Als ich im September 2000 mein zweisemestriges Erasmusstudium an der
Université de Liège antrat, ahnte ich noch nicht, dass ich damit bereits den
Grundstein für meine nun vorliegende Diplomarbeit legte. Gleich in
meinen ersten Wochen in Belgien wurde ich auf das Grenz-Echo, die
einzige in Belgien erscheinende deutschsprachige Tageszeitung,
aufmerksam. Gleichzeitig besuchte ich in meinem Nebenfach
Politikwissenschaft Veranstaltungen von Prof. Marco Martiniello, Leiter
des Centre détude des migrations de lethnicité (CEDEM) der
Universität Lüttich. Dabei habe ich die Theorien von HUNTINGTON,
GLAZER und MOYNIHAN kennen gelernt, die den Diskurs neu
anregten und zeigten, dass Ethnizität und das Bestehen auf partikularen
Identitäten, sich als ein geradezu modernes Phänomen erweist.1 Ich wurde
darauf gestoßen, dass die deutschsprachigen Minderheiten in Kanada und
Belgien die drittgrößten ethnischen Gruppen in zwei multikulturellen
Ländern stellen, die jeweils von zwei dominierenden kulturellen Gruppen
beherrscht werden: der Anglo-sächsischen und der französischstämmigen
Gruppe in Kanada und den Flamen und Wallonen in Belgien. In beiden
Ländern wurden die Konflikte zwischen diesen Gruppen in den 70er
Jahren massiv und gewalttätig ausgetragen, was bis zu
Separatismusbestrebungen führte. Doch ein massiver Unterschied besteht:
Während Kanada ein typisches Einwanderungsland ist, ist die
deutschsprachige Minderheit in Belgien durch eine Grenzverschiebung
entstanden. Gibt es also einen Unterschied zwischen dem europäischen
und dem transatlantischen Multikulturalismus und wie wirkt er sich auf
die jeweils drittgrößten Bevölkerungsgruppen, die Deutschsprachigen,
aus? Dieser Frage geht MARTINIELLO ansatzweise in seinem Buch
Sortir des ghettos culturels nach. Er sucht darin Antworten auf die Frage,
wie sich Minderheiten zwischen der Angst vor Assimilierung und der
Gefahr der Selbstisolierung situieren. Ein Aspekt jedoch wurde dabei nie
beleuchtet: der Einfluss deutschsprachiger Minderheitenmedien auf diese
Prozesse. Während meines Praktikums beim Grenz-Echo im Juni 2001
hatte ich Gelegenheit, Antworten auf diese Frage zu finden. [...]
1 Vgl. Huntington (1996); Glazer (1997); Glazer/Moynihan (1976); Moynihan (1993).
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
1. Forschungskontext
2. Aufbau der Arbeit
2. Methoden und Material
3. Danksagung
B. Theoretische Grundlagen
1. Begriffsdefinitionen
1.1 aus soziologischer Sicht
1.1.1 Minderheit
1.1.1.1 Sprachliche Minderheiten
1.1.1.2 Germans/Volksdeutsche/Reichsdeutsche
1.1.2 Assimilation
1.1.3 Integration
1.1.4 (kulturelle) Identität
1.2 aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht
1.2.1 Auslandsdeutsche Presse/Volksdeutsche Presse
1.2.2 Emigranten- und Exilpublizistik
1.2.3 „Ethnic press“
1.2.4 Enklavenpublizistik und Minderheitenpresse
2. Die Integrations- und Identifikationsfunktion von Medien
2.1 Integration, Assimilation und interkulturelle Kommunikation
2.2 Kulturelle Identität und Medien
C. Historische Grundlagen
1. Kanada
1.1 Geschichte der deutschen Einwanderung nach Kanada
1.1.1 Beginn der deutschen Einwanderung nach Kanada
1.1.2 Der erste Weltkrieg als Wendepunkt
1.1.3 Einwanderung zwischen den Weltkriegen
1.1.4 Der Zweite Weltkrieg
1.1.5 Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute
1.2 Geschichte der deutschkanadischen Presse
1.2.1 Zeitungspioniere in Waterloo County
1.2.2 Die deutschsprachige Presse Westkanadas
1.2.3 Die deutschkanadische Presse seit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs
1.3 Der kanadische Multikulturalismus
2. Belgien
2.1 Geschichte der deutschsprachigen Minderheit Belgiens
2.1.1 Vor 1920: Eupen-Malmedy als Teil Preußens
2.1.2 Angliederung von Eupen-Malmedy an Belgien
2.1.3 Annexion und „Heim-ins-Reich“-Politik der Nationalsozialisten
2.1.4 Gründung der deutschsprachigen Gemeinschaft
2.2 Geschichte der deutschbelgischen Presse
2.2.1 Die Presse in Alt-Deutschbelgien
2.2.2 Der Pressekampf in Eupen-Malmedy
2.2.3 Neues Selbstverständnis der Minderheitenpresse
2.3 Der belgische Multikulturalismus
3. Zusammenfassung
D. Gegenstandsbeschreibung
1. Überblick über die deutschsprachige Presse im Ausland
2. Das „Echo“ und das „Grenz-Echo“ im Vergleich
2.1 Das Echo: Vom Flugblatt zur nationalen Monatszeitung
2.2 Das Grenz-Echo: Vom pro-belgischen Wochenblatt zur einzigen deutschsprachigen Tageszeitung in Belgien
3. Zusammenfassung
E. Die Leserschaft deutschsprachiger Presse im Ausland
1. Die Leserschaft deutschsprachiger Presse im Allgemeinen
2. Die Leserschaft von „Echo“ und „Grenz-Echo“
im Vergleich
2.1 Größe und Verbreitung der deutschsprachigen Minderheiten
2.2 Altersstruktur
2.3 Das kulturelle Gedächtnis und die Identität der Leserschaft
2.4 Geschlecht
2.5 Bildungs- und Berufsstruktur
2.6 Sprachkenntnisse
2.7 Leseverhalten und Lesegewohnheiten
3. Zusammenfassung
F. Funktionen deutschsprachiger Presse im Ausland
1. Allgemeine Funktionen deutschsprachiger Presse im Ausland
2. Das „Echo“ und das „Grenz-Echo“ im Vergleich
2.1 Quantitative Gewichtung der Themenkomplexe
2.2 Informations- und Servicefunktion
2.3 Unterhaltungsfunktion
2.4 Werbeträger für deutschsprachige Firmen
2.5 Die Zeitung als „Brücke zur Heimat“
2.5.1 Anteil der Berichterstattung über Deutschland
2.5.2 Das Deutschlandbild in der Berichterstattung
2.6 Integrationsfunktion in die neue Heimat
2.6.1 Anteil der Berichterstattung über das Residenzland
2.6.2 Das vermittelte Bild des Erscheinungslandes
2.7 Artikulationsfunktion für eine Minderheit
2.7.1 Fokussierung auf die lokale Perspektive in der Berichterstattung
2.7.2 Schaffung einer gruppeninternen Identität
2.7.3 Sprachrohr nach außen
2.7.4 Sprachrohr nach innen
3. Zusammenfassung
G. Perspektiven deutschsprachiger Presse im
Ausland
1. Allgemeine Perspektiven deutschsprachiger Presse im Ausland
2. Die Perspektiven von „Echo“ und „Grenz-Echo“ im Vergleich
2.1 Stagnation der Leserschaft
2.1.1 Ansprechen der jungen Generation
2.1.2 Ausweitung auf andere Leserkreise
2.1.2.1 Leser aus dem Ausland
2.1.2.2 Geschäftsleute und Touristen
2.2 Schwierigkeiten in den Bereichen Personal und Organisation
2.3 Finanzielle Probleme
2.4 Konkurrenz durch anderen Medien
2.5 Kampf gegen Vorurteile
2.6 Minderheitenpublizistik in der modernen, multikulturellen Gesellschaft – ein Widerspruch?
2.6.1 Zwischen Assimilation und Isolation
2.6.2 Die Minderheitenpresse als Beitrag zur interkulturellen Kommunikation
3. Zusammenfassung
H. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Bibliografie
2. Internetquellen
3. Artikel aus Echo und Grenz-Echo
3.1 Echo
3.2 Grenz-Echo:
Anhang
1. Karten
2. Leserumfrage Echo
3. Leserumfrage Grenz-Echo
4. Interview mit Paul Christian Walter
5. Schriftliches Interview mit Heinz Warny
6. Schriftliches Interview mit Marion Schmitz-Reiners
7. Schriftliches Interview mit Björn Akstinat
8. Schriftliches Interview mit Dr. Norbert Spitz
9. Schriftliches Interview mit Sabine Sarr
10. Adressenverzeichnis
A. Einleitung
Als ich im September 2000 mein zweisemestriges Erasmusstudium an der Université de Liège antrat, ahnte ich noch nicht, dass ich damit bereits den Grundstein für meine nun vorliegende Diplomarbeit legte. Gleich in meinen ersten Wochen in Belgien wurde ich auf das Grenz-Echo, die einzige in Belgien erscheinende deutschsprachige Tageszeitung, aufmerksam. Gleichzeitig besuchte ich in meinem Nebenfach Politikwissenschaft Veranstaltungen von Prof. Marco Martiniello, Leiter des Centre d étude des migrations de l ethnicité (CEDEM) der Universität Lüttich. Dabei habe ich die Theorien von HUNTINGTON, GLAZER und MOYNIHAN kennen gelernt, die den Diskurs neu anregten und zeigten, dass Ethnizität und das Bestehen auf partikularen Identitäten, sich als ein geradezu modernes Phänomen erweist.[1] Ich wurde darauf gestoßen, dass die deutschsprachigen Minderheiten in Kanada und Belgien die drittgrößten ethnischen Gruppen in zwei multikulturellen Ländern stellen, die jeweils von zwei dominierenden kulturellen Gruppen beherrscht werden: der Anglo-sächsischen und der französischstämmigen Gruppe in Kanada und den Flamen und Wallonen in Belgien. In beiden Ländern wurden die Konflikte zwischen diesen Gruppen in den 70er Jahren massiv und gewalttätig ausgetragen, was bis zu Separatismusbestrebungen führte. Doch ein massiver Unterschied besteht: Während Kanada ein typisches Einwanderungsland ist, ist die deutschsprachige Minderheit in Belgien durch eine Grenzverschiebung entstanden. Gibt es also einen Unterschied zwischen dem europäischen und dem transatlantischen Multikulturalismus und wie wirkt er sich auf die jeweils drittgrößten Bevölkerungsgruppen, die Deutschsprachigen, aus? Dieser Frage geht MARTINIELLO ansatzweise in seinem Buch Sortir des ghettos culturels nach. Er sucht darin Antworten auf die Frage, wie sich Minderheiten zwischen der Angst vor Assimilierung und der Gefahr der Selbstisolierung situieren. Ein Aspekt jedoch wurde dabei nie beleuchtet: der Einfluss deutschsprachiger Minderheitenmedien auf diese Prozesse. Während meines Praktikums beim Grenz-Echo im Juni 2001 hatte ich Gelegenheit, Antworten auf diese
Frage zu finden. Im vergangenen Jahr bot sich mir schließlich die Chance, durch ein dreimonatiges Praktikum beim Echo, einer deutschsprachigen Monatszeitung in Montreal, auch die Situation in Übersee kennen zu lernen. Wie setzt sich die Leserschaft der beiden Zeitungen zusammen, welche Funktion erfüllen diese Zeitungen für ihre Leser, welche Zukunftschancen haben sie und welche Unterschiede ergeben sich hierbei für deutschsprachige Minderheiten in Europa und Übersee? Dies sind die Fragen, die mich dabei am meisten interessiert haben. Über allem standen – angeregt durch das Buch von MARTINIELLO – folgende Leitfragen: sind die beiden Zeitungen eher Ausdruck und Stifter einer exklusiven Gruppenidentität oder Beitrag zur Gesamtgesellschaft? Wie bewältigen sie die Gratwanderung zwischen Assimilation und Isolation?
1. Forschungskontext
Mit dieser Fragestellung steht diese Arbeit im besten Sinne in einem interdisziplinären Forschungskontext. Anthropologen, Politikwissen-schaftler, Historiker und vor allem Soziologen beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten des Minderheitenphänomens. Vor allem in den sog. Cultural Studies, aber auch in der gesamten Sprachlehrforschung ist in den letzten Jahren eine vermehrte Beschäftigung mit Minderheiten in Situationen gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit zu beobachten.[2]
Die medien- bzw. kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzung mit deutschsprachiger Presse im Ausland, Minderheitenmedien bzw. Medien in Minderheitensprachen ist hingegen marginal. Erst in den letzten Jahren ist vor allem in der österreichischen Kommunikationswissenschaft ein verstärktes Interesse an diesem Themenkomplex deutlich geworden.[3]
Das Schlagwort „interkulturelle Kommunikation“, das Ende der 50er Jahre von dem Anthropologen Edward Hall in die Kommunikationsforschung eingeführt wurde, rückte in das Blickfeld des Forscherinteresses wobei hier vor allem die Situation von Minderheitenmedien in der Bundesrepublik bzw. die Integration von Ausländern in die deutsche Gesellschaft durch die Medien untersucht wurde.[4] Abschlussarbeiten der letzten Jahre, die sich mit deutschsprachiger Presse im Ausland beschäftigen, beschränken sich zumeist auf die Darstellung der Situation in einem Land bzw. einer Zeitung. So hat EVA-MARIA SCHREINER (1994) die Situation in Brasilien, MICHAEL RUDDIGKEIT (1998) die deutschsprachige Presse Osteuropas, CARSTEN VON NAHMEN (2001) die deutschsprachigen Medien in Namibia und zuletzt MEIKE RESPONDEK (2002) den Aufbau in New York untersucht.
Durch einen Vergleich der Situation in einem europäischen und einem nordamerikanischen Land betrete ich somit Neuland, was auf den ersten Blick gewagt erscheinen mag. Die Situation der deutschsprachigen Minderheiten und ihrer Presse in Kanada und Belgien ist eine andere, so dass sich die Frage stellt, ob solch ein Vergleich überhaupt Sinn macht oder ob man nicht eher „Äpfel mit Birnen vergleicht“, wie Margareta Hauschild, Leiterin des Goethe-Instituts in Brüssel, Bedenken gegen mein Vorgehen hegte. Je mehr ich mich aber mit dem Thema beschäftigt habe, desto mehr hat sich für mich bestätigt, dass ein Vergleich der Situation in Kanada und Belgien keineswegs unsinnig ist, sondern im Gegenteil eine Blickrichtung ermöglicht, die gerade auf Grund der unterschiedlichen Ausgangsbasis in beiden Ländern wichtige Erkenntnisse zu Tage fördert.
2. Aufbau der Arbeit
Um die Leitfragen dieser Arbeit zu beantworten, werde ich zunächst in einem theoretischen Teil alle notwendigen Begriffe aus der Soziologie und Kommunikationswissenschaft klären, die in den Themenkreis „Minderheitenmedien“ gehören sowie kurz die Theorien zur Integrationsfunktion von Minderheitenmedien darstellen.
Dem folgt ein Abriss über die Geschichte der beiden deutschsprachigen Minderheiten, ihrer Medien sowie dem Multikulturalismuskonzept in beiden Ländern. Dieser Teil ist relativ ausführlich gehalten, weil er viele wichtige Aspekte zum analytischen Teil beiträgt. Um die heutige Leserschaft von Echo und Grenz-Echo verstehen zu können und zu begreifen, in welcher Tradition die beiden Zeitungen stehen, ist ein Blick zurück in die Geschichte unerlässlich. Darüber hinaus kann man aus Problemen, vor denen die deutschsprachige Presse in der Vergangenheit stand, für die heutige Situation lernen.
In der Gegenstandsbeschreibung wird zunächst ein Überblick über die deutschsprachige Presse im Ausland gegeben und anschließend die Gründung und die Geschichte der beiden Zeitungen umrissen. Auf genauere Angaben zur Mitarbeitersituation, Verbreitung und Organisation habe ich an dieser Stelle bewusst verzichtet, da sie bei der Analyse der Perspektiven genauer in Erscheinung treten werden.
Der anschließende analytische Teil besteht aus drei Kapiteln, in denen ich die Leserschaft, die Funktion und die Perspektive beider Zeitungen gegenüberstellen und die Zusammenhänge zwischen diesen drei Aspekten klären werde, so dass am Ende dieser Arbeit die oben genannten Leitfragen beantwortet werden können.
2. Methoden und Material
Basis meiner Arbeit waren Beobachtungen, die ich während meiner Praktika beim Grenz-Echo und beim Echo gemacht habe. Leider waren die Beobachtungszeiträume mit drei Wochen bzw. drei Monaten unterschiedlich lang. Darüber hinaus liegt mein Praktikum beim Grenz-Echo nun schon über ein Jahr zurück. Diesen Umstand konnte ich jedoch dadurch kompensieren, indem ich immer noch regen Kontakt zu den Grenz-Echo -Redakteuren halte und so über Veränderungen informiert bin und die Entwicklung der Zeitung mitverfolgen konnte.
In beiden Fällen nahm ich also die Rolle eines aktiv teilnehmenden Beobachters ein. Die dabei auftretenden Probleme wie Rollenkonflikte, die sich zwangsläufig „aus der ‚Schizophrenie‘ eines Akteurs, der zugleich Teilnehmer und Beobachter ist“[5] ergeben und die damit verbundenen Schwierigkeiten der selektiven Perzeption und starken Subjektivität waren mir dabei bewusst.
Um meine eigenen Beobachtungen zu überprüfen, habe ich deshalb zusätzlich zur Methode der Befragung gegriffen, die „nach wie vor als das Standartinstrument empirischer Sozialforschung bei der Ermittlung von Fakten, Wissen, Meinungen, Einstellungen oder Bewertungen im sozialwissenschaftlichen Anwendungsbereich“[6] gilt. Im Anschluss an mein Praktikum habe ich mit Paul Christian Walter, Herausgeber und Chefredakteur des Echo, ein Leitfaden-Interview nach den Kriterien von ATTESLANDER und SCHNELL/HILL/ESSER durchgeführt.[7] Bei den anderen Personen war es aus praktischen Gründen nicht möglich, ein persönliches Interview zu führen, weswegen ich zur Methode der schriftlichen Befragung (per E-Mail) gegriffen habe und auf diesem Weg zwei Medienvertreter und drei Experten befragt habe. Ich habe darauf geachtet, sowohl beim Leitfaden-Interview als auch bei den schriftlichen Befragungen die selben Themenkomplexe abzudecken, wobei die Fragen dem Befragten angepasst wurden. Standardisierte Fragebögen, bei denen allen Befragten die gleichen Fragen in gleicher Formulierung und Reihenfolge vorliegen, hätten nicht die gewünschten Informationen erbracht.
Vor allem für die Analyse der Leserschaft berufe ich mich beim Grenz-Echo auf eine Leserumfrage aus dem Jahr 2001. Beim Echo hat es so eine Umfrage nie gegeben, weswegen ich selber einen Fragebogen konzipiert habe, der, verbunden mit einem Gewinnspiel, in der Novemberausgabe 2002 des Echo veröffentlicht wurde. Leider war die Resonanz enttäuschend. Auf ca. 12500 verteilte Bögen bekam ich lediglich 25 Antworten. Die Angaben sind also nicht repräsentativ, vermitteln aber trotzdem einen Eindruck von der Leserschaft. Die geringe Beteiligung lässt sich zum einem mit dem relativ hohen Alter der Echo- Leser erklären. Interessant auch die Vermutung von Paul C. Walter: Nach seiner Einschätzung war kein anderes Ergebnis zu erwarten, da sich die deutschsprachige Minderheit Kanadas nicht offen zu ihrem Deutschsein und Deutschtum bekennt und deshalb Fragen zu diesem Thema eher ablehnend gegenübersteht.
Generell war die Material- und Quellenlage zu beiden Zeitungen sehr unterschiedlich. Speziell zum Echo gibt es keine wissenschaftliche Literatur, lediglich eine unveröffentlichte Analyse von PATRICK DE GRUYTER aus dem Jahr 1999 lag mir vor. Das Grenz-Echo hingegen war schon des öfteren Gegenstand des Forschungsinteresses.[8] Allerdings wurde der Zusammenhang zwischen Minderheiten und Medien, vor allem aus der historischen Perspektive, in Kanada bisher besser beleuchtet als in Belgien. Die meisten Beiträge, die einen historischen Blick auf die deutschsprachige Presse Belgiens werfen, sind vor oder während des Zweiten Weltkriegs verfasste und dementsprechend ideologisch gefärbte Propagandaschriften. Hier ist vor allem Der Zeitungsverlag, die Deutsche Presse und die Zeitungswissenschaft zu nennen. Die darin enthaltenen Informationen sind aber umso wertvoller, da sie – fasst man diese nicht als Tatsachen, sondern als ideologisch motiviert auf – ein aufschlussreiches Bild von der damaligen Situation der Presse in den deutschsprachigen Gebieten liefern. Hintergrundinformationen zu den beiden deutschsprachigen Minderheiten und ihren Medien fand ich vor allem im Archiv des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.
3. Danksagung
Schließlich möchte ich allen Personen danken, die maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben:
- Paul Christian Walter, Herausgeber und Chefredakteur des Echo, der mir während meines Praktikums tiefe Einblicke in seine Arbeit gewährt hat und mir auch hinterher jederzeit alle Informationen zukommen ließ, die ich zum Fertigstellen der Arbeit benötigte.
- Den Mitarbeitern des Grenz-Echo für Ihre Auskunftsbereitschaft und das Bereitstellen von Material, an erster Stelle dem Chefredakteur Heinz Warny und der Redakteurin Petra Förster.
- Allen, die bereit waren, mir in einem Interview Rede und Antwort zu stehen.
- Herrn Prof. Stöber für die Betreuung dieser Arbeit und Herrn Prof. Glück für die wertvollen Tipps und Hinweise im Entstehungsprozess.
- Stefan Deinzer und Uta Gerber für ihre Unterstützung und konstruktive Kritik.
B. Theoretische Grundlagen
1. Begriffsdefinitionen
1.1 aus soziologischer Sicht
1.1.1 Minderheit
Nach einer allgemein akzeptierten Definition des Begriffs „Minderheit“ sucht man zumindest im Völkerrecht bislang vergebens. Da in dieser Arbeit aber immer von zwei deutschsprachigen Minderheiten die Rede sein wird, soll der Versuch unternommen werden, den Begriff der „Minderheit“ näher zu fassen. Generell lassen sich im Bezug auf die Definition zwei Hauptströme unterscheiden: Die sogenannten objektiven und subjektiven Minderheitstheorien.
Die objektiven Theorien bestimmen Minderheiten auf Grund gegebener, objektiv feststellbarer Merkmale wie Abstammung, Sprache, Staatsangehörigkeit, Religion usw. Daraus ergibt sich eine mögliche Unterscheidung von religiösen, sprachlichen, kulturellen, ethnischen und nationalen Minderheiten, wobei im europäischen Verständnis der letztgenannte Begriff der nationalen Minderheit als Oberbegriff für die anderen Minderheitenkategorien benutzt wird.[9]
Auch in der amerikanischen Minderheitenforschung herrscht eine große begriffliche Unsicherheit hinsichtlich der Definition des Begriffs „Minderheit“ vor. FRANCIS etwa hält die übliche Trennung von Minderheiten nach religiösen, nationalen, kulturellen und sprachlichen Kriterien für überflüssig, da seiner Ansicht nach alles, „was gemeinhin und sinnvollerweise als ‚Minderheit‘ bezeichnet wird, letzten Endes ethnischer Art ist“.[10] So ist in Kanada der Begriff „Ethnic Group“ geläufig, völlig unabhängig davon, ob es sich bei den Minderheiten gleichzeitig auch um sprachliche Minderheiten handelt oder nicht.
Dieser Kategorisierung stehen die sog. subjektiven Theorien gegenüber, die Minderheiten primär nicht durch objektive Merkmale, sondern durch das Bewusstsein und den Willen einer Kollektivität bestimmen, eine eigene Entität zu bilden und an dieser eigenen Entität (Identität) festzuhalten.[11]
Bewusstsein und Gruppenidentität werden jedoch wieder von objektiv gegebenen Merkmalen bestimmt, so dass eine Verbindung von beiden Ansätzen wohl die beste Möglichkeit bietet, den Begriff der „Minderheit“ zu fassen. HOFMANN konstituiert für eine Definition des Minderheitenbegriffs deshalb zwei objektive und ein subjektives Kriterium:
„Zahlenmäßige Unterlegenheit gegenüber der ‚Mehrheit‘ und nichtdominante Position; Unterscheidbarkeit gegenüber der ‚Mehrheit‘ aufgrund ethnischer bzw. nationaler, kultureller, religiöser und sprachlicher Merkmale und das vom gemeinsamen Willen getragene Bestreben, die eigenständige Identität zu wahren.“[12]
1.1.1.1 Sprachliche Minderheiten
Im Bezug auf die beiden Minderheiten, die als Leser der beiden zu vergleichenden Zeitungen Gegenstand der Analyse sind, scheint es sinnvoll, diese als sprachliche Minderheiten zu begreifen. Denn wie der Name schon sagt, handelt es sich bei diesen um die deutsch sprachigen Minderheiten in Kanada und Belgien. Das Kriterium der Sprache fungiert somit als ein objektives Merkmal, das die Gruppenzugehörigkeit nach außen hin sichtbar macht und auf der subjektiven Ebene „einen sozialen Ein- und Ausgrenzungsmechanismus von hohem symbolischen Gehalt“[13] darstellt, der Gruppenzugehörigkeit stiften oder diese ausschließen kann. Es ist anzunehmen, dass die beiden zu untersuchenden Leserschaften ihre Gruppenzugehörigkeit in erster Linie über die Sprache definieren, da ihr konstitutives Unterscheidungsmerkmal im Bezug zur Mehrheit das Deutsche als Muttersprache ist. ENTZ geht davon aus, dass es vor allem bei der deutschsprachigen Minderheit in Kanada „außer der gemeinsamen sprachlichen Tradition kaum andere Gemeinsamkeiten ideeller Art gab“[14]. So hat die Sprache als soziales und kulturelles Mittel der Identität eine emotional bindende Kraft entwickelt, über die sich ein Gemeinschaftsgefühl in der Fremde entwickeln und gleichzeitig eine Art Signalwirkung auf die Angehörigen der Wirtsgesellschaft ausüben lässt .[15]
Im Metzler Lexikon Sprache wird eine sprachliche Minderheit als „zahlenmäßig kleinere Sprachgemeinschaft, die mit (einer) größeren Sprachgemeinschaft(en) in einem Gemeinwesen zusammenlebt“[16] definiert. Weiter wird im Lexikoneintrag darauf hingewiesen, dass „die Möglichkeit der Majorisierung [...] grundsätzlich die Gefahr der Unterdrückung, v.a. der übermäßigen Einschränkung von sprachlichen Rechten [birgt]“[17]. Dieses Merkmal einer sprachlichen Minderheit soll bei der Analyse berücksichtigt werden.
1.1.1.2 Germans/Volksdeutsche/Reichsdeutsche
Legt man die deutsche Sprache als konstituierendes Merkmal der beiden Minderheiten fest, kommt man nicht umhin, den Terminus „Deutsch“ genauer zu bestimmen. „Deutscher Volkszugehöriger“ ist nach dem Bundesvertriebenengesetz jeder, der „sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“.[18]
Entscheidend ist demnach nicht die Staatsangehörigkeit, sondern das Bekenntnis zum deutschen Kulturraum. Demnach sind „Deutsche“ bzw. „Germans“ in Kanada nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit Personen, die im heutigen Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren sind oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sondern der Begriff umfasst generell Einwanderer deutschsprachiger Herkunft und ihre Nachkommen. Um dieses Problem zu umgehen, hat der kanadische Zensus die Kategorie „Ethnic Origin“ eingeführt, um die Herkunft der Befragten festzumachen. Schließlich hatten im Jahr 1991 bereits 83 Prozent der deutschen Immigranten die kanadische Staatsbürgerschaft, so dass eine Herkunftsbestimmung aufgrund der politischen Zugehörigkeit zu einem Land kein Kriterium darstellen kann.[19]
Dasselbe gilt für die Angehörigen der deutschsprachigen Minderheit Belgiens, da diese nach dem Zweiten Weltkrieg automatisch die belgische Staatsbürgerschaft erlangt haben.
Dies bestätigt die oben getroffene Entscheidung, diese beiden Minderheiten als sprachliche Minderheiten zu definieren, da die deutsche Sprache das eindeutigste Merkmal ist, um diese Personen als „deutsch“ zu bezeichnen.
Erwähnt werden müssen auch die nationalsozialistischen Bezeichnungen „Volksdeutsche“ und „Reichsdeutsche“, da nach dieser Unterscheidung in der NS-Ideologie auch die im Ausland erscheinenden Zeitungen kategorisiert wurden. Als „Volksdeutsche“ wurden im Nationalsozialismus alle außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 und Österreichs ansässigen Deutschen bezeichnet. Insbesondere wurde der Begriff für die Deutschsprachigen in Ost- und Südosteuropa bis zu ihrer Umsiedlung 1945 und der Vertreibung 1947 verwendet.[20] In Kanada war es üblich, die deutschstämmigen Einwanderer nach den Kategorien „Reichsdeutsche“ und „Volksdeutsche“ zu unterteilen, wobei sie insgesamt als „Auslandsdeutsche“ bezeichnet wurden.[21] Auch die deutschsprachige Bevölkerung Belgiens wurde vor der Annexion als „Volksdeutsche“ bezeichnet.[22]
Während im deutschen Sprachgebrauch die Begriffe aufgrund ihrer geschichtlichen Vorbelastung inzwischen weitgehend aus dem Vokabular gestrichen sind, werden sie in der aktuellen englischsprachigen Literatur immer noch benutzt.[23]
1.1.2 Assimilation
Um die Situation sprachlicher und ethnischer Minderheiten zu beschreiben, werden am häufigsten die Begriffe „Assimilation“ bzw. „Assimilierung“ und „Integration“ verwendet, wobei diese nicht synonym zu gebrauchen sind. Vielmehr bezeichnen die beiden Begriffe einen unterschiedlichen Grad des Verhältnisses zur gruppeneigenen Identität.[24]
Nach KOCH-KRAFT beschreibt Assimilierung „den Prozeß, bei welchem sich Gesellschaften und Minoritäten, die Teil dieser Gesellschaften sind, vermischen und immer ähnlicher werden“[25]. Das wichtigste Merkmal dieses Prozesses ist es, die eigene Identität in Form des Sprach- und Kulturerbes aufzugeben, mit dem Ziel, in der Gesamtgesellschaft aufzugehen. Dieses Prinzip spiegelt sich beispielsweise in der Idee des amerikanischen „melting pot“ wider, der die schnelle Angleichung ethnischer Minderheiten an eine einheitliche Kulturgruppe und damit den zwangsläufigen Verlust der eigenen ethnischen Identität propagiert.[26]
In der Soziologie und Ethnologie bezeichnet „Assimilation“ einen Prozess der Angleichung von Menschen, die für immer oder für eine lange Zeit inmitten einer anderen ethnischen Gruppe leben. Dieser Prozeß der Angleichung von Individuen und Gruppen an eine aufnehmende Gruppe oder Gesellschaft (Aufnahmeland) ist mehrdimensional. Er umfasst die kognitive (geistig-bewusstseinsmäßige), die emotionale (gefühlsmäßige), die sinnorientierte (Werte) und die partizipatorische (Chancengleichheit) Dimension.[27]
Dabei kann es innerhalb der sich assimilierenden Gruppe zu Konflikten (vor allem zwischen den Generation) kommen, da sich Assimilation nach und nach vollzieht und nicht von allen Generationen gleichermaßen gewollt sein muss.[28] Dieser Aspekt scheint für die Analyse der beiden Zeitungen wichtig, da bei diesen verschiedene Generationen einer Minderheit als Leser in Betracht kommen.
Bleibt also zu zeigen, ob diese Tendenz auch für die deutschsprachigen Immigranten in Kanada gilt und welche Unterschiede im Vergleich zur deutschsprachigen Minderheit Belgiens auszumachen sind. Als theoretische Untersuchungsgrundlage soll dabei folgende Theorie von EISERMANN/ZEH dienen:
„Der Homogenitätsgrad zwischen Herkunfts- und Wirtsgesellschaft und davon abhängig die Intensität der Identifikation mit der Eigengruppe bestimmen im wesentlichen die Assimilationsgeschwindigkeit. Heterogenität wird zu einer stärkeren Betonung der Eigengruppenidentifikation führen und damit Assimilationserschei-nungen abschwächen. Homogenität dagegen wird den Abbau von Vorbehalten gegenüber der Fremdgruppe fördern können und somit auch eher zur Assimilation anregen.“[29]
1.1.3 Integration
Integration „beschreibt hingegen den Prozeß, bei welchem gesellschaftliche Minoritäten gänzlich an der sie umgebenden Gesellschaft teilnehmen, während sie gleichzeitig ihre individuelle Identität und kulturelle Besonderheiten beibehalten“[30].
Dabei wird in der Regel zwischen System- und Sozialintegration unterschieden. Erstere bezieht sich in erster Linie auf die Teilhabe und Teilnahme an den Funktionssystemen der Gesellschaft wie Wahlen und Erwerbstätigkeit und damit auf die rechtliche Gleichstellung der Minderheit mit allen anderen Mitgliedern der Gesamtgesellschaft. Soziale Integration spielt sich hingegen eher im privaten Bereich ab und meint die „lebensweltliche Vergemeinschaftung durch Gruppenzugehörigkeiten“[31] und letztlich soziale Anerkennung der Minderheitsangehörigen im täglichen Leben.[32]
Daraus ergibt sich, dass Integration nicht die Aufgabe der eigenen, gruppeninternen Identität verlangt. Vielmehr muss die Pflege der eigenen Kultur im Bereich der privaten Lebensführung möglich bleiben. Im Hinblick auf die Gesamtgesellschaft beruht Integration also „auf gleichartigem Tun, dem Wissen davon und der Kommunikation darüber, sie kommt vorrangig durch gemeinsame Themen und Beschäftigungen, Normen und Werte, Traditionen und Begegnungen im sozialen Nahraum zustande“[33].
Integration darf demnach nicht mit „Gleichschaltung, Einebnung, Vereinheitlichung und ähnlichen Vorgängen verwechselt werden“[34]:
„Integration, in the broad sense, does not imply the loss of an individual’s identity and original characteristics or his original language and culture [...] Integration is not synonymous with assimilation. Assimilation implies total absorption into another linguistic and cultural group.“[35]
1.1.4 (kulturelle) Identität
Im Zentrum beider Konzepte bzw. Prozesse der Integration und Assimilation steht also der Begriff der Identität, genauer gesagt der Grad, in dem die gruppeneigene Identität aufrechterhalten wird. Doch was genau wird unter Identität verstanden? Die Definitionen zu diesem Begriff sind äußerst umfangreich, wobei generell zwischen individueller und kollektiver Identität unterschieden wird. Die individuelle Identität ist für diese Arbeit unerheblich, da es schließlich darum geht, die deutschsprachigen Minderheiten als Gruppe zu betrachten. Eine für die Analyse sinnvolle Definition von Gruppenidentität liefert KAMPS, indem er für diese sowohl die Eigen- als auch die Fremdwahrnehmung der Gruppe als einmalig und unverwechselbar voraussetzt.[36] Gruppenidentität wird also geschaffen, wenn sich die Minderheit selbst durch bestimmte Merkmale von der Mehrheit abhebt und durch diese definiert. Sie geht also „aus einem vergleichenden Prozess mit den anderen, den Fremden hervor und ist besonders wichtig für kleine Gruppen und Gemeinschaften“[37]. Dieses Sich-Abheben von der Mehrheit muss gleichzeitig von dieser empfunden werden. Hierbei ist zu bedenken, dass dieser letzte Aspekt im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgewiesen werden kann. Aufgrund des vorhandenen Materials ist es nicht oder zumindest nur in einem sehr rudimentären Maße möglich, die Wahrnehmung der deutschsprachigen Minderheiten aus Sicht der jeweiligen Gesamtgesellschaft zu ermitteln. Im historischen Teil werden diese Aspekte zwar einfließen wenn es etwa um Diskriminierungen oder staatliches Verhalten gegenüber den beiden Minderheiten geht, aus der Analyse der beiden Zeitungen ist diese Frage allerdings nicht zu beantworten. Dementsprechend konzentriert sich die Fragestellung der Arbeit darauf, wie die deutschsprachigen Minderheiten in Kanada und Belgien ihre Identität begreifen und welchen Einfluss das Echo und das
Grenz-Echo auf diese Identitätsfindung und -aufrechterhaltung haben.
Fasst man die beiden zu analysierenden Leserschaften als sprachliche oder weiter gefasst als kulturelle Minderheiten auf, ist es sinnvoll, die Gruppenidentität als in erster Linie kulturelle Identität zu begreifen. Kulturelle Identität wird definiert als
„eine aus gemeinsamer Geschichte und Tradition entstandene Vorstellung [...], die von einer hinreichend großen Gruppe (in der Regel Nation, Volk oder Sprachgruppe) als Teil eines kollektiven Zusammengehörigkeitsgefühls verstanden wird“[38].
Nach KRIENER ist kulturelle Identität also das Bewusstsein dessen, was als gruppentypischer Wert, als Norm oder Verhaltensweise gilt und die Abgrenzung von anderen Kulturen und damit den Erhalt der eigenen sichert.[39]
Problematisch in diesem Konzept ist der Begriff der „Kultur“, dessen Definition über sämtliche Wissenschaftsbereiche hinweg unterschiedlich gehandhabt wird. Dieser Arbeit wird ein sozialwissenschaftliches Verständnis von Kultur zugrunde gelegt. Mit dem Begriff „Kultur“ bezeichnet man dabei „Verhaltenskonfigurationen einer Gesellschaft, die durch Symbole über Generationen hinweg vermittelt werden, in Werkzeugen und Produktionen Gestalt annehmen, in Weltanschauungen und Ideen bewusst werden“[40].
Das Problem bei der Betrachtung von Minderheitenkultur und Kultur im Allgemeinen liegt dabei darin, dass man dazu neigt, Kultur vereinfacht als „folkloristische Einheit“ oder „kollektive Zwangsgemeinschaft“ darzustellen.[41] Dieses Problem stellt sich auch bei dieser Arbeit. Wie lassen sich etwa bestimmte Zeitungsartikel als Indikator für deutsche Kultur oder als Indiz für die Aufrechterhaltung einer kulturellen Identität werten, ohne dabei in eine stark vereinfachte Stigmatisierung abzugleiten? Um eine Antwort auf die Leitfrage zu finden, ob die untersuchten Medien eher eine Gruppenidentität verstärken oder einen Beitrag zur Gesamtgesellschaft und damit zur Integration leisten, kommt man aus praktischen Gründen gar nicht umhin, vereinfachte Kategorien zu bilden und beispielsweise eine auffallend starke Berichterstattung über deutsche Vereine als Indikator für eine kulturelle Identität zu interpretieren. Diese Kategorienbildung sollte aber immer mit dem Wissen vorgenommen werden, dass es sich dabei um eine stark vereinfachte und unvollständige Darstellung handelt. Diese Vereinfachung lässt sich aber auch damit rechtfertigen, dass die Kultur in der Minderheitenpublizistik oftmals stark moralische, folkloristische Züge trägt, so dass sich die Übernahme von Kultur, oder das, was in den Minderheitenmedien oftmals als solche verstanden wird, „als ein besonderer Akt der Überzeugung, des Bekenntnisses und des Glaubens vollzieht und auf zeitliche Kontinuität (Traditionen, kulturelles Gedächtnis) besonderen Wert legt“[42].
In diesem Zusammenhang gibt auch der Begriff des „kulturellen oder kommunikativen Gedächtnisses“ Aufschluss über das Identitätskonstrukt von Minderheiten. Das kulturelle Gedächtnis „bewahrt den Wissensvorrat einer Gruppe, die aus ihm ein Bewußtsein ihrer Einheit und Eigenart bezieht. Die Gegenstände des kulturellen Gedächtnisses zeichnen sich aus durch eine Art identifikatorische Besetztheit im positiven (‚das sind wir‘) oder im negativen Sinne (‚das ist unser Gegenteil‘)“[43].
Dieses Bewusstsein einer Identifikation mit einer Bezugsgruppe und der nach außen gerichtete Vergleich mit anderen nährt sich in erster Linie aus einer gemeinsamen Vergangenheit, was zu der These führt, dass das Identitätsverständnis von Minderheiten für Außenstehende antiquiert erscheinen mag und das Bild, das in den Minderheitenmedien von Deutschland vermittelt wird, nicht unbedingt der heutigen Situation entsprechen muss.[44]
1.2 aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht
In dieser Arbeit sollen zwei Publikationen analysiert werden, die Organe eben definierter Minderheiten sind. Nach den Kriterien des Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation sind sowohl das Echo als auch das Grenz-Echo Zeitungen, da sie die Merkmale Publizität, Aktualität, Universalität und Periodizität erfüllen.[45]
Darüber hinaus weisen beide Zeitungen Merkmale auf, die sie von anderen Zeitungen unterschieden: sie erscheinen im fremdsprachigen Ausland in deutscher Sprache und richten sich an einen eingeschränkten Leserkreis. In der Literatur findet sich keine befriedigende Definition des Begriffs „Minderheitenpresse“, weshalb versucht werden soll, unter Abgrenzung von ähnlichen Begriffen, selbst eine Definition aufzustellen.
1.2.1 Auslandsdeutsche Presse/Volksdeutsche Presse
In der heutigen Forschung wird der „deutschsprachigen Presse im Ausland“ kaum Raum gegeben. In Standardwerken wie dem Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation findet sich kein Eintrag zu diesem Thema. Während der Zeit des Nationalsozialismus hingegen hatte das Auslandsdeutschtum, und damit auch die Auslandsdeutsche Presse, einen wichtigen Stellenwert. Das mag zum einen daran liegen, dass diese Art der Presse ein wichtiges Propagandamedium war, um nationalsozialistisches Gedankengut im Ausland zu verbreiten und die deutsche Volksgruppe auch in der Fremde auf die NS-Ideologie einzuschwören. Zum anderen bargen diese Zeitungen auch ein gewisses Gefahrenpotenzial, ermöglichten sie doch auch gerade das Gegenteil: dem nationalsozialistischen Staat aus der Ferne in den Rücken zu fallen.[46]
Gemäß diesen zwei Blickrichtungen unterteilt WALTHER HEIDE in seinem Handbuch der Zeitungswissenschaft von 1940 die deutschsprachigen Zeitungen im Ausland in „Deutschsprachige Landespresse“ und „Auslandsdeutsche Presse“. Nach HEIDE ist das einzige Merkmal, das deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften im Ausland gemeinsam haben, die deutsche Sprache, während sie sich sonst in ihrer rechtlichen Lage, Aufgabenstellung und Ideologie unterscheiden.[47] Nach diesem Verständnis betonen Auslandsdeutsche Zeitungen „bewußt ihre Zugehörigkeit zum deutschen Mutterland, [und] sind Teil einer volklichen Einheit, die nicht durch Grenzen bestimmt oder eingeengt werden darf“[48]. Demzufolge versteht HEIDE unter „Auslandsdeutscher Presse“ nur Zeitungen und Zeitschriften reichsdeutscher Staatsbürger, die diesen zur Erhaltung ihres Deutschtums dienen.[49] Oberstes Ziel dieser Presse ist es, die Leser für den „völkischen Lebenskampf“[50] zu rüsten und sie im Sinne des Nationalsozialismus zu erziehen, weshalb sich diese Produkte fast ausschließlich an Angehörige einer Untergliederung der Auslandsorganisation (AO) der NSDAP wenden und von dieser gelenkt werden.
Im Gegensatz dazu stehen solche Blätter, „die aus irgendwelchen Zweckmäßigkeitsgründen die deutsche Sprache gebrauchen, um in der Weltöffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als seien auch sie Ausdruck deutschen Volkstums und deutscher Kultur“[51].
Noch stärker formuliert HEIDE die Abgrenzung der Auslandsdeutschen Presse von der deutschsprachigen Emigrantenpresse, die er als zumeist jüdische Produkte verleumdet.[52]
Aus diesem Einblick in ein Handbuch von 1940 wird deutlich, wie ideologisch vorbelastet der Begriff „Auslandsdeutsche Presse“ ist, weshalb in dieser Arbeit der wertneutrale Begriff „deutschsprachige Presse im Ausland“ verwendet wird.
1.2.2 Emigranten- und Exilpublizistik
Zwei Gattungen, mit denen das Echo und das Grenz-Echo eng verwandt sind, sind die Emigranten- und Exilpublizistik.
„Emigrantenpublizistik“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie als Zielpublikum alle interessierten deutschsprachigen Emigranten anspricht. Die Produzenten sind in der Regel semi- oder vollprofessionalisiert, die Finanzierung erfolgt durch Verkauf, Spenden und Eigenmittel. Die Hauptfunktion der Emigrantenpresse ist die Erleichterung der Integration in das Aufnahmeland. Die Zeitgrenze des Systems der Emigrantenpublizistik ist bei vollzogener Integration bzw. Assimilation erreicht, d.h. die Zeitungen haben nach Erfüllung dieser Funktion ihr Ziel erreicht und brauchen und können nicht länger bestehen.[53]
Das Echo, da es sich in erster Linie an deutsche Emigranten richtet, könnte durchaus zu dieser Kategorie gerechnet werden, doch da das Echo – so viel sei vorweg genommen – seine Beitragspräferenzen nicht auf Informationen zur Integration oder gar Assimilation legt und auch nie gelegt hat, ist eine Definition als Emigrantenpublizistik nur teilweise richtig.
Im Gegensatz dazu richtet sich die „Exilpublizistik“ an alle deutschsprachigen Exilanten. Produktion und Finanzierung sind meist deckungsgleich mit der der Emigrantenpublizistik. Exilpublizistik bietet Informationen sowohl über das Herkunfts- als auch das Aufnahmeland, setzt ihre Priorität jedoch auf die Aufrechterhaltung des Kontakts zum Herkunftsland bzw. zur Herkunftskultur. Die Zeitgrenze des Systems ist hier bei der Rückkehr ins Herkunftsland erreicht, das heißt die Exilpublizistik ist von vorneherein nur auf eine bestimmte Zeit angelegt und sobald sich die (politischen) Umstände im Heimatland, die die Exilanten ins Ausland gezwungen haben, geändert haben, kehren diese in der Regel zurück.[54] Sowohl für das Echo als auch das Grenz-Echo trifft dieser letzte Aspekt nicht zu, so dass sie nicht zur Exilpublizistik gerechnet werden können.
1.2.3 „Ethnic press“
Im nordamerikanischen Raum findet sich der Begriff „Ethnic press“, der in Kanada wiefolgt definiert wird:
„The term ethnic press... includes all private (i.e. non governmental) publications designed to appeal to cultural groups other than the British and French.These need not be in a language other than English or French; what matters is their content and readers.“[55]
Gemäß dieser Defintion muss „Ethnic Press“ nicht zwangsläufig in einer Minderheitensprache erscheinen. Da die beiden zu untersuchenden Zeitungen sich aber explizit an sprachliche Minderheiten in eben ihrer gemeinsamen Minderheitensprache wenden und der Begriff „Ethnic Press“ darüber hinaus fast ausschließlich für den amerikanischen Raum angewendet wird, scheint es nicht zutreffend, die beiden Zeitungen dieser weitgefassten Kategorie unterzuordnen.
1.2.4 Enklavenpublizistik und Minderheitenpresse
Der Begriff, der das Echo und das Grenz-Echo am besten erklärt, ist vermutlich der von REINER (1995) eingeführte Terminus der „Enklavenpublizistik“. In einer systemtheoretischen Analyse entwickelt REINER diesen Begriff durch Abgrenzung von den Gattungen Emigranten,- Exil- und Alternative Publizistik.[56] Die Enklavenpublizistik hat zum Teil die selben Eigenschaften wie diese Gattungen, weißt aber darüber hinaus einige besondere, typische Merkmale auf. Gemeinsam ist die hohe Eingrenzung auf ein Zielpublikum, in diesem Fall die deutschsprachige Minderheit im jeweiligen Land.
Nach REINER zeichnet sich Enklavenpublizistik im einzelnen durch folgende Merkmale aus:[57]
- Zielpublikum der ,Enklavenpublizistik‘ sind potentielle Sympathisantenkreise und die Bündnispartner von ,deutschen Kulturwerten‘.
- Die Produzenten sind teils professionalisiert, teils interessierte Laien.
- Die Finanzierung erfolgt neben dem Verkauf durch Eigenmittel.
- Ihre Funktion ist primär der Erhalt und die Selbstbeobachtung der Enklave.
- Durch die Betonung der Enklavenidentität gelingt ihr eine Hinausschiebung ihrer Zeitgrenze. Das heißt, auch schon bei erfolgter hoher Integration bzw. Assimilation wird durch eine spezifische Umweltsensibilisierung die Enklavenidentität weiter erhalten und damit auch das publizistische Forum stabilisiert.
Diese Definition scheint am besten geeignet, um dem Echo und dem Grenz-Echo gerecht zu werden, da sie die meisten der genannten Merkmale erfüllen. Ungünstig erscheint jedoch die Bezeichnung „Enklavenpublizistik“. Als Enklave oder Sprachinsel versteht man einen „Teil des Sprachgebiets einer Sprache A., das ganz vom Sprachgebiet einer oder mehrerer Sprachen umgeben ist und folglich keinen geographischen Zusammenhang zum Hauptteil des Sprachgebiets der Sprache A. aufweist“[58]. Demzufolge kann man weder die deutschsprachige Minderheit in Kanada noch diejenige in Belgien als Enklaven bezeichnen. In Kanada existiert kein geschlossenes deutsches Siedlungsgebiet, die Deutschsprecher verteilen sich auf das ganze Land. Für die deutschsprachige Minderheit Belgiens ist der geografische Zusammenhang zum Hauptteil des deutschen Sprachgebiets durch das direkte Angrenzen an Deutschland gegeben.
Aus diesem Grund scheint es angebracht, das Echo und das Grenz-Echo mit dem Begriff „Minderheitenzeitungen“ zu belegen, der in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung überwiegend mit Situationen gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit in Verbindung gebracht wird.[59] Das Echo und das Grenz-Echo sind demnach Zeitungen von einer Minderheit für eine Minderheit in der Minderheitensprache und weißen dabei in erster Linie Merkmale der Enklavenpublizistik nach REINER auf.
2. Die Integrations- und Identifikationsfunktion von Medien
2.1 Integration, Assimilation und interkulturelle Kommunikation
Nun stellt sich die Frage, wie die soeben definierten Begriffe zusammenhängen und wie Medien im Allgemeinen und Minderheitenpresse im Besonderen die Integration und Identität von Minderheiten beeinflussen. Vorausgeschickt werden muss, dass den Massenmedien generell eine Integrationsfunktion hinsichtlich der Beeinflussung öffentlicher Meinung zugeschrieben wird und diese Funktion vor allem in der strukturell-funktionalen Theorie von LUHMANN als eine der wichtigsten Aufgaben der Massenmedien angesehen wird.[60] Medien werden diesem Verständnis nach als Subsysteme des Sozial- oder Gesellschaftssystems verstanden, die den Zusammenhalt der Gesellschaft, ihre Stabilisierung und Integration durch Möglichkeit der Teilhabe und Übernahme der öffentlichen Meinung ermöglichen.[61]
Da sich diese Arbeit lediglich auf den bereits definierten Prozess der Integration von Minderheiten in die Gesamtgesellschaft konzentriert, soll
der Begriff der „Integration“ eng gefasst und aus kommunikations-wissenschaftlicher Sicht gefragt werden, „ob und wie Medien zur Orientierung an und Integration in die Nationalkultur des Aufnahmelandes beitragen, etwa indem sie Möglichkeiten bieten, an sozialen Kontexten, Lebensstilen und gesellschaftlichen Ereignissen zu partizipieren“[62].
Bereits in der Definition unter 1.1.3 wurde Kommunikation über gleichartiges Tun als wesentlicher Bestandteil und notwendige Voraussetzung von Integration festgesetzt. Medien müssen also um Integration zu leisten das Bewusstsein der Individuen und Gruppen schärfen, zu übergeordneten Sozialgebilden und letztlich zur Gesamtgesellschaft zu gehören sowie durch ihre Berichterstattung und Information eine Identifikation mit den elementaren Grundwerten der Gesamtgesellschaft über die jeweilige Gruppenidentität hinaus ermöglichen. Diese Integrationsleistung der Medien vollzieht sich auf mehreren Ebenen, und zwar in Form von Information im Sinne der Ausgewogenheit und gleichzeitiger Generalisierung und Vereinheitlichung gesellschaftlicher Realität.[63] Massenmedien dienen also der „Kodierung, der Speicherung und der Zirkulation von kulturellem Sinn“[64], erleichtern somit die kollektive Standardisierung und stellen „das Wissen um das kollektive Wissen“[65] bereit. Sie sind Sozialisationsinstanzen, „die in Form ‚paralleler Sozialisation‘ Einfluß auf die Einstellungen und Verhalten von Individuen gewinnen können“[66].
Minderheitenzeitungen können Teil und Beitrag von interkultureller Kommunikation und interkulturellen Dialogen sein, „in denen sinnstiftende Zeichen aus lokalen und globalen Texten über Grenzen hinweg artikuliert und sichtbar gemacht werden“[67]. Denn nach HORSTMANN speist sich die Spirale der Selbst- und Fremdbeschreibung aus der in Kommunikationssystemen verwendeten kulturellen Symbolik. Integrationsprozesse liegen folglich dann vor, wenn die beteiligten Akteure einer Gesellschaft aus dem selben Repertoire sozialer Praxis und kultureller Symbolik schöpfen.[68]
In diesem Sinne soll also untersucht werden, ob das Echo und Grenz-Echo ihrer Integrationsfunktion gerecht werden und einen Beitrag zur Gesamtgesellschaft leisten, indem sie dieses Wissen um das kollektive Wissen der Gesamtgesellschaft bereitstellen. Die Leistung kann zum Beispiel daran gemessen werden, ob die beiden Medien die Perspektive der jeweiligen Gesamtgesellschaft wählen und in ausreichendem Maße über gesamtkanadische und gesamtbelgische Belange berichten und durch entsprechende Serviceleistungen das Einleben der Minderheiten in die Residenzgesellschaft erleichtern. Je nachdem, in welchem Maße sie diese Perspektive wählen, soll auch analysiert werden, ob sie über die bloße Integration hinaus gar eine Assimilation der Minderheit, und damit die Aufgabe der gruppeneigenen Identität, propagieren.
2.2 Kulturelle Identität und Medien
Auf der anderen Seite ist es auch denkbar, dass das Echo und das Grenz-Echo gerade dieser Tendenz zuwiderlaufen und eine exklusive Gruppenidentität stiften und zum Ausdruck bringen und damit als „Indiz eigenkultureller Emanzipation gegenüber einer unverständlich gebliebenen Umwelt, aber auch interkultureller Sprachlosigkeit“[69] gewertet werden müssen, die sich als eine „Tendenz zur Selbstisolierung, Reflex auf die Ghettosituation, Rückzug ins Vertraute“[70] manifestiert.[71]
Diese Tendenz kann dadurch entstehen, indem sowohl die Enklaven- als auch die Emigranten- und Exilpublizistik nach REINER „aufgrund einer bewußten bzw. von außen zugeschriebenen gesellschaftlichen Ausgrenzung angeregt wurden und neben anderen Funktionen auch identitätsstiftende Semantiken spezifisch pflegen“[72]. Generell wird also angenommen, dass die Massenmedien eine Schlüsselrolle bei der Erzeugung und Aufrechterhaltung einer kulturellen Gruppenidentität haben:
„The mass media play a key role in this dynamic process by defining, pre-serving, or weakening ethnic (or national) identities.“[73]
RIGGINS geht davon aus, dass Minderheitenmedien dabei eine Doppelfunktion erfüllen, indem sie entweder die kulturelle Identität stärken oder zur Assimilation in die Residenzgesellschaft beitragen:
„The term dual role refers to the fact that it is debatable wheter ethnic minority media are tools of cultural preservation or wheter they surreptitiously contribute to the assimilation of ethnic minority audiences to the dominant culture within which they are immersed.“[74]
Sind Minderheitenzeitungen also Ausdruck und Stifter einer exklusiven Gruppenidentität oder Beitrag zur Gesamtgesellschaft bzw. können sie beides vereinen und die Gratwanderung zwischen Assimilation und Isolation bewältigen? Diese Frage soll die Analyse von Echo und Grenz-Echo auf der Basis dieser theoretischen Grundlagen beantworten.
C. Historische Grundlagen
Geht man davon aus, dass sich die kulturelle Identität einer Gruppe auf „ein Bewußtsein gemeinsamer Vergangenheit“[75] stützt, ist es unerlässlich, sowohl die geschichtliche Entwicklung der deutschsprachigen Minderheiten als auch der deutschsprachigen Presse in beiden Ländern aufzuzeigen. Nur aus der historischen Situation heraus kann ein richtiges Verständnis gewährleistet werden. Da die heutige Leserschaft erst die Ereignisse ab ca. Mitte des 20. Jahrhunderts bewusst miterlebt hat, wird die Geschichte erst ab dem Ersten Weltkrieg detaillierter dargestellt.
1. Kanada
1.1 Geschichte der deutschen Einwanderung nach Kanada
Kanada war für die deutschen Einwanderer stets nur „ein Nebenarm des gewaltigen säkularen Wanderungsstroms in die Vereinigten Staaten“[76]. Vor allem diejenigen, die kein Geld für die Weiterreise hatten, blieben mehr oder weniger freiwillig in Kanada „hängen“. Generell ist die Geschichte der deutschen Einwanderung nach Kanada durch zwei Bewegungen gekennzeichnet: Phasen, in denen Deutsche als bevorzugte und gern gesehene Siedler galten und das deutsche kulturelle Erbe gepflegt wurde, wechselten sich ab mit Zeiten, in denen die Deutschen unerwünscht, ja verhasst und einem starken Assimilationsdruck ausgesetzt waren. Darüber hinaus war die deutschsprachige Gruppe in Kanada nie homogen. Menschen unterschiedlicher Nationalität (Deutsche, Österreicher, Schweizer, Donauschwaben, Russlanddeutsche etc.) und verschiedener Religionszugehörigkeit (neben Katholiken und Protestanten vor allem Mennoniten) trafen in Kanada zusammen, deren einzige Gemeinsamkeit oftmals die Muttersprache Deutsch war. Die ethnische Identität der „Deutschen“ in Kanada war aufgrund der unterschiedlichen Herkunft also schon immer äußerst komplex, die Siedlungen entwickelten sich eher entlang religiöser anstatt nationalistischer Linien, so dass sich die heterogene Gruppe deutschsprachiger Siedler bar einer gemeinsamen Kultur, die es zu bewahren gegolten hätte, im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen von Anfang an recht schnell assimilierte.[77] Außerdem waren die deutschsprachigen Siedler von Anfang an ein Spielball zwischen englischen und französischen Interessen der konkurrierenden Landesherren und gerieten oft zwischen die Fronten von unterschiedlicher Militärstrategie und Siedlungspolitik.[78]
1.1.1 Beginn der deutschen Einwanderung nach Kanada
Obwohl es Belege dafür gibt, dass es schon im 17. Jahrhundert deutsche Siedler in Quebec gegeben hat, beginnt die eigentliche deutsche Siedlungsgeschichte in der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Ankunft von rund 2000 Protestanten in Halifax, die von der britischen Regierung angeworben worden waren. Das erste geschlossene deutsche Siedlungsgebiet entstand schließlich Anfang des 19. Jahrhunderts in Waterloo County, Ost-Ontario, mit dem deutschen Zentrum „Berlin“. Vor allem deutsche Mennoniten aus Pennsylvania ließen sich dort nieder und begünstigten die ab 1830 einsetzende Einwanderung aus Deutschland.
Bedingt durch den Dominion Lands Act[79] von 1872 und die gezielte Anwerbung deutscher Immigranten durch die kanadische Regierung, verlagerte sich ab etwa 1870 das Deutschtum Kanadas dann zunehmend in den landwirtschaftlich noch nahezu unerschlossenen Westen. Die Mehrzahl dieser Einwanderer kam allerdings nicht aus dem 1871 gegründeten „Reich“, sondern waren in erster Linie Bauern aus deutschsprachigen Sprachinseln Osteuropas sowie aus Russland stammende, deutschsprachige Mennoniten.[80]
1.1.2 Der erste Weltkrieg als Wendepunkt
Mit der Kriegserklärung Kanadas an Deutschland im August 1914 nahm ein tiefer Einschnitt in der deutschen Einwanderungsgeschichte und eine „Kulturkrise“ der bereits in Kanada befindlichen deutschsprachigen Minderheit ihren Anfang. Die Deutschen, die bis zum Krieg als Kanadas begehrteste nichtbritische Bürger angesehen worden waren, wurden über Nacht zu Feinden. Alle Kanadier deutscher Abstammung, egal ob reichsdeutscher, volksdeutscher oder österreichischer Herkunft, ob Neueinwanderer oder Deutschstämmige, deren Vorfahren vor Generation nach Kanada gekommen waren, waren starker Diskriminierung ausgesetzt, die sich in Internierungen, Entziehung des Wahlrechts oder Abschiebung äußerte. 1916 eskalierte die hasserfüllte, antideutsche Stimmung und entlud sich in Gewalttaten, Plünderung und Zerstörung von Privateigentum. Aufgrund des Einwanderungsverbots der kanadischen Regierung kamen in den Jahren von 1914 bis 1920 so gut wie keine deutschen Einwanderer nach Kanada.
Die Deutsche Kultur kam dadurch quasi ganz zum Erliegen, teils weil sie als antikanadisch angesehen und verboten wurde, teils weil die Deutsch-Kanadier nicht mehr wagten, ihre Kultur und Sprache offen nach außen zu tragen. Deutsche Orte wurden umbenannt, Vereine aufgelöst, deutsche Kirchen und Schulen wurden geschlossen. Deutsch wurde als Studienfach von Schulen und Universitäten verbannt, die deutschsprachige Presse wurde zunächst zensiert, dann ganz unterdrückt, die Einfuhr deutscher Bücher und Zeitungen verboten. Noch heute wird der Beitrag deutscher Siedler zum Aufbau Kanadas aus den Schulbüchern weitgehend gestrichen.[81]
1.1.3 Einwanderung zwischen den Weltkriegen
1923 wurden die kriegsbedingten Einwanderungsbeschränkungen für Deutschstämmige allmählich wieder gelockert, eine größere Einwanderungswelle setzte ein. Zum ersten Mal überwog dabei die Anzahl der „Volksdeutschen“: Deutsche aus dem Raum der mittleren Donau, die sich vorwiegend im 18. Jahrhundert in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien angesiedelt hatten, und die durch die Zerschlagung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn in ihrer wirtschaftlichen und nationalen Existenz bedroht waren, und nur für einige Jahre in Kanada bleiben wollten, „um Dollars zu machen“. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sollte die Rückkehr der so genannten „Donauschwaben“, die bis heute einen bedeutenden Teil der Deutschstämmigen in Montreal ausmachen, verhindern und noch viele weitere Menschen, die ihre Heimat in Europa zwangsweise verlassen mussten, kamen dazu.[82]
Neben den politischen Umwälzungen in Europa förderten weitere Umstände die Einwanderungswelle zwischen den beiden Weltkriegen. War Kanada bisher für viele nur Durchgangsstation in die Vereinigten Staaten gewesen, wurde es nun aufgrund administrativer Auflagen der USA für viele zum bevorzugten Einwanderungsland. Maßgeblichen Einfluss auf das Anschwellen des deutschen Immigrantenstromes hatten auch die kanadischen Eisenbahngesellschaften, die deutschstämmige Arbeiter nach Kanada abwarben. Steigende Bevölkerungsdichte, Arbeitslosigkeit und Inflation im Deutschland der 20er Jahren taten ihr übriges, um ein Leben in Kanada attraktiv erscheinen zu lassen. 1927 stufte die kanadische Regierung Reichsdeutsche mit städtischer Berufsstruktur schließlich als „bevorzugt“ ein, woraufhin sich viele Deutsche in den Städten Ostkanadas, vor allem in Montreal, der damals größten Stadt Kanadas, niederließen.[83]
Obwohl sich das deutsche Kulturleben nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr richtig erholte, hatte die große Zahl an Neueinwanderern positive Einflüsse auf das Vereinsleben der Deutsch-Kanadier. Nachdem die Deutschen nun wieder gern gesehen und die Diskriminierungen des Ersten Weltkriegs verdaut waren, erstarkte das Gruppenbewusstsein der Deutschstämmigen. Vor allem in den Großstädten schossen deutsche Vereine und Organisationen aus dem Boden und „spiegelten das ausgeprägte Bewußtsein der deutschen Identität wider, das volks- und reichsdeutsche, österreichische und mennonitische Neueinwanderer gleichermaßen teilten und das auf ihrer gemeinsamen Erfahrung beruhte, im I. Weltkrieg und danach als ‚Deutsche‘ gelitten zu haben“[84].
Durch die Weltwirtschaftkrise bekam dieses Erwachen der deutschen Identität jedoch schnell wieder einen Riegel vorgeschoben. Ab 1931 erlaubte die kanadische Regierung nur noch Briten, Amerikanern und engen Verwandten von Kanadiern die Einwanderung. Der Immigrantenstrom aus Deutschland kam dadurch nahezu zum Erliegen, lediglich deutsche Juden und sozialdemokratische Flüchtlinge aus dem Sudetenland, die dem sich anbahnenden Naziterror rechtzeitig entkommen wollten, fanden in dieser Zeit nach Kanada.[85]
1.1.4 Der Zweite Weltkrieg
Unter den Deutschen in Kanada konnte die nationalsozialistische Bewegung hingegen kaum Fuß fassen. Der Deutsche Bund Canada, der die Deutsch-Kanadier im nationalsozialistischen Sinne einen und der Heimat aus der Fremde den Rücken stärken sollte, fand nur spärliche Anhänger. Zwar steigerte Hitlers Aufstieg zur Macht zunächst das ethnische Selbstvertrauen und den Stolz auf das deutsche Kulturerbe, doch die überwältigende Mehrheit der Deutschstämmigen sympathisierte nicht mit den nationalsozialistischen Ideologien und trat als Kanadier auf der Seite „ihres“ Landes in den Krieg gegen Hitler ein.[86]
Dennoch wurden die Deutschstämmigen wieder einmal für ihre Herkunft bestraft. Rund 850 Deutsch-Kanadier wurden interniert, alle nach 1922 ins Land gekommenen Deutsch-Kanadier mussten sich als „feindliche Ausländer“ registrieren lassen, selbst wenn sie bereits die kanadische Staatsbürgerschaft besaßen. Auch wenn die Maßnahmen nicht so hart waren wie im Ersten Weltkrieg, fiel es den Deutsch-Kanadiern nach 1945 schwer, ihr ethnisches Selbstvertrauen wiederherzustellen, zumal die nachträglichen Enthüllungen der Nazigreuel die Brandmarkung der Deutschen auch nach Kriegsende aufrecht erhielt. Die allgemeinen Auswirkungen des Krieges waren Auflösungen und Schließungen deutschkanadischer Organisationen, Schulen und Zeitungen, in der Öffentlichkeit wurde von den meisten vermieden Deutsch zu sprechen und sich als Deutscher auszugeben, so dass sich bis in die 1980er Jahre „bei
allen Generationen von Deutsch-Kanadiern die Wiedergewinnung des Respekts vor deutscher Identität und des Vertrauens zur Pflege deutscher Kultur“[87] verzögerte.
1.1.5 Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute
Im September 1950 hob die kanadische Regierung das elf Jahre in Kraft gewesene Einwanderungsverbot für Deutsche auf. Deutsche Staatsbürger zählten, vor allem aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse und ihres hohen Bildungsstandes, sogar wieder zu den bevorzugten Einwanderern. Die unsichere wirtschaftliche und politische Lage im zerstörten Nachkriegseuropa führte schließlich in den 50er Jahren zum stärksten Zustrom von Deutschen, den Kanada je erfahren hat. Hinzu kam eine Einwanderungswelle osteuropäischer Vertriebener. Insgesamt traf in dieser Zeit etwa eine Viertelmillion deutschstämmiger Einwanderer ein. 1951 stellten die Deutschstämmigen noch vor den Briten die größte Einwanderungsgruppe und 1953 erreichte die deutsche Einwanderung mit 39.000 Personen schließlich ihren Höhepunkt.[88]
1957 gilt als das letzte große Jahr der deutschen Masseneinwanderung nach Kanada. Die Auswirkungen des Wirtschaftswunders hielten viele in ihrer Heimat und spätestens seit den 70er Jahren kann von einer Einwanderung in Massen nicht mehr die Rede sein. Dennoch stellten 1981 die Einwanderer deutscher Herkunft nach wie vor die drittstärkste Gruppe. Bei diesen Einwanderern handelt es sich in erster Linie nicht mehr um Handwerker, Bauern oder Gewerbetreibende. Die Neueinwanderer, die nun überwiegend aus der Bundesrepublik und nicht aus anderen deutschsprachigen Gebieten Europas kamen und ein durchschnittlich hohes Bildungsniveau aufweisen, ließen sich vor allem in den Großstädten nieder und kommen vor allem aus beruflichen Gründen oder purer Abenteuerlust nach Kanada.[89]
Die genannten Folgen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, aber auch der höhere Bildungsstand der Einwanderer nach 1950, von denen die meisten Englisch sprachen, hatten zur Folge, „daß die Kanadier deutscher Abstammung heute eine der bestintegrierten und politisch am wenigsten profilierten ethnischen Gruppen im Dominion sind“[90]. Oder wie es DEBOR formuliert:
„Das deutsche Element ist so gründlich assimiliert worden, dass heute bei Zehntausenden von Einwohnern [...] selbst das Wissen um die deutsche Herkunft ihrer kanadischen Stammväter verlorengegangen ist.“[91]
1.2 Geschichte der deutschkanadischen Presse
Die Geschichte der deutschkanadischen Presse ist eng mit der eben geschilderten Geschichte der deutschen Einwanderung nach Kanada verknüpft. Auf beide wirkten die gleichen politischen Gegebenheiten und Veränderungen ein und beide haben sich wechselseitig beeinflusst. Wie die Einwanderung selbst, so stand auch die deutschkanadische Presse stets im Schatten des Nachbarlandes Amerika. Als in Kanada die ersten deutschsprachigen Presseorgane aufkamen, gab es in den USA bereits viele Blätter, die auch von Deutsch-Kanadiern gelesen wurden. Andersherum hat kaum ein kanadisches Blatt den Sprung über die Grenze geschafft. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.[92]
1.2.1 Zeitungspioniere in Waterloo County
Wie die Geschichte der deutschsprachigen Gruppeneinwanderung, fand auch die Geschichte ihrer Presse ihren Anfang in Neuschottland. 37 Jahre nach der Ankunft der ersten deutschen Siedler in Kanada, wurden in Halifax die frühesten periodischen Veröffentlichungen Kanadas in deutscher Sprache gegründet. Es waren dies Die Welt, und die neuschottländische Korrespondenz (1788) und der Neuschottländische Calender (1788). Beides waren überkonfessionelle Blätter, die sich auf Grund der in der Einwanderungsgeschichte geschilderten schnellen und stetigen Abnahme der dortigen deutschen Bevölkerung nur wenige Jahre halten konnten.[93]
Mit den Einwanderern verlagerte sich auch deren Presse in den folgenden
Jahrzehnten nach Waterloo County. Das erste Blatt dieser Art war die Wochenzeitung Canada Museum und Allgemeine Zeitung[94], die erstmals 1835 in Berlin (dem späteren Kitchener) erschien. Ein Jahr später kam die Versammlung der Mennoniten-Gemeinde hinzu, die sich schon im Namen als religiös gefärbtes Blatt ausgibt und ein Prototyp ist für eine Reihe religiöser Zeitungen, die in den nächsten Jahren das Bild der deutschsprachigen Presse bestimmen sollten.[95]
Trotz schwieriger technischer Umstände – die Zeitungen wurden zum Teil noch per Handpresse erstellt und von den Redakteuren eigenhändig an die auf den weit verstreut liegenden Farmen verteilt – florierte von 1850 bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts das deutsche Pressewesen. Durch ständig neue Zuwanderung Deutschsprachiger, von denen die wenigsten – zumindest in ihren ersten Jahren in Kanada – gut genug Englisch sprachen, hatte die deutschsprachige Presse nahezu ein Informationsmonopol, was sich in einer Vielzahl von Neugründungen niederschlug. Im Jahre 1876 sollen in Südontario sechs deutsche Blätter mit einer Gesamtauflage von 4800 Stück existiert haben, vier davon allein in Berlin.[96]
Doch bereits vor dem Ersten Weltkrieg ging die Zahl der Neuerscheinungen zurück. Während des Krieges war die Lage noch prekärer und als im September 1918, sechs Wochen vor Kriegsende „the publication of books, newspapers, magazines, or any printed matter in the language of any country or people for the time being at war with Great Britain“[97] verboten wurde, bedeutete das den Todesstoß für die deutschsprachige Presse Ontarios. Auch nach der Aufhebung des Publikationsverbots Ende 1919 kam es zu keiner Wiederbelebung der Presse, so dass die deutschsprachige Presse in Ontario trotz des nach wie vor vorhandenen starken Deutschtums völlig verstummt war und erst nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich wieder von den Toten auferstanden ist.[98]
BAUSENHART (1972) und KALBFLEISCH (1967 und 1968) beschreiben sehr detailliert den Niedergang der deutschsprachigen Presse Ontarios und suchen nach Gründen für das dortige Pressesterben. Dabei scheint es im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit interessant, dass die nicht geglückte Gratwanderung der deutschsprachigen Presse zwischen Integration und Gruppenidentität für deren Scheitern verantwortlich gemacht wird. Die Presse habe sich selbst zerrieben, da sie sentimentale Liebe zu Vaterland und Muttersprache auf der einen und Dankbarkeit und Loyalität gegenüber der neuen Heimat auf der anderen Seite nicht zu vereinbaren wusste und so für die einen zu pro-deutsch und für die anderen zu pro-britisch bzw. pro-kanadisch war. Durch die kriegsbedingten Diskriminierungen habe die bewusste, übertriebene Integration und Anpassung an die kanadische Gesellschaft das typisch Deutsche vollständig aufgelöst und sich die deutschsprachigen Presseorgane als einzigartige Informationsquelle selbst überflüssig gemacht:
„[the german language press] carried the germ of suicide within itself.“[99]
1.2.2 Die deutschsprachige Presse Westkanadas
Anders die Entwicklung der deutschsprachigen Presse in Westkanada. Wie bereits ausgeführt, hat sich in den Jahren 1874 bis 1914 die Siedlung Deutschstämmiger von Ontario in die Prärieprovinzen im Westen verlagert. Die erste deutschsprachige Zeitung in Westkanada, der Nordwesten, wurde 1889 in Winnipeg gegründet. Anders als die Zeitungen in Ostkanada, waren sich die Presseorgane im Westen ihrer politischen Aufgabe bewusst und setzten es sich zum Ziel, die Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung auch gegen Widerstände hinweg zum Ausdruck zu bringen und das dortige Deutschtum zu fördern und zu organisieren. Die Wahrnehmung dieses Interesses konnte allerdings nur von Erfolg gekrönt sein, wenn eine ausreichende Anzahl deutscher Siedler als geschlossene Kulturgruppe auftreten würde. Um diese Voraussetzung zu schaffen, setzte sich vor allem der Nordwesten stark für die Förderung der Einwanderung Deutschsprachiger ein. Einmal im Jahr wurde eine Einwanderungsbeilage erstellt, die den Deutschen zu Hause das Leben in Kanada schmackhaft machen sollte. Diese Beilagen wurde von den kanadischen Einwanderungsbehörden als Werbemittel bestellt, außerdem wurden die Leser aufgefordert, auswanderungswillige Freunde und Angehörige als Abonnenten zu werben.[100]
„Indem die Zeitung nun über die hiesigen Verhältnisse informiert, hat sie schon manchen Deutschen nach hier gebracht und damit ein Werk getan, das gewiß nicht ohne Bedeutung ist: sie hat dazu beigetragen und trägt noch immer dazu bei, das Deutschtum dieses Landes zu stärken und zu fördern“[101],
rühmte sich etwa der Alberta Herold 1907. Diese Lobeshymne ist sicher etwas übertrieben, da die Zeitungen trotz aller Werbmaßnahmen in der alten Heimat kaum gelesen wurden. Man kann aber nicht absprechen, dass die deutschsprachige Presse durch ihre couragierte Berichterstattung dazu beigetragen hat, dass die Deutschen wieder zu bevorzugten Einwanderern erklärt wurden.[102]
Damit gelang den westkanadischen Zeitungen besser, was die ostkanadischen versäumt hatten: der Balanceakt zwischen pro-deutscher und pro-kanadischer Berichterstattung, wobei für diese Zeitungen die Aufrechterhaltung der Verbindung zur deutschen Heimat immer an erster Stelle stand. Das mag vielleicht am biografischen Hintergrund der Zeitungsgründer in Manitoba liegen. Diese entstammten zum Großteil dem kleinen Prozentsatz gebildeter Reichsdeutscher, die zwischen 1850 und 1870 geboren und in den letzten 20 Jahren des 19. Jahrhunderts aus Abenteuerlust ausgewandert waren. Die meisten von ihnen hatten die Gründung des Deutschen Reiches in der Heimat miterlebt und standen stolz zu Kaiser und Vaterland. Insofern mag es diesen leichter gefallen sein als ihren Kollegen in Ontario, sich vor allem in Leitartikeln für die Schaffung einer geschlossenen deutschen Kulturgruppe einzusetzen und die Einwanderer in einer Art Schicksalsgemeinschaft über unterschied-
liche Herkunftsländer, Biografien und Religionen hinweg ihrer gemeinsamen deutschen Sprache und Kultur zu erinnern und diese zu erhalten: [103]
„In den 39 Jahren seit Sedan haben auch die Deutschen im Ausland sich eins fühlen gelernt mit den Stammesgenossen im alten Vaterland und das Gefühl der Zusammengehörigkeit des gesamten Deutschtums im Auslande gewinnt immer mehr Raum im Herzen der Deutschen. Hier in Canada, wo wir Deutsche aus allen Teilen Europas finden, hier zeigt es sich so recht, wie die gemeinsame Sprache ein festes Band um uns alle schlingt. Wir Deutsche, ob Reichsdeutsche, Österreicher, Deutsch-Russen oder Schweizer, wir gehören alle zusammen und sollen treu einstehen einer für den anderen, damit unser Ansehen und unser Einfluß im Lande immer größer wird.“[104]
Aufgrund des Publikationsverbotes mussten jedoch auch die deutschkanadischen Zeitungen im Westen ihr Einscheinen für knapp zwei Jahre einstellen. Doch anders als in Ontario erholte sich die Presse nach Kriegsende wieder und erkannte recht schnell, dass es mit der Bekundung pro-deutscher Gefühle allein nicht getan war. Um Einfluss auf die Regierung nehmen zu können war es nötig, die kleineren Vereine und Gruppierungen der Deutschstämmigen in einem übergeordneten starken Verband zu sammeln wozu die Zeitungen in den Zwischenkriegsjahren aufriefen.[105] Da das Ansehen der Deutsch-Kanadier nach ihrer eigenen Einschätzung stark von der Rolle Deutschlands in der Welt abhängig gemacht wurde, hatten einige am Anfang gegen den aufkeimenden Nationalsozialismus keine allzu großen Einwände und Bedenken. Als allerdings mehr und mehr deutlich wurde, dass sich Hitlers Politik sehr zum Nachteil für die Deutschen in Kanada auswirken würde, taten sie gut daran, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren und zu betonten, dass „deutsch“ für sie „ein kultureller Begriff“ sei:
„Nicht zu inneren Angelegenheiten des Reiches haben wir Stellung zu nehmen, die gehen uns als Canadier nichts an, sondern nur zu Fragen, die uns hier berühren, wie Erhaltung deutscher Sprache und Kultur.“[106]
Doch das taten nicht alle. 1933 wurde in Winnipeg eine „ausgezeichnet redigierte und weltanschaulich straff ausgerichtete“[107] deutschsprachige Zeitung gegründet: die Deutsche Zeitung für Canada. Dieses Lob WALTER KAPPES aus dem Jahre 1938 würde man heute sicher nicht mehr unterschreiben, schließlich handelt es sich bei dieser Zeitung um das Organ des bereits erwähnten Deutschen Bund Canada, jener Vereinigung also, die die Deutsch-Kanadier auf den Nationalsozialismus einschwören sollte. Noch aussagekräftiger als die Darstellung KAPPES ist der Aufsatz von LEHMANN. Zum Auftakt seiner unverhohlenen Propagandaschrift für die Deutsche Zeitung für Canada wünscht er dieser,
„daß sie den Volksgenossen in Canada tatsächlich deutsche Erziehungsarbeit im besten Sinne leisten wird. Wir wünschen der ‚Deutschen Zeitung für Canada‘ weitere Verbreitung, auf daß sie ihr Hauptziel erreichen kann, die mindestens 360000 Kanada-Deutschen, die noch bewußt an ihrer Muttersprache und deutschen Gesinnung festgehalten haben, zu festerem Zusammenschluß für den ernsten Kampf um die Erhaltung ihrer deutschen Art zu führen“[108].
Doch diesen „Kampf um die völkische Selbsterhaltung“[109] gegen die Assimilationspolitik der anglo-amerikanischen Regierung hatte die Deutsche Zeitung für Canada bald verloren: bei Kriegausbruch musste das Blatt sein Erscheinen einstellen.[110]
1.2.3 Die deutschkanadische Presse seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Doch anders als der Erste Weltkrieg bedeutete der Zweite nicht automatisch das Aus für alle deutschen Blätter. Wie bereits erwähnt, übertrug sich der Hass auf Deutschland nicht so gewaltig auf die zunehmend assimilierten Deutsch-Kanadier. Ein generelles Verbot deutschsprachiger Veröffentlichungen wurde nicht ausgesprochen was auch damit zusammenhängt, dass die deutschsprachige Presse nachhaltig durch den Ersten Weltkrieg geschwächt worden war und im Vergleich zu 1914 bereits ihren Einfluss und ihre Stärke eingebüßt hatte. Quasi vorübergehend in der Versenkung verschwunden, überlebten einige deutschsprachige Periodika den Zweiten Weltkrieg und versuchten sich trotz sinkender Auflagenzahlen und schwierigen Vertriebsbedingungen über Wasser zu halten. Vor allem religiöse Blättchen kamen relativ ungeschoren durch den Krieg. Doch die jüngere Generation hatte in den sechs Kriegsjahren ihr Deutsch fast verlernt, so dass von einer „deutlichen Renaissance des deutschsprachigen Presselebens in Kanada“[111] erst durch die Welle an Neueinwanderer ab 1951 gesprochen werden kann. Diese Renaissance ging vor allem von den westkanadischen Blättern aus, die sich anders als diejenigen in Ontario und Quebec nicht auf eine lokale und regionale Bedeutung zurückschrauben ließen, sondern überregional agierten.[112]
Ab den 60er Jahren hatte die deutschsprachige Presse bereits wieder mit einem anderen Hemmschuh zu kämpfen: europäische Blätter deutscher Sprache waren nun auch an den Kiosken kanadischer Großstädte zu bekommen. Als schließlich die Zahl der Neueinwanderer allmählich wieder zurückging und die bereits in Kanada Ansässigen ihre Fremdsprachenkenntnisse verbesserten, kamen auch die kanadischen Zeitungen als Konkurrenz hinzu, so dass die deutschsprachige Presse ihr einstiges „Informationsprimat“ verlor.[113]
Auf die Rolle als „journalistische Lückenbüßer“ degradiert, brachten die Zeitungen ab den 70er Jahren nur die wichtigsten Nachrichten aus Europa, die sie meist direkt von den europäischen Quellen übernahmen. Die Berichte über das kanadische Zeitgeschehen sind zwar Bestandteil fast aller deutschsprachiger Zeitungen geworden, doch aufgrund der innerkanadischen, nun für den Großteil der Deutschsprachigen lesbaren Konkurrenz, blieb den Zeitungen quasi nur ein Nachrichtenmonopol: die Information über Vereinsleben und Veranstaltungen der Deutsch-Kanadier vor Ort. In der Sprache schlug sich zunehmend der Einfluss des Englischen nieder, manche Zeitungen gingen auch dazu über, zweisprachige Ausgaben herauszugeben oder einige Artikel auf Englisch abzudrucken. Alles in allem kann die Lage der deutschkanadischen Presse in den 70er Jahren als prekär eingestuft werden. Viele in Bedrängnis geratene Blätter mussten aus der wirtschaftlichen Not heraus Zusammenschlüsse eingehen. Die Auflagenzahl dürfte nach Schätzung von WIEDEN in den 70ern bei keiner Zeitung 20.000 überstiegen haben und eine deutschkanadische Tageszeitung hat es bis heute nie gegeben.[114]
In genau diese scheinbar ungünstige Zeit fällt die Gründung des Echo. Im August 1978 ging Paul Christian Walter das Wagnis ein, eine neue deutschsprachige Zeitung in Montreal zu gründen. Eine Zeitung, der eine lange, interessante deutschkanadische Pressegeschichte mit Höhen aber noch mehr Tiefen vorausgeht, die sich, wie die Analyse zeigen wird, auch im heutigen Echo widerspiegeln.
1.3 Der kanadische Multikulturalismus
Die Gründung des Echo fällt auch in jene Zeit, die Hoffnung für die Förderung und Bewahrung des deutschen Elements und damit auch für die deutschsprachige Presse brachte. In den 70er Jahren wurde Kanada zu einem offiziell zweisprachigen, aber multikulturellen Land erklärt. Die von Premierminister Pierre Eliott Trudeau im Oktober 1971 verkündete und 1988 im Canadian Multiculturalism Act verfassungsmäßig verankerte Politik des Multikulturalismus[115] hatte dabei drei Zielsetzungen:
„Sie sollte allen kanadischen Staatsbürgern ermöglichen, ihr kulturelles Erbe zu pflegen, die kulturellen Barrieren leichter zu überwinden und positive Interaktion zwischen allen ethnischen Gruppen zu entwickeln.“[116]
Integration ohne Zwangsassimilation an die Mehrheit war also das Ziel. Vielmehr sollte nach dem Grundsatz „unity in diversity“ allen ethnischen Gruppen die Möglichkeit gegeben werden, bei gleichzeitiger Integration in die Gesamtgesellschaft ihre Eigenheiten zu bewahren. Das oft gebrauchte Schlagwort für das kanadische Konzept ist das des „ethnischen Mosaiks“, denn anders als der amerikanische „Schmelztiegel“ versteht sich Kanada als ein Kaleidoskop von Völkern, die sogar von einem eigens eingerichteten Ministerium für multikulturelle Angelegenheiten (Canadian Multiculturalism Council) ermuntert werden sollen, die Bindung an ihre Heimatländer durch die Pflege von Sitten und Gebräuchen in Vereinen und durch die Medien zu erhalten.[117]
Der Schwerpunkt dieser Politik wurde also von Anfang an auf die kulturelle und nicht die politisch-wirtschaftliche Ebene gelegt und erwies sich in der Realität immer wieder als ein folkloristisches Programm, das keine echte Partizipation und Gleichberechtigung schafft, sondern die realen Probleme und Konflikte ethnischer Gruppen lediglich kaschiert und entgegen allen Verlautbarungen auf eine schmerzlose Assimilation der Einwanderer aus aller Welt abzielte, nicht aber auf die Schaffung permanenter Minderheiten.[118]
So dürfen beispielsweise die Muttersprachen im Privaten zwar gewahrt und gesprochen werden, im öffentlichen Leben steht hingegen die Unterordnung an eine der beiden dominierenden Gruppen – und damit letzten Endes die Assimilation, wie MARTINIELLO die kanadische Minderheitenpolitik beschreibt:
„L’immigiré et le membre d’une minorité nationale sont censés abandonner leurs caractéristiques et leur identité culturelles, ou au moins les préserver dans la discrétion de la vie privée, et adopter sans réserve les schémas et comportements culturels propres à la majorité et défibis par elle.“[119]
Die Politik hielt also nicht das, was sie versprach und die ethnischen Gruppen nicht-angelsächsischer oder -französischer Herkunft müssen nach wie vor um ihre Anerkennung kämpfen und ihre Brauchtumspflege eher unter der Kategorie „touristische Attraktion“ als unter dem Begriff „Multikulturalismus“ verbuchen.[120]
Das gleiche gilt entsprechend auch für die Presse. Zwar würdigte der damalige kanadische Premierminister Diefenbaker schon 1959 den Beitrag der ethnischen Minderheitenpresse zur Einheit des Landes, doch war das eher ein Lippenbekenntnis, denn staatliche Unterstützung für die Presse gab es bisher kaum.[121]
Trotz ihrer Schwachstellen ist die kanadische Multikulturalismus-Politik ein lohenswerter Ansatz zur Toleranz ethnischer Gruppen. Ob die deutschsprachige Gruppe damit allerdings zufrieden ist oder sich in ihrer eigenen Presse für mehr Akzeptanz einsetzt, wird die Analyse des Echo zeigen.
2. Belgien
2.1 Geschichte der deutschsprachigen Minderheit Belgiens
Auch die deutschsprachige Minderheit in Belgien blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Wie in Kanada haben auch dort vor allem die beiden Weltkriege die Identität der deutschsprachigen Bevölkerung geprägt, die mehrmals zum Spielball „eines Ringens zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen, Siegern und Besiegten“[122] wurde. Kennzeichnend für die Bevölkerung des heutigen deutschen Sprachgebiet Belgiens ist, dass sie seit dem Zerfall des Frankenreichs im 9. Jahrhundert ständig „zwischen die Mahlsteine der internationalen Politik geriet und unter mehrmals wechselnden Herren stand“.[123]
2.1.1 Vor 1920: Eupen-Malmedy als Teil Preußens
Bis zum Ende des Ancien régime und der Annexion Ostbelgiens 1795 durch Frankreich, unterstand das Territorium der drei Ostkantone Eupen, Malmedy und St. Vith der Reichsabtei Stavelot-Malmedy, dem Kurfürstentum Trier und den Herzogtümern Luxemburg und Limburg. Nach 20 Jahren französischer Herrschaft wurde das Gebiet durch den Wiener Kongress 1815 der preußischen Rheinprovinz zugesprochen und bildete im Regierungsbezirk Aachen die Kreise Eupen und Malmedy. Die anfängliche Skepsis über die Eingliederung in das Königreich Preußen wich bald einer Begeisterung für das neue Vaterland und den Kaiser, die kennzeichnend ist für das gesamte Auslandsdeutschtum in dieser Periode. Wie in Kanada feierte auch in Ostbelgien die deutschsprachige Bevölkerung mit Enthusiasmus, nationalem Pathos und großer Loyalität den Sedantag und den Geburtstag des Kaisers. Auch zu Beginn des Ersten Weltkriegs war der deutsche Nationalstolz der Ostbelgier ungebremst, musste aber bald einer Ernüchterung weichen, als der Vormarsch der kaiserlichen Truppen in Nordfrankreich und Flandern ein Ende fand und über 1800 Menschen aus den Kreisen Eupen und Malmedy dem Krieg zum Opfer gefallen waren.[124]
2.1.2 Angliederung von Eupen-Malmedy an Belgien
Nach einer mehr als hundertjährigen Zugehörigkeit zum Königreich Preußen brachte das Ende des Ersten Weltkriegs durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags den nächsten Staatenwechsel für das deutschsprachige Grenzgebiet: In Artikel 34 des Vertrages verpflichtete sich Deutschland 1920, „zugunsten Belgiens auf alle Rechte und Ansprüche auf das gesamte Gebiet der Kreise Eupen und Malmedy“[125] zu verzichten. Dieser oktroyierte Staatenwechsel spaltete die Bewohner der neubelgischen Gebiete in zwei Lager. Auf der einen Seite stand eine stark irredentistische Bewegung, die sich für eine Revision des Versailler Vertrags und die Rückgliederung Neubelgiens an das Deutsche Reich aussprach. Auf der anderen Seite standen diejenigen, die dem Verbleib beim Königreich Belgien zustimmten, sich allmählich in den neuen Staat integrierten und sich bereits während der Vertragsverhandlungen für den „Großbelgischen Traum“ eingesetzt hatten mit der Begründung, dass es sich bei der Ostverschiebung der deutsch-belgischen Grenze nicht um Annexion, sondern um eine Desannexion, sprich um eine Wiedereingliederung von einst durch den Wiener Kongress unrechtmäßig abgetrennten Gebieten handle.[126] Durch das vom belgischen Parlament am 15. September 1919 verabschiedete Rahmengesetz wurde eine Übergangsregierung geschaffen, die „die Integration der ‚wiedergefundenen Brüder‘ in das belgische Staatsgefüge erleichtern sollte“[127]. Eine der ersten Amtshandlungen dieser Regierung war die Durchführung einer Volksbefragung, die laut Artikel 34 des Versailler Vertrags die Bewohner der annektierten Gebiete berechtigte, ihren Wunsch auszudrücken, ob die Gebiete ganz oder teilweise unter deutscher Souveränität verbleiben sollten. Diese Volksbefragung ging als „Abstimmungskomödie“ oder „Farce“ in die Geschichtsschreibung ein, da sich von rund 34.000 Stimmberechtigten nur 271 in die ausgelegten Listen eintrugen. Laut CREMER hatte die Bevölkerung vor allem aber aus Angst vor negativen Folgen und Diskriminierungen so gehandelt.[128]
Durch die Rückgabeverhandlungen von 1925 bis 1926 erhielten die Befürworter einer Revision des Versailler Vertrages neuen Aufwind. Am Ende scheiterte die Rückgabe von Eupen-Malmedy am Widerspruch der französischen Regierung, doch die Spaltung der neubelgischen Bevölkerung in ein pro-belgisches und ein revisionistisches Lager wurde dadurch noch verstärkt. Bedeutenstes Sprachrohr der Revisionisten war die 1928 gegründete regionale Christliche Volkspartei.
2.1.3 Annexion und „Heim-ins-Reich“-Politik der Nationalsozialisten
Durch die Machtübernahme der Nationalsozialistien 1933 nahm die politische Auseinandersetzung um die Rückgliederung der neubelgischen Gebiete radikale Züge an. 1936 trat die sich durch einen NSDAP-ähnlichen Aufbau charakterisierende „Heimattreue Front“ (HF) an die Stelle der Christlichen Volkspartei um die Heimkehr der Neubelgier ins Großdeutsche Vaterland voranzutreiben.[129] Als Gegenpol hatte sich die Katholische Partei herausgebildet, die ihre Unterstützung im Kampf gegen den Revisionismus und die NS-Ideologie vor allem im 1927 gegründeten Grenz-Echo fand, wie noch genauer ausgeführt werden muss.
Doch als die deutschen Truppen am 10. Mai 1940 zum zweiten Mal innerhalb eines Vierteljahrhunderts die belgische Neutralität verletzten, war jede Hoffnung auf eine rein politische Auseinandersetzung gestorben. Belgien unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation, der Großteil des Landes kam unter Militärverwaltung, 51 Gemeinden mit etwa 90.000 Einwohnern wurden dem Deutschen Reich einverleibt. Die Bevölkerung reagierte sehr unterschiedlich auf diese Entwicklung. Während sich in den altbelgischen Gebieten[130] der Widerstand regte, reagierte der Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung mit Zustimmung wenn nicht gar Begeisterung auf den Einmarsch der deutschen Truppen. Als Hitler am 18. Mai die Wiedereingliederung des durch den Versailler Vertrag abgetrennten Gebiets in das Deutsche Reich verkündete, jubelte die ostbelgische „Heim-ins-Reich“-Bewegung. Zahlreiche Ostbelgier schlossen sich der NSDAP an. Gegner des Nazi-Regimes und Anhänger der pro-belgischen Bewegung wurden als „Agenten der Assimilation“[131] gejagt und deportiert, unter ihnen auch der damalige Chefredakteur des Grenz-Echo Henri Michel. Zweifel und Missstimmung unter der Bevölkerung Eupen-Malmedys kamen erst dann auf, als die Männer aufgrund ihrer neu erlangten deutschen Staatsbürgerschaft zur Wehrmacht eingezogen wurden und auch unter den Ostbelgiern (vor allem durch die Ardennenoffensive Ende 1944) zahlreiche Opfer zu beklagen waren.
2.1.4 Gründung der deutschsprachigen Gemeinschaft
1945 wurde das Gebiet wieder belgisch und die deutschsprachige Bevölkerung geriet ähnlich wie diejenige in Kanada unerbittlich in den Sog der Vergeltung. „Pro-deutsch“ wurde gleichgesetzt mit „nationalsozialistisch“, eine Säuberungswelle setzte ein, die alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens erfasste. Jeder vierte Bewohner in Eupen-Malmedy wurde von der Nachkriegsjustiz zur Verantwortung gezogen. Parallel dazu sollte die Assimilierung sprich Französisierung der Ostbelgier vonstatten gehen. Noch in Ostbelgien befindliche „Reichsdeutsche“ wurden ausgewiesen, die deutsch-belgische Grenze geschlossen um jeglichen Kontakt zwischen Bewohnern Deutschlands und den Ostkantonen zu unterbinden. Eckpfeiler des Assimilationsprozesses sollte die gezielte Förderung der französischen Sprache im Unterrichtswesen und in der Verwaltung sein. Loyalitätsbekundungen zu Belgien, gefüllt mit nationalem Pathos waren die überwiegende Reaktion der verängstigten und eingeschüchterten Ostbelgier.[132]
Erst durch die 1956 unterzeichneten belgisch-deutschen „Septemberverträge“ wurde eine Epoche der Aussöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern eingeleitet, die auch der deutschsprachigen Bevölkerung Belgiens zugute kam. Vorbehalte auf belgischer Seite gegenüber einer Anerkennung sprachlich-kultureller Rechte und institutioneller Eigenständigkeit für die Deutschsprachige Gemeinschaft wurden zunehmend abgebaut und der ostbelgischen Sonderstellung mit der Festlegung der Sprachgrenzen 1962 und der Verabschiedung der Sprachgesetze für das Unterrichtswesen und die Verwaltung 1963 sowie der Aufteilung Belgiens in vier Sprachgebiete (Niederländisch, Französisch, Deutsch und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt) Rechnung getragen.[133]
2.2 Geschichte der deutschbelgischen Presse
Wie PETER THOMAS bemerkt, ist „die Geschichte der Deutschsprachigen in Belgien in einem großen Maße auch die Geschichte ihrer Presse“[134]. Hierbei lassen sich einige Parallelen mit der Entwicklung der deutschkanadischen Presse, aber auch signifikante Unterschiede ausmachen.
[...]
[1] Vgl. Huntington (1996); Glazer (1997); Glazer/Moynihan (1976); Moynihan (1993).
[2] Einen ausführlichen Überblick über das Forschungsfeld in verschiedenen Disziplinen liefern Luger (1994); Busch (1999b); Martiniello (1995), S. 7f.
[3] Vgl. Luger/Renger (Hg.) (1994); Österreichische Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft (Hg.) (1999); Kogoj (1998); Busch (1999a).
[4] Vgl. z.B. Schatz/Holtz-Bacha/Nieland (Hg.) (2000); Hess-Lüttich (Hg.) (1992); Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (Hg.) (1994).
[5] Friedrichs/Lüdtke (1977), S. 223.
[6] Schnell/Hill/Esser (1989), S. 294.
[7] Vgl. Atteslander (1995), S. 174ff; Schnell/Hill/Esser (1989), S. 352ff.
[8] vgl. Iffert (1987); Brüls (1992); Schumacher (1986); Aerts (1975); Evertz (1984).
[9] Vgl. Hofmann (2002), S. 556f; Kern (1988a), S. 177.
[10] Vgl. Franics (1958a), S. 234.
[11] Vgl. Kern (1988a), S. 177.
[12] Hofmann (2002), S. 556.
[13] Saxer (1990), S. 172.
[14] Entz (1975), S. 94.
[15] Vgl. Eisermann/Zeh (1979), S. 53.
[16] Metzler Lexikon Sprache, S. 663.
[17] Metzler Lexikon Sprache, S. 663.
[18] Bade (Hg.) (1992) , S. 18f.
[19] Vgl. Koch-Kraft (1990), S. 16; Bassler (1991), S. 7f.
[20] Vgl. Meyers Großes Taschenlexikon, Band 24, S. 155. Die Österreicher wehrten sich später gegen diese Bezeichnung weil sie sich nicht als Reichsdeutsche sahen, doch in der NS-Ideologie galt: „Österreich – das ist ein Teil der großdeutschen Frage, nicht der auslandsdeutschen“ (Schaffhausen 1934, S. 32).
[21] So zum Beispiel in Kloss (Hg.) (1943): Statistisches Handbuch der Volksdeutschen in Übersee.
[22] Vgl. Bischoff (1941): Geschichte der Volksdeutschen in Belgien.
[23] Vgl. Radermacher (1991). In ihrer Arbeit über die heutige deutsche Einwanderung nach Kanada unterscheidet die Autorin zwischen Volks- und Reichsdeutschen.
[24] Esser (1980) bietet einen guten Überblick über die wichtigsten Theorien zur kulturellen Anpassung, Assimilation und Integration von Minderheiten.
[25] Koch-Kraft (1990), S. 7.
[26] Vgl. Brems (1995), S. 2.
[27] Vgl. Mintzel (1997), S. 177.
[28] Vgl. Mintzel (1997), S. 177.
[29] Eisermann/Zeh (1979), S. 96.
[30] Koch-Kraft (1990), S. 7.
[31] Filsinger (2002), S. 13.
[32] Vgl. Filsinger (2002), S. 13; Esser (2000), S. 26ff.
[33] Krotz (2001), S. 202.
[34] Ronneberger (1985), S. 16.
[35] MacGuigan (1975), S. 126.
[36] Vgl. Kamps (2000), S. 52.
[37] Brüll/Miessen (2003), S. 106.
[38] Wiesner (1990), S. 167.
[39] Vgl. Kriener (1996), S. 206.
[40] Ronneberger (1990), S. 159.
[41] Schulte (1994), S. 9.
[42] Reiner (1995), S. 39.
[43] Assmann (1988), S. 13.
[44] Vgl. Luger (1994), S. 37.
[45] Vgl. Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, S. 417f.
[46] Aufschlussreiche Quelle für die ideologische Einschwörung der deutschsprachigen Auslandspresse im Nationalsozialismus sind Wilkens (1936); Wahl (1927). Über die Rolle des Deutschtums in der NS-Ideologie im Allgemeinen geben Beer (1918); Noppel (1920); Otto (Hg.) (1942); Rüse (1927); Schaffhausen (1934) Aufschluss.
[47] Vgl. Heide (1940), S. 806.
[48] Heide (1940), S. 807.
[49] Vgl. Heide (1940), S. 278.
[50] Hartung (1938a), S. 292.
[51] Heide (1940), S. 278.
[52] Vgl. Heide (1940), S. 892-926.
[53] Vgl. Reiner (1995), S. 20ff und 27f.
[54] Vgl. Reiner (1995), S. 20ff.
[55] Lacroix (1988), S. 9.
[56] Als dritte Gattung, die sie von „Enklavenpublizistik“ abgrenzt, zieht sie die „Alternative Publizistik“ heran. Dieser Gattungsbegriff wird allerdings in dieser Arbeit außen vor gelassen, da Alternative Publizistik auch in Deutschland selbst zu finden ist und nicht genügend Parallelen mit den beiden zu untersuchenden Zeitungen aufweist.
[57] Reiner (1995), S. 28f.
[58] Metzler Lexikon Sprache, S. 661.
[59] Vgl. Busch (1999b), S. 4.
[60] Vgl. Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, S. 381 und 185ff; Mintzel (1997), S. 251ff.
[61] Vgl. Braun (1990), S. 26 und 39; Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, S. 381. Die Frage nach der Homogenisierung und Differenzierung der Gesellschaft durch Massenkommunikation beleuchten Imhof/Jarren/Blum (Hg.) (2002) und Saxer (Hg.) (1985). Für die Fragestellung dieser Arbeit lieferte vor allem der Aufsatz von Hungerbühler in Imhof/Jarren/Blum (S. 168-183) über die Sprachregionale Segmentierung und Integration mittels des Rundfunks in der Schweiz wertvolle Erkenntnisse.
[62] Göttlicher (2000), S. 38.
[63] Vgl. Hunziker (1996), S. 106f.
[64] Kriener (1996), S. 208.
[65] Kriener (1996), S. 211.
[66] Eisermann/Zeh (1979), S. 67f.
[67] Horstmann/Schlee (Hg.) (2001), S. 9.
[68] Vgl. Horstmann (2001), S. 10.
[69] Hess-Lüttich (1992), S. 35f.
[70] Hess-Lüttich (1992), S. 36.
[71] Dazu vgl. auch Saxer (1990), S. 178f.
[72] Reiner (1995), S. 29.
[73] Riggins (1992a), S. 2.
[74] Riggins (1992b), S. 276.
[75] Assmann (1988), S. 10.
[76] Sautter (1992), S. 188.
[77] Vgl. McLaughlin (1985), S. 11.
[78] Sautter (1992), S. 185.
[79] Dieser bot Siedlern großzügig Land zu günstigen Bedingungen an. Vgl. Sautter (1992), S. 192.
[80] Die Anfänge der deutschen Einwanderung nach Kanada werden beschrieben in: Born/Dickgießer (1989); Scheer (1977); Debor (1963); Fröschle (1983); Fröschle (1987); Bassler (1995); Sautter (1992); McLaughlin (1985).
[81] Vgl. Bassler (1991), S. 67 u. 70ff; Sautter (1992), S. 194f; McLaughlin (1985), S. 12f.
[82] Vgl. Debor (1963), S. 24.
[83] Vgl. Bassler (1995), S. 268; Bassler (1991), S. 52f; Fröschle (1997), S. 11f ; Fröschle (1987), S. 28ff; Sautter (1992), S. 194ff; McLaughlin (1985), S. 14.
[84] Bassler (1991), S. 39.
[85] Vgl. Fröschle (1983), S. 11; Bassler (1991), S. 51. Hierbei ist zu bemerken, dass die Geschichte der Flüchtlinge ein trauriges Kapitel in der kanadischen Geschichte darstellt. In den 30er Jahren flohen rund 450.000 Deutschsprachige aus Europa vor dem Hitlerregime. Davon nahm Kanada nur rund 4000 auf, die anderen wurden als „gefährliche feindliche Ausländer“ abgewiesen oder in Internierungslager gesteckt. Vgl. dazu Bassler (1991), S. 44-49.
[86] Vgl. Sautter (1992), S. 196; Bassler (1991), S. 36; McLaughlin (1985), S. 16.
[87] Bassler (1991), S. 32.
[88] Vgl. Bassler (1991), S. 16ff.
[89] Vgl. Radermacher (1991), S. 101; Marbach (1973), S. 181; Koch-Kraft (1990), S. 110-116 und 122-131.
[90] Sautter (1992). S. 197.
[91] Debor (1963), S. 54.
[92] Vgl. Arndt/Olson (1973), S. 224; Kloss (1928), S. 382.
[93] Vgl. Malycky (1996), S. 1; Boeschenstein (1973), S. 41.
[94] In der Literatur wird diese Zeitung oft als erste deutschsprachige Zeitung Kanadas angeführt (Vgl. Kappe (1938), S. 348), doch wie gezeigt gab es schon früher Publikationen in deutscher Sprache.
[95] Vgl. Malycky (1996), S. 1; Kalbfleisch (1968), S. 18-40.
[96] Vgl. Arndt/Olson (1973), S. 225; Kloss (1928), S. 383; Kappe (1938), S. 348; Kalbfleisch (1968), S. 41ff.
[97] Bausenhart (1972), S. 35.
[98] Vgl. Arndt/Olson (1973), S. 226; Grams (2001), S. 240; Kappe (1938), S. 348; Malycky (1996), S. 4f.
[99] Bausenhart (1972), S. 37.
[100] Vgl. Entz (1967), S. 37-45; Entz (1975), S. 96 und 100; Grams (2001), S. 243; Malycky (1996), S. 5.
[101] Alberta Herold vom 31. Mai 1907, zitiert nach: Entz (1975), S. 101.
[102] Vgl. Entz (1975), S. 101.
[103] Vgl. Entz (1975), S. 95.
[104] Der Deutsch-Canadier vom 2. September 1909 anlässlich des damals im Deutschen Reich alljährlich begangenen Sedantages, zitiert nach: Entz (1975), S. 102.
[105] Vgl. Entz (1975), S. 105-108.
[106] Der Nordwesten am 31.7. 1929, zitiert nach: Entz (1975), S. 127.
[107] Kappe (1938), S. 348.
[108] Lehmann (1935), S. 482f.
[109] Lehmann (1935), S. 484.
[110] Vgl. Wieden (1977), S. 59.
[111] Wieden (1977), S. 59.
[112] Vgl. Entz (1967), S. 38.
[113] Vgl. Wieden (1977), S. 60; Boeschenstein (1973), S. 44.
[114] Vgl. Wieden (1977), S. 60.
[115] Der heute geläufige Begriff „Multikulturalismus“ oder „multikulturelle Gesellschaft“ findet sogar seinen Ursprung in Kanada. Hier kam der Begriff erstmals 1964 auf und fand dann Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch. Dazu vgl. Mintzel (1997), S. 21-29.
[116] Fröschle (1995a), S. 299.
[117] Vgl. MacGuigan (1975), S. 127ff.
[118] Vgl. Fröschle (1995a), S. 299; Mintzel (1997), S. 593ff.
[119] Martiniello (1997), S. 52.
[120] Eine detaillierte Darstellung des kanadischen „Mythos“ vom Multikulturalismus liefern Peter (1981) und Jaenen (1983). Nach ihrer Auffassung war die offizielle Verkündung der Multikulturalismus-Politik eher ein Versuch, die aufkeimenden, radikalen Separationsbestrebungen in Quebec einzufrieden, als anderen ethnischen Gruppen tatsächliche politische Macht zukommen zu lassen.
[121] Vgl. Kirschbaum (1985b), S. 149. Beispielsweise erhält auch das Echo seit 12 Jahren keine staatliche Unterstützung mehr. Eine der wenigen Organisationen, die sich stark macht für die Umsetzung des Multikulturalismus-Gedanken und für die Förderung ethnischer Minderheitenpresse ist die Canada Ethnic Press Federation, der auch das Echo angehört.
[122] Eisermann/Zeh (1979), S. 8.
[123] Vgl. Cremer (1994a), S. 6.
[124] Vgl. Cremer (1994a), S. 6.
[125] Versailler Vertrag, zitiert nach: Cremer (1994a), S. 7.
[126] Vgl. Cremer (1994a), S. 6f.
[127] Cremer (1994a), S. 7.
[128] Vgl. Cremer (1994a), S. 8; ein ausführliches Kapitel über die Volksbefragung findet sich bei Doepgen (1966), S. 115-212.
[129] Besonders eindrucksvolle Zeitdokumente, die den übersteigerten Nationalismus in Ostbelgien deutlich machen, sind Schaffhausen (1934) und Scherdin (1937).
[130] Als „Altbelgien“ werden die schon vor dem Versailler Vertrag deutschsprachigen Teile Belgiens um Montzen (unweit Aachen), Bocholz (nahe der luxemburgischen Nordgrenze) und Arel (an der luxemburgischen Westgrenze) bezeichnet. Sie sind nicht Teil der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
[131] Cremer (1994a), S. 13.
[132] Vgl. Cremer (1993), S. 4ff; Cremer (1994b), S. 10ff; Cremer (1994c), S. 4ff; Jenniges (1991), S. 6.
[133] Vgl. Cremer (1994c), S. 7; Jenniges (1991), S. 6ff; Pabst (1984), S. 25.
[134] Thomas (1989), S. 195.
- Citation du texte
- Marion Kaufmann (Auteur), 2003, Zwischen Assimilation und Isolation - Leserschaft, Funktion und Perspektive deutschsprachiger Presse im Ausland am Beispiel des Echo in Kanada und des Grenz-Echo in Belgien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14806
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