Erwachsenenbildung im Nationalsozialismus ist gekennzeichnet durch viele so genannte „weiße Flecken“. Sei es durch die Kriegseinwirkungen, in denen viele Aufzeichnungen verloren gingen, die umstrittene Erwachsenenbildung innerhalb der NSDAP an sich oder die wenige wissenschaftliche Argumentation.
Olbrich (2001) charakterisiert das Verhältnis von Pädagogik und Nationalsozialismus als ambivalent und unterstreicht das Argument von Feidel-Mertz (2009), dass der wissenschaftliche Diskurs zu diesem Themengebiet keinerlei Einheitlichkeit entspricht. Das Verhältnis von Pädagogen und Erwachsenenbildnern reichte vom eifrigen Engagement bis hin zum Ansatz von Widerspruch gegen das bestehende System (vgl. Olbrich u.a. 2001, S.267).
Trotz der Ambivalenzen im Bereich der Erwachsenenbildung wird die nachstehende Arbeit eine Institution betrachten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Freizeit in Verbindung mit Erwachsenenbildung für die deutsche Bevölkerung zu gestalten – die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“.
In den nachstehenden Kapiteln soll eine Antwort auf diese Hypothese gegeben werden. Diese werden sich primär mit den allgemeinen Vorstellungen der nationalsozialistischen Ideologie, der KdF, ihrer institutionellen Einordnung und den theoretischen Grundlagen beschäftigen, mit dem Ziel zu klären, ob, inwiefern, mit welchen Mitteln sowie mit welchem Ergebnis diese Institution pädagogische Erwachsenenbildung durchgeführt haben. Diesbezüglich wird zunächst KdF in ihrem Entstehen, ihren Grundlagen und Zielen untersucht, um darauf aufbauend ihre theoretischen Vorstellungen im Sinne der Nationalsozialisten erläutern und anhand heutiger Perspektiven bewerten zu können. Fragestellungen sind weiter, ob KdF wirklich nur das Freizeitangebot gestaltete oder ob dahinter auch eine Überwachungs- und Gleichschaltungsfunktion integriert war - ganz nach den ideologischen Grundsätzen der NSDAP. Weiterhin soll die Frage nach der andragogischen Arbeit im Charakter einer Volksgemeinschaft, Machtsicherung und Indoktrination der Bevölkerung im Fokus der Betrachtung stehen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erwachsenenbildung im Kontext des Nationalsozialismus
3 Die NS-Gemeinschaft KdF als Institution der Erwachsenenbildung
3.1. „Kraft durch Freude“ - eine institutionelle Einordnung in die DAF
3.2. Grundung, Grundlagen, Ziele
4 Erwachsenenbildung als Hauptaufgabe der KdF
4.1. Theoretische Grundlagen aus Sicht der NS
4.2. KdF - eine Institution der Erwachsenenbildung?
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildungl: Die Deutsche Arbeitsfront (vgl. Turk u.a. 2006, S.254)
1 Einleitung
Erwachsenenbildung im Nationalsozialismus ist gekennzeichnet durch viele so genannte „weiRe Flecken“. Sei es durch die Kriegseinwirkungen, in denen viele Aufzeichnungen verloren gingen, die umstrittene Erwachsenenbildung innerhalb der NSDAP an sich oder die wenige wissenschaftliche Argumentation. Wegen dieser wenigen verfugbaren Quellen und dem wenig erforschten Gebiet der Erwachsenenbildung im Dritten Reich lasst sich in dieser Zeit fur den andragogischen Bereich nicht pauschal erkennen, ob es uberhaupt Erwachsenenbildung gegeben hat oder ob in der Zeit zwischen 1933 und 1945 ein „Kontinuitatsbruch“ hervortrat, sodass im theoretischen sowie praktischen Kontext kaum von freien erwachsenenpadagogischen Inhalten gesprochen werden kann (vgl. Feidel-Mertz, H. 2009, S.43). Die Forschungslage hierzu ist sehr different, was sich dadurch zeigt, dass Forscher einerseits davon ausgehen, dass durch den Totalitatsanspruch der Faschisten keine Erwachsenenbildung moglich ist (vgl. Keim u.a. 1976, S.8), andererseits aber auch Ansatze vertreten werden, dass die Erwachsenenbildung
„als nachschulische Sozialisationsinstanz zunehmende Bedeutung bei der Stabilisierung von Herrschaft erlangt und somit ein ernstzunehmendes Zwischenglied im historischen Prozess der Entwicklung zur heutigen Zeit darstellt“ (Feidel-Mertz, H. 2009, S.43).
Olbrich (2001) charakterisiert das Verhaltnis von Padagogik und Nationalsozialismus als ambivalent und unterstreicht das Argument von Feidel-Mertz (2009), dass der wissenschaftliche Diskurs zu diesem Themengebiet keinerlei Einheitlichkeit entspricht. Das Verhaltnis von Padagogen und Erwachsenenbildnern reichte vom eifrigen Engagement bis hin zum Ansatz von Widerspruch gegen das bestehende System (vgl. Olbrich u.a. 2001, S.267), wobei sie jedoch unfahig waren, dem
„Faschismus auf deutschem Boden in seiner Entstehungs- und Ausbreitungsphase ein Gegengewicht entgegensetzen zu konnen, ja zum Teil - wie in anderen Bereichen auch - mit den Nazis taktiert und paktiert haben oder sich sogar zu Tragern des NS-Systems machen lieRen, ist zwar in groben Zugen bekannt, im einzelnen jedoch kaum erforscht“ (Keim, W. 1990, S.50).
Trotz dieser Ambivalenzen im Bereich der Erwachsenenbildung wird die nachstehende Arbeit eine Institution betrachten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Freizeit in Verbindung mit Erwachsenenbildung fur die deutsche Bevolkerung zu gestalten - die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (im Folgenden KdF genannt). Eigentlich als Institution fur die Freizeitgestaltung im Jahr 1933 gegrundet (vgl. Olbrich u.a. 2001, S.244), schlieRt KdF eine generelle und fachliche Erwachsenenbildung (eine allgemein gultige und fachspezifische EB), in ihren Aufgabenbereich ein und will somit eine uber den Arbeitszeitraum hinausreichende gedankliche Beeinflussung der Menschen gewahrleisten (vgl. Feidel-Mertz, H. 2009, S.49). Erwachsenenbildung erscheint somit nicht mehr der eigenen Profession, sondern dem ideologischen Grundmuster verpflichtet zu sein.
In den nachstehenden Kapiteln soll eine Antwort auf diese Hypothese gegeben werden. Diese werden sich primar mit den allgemeinen Vorstellungen der nationalsozialistischen Ideologie, der KdF, ihrer institutionellen Einordnung und den theoretischen Grundlagen beschaftigen, mit dem Ziel zu klaren, ob, inwiefern, mit welchen Mitteln sowie mit welchem Ergebnis diese Institution padagogische Erwachsenenbildung durchgefuhrt haben. Diesbezuglich wird zunachst KdF in ihrem Entstehen, ihren Grundlagen und Zielen untersucht, um darauf aufbauend ihre theoretischen Vorstellungen im Sinne der Nationalsozialisten erlautern und anhand heutiger Perspektiven bewerten zu konnen. Fragestellungen sind weiter, ob KdF wirklich nur das Freizeitangebot gestaltete oder ob dahinter auch eine Uberwachungs- und Gleichschaltungsfunktion integriert war - ganz nach den ideologischen Grundsatzen der NSDAP (vgl. Olbrich u.a. 2001, S.239). Weiterhin soll die Frage nach der andragogischen Arbeit im Charakter einer Volksgemeinschaft, Machtsicherung und Indoktrination der Bevolkerung im Fokus der Betrachtung stehen.
2 Erwachsenenbildung im Kontext des Nationalsozialismus
In den ideologischen Grundannahmen lassen sich zentrale Begriffe auffinden, die in dieser Arbeit nur grob skizziert werden konnen, jedoch entscheidenden Einfluss in den andragogischen MaRnahmen finden und somit eine kurze Betrachtung erfordern. So ist es als erstes die Volksgemeinschaft, fur die die gesamte deutsche Bevolkerung ideologisiert werden soll. Die Volksgemeinschaft als zentraler Begriff lasst sich in der nationalsozialistischen Lehre „als die auf blutmaRiger ... Verbundenheit, gemeinsamen Schicksal und gemeinsamen, politischen Glauben beruhende Lebensgemeinschaft eines Volkes, der Klassen- und Standesgegensatze wesensfremd sind“ (Der Volksbrockhaus A-Z, 1943, S.245), beschreiben. Das Zitat stellt heraus, dass in dieser Volksgemeinschaft der Glaube als Ersatz zum eigenen Denken steht und eine von Starken bestimmte Volksgemeinschaft begrundet werden soll. Da jede Gemeinschaft aus einzelnen Individuen besteht, lassen sich in der NS- Ideologie einige „Idealvorstellungen“ charakterisieren, nach denen der deutsche Burger beschaffen sein solle.
Als erstes Kriterium ist die Frage nach der Rassenzugehorigkeit essenziell. Rassenhygiene und Antisemitismus pragen die Zeit des Nationalsozialismus enorm, sodass das Menschenbild als biologistisch nach der Theorie Darwins aus dem Jahr 1859 eingestuft werden kann (vgl. Bauer, K. 2008, S.34). Hitlers Vorstellung der idealen Rasse entspricht der germanisch-nordischen Herrenrasse, die auch als Rasse der Arier bezeichnet wird. Der Arier ist gemaR seiner Vorstellung der bestimmende Einfluss auf die deutsche Bevolkerung. Ein weiteres Merkmal ist die Mannerherrschaft und der Mannlichkeitskult, der Werte wie Tapferkeit und soldatische Harte propagieren soll (vgl. Bauer, K. 2008, S.109-111). Ferner ist Hitlers Staatsvorstellung totalitar und ganzlich auf seine Person hin ausgerichtet. Das „Fuhrerprinzip“ verbindet diese individuelle Grundhaltung und seinen bedeutenden Einfluss auf das Volk, wie das nachstehende Zitat verdeutlicht:
„Die Fuhrergewalt ist umfassend und total; sie vereinigt in sich alle Mittel der politischen Gestaltung; sie erstreckt sich auf alle Sachgebiete des volkischen Lebens; sie erfasst alle Volksgenossen, die dem Fuhrer zu Treue und Gehorsam verpflichtet sind“ (Klee, E. 2005, online)[1].
Aus der Meta-Ebene betrachtet, beruht Hitlers Staat folglich auf Alleinherrschaft, Alleingeltung und Totalitat. Demokratie und Gewaltenteilung sind somit aufgehoben, eine Einparteienherrschaft und Instrumentalisierung aller politischen Kontroll- instanzen sind die Folge (vgl. Bauer, K. 2008, S.112-113). Diese Aspekte setzen sich, wie die nachstehenden Kapitel zeigen werden, in der Bildungsarbeit des deutschen Volkes fort. Hierbei soll gerade im Hinblick auf die Erwachsenenbildung eine Indoktrination der Bevolkerung, jedoch primar auf die Arbeiter fokussiert, im Vordergrund aller padagogischen MaRnahmen stehen. Robert Ley, Fuhrer der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), macht dies in seinem Buch „Soldaten der Arbeit“ (1938) deutlich:
„In Deutschland gibt es keine Privatsache mehr! [...] sobald du wach bist und mit einem anderen Menschen in Beruhrung kommst, muRt du eingedank sein, daR du ein Soldat Adolf Hitlers bist und nach einem Reglement zu leben hast und zu exerzieren. [...] Die Zeit, wo jeder tun und lassen konnte, was er wollte, ist vorbei“ (Ley 1938, S.71 zit. nach Winkler, H. 1963, S.33).
Privates Handeln in der Bedeutung eines Interagierens der Person ohne auRere Auflagen soll gemaR diesem Zitat keine Anwendung mehr finden. Vielmehr soll nun der offentliche Raum dafur genutzt werden, alle Deutschen gemaR der ideologischen Grundvorstellung zu sozialisieren.
Nach der kurz skizzierten ideologischen Vorstellung und Klarung von zentralen Begriffen der nationalsozialistischen Herrschaft werden die folgenden Kapitel detaillierter die theoretischen Grundannahmen in Verbindung mit der Institution „Kraft durch Freude“ betrachten und abschlieRend hinsichtlich ihrer Einordnung als Institutio]n der Erwachsenenbildung bewerten.
Um eine Bewertung der KdF als Institution uberhaupt erarbeiten zu konnen, ist eine Definition des Begriffs unerlasslich. Eine allgemeingultige Operationalisierung fur die Erziehungs- und Sozialwissenschaften kann durch die differenzierten Auffassungen der Wissenschaft jedoch nicht gegeben werden (vgl. Tippelt, R. 2000, S.7), jedoch wird ein Versuch einer Definition hier aufgefuhrt. Institutionen sind nach Tippelt (2000) im soziologischen Kontext Einrichtungen mit geregelten Arbeitsablaufen und kooperierenden Mitarbeitern, die festgelegte Aufgaben erfullen. Ferner bringt der Begriff zum Ausdruck,
„dass RegelmaRigkeiten und Gleichformigkeiten des gegenseitigen Sichverhaltens von Menschen, Gruppen oder Organisationen nicht mehr zufallig oder biologisch determiniert sind, sondern dass diese auch Produkte menschlicher Kultur und damit Sinngebung sind. Institutionen sind Formen von HandlungsregelmaRigkeiten oder Gewohnheiten, die offentlich und soziohistorisch auf relative Dauer angelegt sind“ (Tippelt, R. 2000, S. 7).
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[1] Klee, E.: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. (2. aktualisierte Auflage). Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2005, URL: http://wapedia.mobi/de/Ernst Forsthoff [Stand: 09.01.2010].
- Citar trabajo
- Michael Pluge (Autor), 2010, "Kraft durch Freude" als Institution der Erwachsenenbildung - ein Überblick über theoretische Grundlagen führender NS-Größen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148147
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