In seiner berühmten Gettysburg Address beschreibt Abraham Lincoln die De-mokratie als „government of the people, by the people, for the people“ . Das Regieren durch das Volk wird in erster Linie durch Wahlen gewährleistet. Die Legitimation einer Regierung in einer Demokratie stützt sich auf die Tatsache, dass sie von einer zumindest relativen Mehrheit gewählt wurde. Bei Parla-mentswahlen gibt es jedoch in allen demokratischen Ländern einen mehr oder weniger großen Prozentsatz von Bürgern die auf ihr Recht zu Wählen verzich-ten indem sie der Wahl fernbleiben, die sogenannten Nichtwähler.
In vielen westlichen Ländern ist die zu beobachten, dass die Wahlbeteiligung innerhalb der letzten Jahre erheblich zurückgegangen ist. Im internationalen Vergleich ist dies in Deutschland besonders stark der Fall. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass ein besonders hohes Ausgangsniveau vorlag und die Beteiligung in der Bundesrepublik mit gut siebzig Prozent bei der letzten Bundestagswahl im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien immer noch relativ hoch war.
Nachdem der Nichtwähler in der Wissenschaft zunächst eher rudimentär er-forscht wurde, rückte er aufgrund dieser Entwicklung in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus des politikwissenschaftlichen Interesses.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Gründe es für Wahlenthaltungen geben kann. Hierfür soll das Nichtwählen als Entscheidungsoption in die gängigen Erklärungsmodelle des Wählerverhaltens eingebettet und erklärt werden. Anschließend sollen die da-raus gewonnenen Erkenntnisse empirisch überprüft und, falls möglich, untermauert oder widerlegt werden.
Für diese Arbeit ist ausschließlich die Nichtwahl als bewusste Entscheidung relevant und Personen die wider ihren Willen zum Nichtwähler werden, so zum Beispiel. aus Gründen wie Krankheit, spontanen Reisen, Fehlern im Wahlverzeichnis und ähnlichem nicht an der Wahl teilnehmen konnten werden daher bei meinen Analysen bewusst außen vorgelassen. Im folgenden Text beziehen sich die Begriffe Nichtwähler und Nichtwahl deshalb ausschließlich auf diejenigen Personen, die sich bewusst für eine Stimmenthaltung entschieden haben.
Inhalt
1 Einleitung
2 Der Nichtwähler in den vier Erklärungsmodellen des Wählerverhaltens
2.1 Der soziologische Erklärungsansatz
2.2 Der individualpsychologische Erklärungsansatz
2.3 Das Modell des rationalen Wählers
2.3.1 Das Wahl-Paradoxon
2.3.2 Wege aus dem Wahl-Paradoxon
2.3.3 Der Nichtwähler im Rational-Choice-Modell
2.4 Das Modell der sozialen Milieus
3 Gründe für Nichtwahl in der Empirie
3.1 Die Entwicklung des Wahlverhaltens in der BRD
3.2 Empirische Überprüfung
4 Fazit
5 Literatur
1 Einleitung
In seiner berühmten Gettysburg Address beschreibt Abraham Lincoln die Demokratie als „government of the people, by the people, for the people“[1] . Das Regieren durch das Volk wird in erster Linie durch Wahlen gewährleistet. Die Legitimation einer Regierung in einer Demokratie stützt sich auf die Tatsache, dass sie von einer zumindest relativen Mehrheit gewählt wurde. Bei Parlamentswahlen gibt es jedoch in allen demokratischen Ländern einen mehr oder weniger großen Prozentsatz von Bürgern die auf ihr Recht zu Wählen verzichten indem sie der Wahl fernbleiben, die sogenannten Nichtwähler.
In vielen westlichen Ländern ist die zu beobachten, dass die Wahlbeteiligung innerhalb der letzten Jahre erheblich zurückgegangen ist. Im internationalen Vergleich ist dies in Deutschland besonders stark der Fall. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass ein besonders hohes Ausgangsniveau vorlag[2] und die Beteiligung in der Bundesrepublik mit gut siebzig Prozent bei der letzten Bundestagswahl im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien immer noch relativ hoch war.
Nachdem der Nichtwähler in der Wissenschaft zunächst eher rudimentär erforscht wurde, rückte er aufgrund dieser Entwicklung in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus des politikwissenschaftlichen Interesses.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Gründe es für Wahlenthaltungen geben kann. Hierfür soll das Nichtwählen als Entscheidungsoption in die gängigen Erklärungsmodelle des Wählerverhaltens eingebettet und erklärt werden. Anschließend sollen die daraus gewonnenen Erkenntnisse empirisch überprüft und, falls möglich, untermauert oder widerlegt werden.
Für diese Arbeit ist ausschließlich die Nichtwahl als bewusste Entscheidung relevant und Personen die wider ihren Willen zum Nichtwähler werden, so zum Beispiel aus Gründen wie Krankheit, spontanen Reisen, Fehlern im Wahlverzeichnis und ähnlichem nicht an der Wahl teilnehmen konnten werden daher bei meinen Analysen bewusst außen vorgelassen. Im folgenden Text beziehen sich die Begriffe Nichtwähler und Nichtwahl deshalb ausschließlich auf diejenigen Personen, die sich bewusst für eine Stimmenthaltung entschieden haben.
2 Der Nichtwähler in den vier Erklärungsmodellen des Wählerverhaltens
In der Wahlforschung gibt es im Wesentlichen vier verschiedene Erklärungsansätze für das Verhalten von Wählern. In diesem Kapitel wird der Nichtwähler in die verschiedenen Modelle des Wahlverhaltens eingeordnet und es werden die Umstände erläutert, unter denen eine Nichtwahl zu erwarten ist.
2.1 Der soziologische Erklärungsansatz
Im soziologischen Ansatz, auch Columbia-School genannt, stehen Gruppenbindungen im Zentrum der Wahlanalyse. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen mit festen politischen Werten und Verhaltensnormen bestimmt die Verhaltensweisen der einzelnen Gruppenmitglieder. Besonders hohe Aussagekraft erlangen dabei die Variablen „Religionszugehörigkeit, der sozialökonomische Status, sowie die Größe und Struktur des Wohnortes.“[3] Diese Themen sind für große Teile der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Das führt dazu, dass sie von den Parteien aufgegriffen werden, was wiederum zur Identifikation mit der Partei führt die ein Thema im Interesse des jeweiligen Bürgers vertritt. Auf diese Weise entstehen langfristige Bindungen zwischen den Parteien und Teilen der Bevölkerung. Es kommt zu stabilen Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft und innerhalb der Politik, sogenannten cleavages. Dadurch bildet sich langfristig vorhersagbares Wahlverhalten innerhalb der einzelnen Bevölkerungsgruppen.[4]
Gründe für das Nichtwählen können in diesem Modell entweder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in welcher die Politik keine Rolle spielt, oder die fehlende Zugehörigkeit zu einer Gruppe sein, da in diesem Fall die politische Orientierung fehlt. Eine steigende Zahl von Nichtwählern könnte somit entweder durch die Zunahme von sozialen Gruppen, die unpolitisch sind, oder durch die Abnahme von Gruppenbindungen im Allgemeinen erklärt werden. Desweiteren können Nichtwähler in soziologischen Modellen durch die gleichen Faktoren wie Wechselwähler beeinflusst sein und zwar genau dann, wenn in der Gruppe gegenläufige sozialstrukturelle Merkmale zusammenkommen. Solche Gruppen nennt man Cross-Pressure-Groups. Gehen wir zum Beispiel von einem deutschen katholischen Bürger der Arbeiterklasse mit Gewerkschaftsbindung aus, so ist er konfessionell eher an die CDU gebunden, fühlt sich allerdings sozial der SPD zugehörig. Dieser innere Konflikt kann nun entweder dazu führen, dass er zwischen CDU und SPD schwankt und sich letztendlich zur Wahl einer der beiden Parteien entscheidet, oder dass er sich durch diesen Konflikt schließlich zu keiner Alternative durchringen kann, somit gänzlich das Interesse an Wahlen verliert und sich dauerhaft zum Nichtwählen entscheidet.[5]
2.2 Der individualpsychologische Erklärungsansatz
Im individualpsychologischen Erklärungsansatz der Ann-Arbor-School steht der individuelle Entscheidungsprozess im Vordergrund. Der Wähler steht in einer individuellen persönlichen Beziehung zu einer Partei. Den Ausschlag für die Wahlentscheidung gibt dabei das Zusammenspiel der „Determinanten-Trias Parteiidentifikation, Kandidatenorientierung, sowie der Orientierung an Sachthemen.“[6] Das Modell konzentriert sich eher auf dynamische Aspekte des Wahlverhaltens. Das spezifische Zusammenspiel der Determinanten ändert sich von Wahl zu Wahl. Dabei steht die Parteiidentifikation für eine langfristige Bindung an eine bestimmte Partei, die bei der politischen Sozialisation durch das Elternhaus, den Freundeskreis und die Mitgliedschaft in politischen Gruppen ausgebildet wird. Sie wirkt wie ein Filter, der die Bewertung der Handlungen, Aussagen und Akteure der präfe- rierten Partei grundsätzlich positiver ausfallen lässt als die der anderen und deshalb normalerweise zur Wahl derselben führt.[7] Allerdings kann es bei einzelnen Wahlen zu abweichendem Verhalten kommen, sei es durch negativ bewertete Sachinhalte oder Personen der eigenen Partei, oder positiv bewertete einer anderen Partei. Hierdurch wird punktuell die Parteiidentifikation von den anderen Determinanten überlagert und in der Folge eine andere Partei gewählt.[8]
Nichtwahl kann auch in diesem theoretischen Ansatz durch das Aufkommen von Cross- Pressure-Situationen erklärt werden, wenn der Bürger sich durch Parteiidentifikation einer Partei zugehörig fühlt, aber er durch von ihm negativ bewertete Kandidaten oder Sachthe- men in der aktuellen Situation davon abgehalten wird seine Partei zu wählen. Wenn nun gleichzeitig keine andere Partei oder kein anderer Kandidat als Alternative in Betracht kommt wird der Bürger sich dafür entscheiden nicht zur Wahl zu gehen. Im Unterschied zum soziologischen Ansatz bestimmt also die aktuelle Situation ob man zur Wahl geht oder nicht. Auf diese Weise kann jeder Mensch somit temporär zum Nichtwähler werden.
[...]
[1] http://en.wikipedia.org/wiki/Gettysburg_Address
[2] Vgl. Armington, Klaus: Gründe und Folgen geringer Wahlbeteiligung, in: Kölner Zeitschrift für Sozialpsychologie, Jg. 46, Nr. 1, 1994 S. 43-64, S. 43
[3] Falter, Jürgen D.: Faktoren der Wahlentscheidung. Eine Wahlsoziologische Analyse am Beispiel der saarländischen Landtagswahl 1970, Saarbrücken 1973, S. 21
[4] Vgl. Roth, Dieter: Empirische Wahlforschung. Ursprung Theorien Instrumente und Methoden, Opladen 1998, S. 29-35
[5] Vgl. Kleinhenz, Thomas: Die Nichtwähler. Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung in Deutschland, Opladen 1995, S. 25
[6] Roth, Dieter: Empirische Wahlforschung, S. 36
[7] Vgl. Eilfort, Michael: Die Nichtwähler: Wahlenthaltung als Form des Wahlverhaltens, Paderborn u.a. 1994, S.73-74
[8] Vgl. Roth, Dieter: Empirische Wahlforschung, S. 36-41
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