Die folgende Ausarbeitung bezieht sich auf die Individualpsychologie Alfred Adlers und umfasst zwei Hauptteile. Zunächst werden Prozesse beschrieben, die aufgrund des Minderwertigkeitsgefühls im Menschen ablaufen und die über das kompensatorische Überlegenheitsstreben schließlich zur Ausbildung eines individuellen Lebensstils führen. Im zweiten Teil wird speziell die „normale“ Entwicklung thematisiert, wobei das Gemeinschaftsgefühl im Mittelpunkt der Ausführungen steht, da es im Hinblick auf eine gelingende Kompensation des Minderwertigkeitsgefühls mit dem Ziel eines integrierten und sozial nützlichen Lebensstils eine besondere Rolle spielt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Entstehung des Lebensstils
2.1. Vom Minderwertigkeitsgefühl zum Geltungsstreben
2.2. Das fiktive Ziel
2.3. Kompensation und Überkompensation
2.4. Der Lebensstil
3. Zur Bedeutung des Gemeinschaftsgefühls
3.1. Normale Anpassung
3.2. Der integrierte Lebensstil: Auf der nützlichen Seite des Lebens
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die folgende Ausarbeitung bezieht sich auf die Individualpsychologie Alfred Adlers und umfasst zwei Hauptteile. Zunächst werden Prozesse beschrieben, die aufgrund des Minderwertigkeitsgefühls im Menschen ablaufen und die über das kompensatorische Überlegenheitsstreben schließlich zur Ausbildung eines individuellen Lebensstils führen. Im zweiten Teil wird speziell die „normale“ Entwicklung thematisiert, wobei das Gemeinschaftsgefühl im Mittelpunkt der Ausführungen steht, da es im Hinblick auf eine gelingende Kompensation des Minderwertigkeitsgefühls mit dem Ziel eines integrierten und sozial nützlichen Lebensstils eine besondere Rolle spielt.
Auf die Darstellung des Verlaufs einer negativen Entwicklung (z.B. aufgrund eines mangelhaften Gemeinschaftsgefühls) kann im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht mehr eingegangen werden.
2. Zur Entstehung des Lebensstils
2.1. Vom Minderwertigkeitsgefühl zum Geltungsstreben
Nach Adler erlebt jeder Mensch als Kind eine lange Phase der Anhängigkeit und entwickelt dabei gegenüber den Erwachsenen ein Gefühl der Unterlegenheit bzw. der Minderwertigkeit.[1] (vgl. Fisseni 2003, S. 57 f.) Dieses resultiert aus einer subjektiven Wertung von sich selbst im Vergleich mit anderen Menschen, mit sozialen und gesellschaftlichen Werten oder mit dem eigenen Persönlichkeitsideal. Das Minderwertigkeitsgefühl steht im Gegensatz zu Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Mut. (vgl. Weber 2000, S. 94) Adler beschreibt die Charakterzüge um das Minderwertigkeitsgefühl auch mit Begriffen wie Ängstlichkeit, Zweifel, Unsicherheit, Schüchternheit, Feigheit. Daneben finden sich auch Züge wie Übermut, Auflehnung oder Trotz. (vgl. Adler 1973, S. 212)
Dieses mehr oder weniger tiefe Minderwertigkeitsgefühl, das am Beginn jedes seelischen Lebens steht, ist zugleich als eine treibende Kraft zu sehen, von der alle Bestrebungen des Kindes ausgehen und die es erfordert, ein Ziel zu setzen und einen geeigneten Weg einzuschlagen, um dieses Ziel zu erreichen. (vgl. Adler 1990, S. 71 f.)
So entsteht aus dem Gefühl der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit ein Geltungsstreben, ein Streben nach Macht und Überlegenheit. Dabei wird das Ziel so gesetzt, dass dessen Erreichung es möglich macht, Überlegenheit (gegenüber der Umwelt) zu empfinden oder die eigene Persönlichkeit soweit zu erhöhen, dass das Leben lebenswert erscheint. (vgl. Adler 1990, S. 73 f.)
2.2. Das fiktive Ziel
Überlegenheit[2] wird in einem entsprechenden Persönlichkeitsideal bzw. fiktiven Ziel gesucht, das als subjektive Annahme, die individuell und einzigartig ist, verstanden werden muss. Adler postuliert in dieser Hinsicht eine Finalität des Seelischen. (vgl. Weber 2000, S. 85-88)
Ansbacher und Ansbacher charakterisieren das fiktive Endziel folgendermaßen: Erstens wurde es für Adler zum Prinzip der inneren subjektiven Kausalität der psychologischen Ereignisse. Außerdem stellt das Ziel eine eigenständige Schöpfung des Individuums dar und ist weitestgehend unbewusst. Drittens wurde es auch zum Prinzip der Einheitlichkeit der Persönlichkeitsstruktur, d.h. aus dem Ziel gehen die Einheit der Persönlichkeit und damit die Individualität hervor. Aus der Sicht des Subjekts wird es viertens als Basis für die Orientierung in der Welt genommen. Und schließlich gilt es als ein Aspekt der Kompensation für empfundene Minderwertigkeiten. (vgl. Ansbacher & Ansbacher 2004, S. 76)
Zur unbewussten Schöpfung des fiktiven Ziels sagt Adler Folgendes: „Das Endziel entwächst jedem bewußt oder unbewußt, immer aber in seiner Bedeutung unverstanden.“ Aus der Einschätzung des Einzelnen (meist im Sinne eines Minderwertigkeitsgefühls) entwickelt sich ein fiktives Ziel „als gedachte, endgültige Kompensation und ein Lebensplan als der Versuch einer solchen.“ (Adler 1974, S. 21-24) Aus der Sicht der Individualpsychologie wird auf diese Weise das ganze Leben dem Endziel untergeordnet. (vgl. Adler 1930 h, S. 400, zitiert nach Ansbacher & Ansbacher 2004, S. 78)
[...]
[1] Damit befassen sich Adlers frühe Schriften. Später wurden auch Probleme und Forderungen des Jetzt als zum Bereich des Minderwertigkeitsgefühls gehörig angesehen. (vgl. Ansbacher & Ansbacher 2004, S. 96)
[2] In Anlehnung an Hans Vaihingers Fiktionalismus prägt Adler den Begriff des „fiktiven Ziels“. (vgl. Ansbacher & Ansbacher 2004, S. 65)
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- Katrin Bekermann (Author), 2007, Auf der nützlichen Seite des Lebens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148009
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