Nach Meinung der pädagogischen Psychologie und der Unterrichtsforschung gibt es für die Lehrkraft vier Schlüsselkompetenzen: die Klassenführungskompetenz, die didaktische, die fachwissenschaftliche und die diagnostische Kompetenz.
All diese Kompetenzen sollten sich im Unterricht wieder finden und erhalten deshalb eine große Aufmerksamkeit bei Lehreraus- und fortbildungen, außer der diagnostischen Kompetenz, die leider zu oft als selbstverständliches Fachwissen des Lehrers angesehen wird.
Erst die Veröffentlichung der Ergebnisse von PISA (2000) und damit mangelnden diagnostischen Fähigkeiten von Lehrern hat es mit sich gebracht, dass die diagnostische Kompetenz der Lehrkräfte in der Bildungspolitik diskutiert wurde.
Im März 2003 ist das Kultusministerium dann zu dem Beschluss gekommen, dass „Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung“ angesehen werden müssen.
Daraus folgte auch die Konsequenz nach der Forderung von Vergleichsarbeiten und der Standatisierung der bundesweiten Bildungspolitik (vgl. Helmke, Hosenfeld & Schrader, 2004).
Um jedoch die diagnostische Kompetenz zu verbessern, muss erstmal ihr Erscheinungsbild bei den Lehrern und ihre Umsetzbarkeit für den Unterricht überprüft werden. Anhand eines Forschungsprojektes mit einer zweiten Klasse möchte ich dies untersuchen und verdeutlichen, dass die diagnostische Kompetenz eine unabdingbare Voraussetzung für effektiven Unterricht im Allgemeinen und individuelle Förderung im Besonderen ist.
Inhaltsverzeichnis
2 Einleitung
3 Präsentation der Klasse
4 Diagnostische Kompetenzen im Sportunterricht
4.1 Biografische Einzelfallanalyse
4.1.1 Auswahl und Begründung
4.1.2 Rahmenbedingungen und Durchführung
4.1.3 Darstellung der Ergebnisse
4.1.4 Maßnahmen und Empfehlungen
4.2 Bewegungs- und Verhaltensanalyse
4.2.1 Auswahl und Begründung
4.2.2 Rahmenbedingungen und Durchführung
4.2.3 Darstellung der Ergebnisse
4.2.4 Maßnahmen und Empfehlungen
4.3 Motorische Testanalyse
4.3.1 Auswahl und Begründung
4.3.2 Rahmenbedingungen und Durchführung
4.3.3 Darstellung der Ergebnisse
4.3.4 Maßnahmen und Empfehlungen
5 Selbstreflexion und Fazit
6 Literaturverzeichnis
7 Zum Nachschlagen
Anlagen (3)
Anlage 1: Interview von Julius
Anlage 2: Fragebogen zur Einzelfallanalyse
Anlage 3: Handreichung für den Münchner Fitnesstest
2 Einleitung
Nach Meinung der pädagogischen Psychologie und der Unterrichtsforschung gibt es für die Lehrkraft vier Schlüsselkompetenzen: die Klassenführungskompetenz, die didaktische, die fachwissenschaftliche und die diagnostische Kompetenz.
All diese Kompetenzen sollten sich im Unterricht wieder finden und erhalten deshalb eine große Aufmerksamkeit bei Lehreraus- und fortbildungen, außer der diagnostischen Kompetenz, die leider zu oft als selbstverständliches Fachwissen des Lehrers angesehen wird.
Erst die Veröffentlichung der Ergebnisse von PISA (2000) und damit mangelnden diagnostischen Fähigkeiten von Lehrern hat es mit sich gebracht, dass die diagnostische Kompetenz der Lehrkräfte in der Bildungspolitik diskutiert wurde.
Im März 2003 ist das Kultusministerium dann zu dem Beschluss gekommen, dass „Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung“ angesehen werden müssen.
Daraus folgte auch die Konsequenz nach der Forderung von Vergleichsarbeiten und der Standatisierung der bundesweiten Bildungspolitik (vgl. Helmke, Hosenfeld & Schrader, 2004).
Um jedoch die diagnostische Kompetenz zu verbessern, muss erstmal ihr Erscheinungsbild bei den Lehrern und ihre Umsetzbarkeit für den Unterricht überprüft werden. Anhand eines Forschungsprojektes mit einer zweiten Klasse möchte ich dies untersuchen und verdeutlichen, dass die diagnostische Kompetenz eine unabdingbare Voraussetzung für effektiven Unterricht im Allgemeinen und individuelle Förderung im Besonderen ist.
3 Präsentation der Klasse
Die Untersuchung der diagnostischen Kompetenz wurde an der Klasse 2d der Grundschule vor dem roten Tor durchgeführt. Die Klasse besteht aus zehn weiblichen und neun männlichen Schülern im Alter zwischen sieben und neun Jahren. 12 SchülerInnen der Klasse sind deutsch, fünf türkisch und zwei albanisch. Geht es jedoch nicht nach der Staatsangehörigkeit der Kinder, sondern nach der Nationalität der Eltern, dann schaut das Klassenbild wie folgt aus:
zwei Albaner, ein Kroate, sieben Türken, ein Tunesier und acht Deutsche. D.h. dass die Klasse einen Ausländeranteil von fast 60% besitzt.
Hinzu kommt noch, dass zwei Schüler der Klasse aus höheren Förderklassen zurück in die zweite Klasse gestuft wurden. Diese beiden Schüler oder besser gesagt die motorischen Defizite dieser beiden kristallisieren sich nachher auch deutlich in den Ergebnissen heraus.
Die Klasse wird von der Lehrerin als sportlich gute Klasse beschrieben, was ich in meinen Aufzeichnungen auch bestätigen kann. Keines der Kinder setzt während den Sportstunden aus oder weigert sich daran teilzunehmen, ganz im Gegenteil, alle SchülerInnen beteiligen sich mit großer Freude am Schulsport. Das zeigt sich auch im Erscheinungsbild der Klasse wieder, nur zwei Mädchen sind leicht adipös.
Zu bedauern ist jedoch, dass die für den Schulsport bemessene Zeit so kurz ausfällt, dass der Lehrerin keine Möglichkeit gegeben ist mal Stunden durchzu-führen, in denen z.B. wie beim Turnen Geräte aufgebaut werden müssen. Die Klasse hat drei Wochenstunden Sport verteilt auf drei Tage und es ist für mich leider ein Rätsel, dass die Schule mit zwei Hallen es nicht auf die Reihe bekommt, Doppelstunden für den Sport zu organisieren. Es ist deshalb so schade, da ich mitbekommen habe, wie viel Zeit für das Laufen zur Halle, das Aus- und Anziehen verschwendet wird, die eigentlich für den Sport genutzt werden sollte. So waren es letztendlich immer nur 20 bis 25 min, die den Schülern zum „austoben“ geblieben sind.
4 Diagnostische Kompetenzen im Sportunterricht
Aufgabe diese Seminars war es die diagnostischen Kompetenzen und die Möglichkeit ihrer Einsetzbarkeit im Sportunterricht zu untersuchen. Dazu wurden uns drei Anwendungsfelder vorgegeben die biografische Einzelfallanalyse, die Bewegungs- und Verhaltensanalyse einer Gruppe und der motorische Test mit der gesamten Klasse. In einem Zeitraum von circa 7 Wochen, in denen ich immer Mittwochs von 9.30 bis 11.00 Uhr den Sportunterricht der Klasse besuchte, ist es mir gelungen alle drei Bereichen zu untersuchen und für jeden Beurteilungen aufzustellen, die in ihrer Auslegung auch eine Empfehlung an die Lehrerin darstellen. Und um meinen Aufgabenbereich „ die Diagnostik“ zu verdeutlichen, ist es wichtig zu wissen, was es diagnostizieren eigentlich heißt. Dafür möchte ich eine gute Definition nach Zimmer (S.94, 1999) aufgreifen: „Diagnostik ist eine Tätigkeit des Feststellens, Beobachtens, des Erheben von Informationen. [...]. Neben dem „Erkennen“ wird auch das „Verstehen“ als wesentliches Element der Entscheidungsfindung einbezogen. [...].“ Und deshalb folgt daraus, dass „Im Sinne einer ganzheitlichen Förderung des Kindes die Diagnose nicht nur Defizite und Störungen aufdecken [müsste], sondern Möglichkeiten aufzeigen, Zugang zum Kind zu finden und ihm Hilfen zu geben, [...]. “
Im nun folgenden Abschnitt meiner Arbeit möchte ich ihnen diesen Weg von der Beobachtung, über das Erheben von Informationen bis hin zu den Möglichkeiten der individuellen Förderung erläutern und darstellen.
4.1 Die biografische Einzelfallanalyse
4.1.1 Auswahl und Begründung
Für die biografische Fallanalyse habe ich, nach einem Gespräch mit der Lehrerin, den Schüler Julius Pfirmann ausgewählt. Julius ist mir schon in den ersten Sportstunden aufgefallen, dadurch, dass er als erster in der Halle war und als letzter wieder zum Umziehen die Halle verlassen hatte. Außerdem war es nicht zu übersehen, dass er sehr in der Gunst der Lehrerin stand, die ihn eigentlich für alle Aufgaben, z.B. Aufbauen oder zum Wählen einer Gruppe, einteilte. Deshalb war es keine Überraschung für mich, dass mir die Lehrerin empfahl, Julius zu interviewen und zu beobachten und da ich auf Grund eines weiteren Projekts für Sport und Gesundheit die Klasse schon erleben durfte und Julius mir als fleißiger, motivierter und freundlicher Schüler schon vertraut war, hatte ich gegen die Empfehlung nichts einzuwenden. Dies gab ich der Lehrerin auch bekannt, hielt aber die Stunde und den Tag der Beobachtung offen, um sie von eventuellen Voreingenommen-heiten gegenüber Julius zu bewahren und um die Objektivität ihrer Lehrertätigkeit nicht zu gefährden.
4.1.2 Rahmenbedingungen und Durchführung
Julius Beobachtung fand am Mittwoch, den 22.11.06 um 9.45 bis 10.30 Uhr statt. Im Vorfeld hatte ich mir schon einige Beobachtungskriterien in Verhalten und Bewegung notiert, die ich mit Hilfe der „Beobachtungsbögen für die Erfassung von Verhaltensweisen und von allgemeinen Bewegungsverhalten“ von Hahmann (1993, S.31) vervollständigt habe. Dabei werden das im Sport auftretende Sozialverhalten des Schülers, wie Einsatzbereitschaft oder Normen- und Regelverständnis in einer Merkmalsskala differenziert und bewertet. Das gleiche gilt für die motorischen Grundlagen des Schülers, wo besonders auf koordinative und konditionelle Fähigkeiten geachtet werden. Als Beobachtungsform habe ich die systematische Beobachtung gewählt und sie durch die freie Beobachtung ergänzt. Damit ließ ich mir genug Freiheiten während der Beobachtung nicht nur auf meine Kriterien zu achten, sondern auch andere, vielleicht vergessene Eigenschaften oder Auffälligkeiten mit einzubeziehen. Die ausgewählte Sportstunde begann um 9.30 Uhr, circa 15 min zu spät, da für den Weg zur Halle und das Umziehen viel Zeit verloren gegangen ist. So blieb für die Beobachtung selbst nur 30 min.
Nachdem die Lehrerin alle Schüler im Mittelkreis versammelt hatte wurden die Fänger für das erste Spiel „Eismaschine“ gewählt. Die Aufgabe der Fänger, unter ihnen auch Julius, war es, die anderen zu fangen und zu versteinern. Die Besonderheit dieses Spiel bestand darin, dass die Fänger, wenn die ganze Klasse die Augen geschlossen hat, von der Lehrerin durch Berührung ausgewählt wurden. Somit wusste niemand wer jetzt Fänger war und wer nicht, was zu einem großen Gekreische und Durcheinander mit großem Spaßfaktor geführt hat. In dieser kurzen Zeitspanne konnte ich keine Auffälligkeiten bei Julius feststellen, die sich von dem Verhalten der anderen Kinder unterschieden. Erst in dem zweiten Spiel, wo die Kinder mit Hilfe von Rollbrettern als Sanitäter ihre Mitschüler von Turnmatten „retten“ mussten, konnte ich genauere Eigenschaften im Sozial-verhalten und in der Motorik bei Julius erkennen, welche ich später in der Darstellung der Ergebnisse noch verdeutlichen werde. Zum Schluss mussten die Kinder noch in vier Gruppen mit den Rollbrettern ein Slalom durchfahren, was ich bei meiner Analyse sehr gut für die Beobachtung von den koordinativen und zum Teil auch von den konditionellen Fähigkeiten nutzen konnte.
Der zweite Teil der biografischen Einzelfallanalyse bestand aus dem Interview mit Julius, welches direkt im Anschluss an die Sportstunde stattgefunden hat. Es dauerte circa 20 min und wurde außerhalb des Klassenzimmers, auf dem Gang, wo uns niemand störte, durchgeführt. Für das Interview hab ich mir vorher schon einen Leitfaden erstellt und für die Einstimmung einen kleinen Fragebogen entworfen, den mir Julius auch als erstes gut und präzise beantworten konnte. Das Interview an sich verlief wirklich aufschlussreich und Julius hatte keine Probleme bei dem Verständnis und der Beantwortung der Fragen. Was ich daraus an Informationen und Erkenntnissen erschließen konnte, möchte ich im nun folgenden Punkt präsentieren. Das Interview und der Fragebogen befinden zum Nachlesen im Anhang.
4.1.3 Darstellung der Ergebnisse
In diesem Abschnitt möchte ich zuerst die Ergebnisse des Beobachtungsbogens und meiner freien Beobachtung darstellen. Dabei ist deutlich, dass Julius wirklich ein höflicher, hilfsbereiter und vorbildlicher Schüler ist. Genauer gesagt, konnte ich bei allen Beobachtungspunkten nur positives über Julius feststellen. Besonders im sozialen Verhalten ist er einer der kooperativsten und rücksichtsvollsten Schüler der Klasse. Er unterstützt seine Mitschüler, wenn nötig lautstark, kann aber genauso sofort aufmerksam zuhören, wenn die Lehrerin spricht. Des Weiteren ist er einer der besten Sportler der Klasse, was ich in den anderen Sportstunden und im Münchner Fitnesstest, den ich mit der Klasse durchgeführt habe, nur bestätigen kann. Beim Rollbrettslalom war er der Schnellste, da er am geschicktesten sein Rollbrett lenken konnte. Meiner Meinung ist dies darauf zurück zu schließen, dass er sich sowohl im Raum gut orientieren konnte und als auch auf dem Rollbrett am besten sein Gleichgewicht halten konnte. Des Weiteren konnte er sehr gut seine Geschwindigkeit auf die veränderten Abstände der Hütchen anpassen (Differenzierungsfähigkeit). Er versteht jede Anweisung der Lehrerin, weil er konzentriert zuhört und kann das Gewünschte auch gleich umsetzen. Im Gegensatz zu seinen Mitschüler ist er eher selten mit sich beschäftigt oder versucht sich in den Mittelpunkt zu stellen. So ist eigentlich zusammenfassend zu sagen, dass Julius ein sehr sportlicher, aufmerksamer und liebenswerter acht jähriger Junge ist und es nicht verwunderlich ist, dass die Lehrerin ihn unabsicht-lich an und wann bevorzugt.
[...]
- Quote paper
- Julia Gleich (Author), 2006, Diagnostische Kompetenzen im Sportunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147902
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