zum Beispiel fehlende Qualifikationen und Kompetenzen, die für die Absolvierung einer Ausbildung notwendig sind, verstanden. Das bedeutet, sie finden aufgrund der starken Auslese keinen Ausbildungsplatz und beginnen alternativ mit einer außerbetrieblichen Maßnahme oder nutzen sie als Übergangslösung (vgl. Braun, 1999, S. 14). Die außerbetriebliche Ausbildung weist keine guten Übernahmequoten in den Arbeitsmarkt auf. Rund 50% sind nach der Ausbildung arbeitslos. Zum einen, weil in Berufen ausgebildet wird für den kein Arbeitskräftebedarf besteht und zum anderen, weil die betrieblich ausgebildeten Jugendlichen vorgezogen werden. Die betriebliche Ausbildung bietet somit bessere Übergangschancen. Hier sind nur ungefähr 10% in den alten Bundesländern und 20% in den neuen Bundesländern im Anschluss an der Ausbildung arbeitslos. Aus diesem Grund, beenden viele Jugendliche eine außerbetriebliche Ausbildung meist vorzeitig (60%) und beginnen, wenn möglich, eine betriebliche Ausbildung. Träger der Ausbildung ist entweder die Bundesagentur für Arbeit oder anerkannte Bildungsträger, die staatliche Zuschüsse erhalten. Zugangsvoraussetzung zur außerbetrieblichen Ausbildung ist die vorherige Absolvierung einer berufsvorbereitenden Maßnahme (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, S. 153ff).
1.3.4 Modulare- Duale- Qualifizierungsmaßnahme Stufe II (MDQM II)
Der 1998 gegründete Bildungsgang stellt eine Sonderform der außerbetrieblichen Ausbildung dar und ist ein Modellversuch. Er gehört zu der mehrjährigen Berufsfachschule, entspricht aber eher dem Charakter der außerbetrieblichen Ausbildung. MDQM II ist dual organisiert, d.h. die fachpraktischen Lerninhalte werden von der bbw Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsgesellschaft vermittelt (ca. 20 Stunden) und der allgemein bildende und fachtheoretische Unterricht in der Berufsschule (ca. 20 Stunden) und bereitet auf die Prüfung vor der zuständigen Stelle vor. Es können innerhalb von 2 bis 3,5 Jahren verschiedene Berufe erlernt werden, die hauptsächlich zum gewerblich-technischen Bereich gehören. Aber auch die Berufe des Informatikkaufmannes/frau und Bürokaufmann/frau werden angeboten. Zielpersonen sind Jugendliche, die innerhalb ihrer zehnjährigen Schulpflicht einen Schulabschluss (mindestens Hauptschulabschluss) erworben haben. Zurzeit werden rund 20 Berufe angeboten. Die Ausbildungsinhalte sind in Modulen organisiert, die nach Abschluss sofort zertifiziert werden. Der allgemein bildende Teil des Berufsschulunterrichts führt zum Erreichen des nächst höheren Schulabschlusses (bis zum Realschulabschluss). Das Modell wird von der Berliner Schule und dem Europäischen Sozialfond finanziert. MDQM II weist eine sehr hohe Abbruchquote im ersten Ausbildungsjahr auf. Ungefähr 60% bis 70% steigen aus, weil sie entweder eine betriebliche Ausbildung anfangen oder sich komplett von dem Bildungssystem entfernen. Überwiegend Schüler mit einem niedrigen Schulabschluss verlassen die Maßnahme vorzeitig. Ungefähr 70% der Prüfungsteilnehmer erwerben vor der zuständigen Kammer den Facharbeiterbrief. Den Übergang in das Beschäftigungssystem schaffen nur ca. 22%. Die Anderen beginnen entweder eine weitere Ausbildung, eine vollzeitschulische Maßnahme (Fachabitur) oder sind arbeitslos (vgl. Schumann, 2005, S.135ff, vgl. www.bibb.de/ausbildungskonsens /2000/2200 /2200.pdf).
1.3.5 Ausbildung in Berufsfachschulen
"Die Berufsfachschulen haben das Ziel, Schülerinnen und Schüler in einem oder mehrere Berufe einzuführen, einen Teil der Berufsausbildung (z.B. berufliche Grundbildung) in einem oder mehreren anerkannten Ausbildungsberufen zu vermitteln oder sie zu einem Berufsabschluss in einem Beruf zu führen" (Rahmenvereinbarung zur Berufsfachschule" von 1997, KMK).
Die Berufsfachschule hat in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung und Zuwachs gewonnen. Der Grund ist die große Diskrepanz zwischen Ausbildungsangebot und -nachfrage. Im Schuljahr 2003/2004 nahmen 10.000 Jugendliche teil. Das Angebot ist sehr breit gefächert. Die nach dem Berufsbildungsgesetz geregelten Ausbildungslehrgänge bieten eine bundesweit anerkannte Alternative zum dualen System. Zum Ende der Ausbildung ist ebenfalls eine Prüfung vor der zuständigen Stelle zu bestehen. Angebote, die nach der Handwerksordnung geregelt sind, führen zu länderspezifischen Ausbildungsabschlüssen in technisch und wirtschaftlich orientierten Assistenz- und Dienstleistungsberufen. Die teilnehmenden Jugendlichen weisen mittlere Leistungen auf. In Berlin nehmen ca. 70% mit einem Realschulabschluss teil und ca. 20% mit einem erweiterten Hauptschulabschluss (vgl. Schumann, 2005, S. 139ff). Zudem bieten vollzeitschulische Ausbildungen eine gute Eingliederungsmöglichkeit für Jugendliche mit Migrationshintergrund (vgl. Herwatz-Emden, S. 700). Es können innerhalb von ein bis dreieinhalb Jahren diverse Berufe erlernt werden, die für diese Arbeit nicht weiter von Relevanz sind. Im Vordergrund steht lediglich die Kenntnis über die Option, eine vollzeitschu-lische Ausbildung an der Berufsfachschule absolvieren zu können. Für die praktischen Elemente wurden in den Schulen Lernbüros eingerichtet, die den Arbeitsalltag simulieren sollen. Verbleibsstudien haben ergeben, dass Jugendliche der Berufsfachschulen sich häufig doppelt qualifizieren. Das bedeutet, die Schüler absolvieren im Anschluss an die Vollzeitausbildung eine duale Ausbildung oder wechseln auf die Fachhochschule (vgl. Feller, 1998, S.15).
1.4 Ausbildungsmarktchancen
Die obigen Ausführungen geben einen kleinen Einblick in das vielfältige berufliche Ausbildungssystem in Deutschland wieder. In diesem Abschnitt wird kurz ausgeführt, welche Chancen Jugendliche ohne bzw. mit einem Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt haben. Dieser Aspekt ist für die Arbeit wesentlich, weil hochbegabte Underachiever (nähere Erläuterungen im Kapitel 4) häufig ihre Schullaufbahn mit dieser Qualifikation beenden.
Wie bereits erläutert, ist der Ausbildungsmarkt in Berlin debalanciert. Die Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten, orientieren sich überwiegend am Schulabschluss der Bewerber. Sie befinden sich in der Position, sich die Jugendlichen auswählen zu können. Die Zahlen aus dem Schuljahr 2003/04 zeigen, dass überwiegend Jugendliche mit einem Realschulabschluss eine Ausbildungsstelle erhalten. 22% der Berliner Schüler beginnen mit einer Hochschulreife überwiegend Ausbildungen im wirtschaftlich-verwaltenden Bereich. Verdrängt werden Jugendliche ohne Schulabschluss bzw. mit einem Hauptschulabschluss. Davon gelangen nur 4% bzw. 9% in den Ausbildungsmarkt und erlernen überwiegend gewerblich-technische Berufe. Diesen Jugendlichen bleibt die Möglichkeit, eine berufsvorbereitende Maßnahme zu beginnen, um eventuell auf Umwegen eine Ausbildungsstelle zu erhalten. Ungefähr 60% der Berufsvorbereitungsschüler haben keinen Schulabschluss (vgl. Schumann 2006, S. 100ff).
Der Grund für diese Verdrängung ist die Ansicht der Betriebe, dass diese Schüler oft eine mangelnde Ausbildungsfähigkeit aufweisen und somit nicht einsetzbar sind (vgl. Berufsbildungsbericht 2007). Unter Ausbildungsfähigkeit wird: „ dynamische und facettenreiche Konstruktion (…), die sich in Abhängigkeit von jeweiligen Situations- und Persönlichkeitsmerkmalen herausbildet und auch situational und individuell geprägt zur Problemlösung eingesetzt wird “ verstanden (Uhlig, 2006, S. 66).
Somit wird deutlich, dass Jugendliche der Berufsvorbereitung überwiegend unattraktive Schullebensläufe aufzeigen. Für hochbegabte Underachiever wird vermutet, dass sie aufgrund ihres meist brüchigen biografischen Lebenslaufs als nicht ausbildungsfähig eingestuft werden oder sich gegen die Konkurrenz am Ausbildungsmarkt nicht durchsetzen können und folglich keinen Ausbildungsplatz finden. Aus diesem Grund wechseln sie häufig zu berufsvorbereitende Maßnahmen, die eine Nachqualifikation ermöglichen. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen die Integration in das Ausbildungssystem verbessert. Berufsvorberei-tungen etablieren sich im Moment sehr stark am Angebotsmarkt der beruflichen Bildung. Es besteht die Gefahr, dass es sich nur um „Auffangbecken“ oder „Warteschleifen“ handelt, die wenig positive Auswirkungen für die beruflichen Bildungsbiografien der Jugendlichen haben (vgl. Schumann, 2005, S. 146ff). Das wird besonders bei Maßnahmen, die keine Anbindung an weiterführende Bildungsgänge haben und somit zu Brüchen in den beruflichen Karrieren der Jugendlichen führen, befürchtet. Allerdings erwerben sie mit der Absolvierung der Lehrgänge einen höherwertigen Schulabschluss, der die Chancen des Ausbildungsplatzerhaltes erheblich verbessern kann. Ob dies eintrifft, kann nur mit Hilfe weiterer Studien beantwortet werden und wird im Abschnitt 2.2.4 näher erläutert.
Das nächste Kapitel gibt Inhalte der Studie von Stephan Schumann wieder. Diese beschreibt die biografischen Verläufe der Berufsvorbereitungsschüler von MDQM. Die Erkenntnisse seiner Studie sind für die Analyse der Lebensläufe der befragten hochbegabten Underachiever von Relevanz. Je nach ihren Verbleib nach der MDQM I Maßnahme ordnete Schumann die Jugendlichen in seine definierten Verlaufskarrieren ein. Diese Einordnung wird mit der Untersuchungsgruppe ebenfalls vorgenommen.
2. Biografische Verläufe der Berufsvorbereitungsschüler
Stephan Schumann hat 2006 eine Studie zu den biografischen Verläufen von Jugendlichen bei MDQM veröffentlicht. Er untersuchte Jugendliche, die im Schuljahr 2000/2001 an MDQM I teilnahmen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 1182 Jugendliche in dieser Maßnahme, von denen allerdings nur 220 auswertbare Interviewergebnisse erzielt werden konnten. Er hinterfragte den soziokulturellen Hintergrund der Jugendlichen, weil dieser, wie bereits erläutert, ausschlaggebend für die Entwicklung ist. Anschließend stellte er den Teilverlauf von der Primarstufe bis zur berufsvorbereitenden Maßnahme MDQM I dar. Die Ergebnisse werden in diesem Abschnitt kurz erläutert. Im empirischen Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der Interviews der Untersuchungsgruppe mit den Fakten von Schumann verglichen.
2.1 Askriptive, soziokulturelle und biografische Merkmale
Viele Schulleistungsstudien zeigen, dass männliche Jugendliche weniger erfolgreich lernen als weibliche und somit vermehrt in berufsvorbereitende Maßnahmen vertreten sind (vgl. Cortina & Trommer, 2003, S.384). So auch in MDQM I. 58% der Teilnehmer sind männlich. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen beträgt 20,2 Jahre (SD= .93). Ungefähr 50% der Jugendlichen weisen einen Migrationshintergrund auf, wobei ein Viertel nach der Geburt eingewandert ist, ein Drittel bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres immigrierte und ein Drittel im Verlauf der Primarstufe oder Sekundarstufe I. Auch hier ist ein geschlechterspezifisches Missverhältnis existent. 38% der männlichen und 55% der weiblichen Teilnehmer sind nicht deutscher Herkunft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1, Geburtsland sowie Alter beim Zuzug, Quelle: Schumann, S.172
Bei der Tabelle ist zu berücksichtigen, dass etwa 25% der Migranten in Deutschland geboren sind. Aufgrund des Migrationshintergrunds ist anzunehmen, dass sie in den „Problemvierteln“ im Westteil von Berlin wohnen. Spätestens seit Pisa 2000 ist bekannt, dass die Bildungschancen stark an die soziale Herkunft gebunden sind. Schumann ermittelte in seiner Untersuchungsgruppe, dass ein Zehntel der Eltern keinen Schulabschluss haben, ein Viertel die mittlere Reife, ein Fünftel die allgemeine bzw. fachgebundene Hochschulreife und ein Drittel die Jugendlichen nicht wissen, welchen Schulabschluss ihre Eltern haben. Bei der letztgenannten Gruppe wird eine Distanz zur Bildung vermutet. Hinsichtlich der Berufsausbildung zeigen sich ähnliche Ergebnisse. 15% haben keinen Beruf (meist Familien nichtdeutscher Herkunft), ein Fünftel hat einen akademischen Abschluss und ca. 50% einen erlernten Beruf. Es wird deutlich, dass die Jugendlichen nicht alle in einem „bildungsfernen“ Haushalt aufgewachsen sind.
Allerdings war bei einem Viertel der Befragten in den letzten 5 Jahren mindestens ein Elternteil arbeitslos. Das bedeutet, sie befanden sich überwiegend in recht instabilen Beschäftigungsverhältnissen. Besonders Eltern mit Migrationshintergrund durchleben häufige Arbeitslosigkeitsphasen. Dieser Anteil ist im Vergleich zur regionalen Statistik recht hoch. Schumann ermittelte, dass die Elternhäuser nicht den unteren sozialen Schichten zuzuordnen sind. Angestellte sind sehr stark vertreten. Eltern mit einer Zuwanderungsgeschichte sind eher im Arbeitermilieu ansässig (vgl. Schumann, 2006, S. 175ff ).
2.2 Teilverläufe von der Primarstufe bis zu MDQM I
In diesem Abschnitt werden die Verläufe der Jugendlichen von MDQM skizziert. Zunächst wird die Primarstufe diskutiert, dann die Sekundarstufe und anschließend der berufsbildende Bereich.
2.2.1 Primarstufe
Die Primarstufe hat die Vermittlung der Grundlagen für eine weiterführende Bildung und das lebenslange Lernen zum Ziel. Mit Eintritt in dieser Stufe beginnt die Pflichtschulzeit. Schwerpunkte sind die Verbesserung der Sprachkompetenz und das Erlangen eines grundlegenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Verständnisses. Sie werden in der Weiterentwicklung der Wahrnehmung und Strukturierung der Umwelteindrücke geschult sowie in ihren psychomotorischen Fähigkeiten und sozialen Verhaltensweisen (vgl. Das Bildungswesen in Deutschland 2004, Dossier der KMK, S. 80f). Nach dem Hamburger Abkommen von 1964 gilt, dass alle Kinder am 1. August eingeschult werden, die am 30. Juni das 6. Lebensjahr begonnen haben. Das bedeutet, in einer ersten Klasse sind Schüler von 6 Jahren und einen Monat bis zu 7 Jahren vertreten. Allerdings haben Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder, die zwischen dem 01.07 und 31.12 geboren wurden, auf Antrag einzuschulen. Bei mangelnder Schulfähigkeit können sie zurückgestellt werden. Die Studie von Schumann ermittelte, dass 9% vorzeitig und 15% verspätet in die Primarstufe eintraten. Im Vergleich zu den allgemeinen Zahlen von Berlin (1989 bis 1990), die bei 2% und 9% lagen, sind die Werte relativ hoch. Unberücksichtigt bleiben Kinder aus Migrantenfamilien, weil diese zum Teil erst später in das Schulsystem eingetreten sind. Hinsichtlich des sozioökonomischen Hintergrunds ist entgegen vieler Theorien auffällig, dass besonders Kinder aus einem hohen sozioökonomischen Status zurückgestellt wurden (vgl. z.B. Tietze, 1973, S.144f, Schumann, 2006, S. 179). Die Ur-sachen könnten nur mit weiteren Studien ermittelt werden. Im Hinblick auf den Aspekt der Klassenwiederholungen und den Eintritt in die Sonderschule kann festgehalten werden, dass nur 2% von der Grundschule in die Sonderschule wechselten. 28% wiederholten mindestens eine Klassenstufe im Primarbereich. Dieser Wert ist dreimal so hoch wie der Berliner Wert Anfang der 90er Jahre. Somit beginnen schon oft im Primarbereich die Schullaufbahnschwierigkeiten. Schlussfolgerungen auf den sozioökonomischen Hintergrund konnten auch hier nicht ermittelt werden. Ein Zusammenhang hinsichtlich des Eintritts in den Primarbereich konnte ebenfalls nicht festgestellt werden (vgl. Schumann, 2006, S. 180ff).
2.2.2 Sekundarstufe I
Der Sekundarbereich besteht aus Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen und Sonderschulen. Er beginnt mit der Jahrgangsstufe 7 und endet mit der 10. Klasse. Die Hauptschulen gelten als Verlierer der Bildungsexpansion. Sie haben in den letzten Jahren einen erheblichen Nachfragerückgang erlitten (vgl. Müller, 1998, S. 501f). Die Schülerzahlen der Realschulen sind relativ stabil. Das Leistungsniveau ist, gemessen an der mittleren Lesekompetenz, recht gut. Schlechte Werte weisen Realschulen in Gebieten mit einem hohen Zuwanderungsanteil auf. Die Kompetenzwerte liegen allerdings weit über denen der Hauptschulen (vgl. Baumert, 2003, S. 279). ). In Berlin gehen fast 30% der Schüler auf eine Gesamtschule. Sie wurde in den 60er Jahren aufgrund der Kritik an der zu frühen Auslese eingeführt (vgl. Köller, 2005, S. 458). An den Gesamtschulen fehlen meist die Extremgruppen. Den extrem schwachen Schülern wird ein Hauptschulbesuch nahe gelegt und den extrem guten ein Gymnasialbesuch. Untersuchungen haben ergeben, dass Gesamtschulen geringere Leistungszuwächse verzeichnen als Realschulen und Gymnasien (vgl. Köller, 2005, S. 468).
Beim Übergang in die Sekundarstufe I dominiert bei den Berufsvorbereitungsschülern der Übergang auf Schulen mit einem niedrigeren Anforderungsniveau. Ungefähr 45% wechselten auf die Gesamtschule und besuchten überwiegend die unteren Kursstufenniveaus. Ein Drittel ist auf die Hauptschule übergegangen, 13% auf die Realschule und 6% auf das Gymnasium. Männliche Schüler bevorzugten die Gesamtschule und weibliche Jugendliche die Haupt- und Realschule. Aufgrund der Tatsache, dass die Gesamtschulen sich überwiegend im Ostteil von Berlin befinden, gehen Migrantenkinder überwiegend auf den Hauptschulen, wobei mehr als die Hälfte der deutschen Jugendlichen die Gesamtschule vorzieht (vgl. Schumann, 2006, S. 182).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2, Schulformspezifischer Übergang in die Sekundarstufe I, Quelle: Schumann, S. 182
Hier wird der Effekt der sozialen Herkunft deutlich. Kinder aus bildungsfernen Familien nichtdeutscher Herkunft bevorzugen die Hauptschule und sind von denen deutscher Herkunft abgegrenzt, weil diese die Schulform nicht wählen. Die Schulwahl liegt bei den Eltern und es wird offensichtlich, dass bildungsnahe Eltern eher eine anspruchsvollere Schulform für ihr Kind wählen (vgl. Döbert, 2002, S. 103). Empirische Befunde veranschaulichen, dass Klassenwiederholungen in der Grundschule häufig zu einem Übergang in die Hauptschule führen (vgl. Bellenberg, 1999, S.95). Jugendliche, bei denen wenigstens ein Elternteil einen akademischen Abschluss hat, wechseln seltener auf eine Hauptschule (vgl. Schumann, 2006, S. 182f).
Bezüglich des Schulwechsels innerhalb der Sekundarstufe I ist signifikant, dass 14% der Befragten die Schule mindestens einmal wechselten. Meist aufgrund der Notwendigkeit eines Schulniveauwechsels nach unten. In horizontaler Richtung wechselten 20% der Jugendlichen. Aufstiege nach oben erfolgten keine. Am Ende der Sekundarstufenzeit besuchten nur noch 10% eine Realschule, ein Drittel die Hauptschule und der Rest die Gesamtschule. Bezüglich der Klassenwiederholungen innerhalb der Sekundarstufe I wurde ermittelt, dass über die Hälfte mindestens eine Klassenstufe wiederholt hat. 13% mussten sogar mehrere Male repetieren. Im Vergleich zur Berliner Schulstatistik, die aussagt, dass zwischen 13% (Gymnasium) und 38% (Hauptschule) mindestens eine Klassenstufe wiederholen, ist dieser Wert sehr hoch. Aufgegliedert nach Schulformen, wiederholen 56% in Gesamtschulen eine Jahrgangsstufe, 47% in der Realschule und 38% in der Hauptschule. Im Vergleich zum statistischen Wert (16% Klassenwiederholungen auf der Gesamtschule) unterstreichen diese Prozentsätze die Schwierigkeiten der Klientel im Sekundarbereich I. Aufgrund der zahlreichen Klassenwiederholungen, verlassen 49% der Jugendlichen den Sekundarbereich nach der 9. Klasse. 13% gehen nach der 7. oder 8. Klasse ab. 23% absolvieren 11 oder 12 Schuljahre, um einen Schulabschluss zu erlangen. Das Gymnasium bleibt bei der Wiedergabe der Studienergebnisse unberücksichtigt, weil kein befragter hochbegabter Underachiever das Gymnasium besuchte (vgl. Solga, 2003b, S.3, Schumann 2006, S. 185ff).
Die vier Jahre der Sekundarstufe I stellen für die Jugendlichen von MDQM ein bildungsbiografisches Problemfeld dar. Die Werte verdeutlichen, dass die Bruchstellen überwiegend bei den Schülern auftreten, die beim Übergang in den Sekundarbereich I eine zu anspruchsvolle Schulform wählten. Die Hauptschule verzeichnet die niedrigsten Diskontinuitäten.
Welche Schulabschlüsse letztendlich erreicht wurden, zeigt die folgende Tabelle:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3, Schulabschlüsse am Ende der Sekundarstufe I, Quelle: Schumann, 2006, S.189
Die Qualität des Schulabschlusses ist bedeutend für den Übergang vom allgemeinen in das berufliche Bildungssystem. Wie bereits im Kapitel 1.3 erläutert, hatten die Jugendlichen von MDQM Probleme beim Übergang an der 1. Schwelle (vom allgemeinen ins berufsbildende System) und fanden keinen Ausbildungsplatz am freien Markt. Ursache ist der fehlende Schulabschluss (65%) bzw. der qualitativ schlechte Abschluss (29% einfachen Hauptschulabschluss) (vgl. Schumann, 2006, S. 189f). Die Wirtschaft gibt diesen Jugendlichen unter anderem keine Chancen, weil gering qualifizierte Tätigkeiten immer stärker an Bedeutung verlieren. Prognosen verdeutlichen, dass im Jahre 2010 nur noch 16% Hilfstätigkeiten und 14% einfache Tätigkeiten zu verrichten sein werden. 70% fallen auf qualifizierte bis hochqualifizierte Aufgaben. Hierfür ist eine gute bis sehr gute Schulbildung notwendig (vgl. Reinberg, 1999, S. 440ff). Es wird davon ausgegangen, dass für Personen ohne und mit einfachem Hauptschulabschluss ein Beschäftigungsrückgang zu erwarten ist. Folglich wird eine gute Schulbildung immer notwendiger, um im Leben zu bestehen (vgl. Dostal, 2002, S. 61). 60% der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule beenden, bleiben ohne Berufsabschluss. Zum Vergleich scheitern nur 6% mit einem Realschulabschluss (vgl. Troltsch, 1999, S. 40ff).
Auffällig ist, dass die Jugendlichen ohne Schulabschluss überwiegend aus der Gesamtschule und nicht aus der Hauptschule kommen. Zusätzlich zeigen die Werte, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Schulabschluss zu erreichen sinkt, wenn bereits im Primarbereich oder Sekundarbereich biografische Brüche erlebt wurden. Schumann deckte einen sozialen Effekt auf. Verfügen die Eltern über einen Berufsabschluss, steigt die Eventualität für ihre Kinder, einen Schulabschluss zu erwerben. Geschlechterspezifisch ist der Erfolg bei den männlichen Jugendlichen höher einzuschätzen (vgl. Schumann, 2006, S. 189f).
2.2.3 Übergang in den berufsbildenden Bereich
80% der Jugendlichen wechselten direkt von der Sekundarstufe I in die berufsvorbereitende Maßnahme MDQM I. Viele schrieben keine Bewerbungen und bewarben sich auf Anraten der Berufsberatung bei bbw. Ursache war die bis zum 26. Januar 2004 im Schulgesetz festgelegte einjährige Berufsschulpflicht der Klientel. Die anderen 20%, besonders die mit Migra-tionshintergrund, haben andere Sequenzen zwischen gelagert. Die meisten Schüler wechselten in einen anderen berufsvorbereitenden Bildungsgang (BB10, VZ11). Diese Maßnahmen verhalfen allerdings nur selten zum Erlangen eines höherwertigen Schulabschlusses. MDQM ist erfolgreicher. Ungefähr 32% schafften es im Rahmen von MDQM I den Hauptschulabschluss nachzuholen und 18% den erweiterten Hauptschulabschluss. Dies kann an der speziellen Förderung der Jugendlichen oder an der Entkoppelung der starken Schoolarisierung liegen. Trotz des Zertifikatserfolges hat die Maßnahme eher einen Warteschleifencharakter, da sie berufsschulisch nicht erfolgreich sind. Die Schüler erhalten zwar nachträglich einen Hauptschulabschluss oder einen erweiterten Hauptschulabschluss aber diese Qualifikation hat, wie bereits erläutert (siehe Kapitel 1.3 und 1.4), keinen großen Tauschwert auf dem debalancierten Ausbildungsstellenmarkt. So verlassen 21% der Befragten MDQM I vorzeitig (Schuljahr 2000/2001). Jugendliche Migranten weisen einen geringeren Erfolg beim Erwerb nachträg-licher Zertifikate auf (vgl. Schumann, 2006 S. 196ff).
Ziel dieses Abschnittes ist, die Verläufe der von Schumann befragten Jugendlichen bei MDQM abzubilden. Die Integration in das Beschäftigungssystem ist für den beruflichen Erfolg im Leben bedeutend (vgl. Grundmann, S. 69f). Eine Berufsausbildung ist Voraussetzung, um auf dem Beschäftigungsmarkt Chancen zu haben. Somit ist es von Relevanz, ob die Jugendlichen nach Beendigung von MDQM I einen Ausbildungsplatz finden. Die Untersuchungsgruppe (N= 202) wurde 30 Monate wissenschaftlich begleitet. In diesem Zeitraum gelang ungefähr 60% der Jugendlichen der Einstieg in eine berufliche Ausbildung. Allerdings begannen weniger als die Hälfte auch nachhaltig (länger als die Probezeit von 6 Monaten) eine Ausbildung. 2 von 5 Ausbildungen (30%) werden innerhalb des ersten Ausbildungsjahres abgebrochen. Davon begannen 37% eine betriebliche Ausbildung, 28% eine außerbetriebliche (MDQM II), 26% eine sonstige außerbetriebliche Ausbildung und 9% eine vollzeitschulische Ausbildung. Es wird offensichtlich, dass nur einer Minderheit der Einstieg in das Bildungssystem gelingt. Die Anderen treten in ein Parallelsystem ergänzender Ausbildungsangebote ein. Die Absolventen solcher Ausbildungen haben geringere Chancen in den Beschäftigungsmarkt zu gelangen. Jugendliche, die einen betrieblichen Berufsabschluss absolvieren, werden meist vorgezogen (vgl. Schumann, 2006, S. 204f).
Schumann ermittelte zusätzlich die Tätigkeiten, die Jugendliche an MDQM angeschlossen haben, wenn sie keine Ausbildung aufnahmen. Sie beginnen entweder eine weitere berufsvorbereitende Maßnahme, wie z.B. BBE, beginnen eine ungelernte Tätigkeit, gehen in die Arbeitslosigkeit, beginnen andere Bildungsgänge, treten den Wehrdienst an oder beantragen Mutterschutz. Die folgende Abbildung stellt die Prozentsätze dar. Der treppenförmige Verlauf lässt sich durch die Schuljahresrhythmen an den beruflichen Schulen erklären (vgl. Schumann, 2006, S. 203f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2, Statusentwicklung in den ersten 30 Monaten (..),Quelle: Schumann, S. 207
Es ist deutlich, dass die berufliche Ausbildung und Arbeitslosigkeit den bedeutendsten Teil ausmachen. 40% nehmen eine Ausbildung auf, wobei dieser Anteil nach einem Jahr auf ungefähr 45% steigt. Über 20% münden in Arbeitslosigkeit. Ein Viertel der Jugendlichen nehmen eine erneute berufsvorbereitende Maßnahme auf. Besonders beliebt sind Maßnahmen der Arbeitsagentur, weil ein finanzieller Ausgleich gezahlt wird (vgl. Schumann, 2006, S. 206ff). Hier wird der Warteschleifencharakter von berufsvorbereitenden Maßnahmen noch einmal deutlich.
Die Abbildung 5 zeigt einen Überblick über die verschiedenen Episoden, die die Jugendlichen durchlaufen. Für die erste Episodendarstellung wurde die Untersuchungsgruppe vollständig befragt. Für die Zweite wurden nicht alle Jugendlichen erreicht. Auffällig ist, dass Jugendliche, die im Anschluss an MDQM I eine erneute berufsvorbereitende Maßnahme starteten, zu 33% eine berufliche Ausbildung anschließen. Sie benötigen einen längeren Zeitraum, um berufsfähig zu werden. Allerdings werden 43% anschließend arbeitslos. Besonders erschreckend ist der hohe Anteil (24%), der nach der Berufsvorbereitung in die Arbeitslosigkeit wechselte und auch in der 2. Episode noch arbeitslos ist (32%). Hier sind besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund vertreten (vgl. Schumann, 2006, S. 213f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3, Erste und zweite Episode im individuellen Verlauf (…),Quelle: Schumann S. 213
2.2.4 Typisierung der Verläufe der Jugendlichen nach MDQM I
Schumann nahm von seiner Untersuchungsgruppe eine Typisierung vor. Für ihn war es von Relevanz, wie die Verläufe nach dem Abschluss der berufsvorbereitenden Maßnahme verliefen. Er definierte sieben Verlaufstypen. Die Ausbildungskarriere (1), bei der die Jugendlichen direkt in eine Ausbildung übergehen und sie nicht abbrechen. Bei der verzögerten Ausbildungskarriere (2) nehmen sie später eine berufliche Ausbildung auf, die im Beobachtungszeitraum (30 Monate) nicht verlassen wird. Die Maßnahmekarriere (3), die durch den Anschluss von mindestens zwei Phasen in Form von Berufsvorbereitung oder einem anderen, nicht vollqualifizierenden Bildungsgang gekennzeichnet ist. Es gelingt kein nachhaltiger Einstieg in die berufliche Ausbildung. Bei der Jobberkarriere (4) liegen vorrangig Episoden ungelernter Erwerbstätigkeiten vor. Auch hier gelingt kein nachhaltiger Einstieg in das berufsbildende System. Die Arbeitslosigkeitskarriere (5) ist durch Sequenzen von Arbeitslosigkeit gekennzeichnet, die besonders zum Ende des Beobachtungszeitraums eingetreten ist. Gravierender ist die extreme Arbeitslosigkeitskarriere (6), bei der die Jugendlichen ausschließlich in der Arbeitslosigkeit verbleiben. Der letzte Typ ist der regellose Verlauf (7). Hier werden mindestens drei strukturbezogene Episoden durchlaufen, bei der keine zeitlich dominiert. Ausbildungen und Bildungsgänge wurden abgebrochen und mit einem längerfristigen Verbleib im privaten Haushalt überbrückt. Diese Kategorie ist eine Sammelkategorie für die Jugendlichen, die in andere Cluster nicht eingeordnet werden können.
Legt man die Kategorien Ausbildungskarriere und verzögerte Ausbildungskarriere zusammen, erhalten rund 47% eine Ausbildung. Die Abbildung verdeutlicht, dass es Migrantenjugendlichen weniger gelingt, eine nachhaltige Ausbildungskarriere aufzunehmen. Sie weisen also erheblich mehr Diskontinuitäten auf als deutsche Jugendliche, sind weniger erfolgreich im nachträglichen Erwerb von Abschlüssen und sind auch hinsichtlich der Aufnahme einer Ausbildung ziemlich erfolglos. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilungen in den Kategorien (vgl. Schumann, 2006, S. 218ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4, Verlaufstypen, Quelle: Schumann, 2006, S. 221
Schumann ermittelte, dass Jugendliche, die einen reibungslosen Teilverlauf aufweisen (wenige Bruchstellen), häufiger in eine Ausbildungskarriere gelangen, als Jugendliche mit vielen biografischen Bruchstellen. Die hohe Tragweite eines Schulabschlusses wird somit deutlich. Das bedeutet, mit einem Schulabschluss ist die Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung zu erwerben, höher. 18% gehen ohne Schulabschluss in eine zeitlich stabile Ausbildung über, entgegen 82% mit einem Realschulabschluss und über 50% mit einem Hauptschulabschluss (vgl. Troltsch, 1999, S. 54ff, Schumann, 2006. S. 222ff).
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Verteilung innerhalb der Gruppe „verzögerte Ausbildungskarriere“. Das Durchführen der beruflichen Ausbildung ist vorherrschend. Zudem haben 28% der Jugendlichen dieser Kategorie auch Kontakt mit einem Berufsvorbereitungslehrgang bzw. anderen Bildungsgängen. 14% machen Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit (vgl. Schumann, 2006, S. 220f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4, Verzögerte Ausbildungskarriere, Quelle: Schumann, 2006, S. 221
In einer Maßnahmekarriere münden 12% der Befragten. Sie haben kaum Kontakt zum Ausbildungssystem. Neben dem Besuch von Maßnahmen (64%), haben diese Jugendlichen auch Abschnitte von Arbeitslosigkeit erlebt (29%). Die Abbildung 5 verdeutlicht, dass 50% der Jugendlichen, die nach MDQM I in einer weiteren Maßnahme wechseln, in der zweiten Episode Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit machen. 70% der Jugendlichen, die nach MDQM I in die Arbeitslosigkeit gegangen sind, nehmen in der 2. Episode an einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder einen anderen Bildungsgang teil. Es besteht die Gefahr, dass diese Gruppe dauerhaft dem Beschäftigungssystem fern bleibt (vgl. Schumann, 2006, S. 218ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5, Maßnahmekarriere, Quelle: Schumann, 2006, S. 226
7% der Befragten schlagen eine Jobberkarriere ein. Sie beginnen zu 60% ungelernte Tätigkeiten von kurzer Dauer. Die restlichen 40% setzen sich aus Arbeitslosigkeit, Berufsvorbereitung und berufliche Ausbildung zusammen. Es gelingt ihnen kein dauerhafter Einstieg in das Bildungssystem, weil dies meist vorzeitig verlassen wird. Besonders Migrantenjugendliche streben diese Karriere an. Schumann zeigt zusätzlich, dass Jugendliche, die später in die Primarstufe eingetreten sind, eher eine Jobberkarriere anstreben, als Jugendliche die fristgemäß bzw. verfrüht eingeschult wurden (vgl. Schumann, 2006, S. 227).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6, Jobberkarriere, Quelle: Schumann,2006, S. 227
Jeder fünfte Jugendliche mündet nach MDQM I in eine Arbeitslosigkeitskarriere. Wobei auch hier Migrantenjugendliche deutlich stärker vertreten sind (25% gegen 16%). Bei einem Drittel handelt es sich um extreme Arbeitslosigkeitskarrieren, d.h. sie sind im gesamten Beobachtungszeitraum arbeitslos. Ihre bildungs- und erwerbsbiografischen Perspektiven sind als sehr kritisch einzuordnen (vgl. Lex, S. 228, Schumann, S. 220f). Bei dieser Gruppe werden die abwechselnden Phasen Arbeitslosigkeit und Berufsvorbereitungsmaßnahme sehr häufig diagnostiziert. Hier ist ein großer Effekt des Schulabschlusses feststellbar. Für Jugendliche, die nach MDQM I einen Real- bzw. erweiterten Hauptschulabschluss erreicht haben, ist das Risiko, in Arbeitslosigkeit zu münden, geringer. Zudem wirken sich die Brucherfahrungen auf die Biografien aus. Jugendliche mit Lebensläufen, die viele bildungsbiografische Brüche enthalten, sind stark gefährdet. Das bedeutet, ein häufiger Abbruch von Bildungsgängen nach dem Verlassen der Sekundarstufe I, bringt häufig eine Dauerarbeitslosigkeit mit sich, wobei ein kontinuierlicher Verlauf oft zu der Absolvierung einer Ausbildungskarriere führt. Auch die Qualität des Schulabschlusses schlägt sich nieder. Ehemalige Sonder- und Hauptschüler befinden sich häufiger in einer Arbeitslosigkeitskarriere (vgl. Schumann, 2006, S. 226ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7, Arbeitslosigkeitskarriere, Quelle: Schumann,2006, S. 226
Einen regellosen Verlauf verzeichnen 13% der Befragten. Diese Kategorie charakterisiert sich durch häufige Wechsel. Berufliche Ausbildungen, Berufsvorbereitungsmaßnahmen oder andere Bildungsgänge werden begonnen und überwiegend vorzeitig verlassen. Die Verläufe sind oft von Arbeitslosigkeit und Jobberphasen sowie von vielen Diskontinuitäten und Nichtlinearitäten gekennzeichnet. Es kann angenommen werden, dass diese Jugendlichen auch in Zukunft wenig Erfolg haben werden (vgl. Schumann, 2006, S. 226ff).
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Abbildung 8 , Regelloser Verlauf, Quelle: Schumann, 2006, S. 227
Im empirischen Abschnitt der Arbeit werden die Verläufe der hochbegabten Underachiever auf der Grundlage der Ergebnisse von Schumann analysiert. Zudem werden sie aufgrund ihres Verbleibs nach MDQM I in die 7 Verlaufstypen eingeordnet. Interessant ist, ob die hochbegabten Underachiever einen abweichenden Verlauf aufzeigen oder dieser konform zu denen der normal Begabten ist.
2.3 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Jugendlichen häufig mit strukturbezogenen Problemen konfrontiert sind. Das bedeutet Klassenwiederholungen, Zurückstufungen und Schulformwechsel mit Abstufungscharakter wurden durchlebt. Nur jeder fünfte Befragte erfuhr keine Brucherfahrungen. Überraschend ist der Aspekt, dass die späteren Berufsvorbereitungsschüler nicht alle von der Hauptschule stammen sondern mehr als die Hälfte von der Gesamtschule. Rund zwei Drittel beendeten die Sekundarstufe I ohne einen Schulabschluss. Die restlichen Schüler erreichten überwiegend einen Hauptschulabschluss. Nur wenige wiesen einen Realschul- bzw. erweiterten Hauptschulabschluss auf. Hier zeigt sich, dass häufige Diskontinuitäten in der Primarstufe und Sekundarstufe I die Wahrscheinlichkeiten zum Erreichen eines Schulabschlusses senken. Auffällig ist außerdem, dass 80% der Jugendlichen direkt zu MDQM wechselten und nur wenige Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz schrieben. Dies haben sie oft auf Anraten der Berufsberatung getan. Der Vorteil von MDQM ist, dass die Jugendlichen Schulabschlüsse nachholen können und auch Erfolg beim Erwerb nachträglicher Qualifikationen haben. Positiv ist, dass es einem erheblichen Teil gelingt (47%), eine Berufsausbildung anzuschließen. Oft handelt es sich um eine Ausbildung bei MDQM, bei der die Module von MDQM I angerechnet werden können. Jedoch werden auch andere Karrieren nach der Berufsvorbereitung angestrebt, die weniger erfolgreich sind. Besonders erschreckend ist, dass jeder fünfte Jugendliche arbeitslos wird.
Es wurde in der Studie von Schumann deutlich, dass Migrantenjugendliche häufig weniger erfolgreich sind als deutsche Jugendliche. Hier ist die Ursache beim sozioökonomischen Hintergrund (Eltern häufig Arbeiter) und der sprachlichen Sozialisation zu vermuten. Zudem kann prognostiziert werden, dass die befragten Jugendlichen am Übergang zur 2. Schwelle erneute Probleme bekommen, weil Absolventen einer betrieblichen Ausbildung am Arbeitsmarkt bevorzugt werden (siehe Kapitel 1.4).
Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Kernpunkte der Ergebnisse von Schumann:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 5, Zusammenfassung der Ergebnisse von Schumann, eigener Entwurf
Der nächste Abschnitt stellt die Ergebnisse der Shell Studie zu den Zukunftsansichten Jugendlicher dar. Dieser Aspekt ist der zweite Schwerpunkt der Arbeit. Diese Ausführungen dienen für den Vergleich, ob hochbegabte Underachiever ihrer Zukunft ängstlicher entgegen gehen als normal begabte Jugendliche. Zu untersuchen ist, ob sie aufgrund ihres meist negativen Selbstkonzeptes pessimistischer gestimmt sind oder sich wenig Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen. Auch der Punkt der diffusen Berufswünsche, die bei der wissenschaftlichen Betreuung festgestellt wurden, wird näher beleuchtet. Zusätzlich wird erfragt, welche Sachverhalte den Jugendlichen Angst bereiten. Es wird erwartet, dass die negativen Schulerfahrungen zu einer höheren Ängstlichkeit hinsichtlich ihrer Zukunft geführt haben.
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