Ein Essay bezüglich der Thematik, ob die Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit auf das Phänomen der Modernisierung zurückzuführen sei beziehungsweise, falls nicht, welche Faktoren dann eine wichtige Rolle spielten (u.a. mit Bezug auf die Reformation)
„Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird. Sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen […] Sie können ein Kind verzaubern […] Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird […] Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann […] Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder […] Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ (Martin Luther, 1526 in einer Predigt über das zweite Buch Mose 22,17) Ob der Mann, der dieser Welt durch seine Ansichten riesige Veränderungen beschert hat, mit seiner Meinung, zurückgehend auf seine eigene Bibelübersetzung „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen.“ (Exodus 22,17) nur Opfer eines voranschreitenden Prozesses gesellschaftlicher, sozialer, technischer, wirtschaftlicher und weiterer Entwicklungen war oder einfach nur von blutrünstigen Mordgelüsten getrieben wurde, soll auf den folgenden Seiten geklärt werden.
Zuerst einmal muss das Thema „Hexenverfolgung“ präzisiert werden. Im nachfolgenden Text beziehen sich alle Aussagen und Angaben auf die „stärkste Welle“ der Hexenverfolgung die es in der Geschichte bisher gab. Im europäischen Raum, besonders im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, fand eine ebenso intensive, wie auch brutale Hexenverfolgung statt, deren Höhepunkt circa auf den Zeitraum von 1550 bis 1650 datiert wird. Doch wie kam es zu der Ausbreitung des Massenmords an unzähligen Frauen und, besonders in den skandinavischen Ländern, Männern? Wie kam es, dass diese Gräueltaten sich so rasant und intensiv über ganz Europa ausbreiteten? War die „Modernisierung“ Ursprung und Ursache dieser Bewegung? Gab es andere Faktoren, die das „Feuer“ noch stärker entfachten?
Zuerst sei genannt, dass es Ende des 15. Jahrhunderts eine Erfindung vom „Man of he Millenium“ beziehungsweise eine Revolutionierung des Arbeitsprozesses, im Buchdruck gab. Gutenberg hatte sicher (unwissentlich) seinen Beitrag zur Verstärkung der Hexenverfolgung geleistet. Flugschriften und Publikationen über die „neuen Ketzer“ wurden somit in rasanter Geschwindigkeit verbreitet. Diese Art neuen Mediums besaß eine nie zuvor dagewesene Macht bezüglich der Beeinflussung der Bevölkerung. Es konnten zum Beispiel die „Hexenbulle“ um 1484 und der zwei Jahre später auf eben dieser beruhende „Hexenhammer“ gefertigt und in hohem Maße reproduziert werden. Beide Skripte, von Heinrich Kramer entworfen und vom Papst Innozenz VIII abgesegnet, waren Teil des auch von der Kirche getragenen Plans der Vernichtung von Hexen und Zauberern. Innozenz VIII hatte durch die Unterzeichnung der oben genannten Dokumente die Orientierung der katholischen Kirche bezüglich der Fragestellung zu Hexen und Zauberern klar definiert, jedoch sei erwähnt, dass die circa drei Millionen Menschen, welche in den Jahren der Frühen Neuzeit bei den Hexenverfolgungen um kamen, nicht nur, beziehungsweise nicht hauptsächlich, durch die Urteile der katholischen Kirche gerichtet wurden. Im konträren Lager wurde nämlich nicht weniger zimperlich mit besagten Menschen umgegangen. Wie im Eingangszitat dargestellt, war Luther, welcher an dieser Stelle stellvertretend für die evangelische Kirche stehen soll, selbst der Überzeugung, dass Menschen nicht nur mit dem Teufel verkehren könnten, sondern auch noch zu anderen Dingen aufgrund magischer Kräfte im Stande wären und, wie von ihm persönlich übersetzt, die Bibel dazu aufruft, diese Menschen nicht am Leben zu lassen. Besonders traf es im mitteleuropäischen Raum Frauen, unter anderem auch deshalb, weil sie in protestantischen Regionen als „schwaches Geschlecht“ als „besonders anfällig“ für den Teufel und dessen Buhlen galten. Die Menschen stellten sich vor, dass der Teufel den Frauen die Seelen nehmen würde und dann versuchen würde, mittels dieser Frauen, Männer zu verführen. Deshalb war die Panik und Aufregung, in der Literatur oft auch als „Wahn“ oder „Hexenwahn“ bezeichnet, auch sehr stark. Es ist also unter anderem davon auszugehen, dass die „Reformation“ eine der Hauptursachen für die Morde und die Epoche der Verfolgung darstellt. Wie weit nun die Reformation als Folge der „Modernisierung“ zu sehen ist, wäre schwer einzuschätzen. Es gibt sowohl viele, meiner Meinung nach mehr, Gründe, die dafür sprechen, als auch Gründe, welche die „Reformation“ nicht als Folge der „Modernisierung“, sondern eher als „Einzelleistung Luthers gegen den Betrug und das Geschäftemachen der katholischen Kirche“ belegen. Meiner Meinung nach ist die „Reformation“ schon als Folge der „Modernisierung“ zu sehen, da es nicht nur um einen Menschen ging. Luther hat den „Nerv der Zeit“ getroffen und ist, neben heftigem Widerstand, auch auf viel Zuspruch getroffen. Dies zeigt, dass sich die Einstellung und die Mentalität der Menschen, verglichen mit der Zeit des Mittelalters, veränderte und weiterentwickelte.
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- Robert Schich (Author), 2010, Hexenverfolgung als Phänomen der Modernisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147773