Die »digitale Revolution« und die damit verbundene Erfindung des Internets hat –
ähnlich wie die Industrielle Revolution – die Menschheit nachhaltig verändert. Besonders
die Art und Weise wie Menschen miteinander kommunizieren erfuhr durch
das Internet eine völlig neue Dimension. Das Internet wird nahezu in allen Lebensbereichen
verwendet und dient neben der Kommunikation und Information
ebenso der Begründung und Abwicklung von Rechtsgeschäften. Die Tatsache
dass Rechtsgeschäfte über das Internet ohne gleichzeitige Anwesenheit der Vertragsparteien
und ohne papiergebundene Dokumente begründet werden können,
stellt die Rechtswissenschaft vor eine Reihe von Problemen.
Grundsätzlich ist die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften abhängig von bestimmten
Voraussetzungen. Ein Kaufvertrag beispielsweise „entsteht durch übereinstimmende
(...), aufeinander bezogene u. inhaltlich einander entsprechende Willenserklärungen,
die von mindestens zwei Personen abgegeben werden...“ Bei der herkömmlichen
Begründung von Rechtsgeschäften ist die Frage, ob die Willenserklärungen
auch wirklich von den Vertragsparteien abgegeben wurden i.d.R. unstrittig,
da dies durch Zeugenbeweis oder schriftliche Dokumente nachgewiesen werden
kann. Bei der Begründung von Rechtsgeschäften über das Internet jedoch – ohne
gleichzeitige Anwesenheit der Vertragsparteien und ohne schriftliche Dokumente –
ist die Zurechenbarkeit einer Willenserklärung erschwert. Zudem bieten ungesicherte
Computer und elektronische Datenübertragung keinen ausreichenden
Schutz vor Missbrauch.
Zur Steigerung der Sicherheit im elektronischen Rechtsverkehr fanden die elektronischen
Signaturen Eingang in Technik und Rechtswissenschaft. Sie ermöglichen
die gesicherte Zuordnung elektronischer Willenserklärungen und schließen damit
die Brücke zwischen elektronischer und realer Welt. Obwohl Technik und rechtliche
Rahmenbedingungen der elektronischen Signaturen stetig weiterentwickelt wurden,
erfolgte die Nutzung und Verbreitung der elektronischen Signaturen bisher nicht im erwarteten Umfang.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
A. Einführung
I. Problemstellung
II. Zielsetzung
B. Hauptteil
I. Zivilrechtliche Grundsätze
1. Entstehung von Rechtsgeschäften
2. Formvorschriften
a. Schriftform
b. Elektronische Form
c. Textform
3. Beweisfunktion
II. Signaturverfahren
1. Elektronischer Rechtsverkehr
2. Digitale Signatur
3. Technische Funktionsweise der digitalen Signatur
III. Rechtsgrundlagen der elektronischen Signaturen
1. Signaturrichtlinie
a. Erwägungsgründe der Signaturrichtlinie
b. Regelungsinhalt der Signaturrichtlinie aa. Anwendungsbereich
bb. Begriffsbestimmungen
cc. Haftung
c. Bewertung der Signaturrichtlinie
2. Deutsches Signaturgesetz und Signaturverordnung
a. Zweck des Signaturgesetzes
b. Regelungsinhalt des Signaturgesetzes
aa. Anwendungsbereich
bb. Begriffsbestimmungen
cc. Zertifizierungsdiensteanbieter und freiwillige
Akkreditierung
dd. Produkte für qualifizierte elektronische
Signaturen
c. Bewertung des Signaturgesetzes
3. Uncitral Mustergesetz über elektronische Signaturen
a. Erwägungsgründe des Uncitral Mustergesetzes
b. Regelungsinhalt des Uncitral Mustergesetzes
aa. Begriffsbestimmungen
bb. Gleichbehandlung von Signaturtechnologien
cc. Einhaltung des Unterschriftserfordernisses
dd. Verlässlichkeit
c. Bewertung des Uncitral Mustergesetzes
C. Schluss
I. Zusammenfassung
II. Ausblick
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einführung
I. Problemstellung
Die »digitale Revolution« und die damit verbundene Erfindung des Internets hat – ähnlich wie die Industrielle Revolution – die Menschheit nachhaltig verändert. Be-sonders die Art und Weise wie Menschen miteinander kommunizieren erfuhr durch das Internet eine völlig neue Dimension.1 Das Internet wird nahezu in allen Le-bensbereichen verwendet und dient neben der Kommunikation und Information ebenso der Begründung und Abwicklung von Rechtsgeschäften. Die Tatsache dass Rechtsgeschäfte über das Internet ohne gleichzeitige Anwesenheit der Ver-tragsparteien und ohne papiergebundene Dokumente begründet werden können, stellt die Rechtswissenschaft vor eine Reihe von Problemen.
Grundsätzlich ist die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften abhängig von bestimmten Voraussetzungen. Ein Kaufvertrag beispielsweise „entsteht durch übereinstimmen-de (...), aufeinander bezogene u. inhaltlich einander entsprechende Willenserklä-rungen, die von mindestens zwei Personen abgegeben werden...“2 Bei der her-kömmlichen Begründung von Rechtsgeschäften ist die Frage, ob die Willenserklä-rungen auch wirklich von den Vertragsparteien abgegeben wurden i.d.R. unstrittig, da dies durch Zeugenbeweis oder schriftliche Dokumente nachgewiesen werden kann. Bei der Begründung von Rechtsgeschäften über das Internet jedoch – ohne gleichzeitige Anwesenheit der Vertragsparteien und ohne schriftliche Dokumente – ist die Zurechenbarkeit einer Willenserklärung erschwert. Zudem bieten ungesi-cherte Computer und elektronische Datenübertragung keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch.
Zur Steigerung der Sicherheit im elektronischen Rechtsverkehr fanden die elektro-nischen Signaturen Eingang in Technik und Rechtswissenschaft. Sie ermöglichen die gesicherte Zuordnung elektronischer Willenserklärungen und schließen damit die Brücke zwischen elektronischer und realer Welt. Obwohl Technik und rechtliche Rahmenbedingungen der elektronischen Signaturen stetig weiterentwickelt wur-den, erfolgte die Nutzung und Verbreitung der elektronischen Signaturen bisher
nicht im erwarteten Umfang. Denkbare Gründe hierfür sind: (hohe) Kosten, benut-zerunfreundliche Handhabung, fehlendes Vertrauen in und Vorurteile gegenüber der Sicherheit des elektronischen Rechtsverkehrs, sowie ein fehlendes Anreizsy-stem für die Bevölkerung, sich eine elektronische Signatur anzuschaffen. Ebenso hinderlich ist es, dass sich bisher kein weitverbreiteter Systemstandard durchge-setzt hat, der für mindestens eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten im Alltag nutzbar wäre.
Betrachtet man die technische und gesellschaftliche Entwicklung, wird klar, wel-chen Stellenwert der elektronische Rechtsverkehr mittlerweile auf der ganzen Welt eingenommen hat. Die neuen Kommunikationsformen E-Mail und Internet haben unser Verhalten vollkommen revolutioniert. Von der Anfrage bis zum Vertrag kann heute alles elektronisch abgewickelt werden.
Im Zivilrecht herrscht mit dem Grundsatz der Privatautonomie Formfreiheit für Ge-schäfte unter Bürgern. Der Staat lässt seinen Bürgern bewusst freie Hand und greift nur bei besonders wichtigen Rechtsgeschäften mit Formvorschriften in diese Freiheit ein. Wenn der Staat mit dem Bürger in Kontakt tritt, ist dies jedoch anders: Anträge und Bescheide im öffentlichen Recht bedürfen der Schriftform, so auch im Internet – dem sogenannten E-Government. E-Government ist Teil einer allumfas-senden Verwaltungsmodernisierung und bezeichnet das Engagement des Staates seine Bürger über elektronische Medien wie das Internet in das Verwaltungshan-deln einzubinden.3 Naturgemäß strebt der Staat bei Verwaltungsleistungen nach größtmöglicher Sicherheit und Schutz vor Missbrauch. „Das Sicherheitsniveau, welches der Kunde [= Bürger] aus den konventionellen Verfahren gewohnt ist, darf nicht unterschritten werden. Zu den wesentlichen Voraussetzungen für eine sichere Kommunikation im E-Government zählen (...) die Authentizität der Daten und Kommunikationspartner sowie die Nicht-Abstreitbarkeit der Herkunft und des Er-halts“4. Doch ist die digitale Signatur ein probates Instrument, um das Sicherheits-niveau der konventionellen Verfahren – also der traditionellen Schriftform – im elek-tronischen Rechtsverkehr aufrechtzuerhalten? Kann die digitale Signatur (Rechts-) Sicherheit bieten? Kurzum: Welche Bedeutung hat die digitale Signatur für den elektronischen Rechtsverkehr?
II. Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedeutung der digitalen Signatur für den elektroni-schen Rechtsverkehr zu erörtern. Dazu werden die Rechtsgrundlagen für elektro-nische Signaturen auf europäischer, deutscher und inter- bzw. supranationaler Ebene herangezogen und analysiert.
Die herangezogenen Rechtsgrundlagen sind im Einzelnen die Richtlinie 1999/93/EG des europäischen Parlaments und des Rates über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, das deutsche Signaturgesetz, nebst Signaturverordnung, sowie das Mustergesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht über elektronische Signaturen.
Bei der Analyse dieser Rechtsgrundlagen wird vornehmlich auf Inhalte Bezug ge-nommen, die nach Ansicht des Autors besondere Aussagekraft über die Bedeu-tung der digitalen Signatur für den elektronischen Rechtsverkehr innehaben. Es ist ausdrücklich nicht erklärtes Ziel dieser Arbeit, die eingangs erwähnten Rechts-grundlagen vollständig und allumfassend zu beschreiben und zu analysieren. Hier-zu existiert bereits eine Vielzahl an ausführlichen und fundierten Publikationen, die bei Interesse zur weitergehenden Lektüre herangezogen werden können.
B. Hauptteil
I. Zivilrechtliche Grundsätze
1. Entstehung von Rechtsgeschäften
Um am Wirtschaftsleben teilzunehmen, bedienen sich die Menschen des Rechts-geschäfts. Das Gesetz liefert keine Definition des Begriffs Rechtsgeschäft, man versteht darunter allgemein jede Willenserklärung einer oder mehrer Personen, die darauf abzielt, eine bestimmte Rechtsfolge zu erzeugen.5 Wenn mindestens zwei sich deckende wirksame Willenserklärungen abgegeben werden und diese dem jeweiligen Vertragspartner zugehen, kommt ein wirksamer Vertrag zustande.
Die Willenserklärung lässt sich in eine objektive und eine subjektive Komponente aufteilen, wobei die objektive Komponente >das Gesagte« und die subjektive Komponente >das Gewollte« darstellt. Um die objektive Komponente bejahen zu können, muss das Verhalten des Erklärenden den Schluss zulassen, dass sich dieser damit an die Rechtsfolge binden will. Die subjektive Komponente wiederum setzt sich aus dem Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswillen zusammen. Die Willenserklärung muss gewollt – also willensgesteuert – sein (Handlungswille), et-was rechtlich Bedeutsames beinhalten (Erklärungswille) und mit der Absicht abge-geben werden, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen (Geschäftswille).6 Sind der objektive und der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung erfüllt, muss diese noch dem Vertragspartner zugehen, damit sie wirksam wird und sich die Rechtsfolgen entfalten. Unter Anwesenden ist der Zugang denkbar einfach: hat der Empfänger die Willenserklärung richtig verstanden, wird sie wirksam. Gegenüber Abwesenden regelt § 130 BGB den Zugang wie folgt:
(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht [...]
Ist die Willenserklärung in den Machtbereich, z.B. Briefkasten, des Empfängers gelangt und eine Kenntnisnahme möglich und wahrscheinlich, gilt sie als zugegan- gen. Hierbei ist zu beachten, dass der Erklärende alles Erforderliche getan haben muss, damit unter normalen Umständen mit dem Zugang zu rechnen ist.7
2. Formvorschriften
„Rechtsgeschäfte bedürfen grundsätzlich keiner Form, sofern es nicht gesetzlich [Hervorhebung im Original] vorgeschrieben oder vertraglich [Hervorhebung im Original] vereinbart worden ist“8. Die grundsätzliche Formfreiheit beruht auf dem Grundsatz der Privatautonomie und „... ist Ausdruck des verfassungsrechtlich in Art. 1, 2 GG geschützten Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen [Her-vorhebung im Original]“9. Die Mehrzahl der Rechtsgeschäfte kann also völlig form-los geschlossen werden; schriftlich, mündlich, oder sogar durch konkludentes (=schlüssiges) Verhalten.
„In einigen Fällen ist zum Schutz vor Übereilung oder zur Beweissicherung [jedoch] eine bestimmte Form vorgeschrieben“10. Wird die gesetzlich vorgeschriebene oder vertraglich vereinbarte Form nicht eingehalten, führt dies gem. § 125 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts:
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleich-falls Nichtigkeit zur Folge.
Das Gesetz kennt vier Formen:
- die Schriftform (§ 126 BGB)
- die elektronische Form (§ 126a BGB)
- die Textform (§ 126b BGB)
- die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB)
Für besonders wichtige Rechtsgeschäfte, wie z.B. die Grundstücksübertragung (§ 311b I 1 BGB), ist die notarielle Beurkundung vorgeschrieben. Sie ist die strengste Formvorschrift des BGB und erfüllt alle drei Zwecke der Formbedürftigkeiten: die Beweis-, die Beratungs- sowie die Warn- und Schutzfunktion.11 Für Rechtsgeschäf-te mit geringerer Tragweite ist die Schriftform, ggf. ersatzweise die elektronische Form, oder die Textform ausreichend. Ist im Gesetz keine besondere Form vorge-schrieben, besteht wie eingangs erwähnt Formfreiheit.
a. Schriftform
Sieht das Gesetz für ein Rechtsgeschäft die Schriftform vor, „dann muß minde-stens die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift [Hervorhebung im Original] oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unter-zeichnet werden...“12 Unter der eigenhändigen Namensunterschrift ist hierbei die handschriftliche Unterschrift zu verstehen. Verfassen die Parteien lediglich eine rechtsgeschäftliche Urkunde, bedarf es der eigenhändigen Namensunterschriften beider Parteien auf eben dieser Urkunde. „Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.“13 Die Unterzeichnung und Über-mittlung via Fax oder E-Mail genügt jedoch nicht dem Schrifterfordernis i.S.d. § 126 BGB. Natürlich kann aber die Schriftform durch die notarielle Beurkundung ersetzt werden (§ 126 IV BGB).
Das Gesetz fordert die Schriftform beispielsweise für:
- die Kündigung eines Mietverhältnisses (§ 568 BGB)
- die Bürgschaftserklärung (§ 766 BGB)
- das Schuldversprechen und –anerkenntnis (§§ 780, 781 BGB)
b. Elektronische Form
Nachdem eine eigenhändige Unterschrift im elektronischen Rechtsverkehr natur-gemäß nicht möglich ist, wurde mit dem »Formanpassungsgesetz«14 die elektroni-sche Form (§ 126a BGB) eingeführt. Seitdem ist die elektronische Form der schrift-lichen Form gem. § 126 III BGB grundsätzlich gleichgestellt und es ist zulässig, die Schriftform durch die elektronische Form zu ersetzen, soweit das Gesetz dies nicht ausdrücklich ausschließt.
Zur rechtswirksamen Verwendung der elektronischen Form stellt § 126a BGB zwei Voraussetzungen:
(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.
Der Aussteller der Erklärung muss diese mit
- seinem Namen und
- einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG versehen, damit die elektronische Form eingehalten und rechtswirksam ist.
Neben den Voraussetzungen des § 126a BGB ist es ebenfalls erforderlich, dass die Vertragsparteien mit der Verwendung der elektronischen Form einverstanden sind. Eine ausdrückliche Einverständniserklärung der Vertragsparteien ist jedoch nicht nötig. Bereits die Bekanntgabe seiner E-Mail-Adresse im Geschäftsverkehr lässt auf das Einverständnis des Empfängers schließen, die Schriftform durch die elektronische Form ersetzen zu können.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist das Rechtsgeschäft gem. § 125 BGB nichtig. Handelt es sich bei der nicht eingehaltenen Form um eine lediglich vertrag-lich vereinbarte Form, kann die eingetretene Nichtigkeit durch die Vertragsparteien, z.B. durch einvernehmliche Aufhebung der vertraglichen Formvorschrift geheilt werden. Ist ein formlos geschlossenes Rechtsgeschäft bereits erfüllt worden, tritt ebenfalls keine Nichtigkeit ein.15
c. Textform
Die Textform gem. § 126b BGB stellt neben der Schriftform und der elektronischen Form den schwächsten der drei gesetzlichen Formtypen dar und „... ist für Mittei-lungen gedacht, in denen die Schriftform zuviel, die Formlosigkeit (= Mündlichkeit) zu wenig ist.“16
Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abge-geben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.
Der Aussteller der Erklärung muss diese
- in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise erstellen
- mit seinem Namen versehen und
- den Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensun-terschrift oder anders erkennbar machen.
Grundsätzlich genügt also eine lesbare, aber unterschriftslose Erklärung, wobei sie dann in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise abgegeben ist, „... wenn sich der Absender ihrer zielgerichtet in Richtung auf den Empfänger entäu-ßert hat und die Information so mitgeteilt wird, dass es dem Empfänger möglich ist, ihren Inhalt unverändert wiederzugeben bzw. zur Kenntnis zu nehmen.“17 Hierbei können jegliche Peripheriegeräte wie Monitore, Drucker, etc. zum Einsatz kommen; es sind also alle denkbaren Erklärungsmedien wie CDs, E-Mails, Faxe etc. zuläs-sig. „Dagegen genügt es regelmäßig nicht, wenn die Erklärung oder die Informatio-nen lediglich über eine Homepage im Internet lesbar, abrufbar und/oder speicher-bar sind. Denn eine so bereitgehaltene Erklärung oder Information ist gerade nicht zur »dauerhaften Wiedergabe ... abgegeben«, da sie jederzeit noch seitens des Homepage-Inhabers geändert werden kann, ohne dass der Kunde darauf Einfluss hat. Dies ist erst dann anders, wenn der Kunde den Text aus dem Internet herun-terlädt und diesen ausdruckt oder auf seiner Festplatte oder Diskette speichert.“18
Die Textform kann also als Schriftform ohne Unterschrift bezeichnet werden, „die im Gegensatz zur elektronischen Form die Schriftform nicht ersetzt“19. Bei allen Formvorschriften gilt aber der Grundsatz: „Die Einhaltung der strengeren ersetzt die schwächere Form (§§ 126 IV, 129 II BGB).“20
3. Beweisfunktion
Wie im Kapitel der Formvorschriften bereits erwähnt, sollen durch eine vom Gesetz vorgeschriebene Form drei Funktionen erfüllt werden: die Beweis-, die Beratungs-sowie die Warn-/Schutzfunktion. Zivilrechtlich von besonderer Bedeutung ist hier-bei die Beweisfunktion, denn sie kann bei der Durchsetzung rechtlicher Ansprüche
ausschlaggebend sein. Die zulässigen Beweismittel in einem Zivilprozess sind in der Zivilprozessordnung geregelt. Die Zivilprozessordnung kennt insgesamt fünf zulässige Beweismittel:
- Augenschein (§§ 371 – 372a ZPO)
- Zeugenbeweis (§§ 373 – 401 ZPO)
- Beweis durch Sachverständige (§§ 402 – 414 ZPO)
- Beweis durch Urkunden (§§ 415 – 444 ZPO)
- Beweis durch Parteivernehmung (§§ 445 – 455 ZPO)
Von den gesetzlichen Formvorschriften betroffen ist hierbei der Beweis durch Ur-kunden, zivilrechtlich speziell die Privaturkunde (§ 416 ZPO):
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
Per Definition ist eine Urkunde „eine in Schriftzeichen verkörperte Gedankenäuße-rung“21. Unter Privaturkunden zu verstehen sind wiederum „alle Schriftstücke (...) die zwar Urkunde (...) aber nicht öffentliche Urkunde sind“22. Eine öffentliche Ur-kunde liegt vor, wenn sie durch eine öffentliche Behörde ausgestellt wurde.23 Durch eine öffentliche Beglaubigung wird die Privaturkunde nicht zur öffentlichen Urkun- de.24
Die rechtliche Wirkung einer Privaturkunde entfaltet sich jedoch nur, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind:
- die Privaturkunde muss echt sein
- die Privaturkunde muss äußerlich mängelfrei sein
- die Privaturkunde muss vom Aussteller unterschrieben sein
Die Privaturkunde „... ist echt, wenn die Unterschrift dem Namensträger zuzuord-nen ist u [Abkürzung im Original] die darüber stehende Schrift vom Aussteller selbst stammt od [Abkürzung im Original] mit dessen Willen dort steht...“25 Diese einfache Rechtsvermutung ist an die Voraussetzung gebunden, dass die Urkunde nach § 419 ZPO fehlerfrei ist.26
Neben den in § 419 ZPO wörtlich bezeichneten Mängeln wie >Durchstreichungen«, >Radierungen« und >Einschaltungen« sind ebenso als solche anzusehen: „... das Fehlen von Teilen, Risse, Flecken, unleserliche, zerknitterte od [Abkürzung im Original] zusammengeklebte Stellen, auffälliges Schriftbild, ungewöhnliche Anordnung der Erklärung auf dem Papier...“27 Darüber ob die Urkunde fehlerfrei ist, „... ent-scheidet das Gericht nach freier Überzeugung.“28
„Der Aussteller muss die Urkunde unterschrieben haben. Aussteller ist nicht schon derjenige, der die Niederschrift vornimmt, sondern derjenige, der die Erklärung in der Urkunde abgibt...“29 Die Unterschrift ist durch Namensunterschrift (dabei grundsätzlich mit dem Familiennamen, eine Abkürzung wie eine Paraphe genügt nicht) zu leisten, wobei sie individuelle Züge tragen, aber nicht lesbar sein muss.30 Die Angabe von Datum und Ort ist für die Unterschrift entbehrlich.31 Allerdings muss die Unterschrift den ganzen Text decken.32
Sind die bezeichneten Voraussetzungen erfüllt, entfaltet sich gem. der Beweisregel eine äul!ere Beweiskraft der Privaturkunde. Diese erstreckt sich – unabhängig von der Überzeugung des Gerichts, d.h. unter Ausschluss der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO – darauf, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung vom Aus-steller als abgegeben, d.h. als geäul!ert und abgesandt, gilt. Von der Beweisregel nicht erfasst bleibt jedoch die innere Beweiskraft der Privaturkunde: der Zugang und der Inhalt der in der Urkunde enthaltenen Erklärung. Damit ist die – da nur formelle nicht aber materielle – Beweiskraft einer Privaturkunde viel geringer als oft erhofft.33
[...]
1 Zur weiteren Lektüre: Balkhausen, Die dritte industrielle Revolution
2 Kaiser, Bürgerliches Recht, S. 75
3 Vgl. BSI, E-Government-Handbuch, Modul Einleitung und Übersicht, S. 3
4 BSI, E-Government-Handbuch, Modul Verschlüsselung und Signatur, S. 4
5 Vgl. Wörlen, BGB AT, S. 67
6 Vgl. Katko, Bürgerliches Recht schnell erfasst, S. 41 f.
7 Vgl. Katko, Bürgerliches Recht schnell erfasst, S. 49
8 Führich, Wirtschaftsprivatrecht, S. 62
9 Führich, Wirtschaftsprivatrecht, S. 11
10 Katko, Bürgerliches Recht schnell erfasst, S. 48
11 Vgl. Wörlen, BGB AT, S. 156
12 Führich, Wirtschaftsprivatrecht, S. 63
13 § 126 II BGB
14 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr v. 13.07.2001, BGBl. 2001 I Nr. 35, S. 1542 ff.
15 Vgl. Wörlen, BGB AT, S. 155
16 Führich, Wirtschaftsprivatrecht, S. 63
17 Kaiser, Bürgerliches Recht, S. 136
18 BT-Drs. 14/7052, S. 195
19 Wörlen, BGB AT, S. 156
20 Kaiser, Bürgerliches Recht, S. 137
21 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 1379
22 Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 1
23 Vgl. Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 415 Rn. 1
24 Vgl. Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 1
25 Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 437 Rn. 1
26 Vgl. Baumbach, Zivilprozessordnung, § 437 Rn. 3
27 Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 419 Rn. 1
28 § 419 ZPO
29 Baumbach, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 4
30 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 482 f.
31 Vgl. Baumbach, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 5
32 Vgl. Reichold, in: Thomas ! Putzo, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 2
33 Vgl. Baumbach, Zivilprozessordnung, § 416 Rn. 6 – 8
- Citation du texte
- Dipl.Wirtschaftsjurist (FH) Adrian Hell (Auteur), 2009, Die Bedeutung der digitalen Signatur für den elektronischen Rechtsverkehr, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147814
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