Georg Simmel gilt als einer der wichtigsten Theoretiker der modernen Soziologie. Er entwickelte zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts in einer relativ kurzen Zeitspanne um 1900 genau wie jeweils seine großen Zeitgenossen Max Weber und Emile Durkheim, eine eigene „Soziologie“. Dank des Schaffens dieser großen Wissenschaftler beginnt sich die Soziologie in dieser Zeit als eigenständige Disziplin zu konstituieren und von den bisherigen Sozial- und Gesellschaftswissenschaften des 19. Jahrhunderts abzugrenzen. Diese durchaus sprunghafte Entwicklung steht unmittelbar in Zusammenhang mit der einsetzenden Selbstreflexion in den Wissenschaften bezüglich der Gesellschaftsordnung, vor allem in der Philosophie und der Wirtschaftsordnung. Als erste große Repräsentanten dieses neuen Wissenschaftszweiges sind eben Simmel, Weber und Durkheim zu nennen und werden deswegen auch mit recht als sogenannte „Klassiker der Soziologie“ bezeichnet. Ihre Theorien bilden den Hintergrund vor dem sich jeder folgende soziologische Theorieansatz bewähren mußte und noch heute muß.
Schon zu Lebzeiten war Simmel einer der bekanntesten deutschen Soziologen im Inn- aber vor allem im Ausland. Geboren am 01. März 1885 in Berlin als Sohn eines Berliner Kaufmanns jüdischer Abstammung, wird er nach dem Tod seines Vaters 1874 in die Verantwortung seines Verwandten Julius Friedländers gegeben, seines Zeichens Gründer und Inhaber der Musikedition Peters. Aus dessen Nachlaß erbt Simmel später ein beträchtliches Vermögen, so daß die langwierige akademische Laufbahn, die sich bei ihm durch oftmaliges Anecken und Neid unter Kollegen sogar noch länger und schwieriger gestaltete, finanzieren und durchstehen konnte. Nach dem Erlangen des Reifezeugnisses 1876, nahm Simmel das Studium der Geschichte und der Philosophie, sowie in den Nebenfächern Kunstgeschichte und Völkerpsychologie in Berlin auf. Promoviert wird er 1881 beim zweiten Anlauf mit der zuvor als Preisschrift gekrönten Arbeit über „Das Wesen der Materie nach Kants Physischer Monadologie“. Die zur Habitilation eingereichten „Kantische[n] Studien“ (1883) werden zwar auf Anhieb akzeptiert, aber das Kolloquium muß er wiederholen. Doch 1885 kann er dann schließlich nach einigen Hürden seine Lehrtätigkeit als Privatdozent mit Vorlesungen über kantische Ethik, Pessimismus und Darwinismus in Berlin aufnehmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Überblick über das Gesamtwerk und die Entwicklung Simmels
2.1 Die Erste Schaffensphase Simmels (1881 – 1900)
2.2 Die Zweite Schaffensphase Simmels (1900 – 1908)
2.3 Die Dritte Schaffensphase Simmels (1908 – 1918)
2.4 Die Einordnung von „Wie ist Gesellschaft möglich“ in das Gesamtwerk
3. Simmels Beziehung und Affinität zu Kant
3.1 Der junge Simmel unter dem wissenschaftlichen Einfluß Kants
3.2 Die Anlehnung an Kant in „Wie ist Gesellschaft möglich“
4. Die Bedingungen und Formen der Vergesellschaftung nach Simmel
4.1 Das erste soziologische Apriori
4.2 Das zweite soziologische Apriori
4.3 Das dritte soziologische Apriori
5. Schlußgedanke
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Georg Simmel gilt als einer der wichtigsten Theoretiker der modernen Soziologie. Er entwickelte zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts in einer relativ kurzen Zeitspanne um 1900 genau wie jeweils seine großen Zeitgenossen Max Weber und Emile Durkheim, eine eigene „Soziologie“. Dank des Schaffens dieser großen Wissenschaftler beginnt sich die Soziologie in dieser Zeit als eigenständige Disziplin zu konstituieren und von den bisherigen Sozial- und Gesellschaftswissenschaften des 19. Jahrhunderts abzugrenzen. Diese durchaus sprunghafte Entwicklung steht unmittelbar in Zusammenhang mit der einsetzenden Selbstreflexion in den Wissenschaften bezüglich der Gesellschaftsordnung, vor allem in der Philosophie und der Wirtschaftsordnung. Als erste große Repräsentanten dieses neuen Wissenschaftszweiges sind eben Simmel, Weber und Durkheim zu nennen und werden deswegen auch mit recht als sogenannte „Klassiker der Soziologie“ bezeichnet. Ihre Theorien bilden den Hintergrund vor dem sich jeder folgende soziologische Theorieansatz bewähren mußte und noch heute muß.
Schon zu Lebzeiten war Simmel einer der bekanntesten deutschen Soziologen im Inn- aber vor allem im Ausland. Geboren am 01. März 1885 in Berlin als Sohn eines Berliner Kaufmanns jüdischer Abstammung, wird er nach dem Tod seines Vaters 1874 in die Verantwortung seines Verwandten Julius Friedländers gegeben, seines Zeichens Gründer und Inhaber der Musikedition Peters. Aus dessen Nachlaß erbt Simmel später ein beträchtliches Vermögen, so daß die langwierige akademische Laufbahn, die sich bei ihm durch oftmaliges Anecken und Neid unter Kollegen sogar noch länger und schwieriger gestaltete, finanzieren und durchstehen konnte. Nach dem Erlangen des Reifezeugnisses 1876, nahm Simmel das Studium der Geschichte und der Philosophie, sowie in den Nebenfächern Kunstgeschichte und Völkerpsychologie in Berlin auf. Promoviert wird er 1881 beim zweiten Anlauf mit der zuvor als Preisschrift gekrönten Arbeit über „Das Wesen der Materie nach Kants Physischer Monadologie“. Die zur Habitilation eingereichten „Kantische[n] Studien“ (1883) werden zwar auf Anhieb akzeptiert, aber das Kolloquium muß er wiederholen. Doch 1885 kann er dann schließlich nach einigen Hürden seine Lehrtätigkeit als Privatdozent mit Vorlesungen über kantische Ethik, Pessimismus und Darwinismus in Berlin aufnehmen. Im Jahre 1900 wird er zum unbesoldeten außerordentlichen Professor, bevor er im Sommersemester 1914 endlich nach Straßburg als ordentlicher Professor gerufen wird und dort bis zu seinem Tode am 26. September 1918 lehrt.
Als Hochschullehrer ist Simmel eine Attraktion. Nach Augenzeugenberichten liest er fast immer vor 200-300 Hörern. Mit ein Grund dafür dürften nicht zuletzt seine Themen sein, die sich im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen überwiegend mit dem Alltag und damit verbunden mit Deutungsmustern für die Gegenwart auseinander setzen. Allerdings bringt ihm seine Detailfreudigkeit gerade an den unscheinbaren Dingen auch herbe Kritik ein. So wird er beispielsweise von dem spanischen Philosophen Ortega y Gasset als „eine Art philosophisches Einhörnchen“ bezeichnet.[1] Für seine Bewunderer ist er jedoch bis heute „der „Freud der Soziologie“ und das gerade wegen seiner Sensibilität am Alltäglichen soziale und psychische Tiefenstrukturen aufdecken zu können.“[2]
Bei einer Einschätzung aber sind sich sowohl Verehrer wie auch Gegner einig:: Simmel hat als Analytiker und Deuter der Moderne großes geleistet und ist damit eng verbunden einer der Begründer und „Klassiker“ der modernen Soziologie.
2. Überblick über das Gesamtwerk und die Entwicklung Simmels
Die Attraktivität Simmels liegt wohl zum großen Teil daran, daß er nicht nur ein Fachwissenschaftler gewesen ist, sondern daß er sich auch mit Deutungen der Gegenwart, der Moderne und mit philosophischen Antworten auf Zeit- und Streitfragen beschäftigt und auseinandergesetzt hat. Er wird deshalb auch als „einzig echter Philosoph seiner Zeit, wahrer Ausdruck ihres zersplitterten Geistes“[3] genannt. Eine Annäherung an sein Gesamtwerk läßt sich wohl am besten über die Reihenfolge seiner wichtigsten Buchveröffentlichungen nachvollziehen. Demnach kann man Simmels Gesamtwerk grob in drei Phasen einteilen.
2.1 Die Erste Schaffensphase Simmels (1881 – 1900)
Die erste Phase war stark geprägt von der Evolutionslehre Darwins und Spencers, sowie von Kant, der Völkerpsychologie und der Ethnologie. Simmel ist so vielseitig interessiert und wissenschaftlich aktiv, daß man ihn auf keinen Fall in eine Schublade stecken kann. Das zeigt sich in seinen drei ersten schriftlichen Veröffentlichungen: „Das Wesen der Materie nach Kants Physischer Monadologie“ 1881, „Psychologische und ethnologische Studien über Musik“ 1882, sowie „Dantes Psychologie“ 1884. Erschienen sind diese ersten Schriften von Simmel vorwiegend in der „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft“.[4]
„Die vier wichtigsten [wissenschaftlichen Einflüsse, die Simmel und sein Denken prägen,] sind (1) die Völkerpsychologie von Moritz Lazarus und Heymann Steinthal, (2) die Evolutionstheorie Herbert Spencers, (3) der Neukantianismus und (4) der Positivismus Wilhelm Diltheys.“[5]
In dieser Arbeit wird allerdings der Schwerpunkt auf den Neukantianismus gelegt, der aber zur Zeit Simmels an den Universitäten alles andere als eine einheitliche philosophische Richtung darstellt. Die Interpretationen Simmels von Kant sind, wie allgemein seine frühe Denkweise, geprägt vom naturwissenschaftlichen Weltbild. Er entwickelt seine Erkenntnistheorie in Anlehnung an die Psychologie und der biologischen Selektionstheorie. Des Weiteren beschäftigt er sich als Anhänger der Völkerpsychologie, die erst in den 1850er Jahren gegründet worden war, mit der Wiederherstellung der im Verfall begriffenen Einheit der Wissenschaften des Menschen. Dabei sind psychologische Analysen des Einzelnen im Vergleich zu den kollektiven Kräften wie Sprache, Sitte, Religion u.ä. interessant. Sie können rekombiniert und neu interpretiert werden und fördern somit neue wissenschaftliche Einsichten zu Tage.
Soziologie könnte man auch als eine Art „Krisenwissenschaft“ bezeichnen, die vor allem in der Veränderung von sozialen Strukturen, in neu entstehenden sozialen Problemen, oder im Zusammenbrechen von Traditionen ihren Nährboden findet. Gerade in der Zeit um 1900, einer sehr nationalistischen Zeit mit dem Beginn der Industrialisierung sowie der Urbanisierung, finden sich die entscheidenden gesellschaftlichen Veränderungen in der die Soziologie grundlegende Erkenntnisse erzielen und entwickeln kann.
Die 1890er Jahre kann man als die eigentlich soziologischen Jahre des Simmelschen Schaffens bezeichnen. Er will die Berechtigung dieser neuen Wissenschaft unter Beweis zu stellen und versucht zu widerlegen, daß es sich bei der Soziologie nur um eine gigantische Traumidee handelt, was Auguste Comte und Herbert Spencer noch oft zu hören bekamen. Das erste soziologische Werk mit dem Titel „Über soziale Differenzierung“ erscheint 1890 und wird in kürzester Zeit durch eine Reihe weiterer großer soziologischer Arbeiten ergänzt: „Probleme der Geschichtsphilosophie“ 1892 , „Einleitung in die Moralwissenschaft“ 1892/93. Diese Werke bringen ihm vor allem im Ausland positive Rezensionen und viel Anerkennung ein. Im Großen und Ganzen relativiert Simmel in diesen Bänden auf soziologische, psychologische oder einfach historische Art und Weise ethische Normen und förmlich eine ganze wissenschaftliche Stoßrichtung. Seine Themen, die fast einen revolutionären Charakter haben, und die Art und Weise wie sie Simmel vorträgt oder niederschreibt, sind aber sicherlich ein Grund dafür, daß er trotz regelmäßigen Bewerbungen lange keine Professur an einer Universität bekommt 1894 erscheint „Das Problem der Soziologie“. Hier legt Simmel zum ersten Mal ein bindendes Arbeitsprogramm für seine zukünftigen, soziologischen Arbeiten vor.
2.2 Die Zweite Schaffensphase Simmels (1900 - 1908)
Mit „Philosophie des Geldes“ (1900) wird die zweite Phase des Gesamtwerks Simmels eingeleitet.
Darüber hinaus gilt es als sein systematischstes und vielleicht populärstes Werk. Hier kehrt er sich langsam von Kants Transzendentalphilosophie und dem Biologismus ab und wendet sich mehr der „Kulturphilosophie und Ästhetik, später auch noch der Metaphysik“[6] zu. Er spricht in dem Buchtitel auch nicht mehr von Soziologie, da er in Deutschland mit dem Begriff „Soziologie“ zunächst nicht so erfolgreich ist wie im Ausland und ihm im eigenen Land statt dessen, vor allem von Seiten der Philosophie, der Wind der Kritik und der Ablehnung ins Gesicht weht. Weiterhin ist die Soziologie zwar die Methode, aber die Sozialphilosophie als Anschluß an die aktuellen Diskussionen besser geeignet. Es handelt sich also um eine Entwicklung, die sich insbesondere darin zeigt, daß sich die in seinen früheren soziologischen und moralwissenschaftlichen Arbeiten vertretene relativistische Sichtweise der Dinge jetzt immer mehr in ein naturalistisches Menschen- und Gesellschaftsbild verwandelt Darüber hinaus „entdeckt Simmel [...] vor allem durch seine kunstphilosophischen Interessen sensibilisiert, daß es jenseits der Verhaltensregelmäßigkeiten und sozialen Wechselwirkungen so etwas wie eine Welt objektiver Werte gibt,“ nach Simmel ein „Reich der ideellen Inhalte.“[7] Durch diese Perspektivenverschiebung, bzw. -erweiterung auf Grund des Objektivitätsproblems klingt sich Simmel wieder in die zeitgenössische Diskussion ein. Seine Wertlehre und sein Objektivitätsproblem sind in dieser Phase mehr kulturphilosophisch und darüber hinaus stark empirieorientiert. Es geht darum, daß die kulturelle Entwicklung jeden Individuums Ideale erzeugt, die sich immer wieder zeitlos gültig entfalten und so den Bereich der „ objektiven Kultur “ bilden. Dieses Thema bildet auch den Kern Simmels späterer Kultur- und Lebensphilosophie: „das folgenreiche und als Tragödie empfundene Auseinandertreten von subjektiver und objektiver Kultur . “[8] Hier sieht man auch deutlich die Wechselbeziehung zwischen Subjekt und Objekt, d.h. zwischen Individuum und Gesellschaft. Ein weiteres Werk in dieser Zeit ist „Die Probleme der Geschichtsphilosophie“ (1905).
[...]
[1] Dahme, Heinz-Jürgen, Soziologiegeschichte Die Zeit der Riesen: Simmel, Durkheim, Weber, 1987 Universität Hagen, Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften, S. 21
[2] Dahme, Heinz-Jürgen, S.21
[3] Dahme, Heinz-Jürgen, S.21
[4] Dahme, Heinz-Jürgen, Literaturverzeichnis, Werke Georg Simmels, S. 8
[5] Kaesler, Dirk, Klassiker der Soziologie Band 1, München 1999, S. 131
[6] Dahme, Heinz-Jürgen, S. 35
[7] Dahme, Heinz-Jürgen, S. 36
[8] Dahme, Heinz-Jürgen, S. 37
- Arbeit zitieren
- Oliver Schill (Autor:in), 2002, Georg Simmel, Wie ist Gesellschaft möglich (1908) im Kontext zu seinem Gesamtwerk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14902
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