Zweimal bearbeitet Arthur Schnitzler den Casanova-Stoff in seinem literarischen
Schaffen: 1918 erscheint die Novelle Casanovas Heimfahrt, ein Jahr später die
Komödie Die Schwestern oder Casanova in Spa. Beide Werke entstehen somit
zeitgleich zum Ersten Weltkrieg, allerdings werden Stoff und Figur des Casanova
unterschiedlich ins Licht gerückt: „Alles, was in der Komödie positiv gesehen wird,
gerät in der Erzählung in die Krise.“1 Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die
Novelle Casanovas Heimfahrt und mit ihr die krisenhafte Existenz des alternden
Abenteurers Casanova, dem die Konstruktion eines authentischen Ich-Bewusstseins
in einer verwandelten Gegenwart nicht gelingt. Schlussendlich scheitert er als
einsame, alte und Ich-lose Existenz.
Zunächst sucht diese Arbeit Antworten auf die Frage nach dem Reiz, den der
Casanova-Stoff auf die Autoren der Wiener Moderne ausübte. Dabei machen zwei
Aspekte machen die Brisanz des Stoffs besonders nachvollziehbar: Zum einen
Überlegungen zum impressionistischen Menschenbild, zum anderen die Verbindung
dieses Menschenbildes mit dem Konzept des Abenteuers. In einem weiteren Schritt
soll auf dieser Basis die Textarbeit mit Fokus auf Casanovas krisenhafte Existenz
und Entwicklung in Casanovas Heimkehr erfolgen. Mit der Untersuchung der
Aspekte Zeit und Zeitlichkeit und ihrer mannigfaltigen Verarbeitung in der Novelle
nähert sich die Untersuchung im Folgenden der Fragestellung an: Erinnerungen an
ein erfülltes, sinnliches Leben des jungen Abenteurers Casanova stehen in der
Novelle im ständigen Kontrast zu einer veränderten Gegenwart, die sich vor allem
als ein Verfallsprozess entpuppt. Kontinuität bleibt in diesem Kontrast unerkennbar,
Erinnerungen verfehlen die Gegenwart2, Angst und das Wehren vor der
Vergänglichkeit und der Endlichkeit verhindern einen neuen Zugang zum Leben, die
Selbstwahrnehmung stagniert zwischen den Polen gefühlter Omnipotenz und
Abscheu.
Sind durch die Bindung der Figur des Abenteurers an Zeit und Zeitlichkeit in
Schnitzlers Novelle von vornherein Krise und Scheitern als unabwendbare
1 Farese, Giuseppe: Arthur Schnitzler. Ein Leben in Wien 1862-1931. München (1999), S. 199.
2 Vgl. Corbineau-Hoffmann, Angelika: Paradoxie der Fiktion. Literarische Venedigbilder 1797-1984.
Berlin (1993), S. 394.
2
Konsequenzen angelegt?
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der Reiz des Casanova-Stoffs auf die Wiener Moderne
- II.1. Das Menschenbild des Impressionismus
- II.2. Das Konzept des Abenteuers als Fragment und Teil eines Ganzen
- III.Zeit und Zeitlichkeit in Casanovas Heimfahrt
- III.1. Vergänglichkeit und Verjüngungsstrategien
- III.2. Ich-Rekonstruktion über Erinnerungen
- III.3. Selbstwahrnehmung im Spannungsfeld von Omnipotenz und Frustration: Gegenwart und Wirklichkeit
- III.3.1. Marcolina
- III.3.2. Lorenzi
- III.4. Venedig
- IV. Conclusion
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Arthur Schnitzlers Novelle „Casanovas Heimfahrt“ und untersucht die krisenhafte Existenz des alternden Abenteurers Casanova, dem die Konstruktion eines authentischen Ich-Bewusstseins in einer veränderten Gegenwart nicht gelingt. Die Arbeit beleuchtet den Reiz des Casanova-Stoffs für die Wiener Moderne, insbesondere im Kontext des impressionistischen Menschenbildes und des Konzepts des Abenteuers. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Zeit und Zeitlichkeit in der Novelle verarbeitet werden und wie sich die Erinnerungen an ein erfülltes Leben mit der Gegenwart des alternden Casanova kontrastieren.
- Der Reiz des Casanova-Stoffs für die Wiener Moderne
- Das impressionistische Menschenbild und seine Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung
- Das Konzept des Abenteuers als Fragment und Teil eines Ganzen
- Zeit und Zeitlichkeit in Casanovas Heimfahrt: Vergänglichkeit, Erinnerungen und Selbstwahrnehmung
- Die krisenhafte Existenz des alternden Casanova und sein Scheitern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt die Novelle „Casanovas Heimfahrt“ im Kontext von Schnitzlers Schaffen und der Wiener Moderne vor. Sie beleuchtet die krisenhafte Existenz des alternden Casanova und die Frage nach der Konstruktion eines authentischen Ich-Bewusstseins in einer veränderten Gegenwart.
Das zweite Kapitel untersucht den Reiz des Casanova-Stoffs für die Autoren der Wiener Moderne. Es analysiert das impressionistische Menschenbild und seine Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung sowie das Konzept des Abenteuers als Fragment und Teil eines Ganzen.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse von Zeit und Zeitlichkeit in der Novelle. Es untersucht die Themen Vergänglichkeit, Verjüngungsstrategien, Ich-Rekonstruktion über Erinnerungen und die Selbstwahrnehmung des alternden Casanova im Spannungsfeld von Omnipotenz und Frustration. Die Kapitel behandeln auch die Rolle von Marcolina und Lorenzi in Casanovas Leben und die Bedeutung von Venedig als Ort der Erinnerung und des Scheiterns.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Arthur Schnitzler, Casanovas Heimfahrt, Wiener Moderne, Impressionismus, Menschenbild, Abenteuer, Zeitlichkeit, Vergänglichkeit, Erinnerung, Selbstwahrnehmung, Krise, Scheitern, Venedig.
- Quote paper
- Sarah Pfeffer (Author), 2009, Zum Verhältnis von Abenteuer, Zeitlichkeit und Scheitern in Arthur Schnitzlers Novelle "Casanovas Heimfahrt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148727