Diese Seminararbeit setzt sich zum Ziel, den Gerechtigkeitsbegriff, den Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 1 und q. 58, a. 1- a. 3 darlegt, zu beleuchten und seine Aktualität dem heutigen Verständnis zugänglich zu machen.
Die Vorgehensweise orientiert sich dabei an den vier inhaltlichen Rücksichten, unter denen Thomas den Begriff der Gerechtigkeit in den angegebenen Abschnitten seiner Summa Theologiae untersucht.
So widmet sich das erste Kapitel dieser Seminararbeit dem Verhältnis der Gerechtigkeit zu ihrem Gegenstand, dem Recht, in seiner materialen Hinsicht als zustehender Anspruch des mitmenschlichen Gegenübers und in seiner formalen Hinsicht als Rechtheit der Gerechtigkeit.
Das zweite Kapitel erläutert, ausgehend von der aristotelisch-thomistischen Definition der Gerechtigkeit als habitus im ersten Artikel der 58. Qaestio, die Frage, auf welche Weise die Gerechtigkeit, ihrem Wesen angemessen, zu Verwirklichung und Ausdruck findet. Verwirklichte Gerechtigkeit schließlich hat stets soziale Bedeutung. Diese soziale Funktion von Gerechtigkeit behandelt das dritte Kapitel. Dabei findet sowohl die ausgleichschaffende als auch die gemeinwohlfördernde Funktion der Gerechtigkeit Berücksichtigung.
Anschließend ordnet das letzte Kapitel die Gerechtigkeit in ihren tugendethischen Kontext ein. Es beantwortet die Frage, worin die hohe Stellung der Gerechtigkeit unter den Tugenden wurzelt und welche Forderungen sie unter diesem Gesichtspunkt an den Menschen stellt.
In einem Fazit findet sich am Schluß dieser Seminararbeit eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Gesichtspunkt notwendiger Kritik gegenüber dem Gerechtigkeitsverständnis des Aquinaten.
Der Gerechtigkeitsbegriff des Thomas von Aquin
in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 1 und q. 58, a. 1 – a. 3
1. Die Gerechtigkeit und das Recht als ihr Gegenstand
„Das ‚Recht‘ ist so genannt, weil es das Gerechte ist.“ 1 Dieses Zitat des Kirchenvaters Isidor von Sevilla, dessen sich Thomas von Aquin bedient, zeigt deutlich das Verständnis des Aquinaten vom Begriff „Recht“. „Recht“ ist adäquat zum lateinischen „iustum“ das „Richtige“, das, was in einer Sache gerecht wird. Das Recht ist somit „ [...] die Rechtheit der Gerechtigkeit [...], gerade das also, worin die Tätigkeit der Gerechtigkeit ihren Abschluß findet.“ 2 Diese Rechtheit der Gerechtigkeit zielt auf Angelegenheiten, die nicht in erster Linie den Handelnden selbst betreffen, sondern sein mitmenschliches
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Der Gerechtigkeitsbegriff des Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 1 und q. 58, a. 1 – a. 3
1. Die Gerechtigkeit und das Recht als ihr Gegenstand
2. Die Gerechtigkeit und ihre Verwirklichung im gewollten Akt
3. Die Gerechtigkeit in ihrer Funktion als sozialer Ausgleich
4. Die Gerechtigkeit und ihre Stellung als ethische Tugend
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Diese Seminararbeit setzt sich zum Ziel, den Gerechtigkeitsbegriff, den Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 1 und q. 58, a. 1- a. 3 darlegt, zu beleuchten und seine Aktualität dem heutigen Verständnis zugänglich zu machen.
Die Vorgehensweise orientiert sich dabei an den vier inhaltlichen Rücksichten, unter denen Thomas den Begriff der Gerechtigkeit in den angegebenen Abschnitten seiner Summa Theologiae untersucht.
So widmet sich das erste Kapitel dieser Seminararbeit dem Verhältnis der Gerechtigkeit zu ihrem Gegenstand, dem Recht, in seiner materialen Hinsicht als zustehender Anspruch des mitmenschlichen Gegenübers und in seiner formalen Hinsicht als Rechtheit der Gerechtigkeit.
Das zweite Kapitel erläutert, ausgehend von der aristotelisch-thomistischen Definition der Gerechtigkeit als habitus im ersten Artikel der 58. Qaestio, die Frage, auf welche Weise die Gerechtigkeit, ihrem Wesen angemessen, zu Verwirklichung und Ausdruck findet. Verwirklichte Gerechtigkeit schließlich hat stets soziale Bedeutung. Diese soziale Funktion von Gerechtigkeit behandelt das dritte Kapitel. Dabei findet sowohl die ausgleichschaffende als auch die gemeinwohlfördernde Funktion der Gerechtigkeit Berücksichtigung.
Anschließend ordnet das letzte Kapitel die Gerechtigkeit in ihren tugendethischen Kontext ein. Es beantwortet die Frage, worin die hohe Stellung der Gerechtigkeit unter den Tugenden wurzelt und welche Forderungen sie unter diesem Gesichtspunkt an den Menschen stellt.
In einem Fazit findet sich am Schluß dieser Seminararbeit eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Gesichtspunkt notwendiger Kritik gegenüber dem Gerechtigkeitsverständnis des Aquinaten.
Der Gerechtigkeitsbegriff des Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 1 und q. 58, a. 1 – a. 3
1. Die Gerechtigkeit und das Recht als ihr Gegenstand
„Das ‚Recht‘ ist so genannt, weil es das Gerechte ist.“1 Dieses Zitat des Kirchenvaters Isidor von Sevilla, dessen sich Thomas von Aquin bedient, zeigt deutlich das Verständnis des Aquinaten vom Begriff „Recht“. „Recht“ ist adäquat zum lateinischen „iustum“ das „Richtige“, das, was in einer Sache gerecht wird. Das Recht ist somit „ [...] die Rechtheit der Gerechtigkeit [...], gerade das also, worin die Tätigkeit der Gerechtigkeit ihren Abschluß findet.“2 Diese Rechtheit der Gerechtigkeit zielt auf Angelegenheiten, die nicht in erster Linie den Handelnden selbst betreffen, sondern sein mitmenschliches Gegenüber. Das Recht bezeichnet somit zunächst den subjektiven, rechtlichen Anspruch eines Menschen auf eine Sache einer anderen Person gegenüber. Diesen Anspruch gilt es zu erfüllen, wie Thomas zeigt, im Sinne des lateinischen Wortes „iustari“, also einem Angeglichen-werden. „Das nämlich heißt in unseren Handlungen ‚Recht‘, was dem anderen auf Grund eines bestimmten Ausgleichs entspricht [...]“3 In zweiter Linie ist Recht dann zu verstehen als objektives Recht, also als Inbegriff der vom Menschen geschaffenen Rechtssatzungen und Gesetze. Das einzelne Gesetz stellt dabei jedoch nicht das Recht selbst, sondern nur den Rechtsgrund dar, da es als schriftlich festgelegte Regel der praktischen Vernunft eine Anleitung zur gerechten Tat ist, die erst in ihrer aktualisierten Umsetzung das Recht des anderen verwirklicht.4
Die Quelle des Rechts ist, nach Ansicht des Aquinaten, aber nicht in der menschlichen
Gesetzgebung zu finden. Sie liegt eben in jenen Geboten des natürlichen Gesetzes, des „Naturrechts“, die ebenso naturhaft einleuchten wie die spekulativen Prinzipien. Diese Prinzipien des Naturrechts umfassen zum einen alle Regeln denen Unbelebtes wie Belebtes von Natur aus unterworfen ist. An dieser Stelle können allgemein alle Naturgesetz-mäßigkeiten, aber eben im speziellen auch das Streben nach Selbst- und Arterhaltung sowie die verschiedenen Stufen des Bedürfnisses nach emotionalen Bindungen der Lebewesen angeführt werden. In Bezug auf den Menschen ergeben sich aus dem Naturrecht zusätzlich noch eigene Prinzipien, zu deren Erkennen es seiner Fähigkeit als Vernunftwesen bedarf. Herauszuheben sind hier vor allem der Drang des Menschen, Wahrheit zu erfahren und die Notwendigkeit, mit seinen Mitmenschen in geordneter Weise zusammenzuleben.5
Das Naturrecht seinerseits ist eine Emanation des göttlichen Rechts, also dem Plan und Willen, nach welchem alles Seiende gewollt und bejaht ist und auf dessen Urheber, nämlich Gott, der Mensch als sein letztes Ziel immer hingeordnet bleibt.
Diese höchsten Quellen menschlichen Rechts lassen eine unumstößliche ethische Verpflichtung des Menschen folgern, dem Recht des Mitmenschen gerecht zu werden.
Diejenige Gesinnung, die dieses Gerechtwerden gewährleistet, nennt man Gerechtigkeit.
Hier wird nochmals deutlich, daß das Recht der Gegenstand der Gerechtigkeit ist.
Dabei ist das Recht in zweifacher Weise Objekt der Gerechtigkeit. So ist das Recht Materialobjekt der Gerechtigkeit, im Sinne ihres Gegenstandsbereichs.
In einem zweiten Sinne ist das Recht aber auch zugleich Formalobjekt der Gerechtigkeit, eben weil die Gerechtigkeit das Recht betrachtet unter der Rücksicht, ihm gerecht zu werden.
Das Bestreben des Menschen, dem von Gott und dem Naturrecht gegebenen Recht des
Mitmenschen gerecht zu werden, äußert sich in seinen Handlungen auf zwei Arten.
[...]
1 S.th. II-II, q. 57, a. 1, c
2 S.th. II-II, q. 57, a. 1, c
3 S.th. II-II, q. 57, a. 1, c
4 vgl. S.th. II-II, q. 57, a. 1, ad 2
5 vgl. Lippert: Recht und Gerechtigkeit, 123ff.
- Citation du texte
- Oliver Härtl (Auteur), 2001, Der Gerechtigkeitsbegriff des Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae II-II, q. 57, a.1 und q. 58, a. 1 - a. 3, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148134
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