Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die beiden wichtigsten und verbreitetsten psychogenen Eßstörungen: die Anorexie und die Bulimie. Ausgehend von statistischen Daten des Auftretens wird der Krankheitsverlauf anhand der wichtigsten Symptome und anhand von Fallbeispielen dokumentiert. Auf differentialdiagnostische Besonderheiten, pathophysiologische Folgeerscheinungen und den engen Zusammenhang zwischen den beiden Eßstörungen wird ebenfalls hingewiesen.
Schlagworte: Anorexia nervosa - Bulimarexie - Dysorexie-Dysponderosis-Kontinuum - Simmonds' Kachexie - Bulimia nervosa.
Inhaltsverzeichnis
ZUSAMMENFASSUNG
1. ANOREXIA NERVOSA
1.1. Kriterien
1.2. Symptomatik
1.3. Bulimarexie
1.4. Simmonds' Kachexie
1.5. Prognose und Epidemiologie
2. Bulimia nervosa
2.1. Kriterien/Auftreten
2.2. Symptomatik
2.3. Verlauf
Literatur
ZUSAMMENFASSUNG
Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die beiden wichtigsten und verbreitetsten psychogenen Eßstörungen: die Anorexie und die Bulimie. Ausgehend von statistischen Daten des Auftretens wird der Krankheitsverlauf anhand der wichtigsten Symptome und anhand von Fallbeispielen dokumentiert. Auf differentialdiagnostische Besonderheiten, pathophysiologische Folgeerscheinungen und den engen Zusammenhang zwischen den beiden Eßstörungen wird ebenfalls hingewiesen.
Schlagworte: Anorexia nervosa - Bulimarexie - Dysorexie-Dysponderosis-Kontinuum - Simmonds' Kachexie - Bulimia nervosa.
1. ANOREXIA NERVOSA
Schon dem Engländer R. Morton, der 1691 als erster die Magersucht beschrieben hatte, war die Wachheit und Willensstärke seiner ausgezehrten 17jährigen Patientin ein Rätsel. Morton lieferte eine erstaunlich genaue Beschreibung der Symptome dieser - wie er sie nannte - Phtisis nervosa. Eine organische Ursache konnte Morton nicht finden, dafür aber "Traurigkeit und ängstliche Sorgen", die dem eigentlichen Leiden vorausgingen. - Fast zweihundert Jahre später prägte Mortons Landsmann Sir William Gull den bis heute gängigen Begriff Anorexia nervosa.
1.1. Kriterien
Die Anorexia nervosa betrifft vor allem Mädchen (10:1) in der Pubertät (11.-17.Lj.). Die Häufigkeit wird mit 0,5% - vielfach sogar mit 2% - angegeben, wodurch für Österreich eine Zahl von mindestens 35000 Betroffenen anzunehmen ist. Die Mortalität beträgt immerhin 5-10%.
1.2. Symptomatik
Die Bezeichnung Anorexie (d.i. Appetitlosigkeit) ist eigentlich irreführend, denn die Symptomatik der Anorexia nervosa ist gekennzeichnet durch die massive Weigerung der Patienten, zu essen. "Hungern war etwas, das mir alleine gehörte" (Luczak, 1990), berichtet eine ehemalige Patientin. Es ist also nicht Appetitlosigkeit im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr ein Akt des Willens, die Nahrung zu verweigern. Eine zentrale Stellung nimmt die große Angst vor Gewichtszunahme ein; Magersüchtige sind daher in Gedanken fast immer mit dem Essen beschäftigt. Dies kann auf verschiedenste Weise geschehen: Die Betroffenen bekochen die Familie, sammeln Rezepte oder laufen stundenlang an Auslagen von Konditoreien vorbei, ohne in all diesen Fällen selbst jemals wirklich zu essen.
Andere gehen noch einen Schritt weiter: Sie kaufen Süßigkeiten ein und horten sie zuhause wie einen heimlichen Schatz, den sie ab und zu anschauen, manchmal sogar berühren, beriechen, niemals aber essen. Eine Patientin, die sogar in andere Städte fuhr, um sich mit Süßwaren aller Art einzudecken, berichtet:
"Ich legte mir ein riesiges Süßwarenlager an und hatte den Traum, eines Tages all diese Sachen, nach denen ich mich so sehr sehnte, essen zu können; dann, wenn ich noch weiter an Gewicht abgenommen hatte" (Gerlinghoff, 1993).
Der Gewichtsverlust führt zu starkem Untergewicht von manchmal weniger als 30kg. Verweigerung der Nahrungsaufnahme und starker Ekel vor Eßbarem können sich bis zu lebensbedrohlichen Zuständen (beispielsweise Bluterbrechen) steigern, die eine künstliche Ernährung notwendig machen. Die große, freilich tragisch unbegründete Angst vor Gewichtszunahme läßt viele Patienten zu Hyperaktivität neigen, die oftmals in intensivem Leistungssport ihren Niederschlag findet.
Anorexie-Patienten fehlt jegliche Krankheitseinsicht. Viele schätzen sich trotz ihres Aussehens als attraktiv ein und halten sich durchaus nicht für untergewichtig, manche sprechen stolz von "asketischer Elite" (Luczak, 1990). Dieses gestörte Körperbild evoziert naturgemäß größte Probleme in der Therapie.
Wird dann doch einmal eine Speise "genossen", ist ritualisiertes Eßverhalten beobachtbar: Hier zählt beinahe endlos langsames Essen mit zu den Strategien, mit denen Hungergefühle unterdrückt werden. Auch das Essen mit Stäbchen und das Löffeln von Flüssigkeiten dienen demselben Zweck. Eine Patientin brauchte beispielsweise Stunden für einen Becher Magerjoghurt: Bevor sie das winzige Eislöffelchen zum Mund führte, ließ sie jedesmal ein Tröpfchen in den Becher zurückfallen (Luczak, 1990)
Die Betroffenen essen beispielsweise stundenlang an einem Frühstücksbrot; ein Symptom, das auch bei hungernden Kriegsgefangenen zu finden ist. Davidson (1988) spricht hierbei von "innerer Not" (Anorexie) im Vergleich zur "äußeren Not" der Gefangenen.
Anorektiker zeigen im allgemeinen keine einheitlichen Verhaltensweisen: Sie können phobisch, zwanghaft, hysterisch, depressiv aber auch hypochondrisch in ihrem Verhalten sein. Kontaktstörungen in enger Verbindung mit Depressivität, wenig innere treibende Kraft, starke Ausprägung eines "Todestriebes" (Tanatos) sind weitere Merkmale.
Interessant ist, daß der durchschnittliche Intelligenzgrad von Anorexie-Patienten höher liegt als in der übrigen Bevölkerung; bei IQ-Tests schneiden sie häufig besser ab als die Kontrollgruppen, was Rückschlüsse auf das Auftreten dieser Eßstörung in unterschiedlichen Bevölkerungsschichten zuläßt.
Begleiterscheinungen der Anorexia sind Obstipation (Verstopfung) sowie die Amenorrhoe, das Ausbleiben der Monatsblutung.
1.3. Bulimarexie
Der Übergang zur Bulimie ist fließend: 60% der Anorektiker werden im Verlauf ihrer Krankheit bulimisch. Bei vielen PatientInnen wechseln Phasen des extremen Hungerns mit ungehemmter Eßsucht, gefolgt von Erbrechen, ab. Diese Bulimarektiker werden als impulsiver, depressiver aber auch ängstlicher beschrieben. Von größerer Bedeutung als bei reinen Anorektikern ist bei Bulimarektikern der Medikamentenabusus, wobei sich der Mißbrauch vor allem auf Laxantia (Abführmittel) und Appetithemmer erstreckt.
Eine Patientin verlor über einen längeren Zeitraum erheblich an Gewicht, wobei die Gewichtsziele ständig heruntergesetzt wurden. Während eines Urlaubes kochte der Vater ihre Lieblingsspeisen. Dabei kam sie auf den Trick, das Essen zwar in den Mund zu nehmen, ja sogar zu kauen, jedoch, anstatt es zu schlucken, es entweder ins Waschbecken oder in ein Taschentuch bzw. eine Tüte zu spucken. Nach zwei Jahren mündeten diese bulimoiden Methoden in echte Bulimie: Sie begann das 'genossene' Essen zu erbrechen; vorerst mit beinahe übermenschlicher Überwindungskraft, später jedoch zunehmend mit einem Gefühl der Erleichterung: "Schließlich konnte ich automatisch kotzen, und es machte mir nicht mehr viel aus" (Gerlinghoff, 1993).
Das Erbrechen fand heimlich und alleine statt. Zu einem späteren Zeitpunkt setzte die Patientin das Spucken in Tüten fort. Als sie von ihrer Mutter dabei entdeckt wurde, kehrte sie zur heimlichen Brechsucht zurück. Essensbeschaffung in Verbindung mit Erbrechen waren zum zentralen Lebensinhalt der Patientin geworden. Freß- und Brechorgien, die zwei bis vier Stunden dauerten, fanden oft sogar zweimal am Tag statt. "Das spontane Erbrechen funktionierte bei mir längst; es ging alles wie von selbst, ich aß und erbrach vollautomatisiert" (Gerlinghoff,1993).
In diesem Stadium war die Abhängigkeit von der Krankheit bereits so groß, daß die Patientin einerseits unter keinen Umständen an Gewicht zunehmen wollte, andererseits aber konnte sie nicht mehr auf die Unmengen hochkalorischer Nahrungsmittel verzichten.
[...]
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- Mag. Arno Krause (Autor), 2000, Die beiden Eßstörungen Anorexie und Bulimie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147794
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