Günter Grass hat eine besondere Stellung im deutschen Literaturbetrieb inne, nicht nur weil er internationale Geltung durch den Literaturnobelpreis erlangt hat, sondern auch weil sein Werk zum allgemeinen Bildungskanon gehört und bundesweit Eingang in den Deutschunterricht gefunden hat. In der Schule wird zumeist „Katz und Maus“ bearbeitet, weil es sich als Ganzschrift lesen lässt. Obwohl „Die Blechtrommel“ mit dem Erfolg des Autors verbunden wird, erschwert doch ihr großer Umfang eine Bearbeitung im Deutschunterricht. Grass‘ Lyrik findet meistens keine Verwendung im Deutschunterricht und wird oft vernachlässigt, obwohl Grass mit Gedichten zum ersten Mal auf der literarischen Bühne erschienen ist und während seiner ganzen Karriere Gedichte geschrieben hat. Er gewann 1955 mit dem Gedicht „Lilien aus Schlaf“ den dritten Preis in einem Lyrikwettbewerb des Süddeutschen Rundfunks. Im gleichen Jahr nahm er zum ersten Mal an der Frühjahrstagung der Gruppe 47 teil, las Gedichte vor und fand erste Beachtung.1 1956 veröffentlicht er im Luchterhand Verlag seinen ersten Gedichtband „Die Vorzüge der Windhühner“. Die Lyrik steht also am Beginn der schriftstellerischen Laufbahn von Günter Grass und macht einen wesentlichen Teil seines künstlerischen Schaffens aus. Es stellt sich die Frage, in weit die frühe Lyrik von Grass im Deutschunterricht bearbeitet werden kann.
In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen die frühe Lyrik („Die Vorzüge der Windhühner“ von 1956 und „Gleisdreieck“ von 1960) von Günter Grass in einem produktionsorientierten Ansatz im Unterricht zu bearbeiten, um die Rezeptionskompetenz der Schüler zu stärken. Um den äußeren Rahmen abzustecken wird zunächst die Unterrichtseinheit zu Günter Grass skizziert. Anschließend wird der produktionsorientierte Ansatz dargestellt, kritisch hinterfragt und in einem weiteren Schritt an die Rezeptionskompetenz der Schüler angeknüpft.
Inhalt
1. Einleitung
2. Beschreibung der Unterrichtseinheit
3. Die frühe Lyrik von Grass im produktionsorientierten Ansatz
3.1 Geplanter Verlauf
3.2 Didaktische Begründung
4. Vorteile des produktionsorientierten Ansatzes
5. Nachteile des produktionsorientierten Ansatzes
6. Rezeptionskompetenz durch zeitgeschichtliche Einordnung
6.1 Grass im Kontext seiner Zeit
6.2 Durchführung im Unterricht
7. Fazit
8. Anhang: Gedichttitel
9. Literatur
1. Einleitung
Günter Grass hat eine besondere Stellung im deutschen Literaturbetrieb inne, nicht nur weil er internationale Geltung durch den Literaturnobelpreis erlangt hat, sondern auch weil sein Werk zum allgemeinen Bildungskanon gehört und bundesweit Eingang in den Deutschunterricht gefunden hat. In der Schule wird zumeist „Katz und Maus“ bearbeitet, weil es sich als Ganzschrift lesen lässt. Obwohl „Die Blechtrommel“ mit dem Erfolg des Autors verbunden wird, erschwert doch ihr großer Umfang eine Bearbeitung im Deutschunterricht. Grass‘ Lyrik findet meistens keine Verwendung im Deutschunterricht und wird oft vernachlässigt, obwohl Grass mit Gedichten zum ersten Mal auf der literarischen Bühne erschienen ist und während seiner ganzen Karriere Gedichte geschrieben hat. Er gewann 1955 mit dem Gedicht „Lilien aus Schlaf“ den dritten Preis in einem Lyrikwettbewerb des Süddeutschen Rundfunks. Im gleichen Jahr nahm er zum ersten Mal an der Frühjahrstagung der Gruppe 47 teil, las Gedichte vor und fand erste Beachtung.[1] 1956 veröffentlicht er im Luchterhand Verlag seinen ersten Gedichtband „Die Vorzüge der Windhühner“. Die Lyrik steht also am Beginn der schriftstellerischen Laufbahn von Günter Grass und macht einen wesentlichen Teil seines künstlerischen Schaffens aus. Es stellt sich die Frage, in weit die frühe Lyrik von Grass im Deutschunterricht bearbeitet werden kann.
Der Rahmenplan für Deutsch in der Berliner Schule trägt für das zweite Halbjahr der Stufe 13 die Überschrift „Literatur und Sprache seit 1945“ mit den beiden untergeordneten Problemkreisen „Schuld und Verantwortung als Themen der Literatur seit 1945“ und „Gemeinsame Literatur – geteilte Sprache, geteilte Literatur – gemeinsame Sprache“.[2] Im Anhang nennt der Rahmenplan als Textvorschlag für den Problemkreis „Schuld und Verantwortung als Themen der Literatur seit 1945“ auch „Katz und Maus“ von Grass.[3] Die frühe Lyrik von Günter Grass findet keine Erwähnung, kann aber mit Gewinn als Erstkontakt mit dem Werk von Grass eingesetzt werden.
In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen die frühe Lyrik („Die Vorzüge der Windhühner“ von 1956 und „Gleisdreieck“ von 1960) von Günter Grass in einem produktionsorientierten Ansatz im Unterricht zu bearbeiten, um die Rezeptionskompetenz der Schüler zu stärken. Um den äußeren Rahmen abzustecken wird zunächst die Unterrichtseinheit zu Günter Grass skizziert. Anschließend wird der produktionsorientierte Ansatz dargestellt, kritisch hinterfragt und in einem weiteren Schritt an die Rezeptionskompetenz der Schüler angeknüpft.
2. Beschreibung der Unterrichtseinheit
Die Zielsetzung des Berliner Rahmenplans sieht vor, dass „die Schüler anhand epischer, dramatischer und lyrischer Texte wichtige Themen und Formen der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit kennen lernen.“[4] Die hier geplante Unterrichtseinheit sieht vor, sowohl lyrische als auch epische Texte von Grass zu behandeln. Die Einheit gliedert sich in vier Etappen.
Die erste Etappe und gleichzeitig die erste Begegnung findet mit grass’schen Gedichten im Zeichen der Produktionsorientierung statt. Damit soll erreicht werden, dass der erste Kontakt affektiv ist und durch den eigenen kreativen Umgang mit den Gedichten produktive Spannung und Neugierde entsteht. Zudem besteht hier die Möglichkeit, die eigentümliche Sprache von Günter Grass kennen zu lernen, auch im Hinblick und als Vorbereitung auf die dritte Etappe. Die konkrete Vorgehensweise dieser ersten Etappe wird im anschließenden Kapitel ausgeführt.
In der zweiten Etappe werden die Gedichte von Grass in den literaturhistorischen Hintergrund eingebettet, indem größtenteils rein kognitive Informationen zu Autor, Werk und allgemeine Wirkungsbedingungen der Zeit mittels Schülerreferaten vermittelt werden. Für diese Phase sind Schülerreferate im Rahmen einer Schulstunde vorgesehen.
In der dritten Etappe steht schließlich die Lektüre der Novelle „Katz und Maus“ als Ganzschrift an. Hier dringt der Unterricht dann in den oben bereits genannten ersten Problemkreis „Schuld und Verantwortung als Themen der Literatur seit 1945“ ein.
Durch die beiden vorangegangenen Phasen sind die Grundsteine für ein effektives Bearbeiten der Novelle gelegt, da in der ersten Etappe das Verständnisproblem der eigentümlichen Sprachwelt von Grass aus dem Weg geräumt und in der zweiten Etappe kognitives Wissen zur Einbettung der Novelle in den Zeithorizont erarbeitet wurde.
Das erste Kapitel von „Katz und Maus“ soll mit den Schülern gemeinsam gelesen werden, damit die fremde Sprache nicht zu Verständnisschwierigkeiten führt.[5] Dabei sind nicht nur unbekannte Worte zu erläutern, sondern auch auf Sprachführung und Erzählperspektive einzugehen. Für das gesamte Werk ist ein Zeitfenster von vier Wochen vorgesehen.
3. Frühe Lyrik von Grass im produktionsorientierten Ansatz
Der Berliner Rahmenplan sagt: „Ästhetisches Urteilsvermögen bzw. ästhetische Bildung wird durch bewusste Wahrnehmung geformter Sprache und durch eigene Gestaltungsversuche gefördert. Die Schulung der Sensibilität gegenüber sprachlichen Ausdrucksformen und die Förderung kreativer Fähigkeiten können entscheidend dazu beitragen, dass Interesse und Freude an sprachlichen und literarischen Gestaltungen geweckt werden.“[6] An diese Vorgaben anknüpfend hat sich für die Behandlung der frühen Lyrik von Günter Grass die folgende Unterrichtsstunde ergeben.
3.1 Geplanter Verlauf
Der Lehrer hat entsprechend der Anzahl der Schüler Gedichte von Grass aus seinen beiden ersten Gedichtbänden „Die Vorzüge der Windhühner“ (1956) und „Gleisdreieck“ (1960) ausgewählt und die Titel der Gedichte groß auf ein DIN A4 Blatt geschrieben. Das vollständige Originalgedicht befindet sich hinten an das jeweilige Blatt angeheftet. Die Blätter werden an den Wänden des Klassenraumes gut sichtbar verteilt.
Die Schüler bekommen dann die bewusst kurz gehaltene Information, dass es sich um Überschriften grass’scher Gedichten handelt und den Handlungsauftrag, sich nach Gefallen ein Blatt von der Wand zu nehmen, ohne jedoch das angeheftete Gedicht zu lesen.
Der zweite Auftrag besteht darin, dass die Schüler anhand der Titelvorgabe ihres gewählten Blattes eigene Assoziationen aufschreiben sollen. Anschließend wird das angeheftete Gedicht von Grass gelesen. Im letzten produktionsorientierten Schritt soll das Gedicht von Grass durch die zuvor gewonnenen Assoziationen bearbeitet werden und zwar entweder als neues Gedicht im Kontrast zu oder in Anlehnung an Grass oder als Einfügung einzelner Worte oder ganzer Sinneinheiten.
Schließlich werden in Auswahl beide Versionen vorgelesen, ohne dass der Vortragende bekannt gibt, ob er zuerst Grass oder seine eigene Version hören lässt. Im Anschluss daran ist es dann die Aufgabe aller im Plenum herauszufinden, welche Version das Original von Grass ist und warum, bzw. welche Indizien dafür sprechen. Im Unterrichtsgespräch soll eingegangen werden auf den Zusammenhang zwischen Titel, Inhalt und Form anhand einzelner ausgewählter Gedichte.
[...]
[1] Vgl., Pelster, Theodor. Literaturwissen: Günter Grass, Stuttgart 1999, S. 27.
[2] Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport. Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule. Deutsch, Gymnasium Klasse 12 bis 13 (Gymnasiale Oberstufe), S. 20f. www.sensjs.berlin.de/schule/rahmenpläne/rahmenplan/d-gy-12-13.htm.
[3] Ebd., S. 37.
[4] Rahmenplan, S. 20.
[5] Vgl. zum Problem der Sprachverständigung Ingrid Tiesler, Günter Grass: Katz und Maus, München 1971, S. 133ff.
[6] Rahmenplan. Einleitung, S. 4.
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- Benjamin Kristek (Author), 2003, Günter Grass im Deutschunterricht der Sekundarstufe II: Die frühe Lyrik - Ein Versuch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14869
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