In dieser Arbeit soll das schwierige Verhältnis zwischen Ludwig Erhard, Konrad Adenauer und der CDU aus der Sicht Erhards dargestellt werden. Diese Akteure sind untrennbar mit der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland und dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre verbunden. Obwohl ihre Schaffenszeit als sehr erfolgreich angesehen werden kann, waren Erhard und Adenauer menschlich sehr gegensätzlich, und so ist auch ihr Stil, Politik zu betreiben, fast schon als widersprüchlich zu bezeichnen. Das anfangs sehr gute Verhältnis wurde bereits gegen Ende der ersten Legislaturperiode auf eine harte Probe gestellt.
Warum das Verhältnis so schwierig war, und wie unterschiedlich die Politikstile waren, will ich in dieser Arbeit darstellen, und anhand der beiden größten parteipolitischen Krisen der 50er Jahre darstellen. Dazu sollen besonders die Abläufe der Gürzenich-Affäre 1955 bis 1956 sowie die Streitigkeiten um die Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 nachgezeichnet werden.
Zuvor werde ich einleitend auf die Biographie Ludwig Erhards eingehen, da diese nicht nur seine Einstellung zur Wirtschaftspolitik erklärt, sondern auch viele der späteren Entwicklungen und persönlichen Kontakte erklärt.
Das faszinierende an Ludwig Erhards Biographie ist der absolut unkonventionelle Weg, den er bereits zu Beginn seiner Ausbildung wählte, und der sich durch sein gesamtes Leben zieht. Niemand hätte wohl erwartet, dass aus dem Realschüler einmal einer der angesehensten Politiker der Bundesrepublik Deutschland werden würde. So verwandelt sich seine Kriegsverletzung für ihn zur Chance, doch ohne Abitur studieren zu können, die Kontakte an der anfangs nicht anerkannten Hochschule bereiteten Erhard den Weg an die Universität in Frankfurt a.M., die Weigerung, im Dritten Reich der NSDAP beizutreten, wird bei der Gründung der neuen Republik zu seinem Vorteil. Erhard kann bis zum Bundeskanzler einer CDU-Regierung aufsteigen, ohne reguläres Mitglied der Partei zu sein.
INHALT
1. Einleitung
2. Jugend, Ausbildung und persönliche Entwicklung
2.1. Jugend und Ausbildung
2.2. Beginn der politischen Karriere und erster Kontakt mit Konrad Adenauer
3. Die Zeit als Wirtschaftsminister bis 1955
4. Die Gürzenich-Affäre 1956
5. Konflikte in der Suezkrise und im Vorfeld der Römischen Verträge
5.1. Die Suezkrise 1956
5.2. Die Römischen Verträge
6. Die Krise um die Bundespräsidenten-Wahl 1959
6.1. Die Bundestagswahl 1957 und Erhards Ernennung zum Vizekanzler
6.2. Die Wahl des Bundespräsidenten 1959
7. Erhard als Bundeskanzler
7.1. Die letzten zwei Jahr unter Adenauer
7.2. Die Spiegelaffäre 1962 ebnet Ludwig Erhard den Weg
7.3. Ludwig Erhard als Bundeskanzler bis 1966
8. Fazit: Erhard, Adenauer und die CDU
9. Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
In dieser Arbeit soll das schwierige Verhältnis zwischen Ludwig Erhard, Konrad Adenauer und der CDU aus der Sicht Erhards dargestellt werden. Diese Akteure sind untrennbar mit der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland und dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre verbunden. Obwohl ihre Schaffenszeit als sehr erfolgreich angesehen werden kann, waren Erhard und Adenauer menschlich sehr gegensätzlich, und so ist auch ihr Stil, Politik zu betreiben, fast schon als widersprüchlich zu bezeichnen. Das anfangs sehr gute Verhältnis wurde bereits gegen Ende der ersten Legislaturperiode auf eine harte Probe gestellt. Warum das Verhältnis so schwierig war, und wie unterschiedlich die Politikstile waren, will ich in dieser Arbeit darstellen, und anhand der beiden größten parteipolitischen Krisen der 50er Jahre darstellen. Dazu sollen besonders die Abläufe der Gürzenich-Affäre 1955 bis 1956 sowie die Streitigkeiten um die Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 nachgezeichnet werden.
Zuvor werde ich einleitend auf die Biographie Ludwig Erhards eingehen, da diese nicht nur seine Einstellung zur Wirtschaftspolitik erklärt, sondern auch viele der späteren Entwicklungen und persönlichen Kontakte erklärt. Das faszinierende an Ludwig Erhards Biographie ist der absolut unkonventionelle Weg, den er bereits zu Beginn seiner Ausbildung wählte, und der sich durch sein gesamtes Leben zieht. Niemand hätte wohl erwartet, dass aus dem Realschüler einmal einer der angesehensten Politiker der Bundesrepublik Deutschland werden würde. So verwandelt sich seine Kriegsverletzung für ihn zur Chance, doch ohne Abitur studieren zu können, die Kontakte an der anfangs nicht anerkannten Hochschule bereiteten Erhard den Weg an die Universität in Frankfurt a.M., die Weigerung, im Dritten Reich der NSDAP beizutreten, wird bei der Gründung der neuen Republik zu seinem Vorteil. Erhard kann bis zum Bundeskanzler einer CDU-Regierung aufsteigen, ohne reguläres Mitglied der Partei zu sein1.
2. JUGEND, AUSBILDUNG UND PERSÖNLICHE ENTWICKLUNG
2.1. JUGEND UND AUSBILDUNG
Ludwig Wilhelm Erhard wurde am 4. Februar 1897 in Fürth geboren. Sein Vater war Katholik, seiner Mutter Protestantin, die Erziehung erfolgt nach protestantischen Grundsätzen. Da seine Eltern ein Wäsche- und Ausstattungsgeschäft betrieben2 sollte auch Ludwig eine kaufmännische Ausbildung erhalten. Daher besuchte er die Realschule und beendete diese 1913 mit Erhalt der Mittleren Reife, 1916 schloss er dann die Lehre zum Kaufmann ab. Noch im selben Jahr meldete Ludwig Erhard sich zum freiwilligen Militärdienst im 22. Königlich bayrischen Feldartillerieregiment3. Da er 1918 bei Ypern in Westbelgien durch einen Granatsplitter schwer verletzt wurde, wurde er 1919 aus dem militärischen Dienst entlassen.
Seine Verwundung hinderte ihn daran, im elterlichen Betrieb körperlich zu arbeiten, so dass er anfangs als Gasthörer, später als regulärer Student, die neu gegründete Handelshochschule in Nürnberg besuchen konnte. Da diese Form der Hochschule kein Abitur als Zugangsvoraussetzung erforderte4, konnte Erhard hier einen Abschluss als Diplomkaufmann erwerben. Der Gründungsdirektor der Nürnberger Schule, Wilhelm Rieger, setzte sich dafür ein, dass Ludwig Erhard bei Professor Franz Oppenheimer an der Universität in Frankfurt a.M. promovieren durfte. Dort erhielt er am 12. Dezember 1925 die Doktorwürde. Bereits in seiner Doktorarbeit lassen sich Ansätze einer geregelten, sozialen Marktwirtschaft erkennen, da er fordert, die „staatliche Wirtschaftspolitik habe ‚dort einzusetzen, wo das herrschende Wirtschaftssystem versagen muss‘.“5.
Der Kontakt zu Professor Oppenheimer prägte Ludwig Erhards wirtschafts- und sozialpolitische Ideale grundlegend, darüber hinaus ermöglichte Oppenheimer Ludwig Erhard nach seiner Promotion den Kontakt zu dem Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Vershofen. Vershofen betrieb seit 1925 in Nürnberg das Marktforschungsinstitut „Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware“. Von 1928 an konnte Erhard in dem Institut als Assistent arbeiten6. Bereits ein Jahr später beteiligte Ludwig Erhard sich maßgeblich an der Veröffentlichung der Zeitschrift „Der Markt der Fertigware“, einer Fachpublikation des Marktforschungsinstitutes. 1931 bemühte Erhard sich dann um eine Habilitation, und verfasste die dazu erforderliche Habilitationsschrift. In dieser Schrift befasste er sich mit den wirtschaftlichen Problemen seiner Zeit und bot eine ordnende staatliche Intervention als Lösung an. Hier lässt sich wie schon in seiner Doktorarbeit wiederum die wirtschaftspolitische Einstellung Erhards erkennen. Er ist zwar ein starker Verfechter der Marktwirtschaft, hält aber staatliche Intervention für unerlässlich.
Die Habilitationsschrift sollte wenig später an der mittlerweile zur vollwertigen Universität aufgewerteten ehemaligen Handelshochschule Nürnberg akzeptiert werden, allerdings war die NSDAP mittlerweile an die Macht gelangt. Diese forderte von Erhard, er solle in die Partei eintreten und sich dem NS-Dozentenbund anschließen, bevor seine Arbeit geprüft werden könne. Erhard verweigerte sich, und somit war eine Professur für ihn unmöglich7.
In den folgenden Jahren agierte Ludwig Erhard als Berater für die private und staatliche Industrie. Entscheidend für seine weitere wirtschaftspolitische Entwicklung war Erhards Kontakt mit den Werken von Wilhelm Röpke. 1944 erhielt Ludwig Erhard über „verborgene Kanäle“8 Röpkes Bücher „Gesellschaftskrisis der Gegenwart“ und „Civitas Humana“ sowie 1945 das damals frisch erschienene „Internationale Ordnung - heute“, Bücher die eine freie Marktwirtschaft fordern, in die der Staat nur zur Linderung von Leid eingreifen darf und sich dabei marktkonform verhalten muss9. Auch die Schriften Walter Euckens, besonders dessen Buch „Grundlagen der Nationalökonomie“, interessierten und bestärkten Erhard in seiner wirtschaftspolitischen Ausrichtung.
Somit bilden die Ökonomen Wilhelm Röpke, Walter Eucken, der ordoliberale Doktorvater Franz Oppenheimer, möglicherweise auch Alfred Müller-Armack, der 1947 den Begriff „soziale Marktwirtschaft“ geprägt hatte10, die wichtigsten Väter von Ludwig Erhards ideengeschichtlichem Hintergrund.
Der Höhepunkt seiner akademischen Karriere ist die Berufung zum Honorarprofessor der Universität München im November 1947. Nur einen Monat zuvor war er zum Vorsitzenden der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft ernannt worden, der ersten gesamt-westdeutschen Industrievereinigung11.
2.2. BEGINN DER POLITISCHEN KARRIERE UND ERSTER KONTAKT MIT KONRAD ADENAUER
Der Beginn Ludwig Erhards politischer Karriere kann im Jahr 1948 gesehen werden. Bisher hatte Erhard als Wirtschaftswissenschaftler gearbeitet und sich einiges Renommee verdient. Dies zahlte sich am 2. März 1948 aus, als der Verwaltungsrat der Bi-Zone ihn mit knapper Mehrheit zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft wählte12. Am 6. April trat Erhard offiziell sein Amt an und schritt fast sofort zur Tat. Am 18. Juni wurde das „Leitsätzegesetz“ im Wirtschaftsrat verabschiedet, am 20. Juni ließ Erhardt im Rundfunk verkünden, dass Bewirtschaftung und Preisbindung beendet seien. Dies war zwar eine etwas voreilige Bekanntmachung, da Länderrat und Militärverwaltung noch nicht zugestimmt hatten, aber dies erfolgte dann notgedrungen am 21. Juni durch den Länderrat und am 30. Juni auch durch die Militärverwaltung13.
In dieselbe Zeit fallen die ersten Kontakte zwischen Ludwig Erhard und Konrad Adenauer. Adenauer war zu jener Zeit der Vorsitzende der CDU in der britischen Besatzungszone. Nach einigen recht unpersönlichen Briefwechseln lud Adenauer dann den parteilosen Ludwig Erhard zum zweiten CDU-Parteitag nach Recklinghausen ein. Obwohl Erhard keine eigenen parteipolitischen Ziele verfolgte14, erschien er auf dem Parteitag und hielt dort am 29. August eine pro-grammatische Grundsatzrede, in der er sich für die Marktwirtschaft stark machte und somit seine inhaltliche Nähe zur CDU und besonders zu Adenauer demonstrierte15. Daher lud Adenauer den parteilosen Erhard im Februar 1949 ein, am Wahlprogramm der CDU mitzuarbeiten und seine wirtschaftspolitischen Ansichten einzubringen. Erhard nutzte diese Gelegenheit und sprach der CDU seine Treue aus, allerdings ohne der Partei beizutreten16. Am 14. August 1949 fand dann die erste Bundestagswahl statt, aus der die CDU knapp siegreich hervorging. In Koalition mit FDP und DP konnte die CDU am 15. September die Regierung übernehmen, Konrad Adenauer wurde Bundeskanzler und Ludwig Erhard parteiloser Bundeswirtschaftsminister.
3. DIE ZEIT ALS WIRTSCHAFTSMINISTER BIS 1955
Ludwig Erhard und Konrad Adenauer hatten 1949 ihre Ziele vorerst erreicht. Adenauer war zum ersten Kanzler der jungen Republik gewählt worden, Erhard hatte seine Vorstellung einer sozialen Marktwirtschaft zumindest innerhalb der CDU zum Hauptziel der Partei und des Parteiprogramms machen können, und als Bundeswirtschaftsminister saß Erhard auch auf der Stelle, die ihm ermöglichte, viele seiner Ziele zu realisieren. Gleichzeitig zu dem Erfolg wurde ihm aber auch erstmals bewusst, dass eine Zusammenarbeit mit Konrad Adenauer nicht leicht werden konnte.
[...]
1 Mierzejewski 2006, S. 277. In einem am 25.04.2007 erschienenen Stern-Artikel wird sogar behauptet, Ludwig Erhard sei nie wirklich Mitglied der CDU gewesen, die Mitgliedsurkunde wäre erst 1968 ausgestellt und dann rückdatiert worden (Jörges/ Wüllenweber 2007).
2 Laitenberger 1986, S. 10.
3 Koerfer 1988, S. 20.
4 Laitenberger 1986, S. 13.
5 Ebd.
6 Hentschel 1998, S.16.
7 Mierzejewski 2006, S. 31.; Mierzejewski weist allerdings darauf hin, dass auch die unwahrscheinliche Möglichkeit besteht, dass Erhards Schrift qualitativ nicht den Anforderungen der Hochschule genügt haben könnte.
8 Ders., S. 45.
9 Ders., S. 45.
10 Hentschel 1998, S. 101.
11 Mierzejewski 2006, S. 93.
12 Schickling 1978, S. 28f.
13 Metz 1998, S. 127ff.
14 In einer Rundfunkansprache am 21. Juni 1948 sagte Erhard, er „habe keinen politischen Ehrgeiz, und am wenigsten einen solchen parteipolitischer Art.“ (Koerfer 1988, S. 50).
15 Koerfer 1988, S. 51.
16 Ders., S. 53.
- Arbeit zitieren
- Andreas Kleine (Autor:in), 2009, Das schwierige Verhältnis zwischen Ludwig Erhard, Konrad Adenauer und der CDU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148092
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