Programmatisch für das Werk Salomon Geßners ist dieser Ausspruch, den er seinem Palemon während des Erlebens einer außergewöhnlichen Naturerfahrung in den Mund legt. Die so ausgedrückte Empfindung, im Anblick der sinnfälligen Natur, ist dann auch ein zentrales Anliegen, welches sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk Geßners zieht.
Der Name Salomon Geßner ist heute kaum noch jemandem bekannt; noch Mitte des 18. bis in das 19. Jahrhundert hinein war das gänzlich anders. Die „Idyllen“ und „Neue Idyllen“ waren europaweit regelrechte Bestseller und wurden noch zu Lebzeiten in mehrere Sprachen übertragen.
Die hier vorliegende Arbeit nun beschäftigt sich mit dem Landschafts- und Naturbild, welches Salomon Geßner in seinen Idyllen verarbeitete und wie es sich dem Leser darbietet.
Dazu wird anfangs versucht, sich der Gattung Idylle, sofern es denn eine solche gibt, anhand einiger Merkmale zu nähern und eine Art Definition zu finden, die allerdings nicht starr und dogmatisch ausfallen soll. Vielmehr wird ein Katalog von Kriterien skizziert, die Idylle und Idyllisches ausmachen und transportieren, ohne sich gegenseitig auszuschließen.
Der daran anschließende Blick in die Idyllen-Konzeption Geßners, wie sie sich dem Leser v. a. in seiner Vorrede zu den Idyllen von 1756 präsentiert, soll neben dem Naturverständnis eine weitere Motivation aufzeigen, die der Idylle von Geßner zugrunde liegt.
Aufgrund der Fülle der veröffentlichten Idyllen Geßners haben wir uns auf vier Idyllen beschränkt.
So sollen im Interpretationsteil der Arbeit die Idyllen „Damon, Daphne“, „Palemon“, „Der Wunsch“ und „Mycon“ eingehender untersucht werden, an denen sich idyllische Momente und deren Entsprechung in der Natur und Landschaftsdarstellung ganz besonders gut festmachen lassen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Idylle
2.1 Der Gattungsbegriff
2.2 Elemente und Kriterien der Idyllendichtung
3 Landschafts- und Naturbeschreibungen bei Salomon Geßner
3.1 Geßners Idyllen-Konzeption
3.2 Landschaft und Natur in ausgewählten Idyllen
3.2.1 Damon, Daphne
3.2.2 Palemon
3.2.3 Der Wunsch
3.2.4 Mycon
4 Zusammenfassung
5 Schlussbemerkung
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„O wie schön ist alles um mich her!“[1]
Programmatisch für das Werk Salomon Geßners ist dieser Ausspruch, den er seinem Palemon während des Erlebens einer außergewöhnlichen Naturerfahrung in den Mund legt. Die so ausgedrückte Empfindung, im Anblick der sinnfälligen Natur, ist dann auch ein zentrales Anliegen, welches sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk Geßners zieht.
Der Name Salomon Geßner ist heute kaum noch jemandem bekannt; noch Mitte des 18. bis in das 19. Jahrhundert hinein war das gänzlich anders. Die „Idyllen“ und „Neue Idyllen“ waren europaweit regelrechte Bestseller und wurden noch zu Lebzeiten in mehrere Sprachen übertragen.
Die hier vorliegende Arbeit nun beschäftigt sich mit dem Landschafts- und Naturbild, welches Salomon Geßner in seinen Idyllen verarbeitete und wie es sich dem Leser darbietet.
Dazu wird anfangs versucht, sich der Gattung Idylle, sofern es denn eine solche gibt, anhand einiger Merkmale zu nähern und eine Art Definition zu finden, die allerdings nicht starr und dogmatisch ausfallen soll. Vielmehr wird ein Katalog von Kriterien skizziert, die Idylle und Idyllisches ausmachen und transportieren, ohne sich gegenseitig auszuschließen.
Der daran anschließende Blick in die Idyllen-Konzeption Geßners, wie sie sich dem Leser v. a. in seiner Vorrede zu den Idyllen von 1756 präsentiert, soll neben dem Naturverständnis eine weitere Motivation aufzeigen, die der Idylle von Geßner zugrunde liegt.
Aufgrund der Fülle der veröffentlichten Idyllen Geßners haben wir uns auf vier Idyllen beschränkt.
So sollen im Interpretationsteil der Arbeit die Idyllen „Damon, Daphne“, „Palemon“, „Der Wunsch“ und „Mycon“ eingehender untersucht werden, an denen sich idyllische Momente und deren Entsprechung in der Natur und Landschaftsdarstellung ganz besonders gut festmachen lassen.
2 Die Idylle
2.1 Der Gattungsbegriff – Ein Bestimmungsversuch
Eine eindeutige Abgrenzung bzw. allgemeine Übereinkunft, was genau mit dem Begriff der Idylle bezeichnet wird, was er aussagen soll und an welchen Kriterien eine Idylle zu erkennen ist, ist schwer zu erzielen. Am ehesten noch scheint eine Umschreibung ähnlich dieser zu sein, die damit aber gleichzeitig sehr allgemein gehalten ist: Die Idylle oder das Idyll ist eine epische Kleinform, die überwiegend mit Personal aus dem Hirten- und Schäferstand ausgestattet ist. Vor dem Hintergrund einer ideal gedachten Natur ist der Hauptgegenstand der Dichtung dabei das friedvolle, heitere und unbeschwerte Leben einer einfachen Landbevölkerung. Dabei leitet sich das Wort Idylle vom Griechischen eidyllion ab und bezeichnet im ursprünglichen Sinne ein Bildchen mit Darstellungen aus der Hirtenwelt. Der Begriff war wohl zuerst nur auf die Malerei begrenzt, bis er dann auch - spätestens seit Theokrit seine bukolischen Gedichte mit „Eidyllia“ überschrieb - Einzug in die Literatur fand.
Beinahe synonym gebraucht, gibt es eine Vielzahl von Begriffen, die ähnliches zum Ausdruck bringen: Hirtendichtung, Schäferdichtung, bukolische Dichtung, arkadische Dichtung. Unterschiedlichen Formen liegen außerdem in der Pastorelle, dem Schäferspiel oder dem Schäferroman vor.[2]
Gattungsabgrenzend scheint also die Zuordnung zur Epik von Bedeutung zu sein, zum anderen spielt die thematische Eingrenzung eine Rolle. Was aber tun mit lyrischen Gesangszeilen oder romanhaften Längen, was mit Fischern, Ausflüglern und Wanderern, die ebenfalls die verschiedensten Idyllen bevölkern? Vor dieser Frage stand auch Renate Böschenstein-Schäfer, die sich in Ihrem Buch „Idylle“ mit der Gattungsfrage eingehend beschäftigte. So hat sie, anhand von Gedichten Theokrits wesentliche und konstitutive Merkmale der Gattung Idylle herausgearbeitet, kommt aber letzten Endes lediglich zum Schluss, dass „…die Gattung [Idylle] keine klar gefügte Struktur besitzt, sondern eher durch eine Reihe von Motiven und Gestaltungszügen gekennzeichnet ist, die aber kaum je alle in einem Werk versammelt sind…“.[3]
Gerhard Kaiser klingt ähnlich, wenn er in der »Phänomenologie des Idyllischen in der deutschen Literatur« die „…enge Grenze des Gattungsspielraumes…“[4] der Idylle erkennt, dann im Anschluss daran aber einen Schritt weiter geht, indem er konstatiert, dass „…die Idee der Idylle das Überschreiten der Grenze der Gattung Idylle notwendig macht…“.[5]
Bereits vorher war es notwendig den Idyllen-Begriff nach seinem Auftreten und seiner Herkunft unterschiedlich weit zu fassen. Die originäre Gattungszuordnung geht von den antiken Werken Theokrits aus, in denen die literarischen Traditionen geschaffen wurden, welche die Idyllendichtung seitdem ausmachte.
Spätestens mit den Werken Salomon Geßners zog ein neuer Geist in die Gattung Idylle ein. Der Gegensatz zwischen Natürlichkeit und Artifiziellem weicht einer Art Aussöhnung zwischen dem Denken des Idealen und der Realität, welches sich bei Geßner findet und fortan gattungsbestimmend sein sollte.
Im Sinne von Gerhard Kaiser dagegen ist es nicht damit getan, diese beiden unterschiedlichen Auffassungen zweigleisig zu benutzen. Vielmehr verhält es sich so, dass statt von der Idylle nun von der Idee der Idylle, dem ‚ Idyllischen ‛ gesprochen wird. Nicht mehr die Einzel-Dichtung wird anhand vorliegender und tradierter Strukturelemente in die Gattung eingeordnet; jetzt werden aus der Einzel-Dichtung Motive und grundlegende Idyllen-Elemente entnommen und einzeln betrachtet. So werden diese Elemente dann auch quasi als ´ pars pro toto´ in anderen, fremden Gattungen gesucht, teilweise aus ihnen herausgelöst und als das „Idyllische“ bezeichnet.
2.2 Elemente und Kriterien der Idyllendichtung
Wenn wir im Weiteren auf das „Idyllische“ in der Landschafts- und Naturbeschreibung bei Salomon Geßner eingehen wollen, scheint es angebracht, die tradierten Kriterien für idyllische Dichtung, wie sie sich uns in den antiken Vorbildern (insbes. Theokrits) darstellen, kurz zu beleuchten.
Neben dem bewusst prononcierten, mimetischen Grundcharakter der Idylle (griech. mimos: Schauspieler, dann Darbietung; auch Nachahmung einer kurzen, realistischen Szene aus dem Volksleben) finden sich etliche weitere Merkmale, welche die antike Idylle ausmachen.
Zum einen finden wir in der idyllischen Dichtung eine Dominanz der lokalen Begrenztheit; das wenige Personal interagiert vor einem statischen Raum hauptsächlich in Form eines dialogischen Wechselgesanges, welcher kaum andere Aktionen und Handlungen zulässt. Die immer wiederkehrende, beschreibende Darstellung der umgebenden Natur nimmt einen breiten Raum ein und führt dadurch auch zur Formel für den Gemeinplatz des locus amoenus (lat.: lieblicher Ort). Zu den Inhalten dieses Ortes gehört in wechselnden Häufigkeiten folgendes ähnlich arrangiertes, ideales Inventar:
An einer Felswand mit einer kleinen Grotte, oder einem kleinen Platz mit einer Hütte sprudelt eine erfrischende Quelle, daran sich feuchtes Gras findet; der umgebende dunkle Hain/Wald spendet kühlen Schatten, fruchtbare immergrüne Sträucher tragen reife Früchte, rankender Efeu bietet zwitschernden Vögeln Schutz und der leichte Westwind trägt das Zirpen der Zikaden herüber.
Als weiteres bestimmendes Element der theokritischen Idylle findet sich die Beschreibung von Kunstwerken (griech: Ekphrasis = Beschreibung), die mitunter sehr ins Detail gehen kann und in dem sich dann auch eben jene Spannung zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen ausdrückt.
Ein essentielles Motiv der Idylle theokritischer Prägung ist die Liebe, welche nicht nur zwischen Mann und Frau thematisiert wird, sondern - und wie selbstverständlich - auch in homoerotischer Form vorliegt.
Damit seien einige der konstituierenden Elemente der antiken Gattung Idylle genannt, welche uns im weitern Verlauf der Arbeit noch so manches Mal begegnen werden, wenn wir uns mit der Landschafts- und Naturdarstellung beschäftigen, die sich bewusst der Tradition idyllischer Elemente bedient, um die jeweilige Idylle zu erschaffen.
3 Landschafts- und Naturbeschreibung bei S. Geßner
Im weiteren Verlauf wollen wir nun in die in die Einzelbetrachtung der Idyllen gehen und uns die dargestellten Natur- und Landschaftsszenen genauer anschauen. Dazu wird versucht, die Konzeption und damit auch die Motivation darzustellen, aus der heraus die Idyllen geschrieben wurden und welche Geisteshaltung aus ihnen spricht. Aufgrund der Menge der veröffentlichten Idyllen Geßners haben wir uns dabei auf einige wenige beschränkt, an denen sich Landschaftsbilder und Naturbeschreibungen besonders gut ablesen lassen und somit auch mit dem „Idyllischen“ gut in Bezug gesetzt werden können. So sollen im Mittelpunkt der Betrachtung folgende Idyllen stehen: „Damon. Daphne“, „Palemon“ und „Der Wunsch“ aus der Sammlung Idyllen (1756), sowie „Mycon“ aus den Neuen Idyllen von 1772.
3.1 Geßners Idyllen-Konzeption
Um die Konzeption Geßnerscher Idyllendichtung zu erschließen, scheint es zunächst einmal ratsam sich Lebensdaten und Biographie näher anzuschauen.
Salomon Geßner wurde 1730 in Zürich geboren; sein Vater war Verleger und Buchdrucker; er selbst begann 1749 in Berlin eine Buchhändlerlehre, die er nicht beendete; stattdessen kehrte er über Umwege (Hamburg, Dresden) in seine Heimatstadt zurück. Er beschäftigte sich intensiv mit der Landschaftsmalerei und betätigte sich als Zeichner und Radierer aber auch als Dichter. Bis 1761 arbeitete er im Verlag seines Vaters; in dieser Zeit lernt er etliche Schriftsteller und Dichter kennen (K. W. Ramler, F. v. Hagedorn, E. v. Kleist, C. M. Wieland, u. a.) und veröffentlicht seinen ersten Hirtenroman (Daphnis, 1754), dem die berühmten „Idyllen“ 1756 folgen. Nach seiner Heirat 1761 steigt er aus der väterlichen Druckerei aus und wird Teilhaber beim Verlag Orell, Geßner & Co. Nach einer schweren Krankheit und dem Tode des Vaters übernahm Geßner 1775 die Leitung des väterlichen Verlages. Er begründete 1780 die Zürcher Zeitung, aus welcher 1821 die Neue Zürcher Zeitung wurde, die auch heute noch unter diesem Namen besteht. Er bekleidete zahlreiche Stadt- und Ehrenämter und empfängt 1779 einen Besuch von Goethe; seit 1781 ist er Oberaufseher über den Zürcher Stadtwald, in dem er zugleich wohnt. 1788 stirbt Geßner an einem Schlaganfall.
[...]
[1] Salomon Geßner: Idyllen. Stuttgart: Reclam. 1973. S. 41.
[2] Vgl. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. von Harald Fricke. Band 2; Berlin, New York: Walter de Gruyter, 2000. S. 122f.
[3] Renate Böschenstein-Schäfer,: Idylle. 2. durchges. u. erg. Aufl.; Stuttgart: Metzler Verlag, 1977. S. 2.
[4] Gerhard Kaiser: Wandrer und Idylle. Goethe und die Phänomenologie der Natur in der deutschen Dichtung von Geßner bis Gottfried Keller. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1979. S. 42.
[5] Ebd. S. 42.
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