„Wen got mit einem reinen, zuchtigen vnd schonen weibe begabet, die gabe heisset gabe vnd ist ein gabe vor aller irdischer auswendiger gabe. O aller gewaltigister himelgrave, wie wol ist dem geschehen, den du mit einem reinen, vnuermeiligten gaten hast begatet!“
So schreibt der Dichter Johannes von Tepl über das Glück des verheirateten Mannes. Die Eheauffassung im Mittelalter, der Ehediskurs in der mittelalterlichen Literatur und schließlich das Ehebild im „Ackermann aus Böhmen“ sollen Thema dieser Arbeit sein.
Der Aufbau und Inhalt der Arbeit sind mit der Einsicht entstanden, dass ohne ein Verständnis der geistigen, theologischen und philosophischen Grundlagen der Eheauffassung der stadtbürgerliche Ehediskurse unzugänglich bleiben würde. Wichtig erscheint ebenso, die sozialökonomischen Veränderungen im Mittelalter zu beschreiben und die Entwicklung der bürgerlichen Ethik zu veranschaulichen. Des Weiteren werden die Elemente von Liebes- und Ehediskurs im „Ackermann“ zu untersuchen sein.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die biblische Eheauffassung
3. Die Rolle der Frau in der Ehe
4. Der Wandel im Mittelalter
5. Der Ehediskurs in der spätmittelalterlichen Literatur
6. Ehediskurs im „Ackermann aus Böhmen“
7. Schlussbemerkung
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wen got mit einem reinen, zuchtigen vnd schonen weibe begabet, die gabe heisset gabe vnd ist ein gabe vor aller irdischer auswendiger gabe. O aller gewaltigister himelgrave, wie wol ist dem geschehen, den du mit einem reinen, vnuermeiligten gaten hast begatet!“[1]
So schreibt der Dichter Johannes von Tepl über das Glück des verheirateten Mannes. Die Eheauffassung im Mittelalter, der Ehediskurs in der mittelalterlichen Literatur und schließlich das Ehebild im „Ackermann aus Böhmen“ sollen Thema dieser Arbeit sein.
Der Aufbau und Inhalt der Arbeit sind mit der Einsicht entstanden, dass ohne ein Verständnis der geistigen, theologischen und philosophischen Grundlagen der Eheauffassung der stadtbürgerliche Ehediskurse unzugänglich bleiben würde. Wichtig erscheint ebenso, die sozialökonomischen Veränderungen im Mittelalter zu beschreiben und die Entwicklung der bürgerlichen Ethik zu veranschaulichen. Des Weiteren werden die Elemente von Liebes- und Ehediskurs im „Ackermann“ zu untersuchen sein.
2. Die biblische Eheauffassung
Das Verständnis der Ehe und was eine solche ausmachen soll, beruht in der christlichen Kultur des Mittelalters vor allem auf den Inhalten der Bibel und deren Kommentierung in Patristik und Scholastik. Die christliche Eheauffassung fußt im Mittelalter auf den einschlägigen Textstellen der Bibel.[2] In der Genesis[3] und den Evangelien[4] wird die Ehe als wichtiger Bestandteil des Schöpfungsvorgangs beschrieben. Die Unwiderrufbarkeit der Ehe wird durch die Formel der Vereinigung der beiden Geschlechter zu „einem Fleisch“ konstatiert[5] ; dem Apostel Paulus[6] zufolge ist die Funktion der Ehe primär die Vermeidung von sexuellen Ausschweifungen.[7] Der Apostel Paulus vertritt keinesfalls die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern stellt in der Tradition der Genesis[8] den Mann eine Stufe über die Frau.[9] In den Schriften des Paulus fordert dieser zum Schweigen[10] auf und befiehlt der Frau die Unterordnung[11] unter das männliche Geschlecht auf. Seine Thesen bereiten den Boden für stark konservative und frauenfeindliche Tendenzen. So war es den Frauen im Mittelalter nicht erlaubt, eine Predigt zu halten oder ein Kirchenamt inne zu haben.[12] In der Patristik, der Theologie der Zeit der Kirchenväter werden die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe bekräftigt.[13] Dem Kirchenlehrer Augustinus[14] wird folgende Ehelehre in Anlehnung an die des Apostel Paulus zugeschrieben.[15] Die Ehe sei ein Gut, aber ein verdorbenes.[16] Jene Aussage resultiere aus dem Zwiespalt zwischen gottgegebener Fruchtbarkeit und menschlicher Begierde.[17] In seiner Lehre empfiehlt Augustinus den Frauen ein asketisches Leben.[18] Augustinus spricht von der Konkupiszenz, die die naturgegebene Neigung des Menschen zu Sünde und Begierde beschreibt und als Resultat des Sündenfalls den Geist und Glauben des Menschen ausschalte.[19] Laut christlichem Glauben müsse die sexuelle Lust zum Zweck der Nachwuchszeugung in der Ehe geduldet werden[20] ; doch die Sexualität sei an sich sündhaft und nur durch das Sakrament der Ehe legitimiert.[21] Nach der Lehre des Augustinus ist jede Ehe mit praktizierter Sexualität durch Sündhaftigkeit beschmutzt, die Erbsündenlehre[22] überträgt dies auch an die späteren Nachkommen.[23] Auf der Lehre der Patristik und des Augustinus fußt die philosophische Epoche der Scholastik.[24] In der frühen Phase der Scholastik lag das Hauptaugenmerk auf der Sakramentalität der Ehe, die aus der priesterlichen Einsegnung bei der Hochzeit resultiert.[25] Den Ursprung der Ehegemeinschaft sieht das Christentum im Paradies, ihre Unantastbarkeit wird von dem Werk Jesus Christi abgeleitet.[26] Die dualistische Einheit der Schöpfungsordnung zum einen und der Erlösungsordnung zum anderen werden in den Gütern der Ehe Nachkommenschaft, Glaube und Sakrament versinnbildlicht.[27] Erst die sexuelle Vereinigung in der Hochzeitsnacht zementiert nach christlichem Glauben die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, erst dann sei die Ehe als Sakrament bestätigt.[28] Die Frühscholastiker benannten die Ehe als Sakrament, die folgenden Hochscholastiker erweiterten die Theologie der Ehe um das Element der Gnadenwirksamkeit.[29] Thomas von Aquin[30] ergriff die Initiative und bestätigte die Ehe zwischen Mann und Frau als gnadenvermittelndes Heilszeichen beim Konzil von Lyon 1274.[31] Die Scholastik war stark beeinflusst durch die Lehren des Augustinus hauptsächlich in Fragen der Bewertung der Sexualität in der Ehe. Aquin verachtete die Begierde beim Geschlechtsverkehr und jede lustvolle Sexualität.[32] Mit Abaelardus[33] wendet sich zum ersten Mal ein Vertreter der Scholastik zumindest teilweise gegen die Verteufelung der Lust, weil dadurch Gott selbst angegriffen werde, erschuf er doch mit dem Menschen auch dessen Lustempfinden.[34] Albertus Magnus[35] teilte zu großen Teilen die Ansichten des Augustinus, er räumt die Möglichkeit der Lust an Sexualität beim ehelichen Beischlaf zwar ein, doch zugleich verdammt er die Lust des Menschen als Ablenkung des Menschen vom Göttlichen.[36] Der bereits erwähnte Thomas von Aquin beruft sich auf Aristoteles und betrachtet die Ehe in einem naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Der Zweck und das Ziel der Ehe sei die Fortpflanzung und die Erziehung der Kinder, Liebe zum Ehepartner könne der Mensch nur beim Sexualakt empfinden.[37] Beide Eheleute beschreibt Thomas von Aquin als Teile einer Gemeinschaft.[38] Die Ehefrau sei verantwortlich für die christliche Erziehung der Kinder und die Instandhaltung des Haushalts, der Ehemann hingegen ist das Familienoberhaupt und der Ernährer.[39] Die Jungfräulichkeit der Frau galt weiterhin als Idealzustand und die Ehe sah man als pragmatische Kompromisslösung für die menschliche Zügellosigkeit.[40]
Ledige Frauen und Witwen galten als gottgefällig. Die Kirche wollte das Potential reicher Edelfrauen ausschöpfen, die als Nonnen den Klöstern Finanzmittel zukommen ließen.[41]
3. Die Rolle der Frau in der Ehe
Die Frauen aller Stände wurden im Alter von 12 bis 16 Jahren verheiratet. Schon in der Trauformel wurde festgelegt, dass die Frau ihrem Ehemann untertan sein sollte. Der Ehegatte hatte die Vormundschaft über seine Frau inne, was besonders für Rechtsangelegenheiten wichtig war.[42] Das alleinige Nutzungsrecht des ehelichen Vermögens oblag dem Mann.[43] Außerdem besaß der Ehemann das Recht, seine Frau zu verstoßen und mit Gewalt zu züchtigen. Eine weitere Option für die adligen Frauen war neben der Ehe auch der Gang ins Kloster, als Kammerjungfer oder zu anderen Diensten an einem Hof zu leben.[44] Für Städterinnen gab es die Möglichkeit, als Handwerkerin, Schankmagd oder Dienstbotin ihren Lebensunterhalt zu sichern. Nur ganz Wenigen war es vergönnt, als "wissende Frau", als Hebamme oder "Ärztin" zu arbeiten.[45]
In der adeligen Gesellschaft galt die Ehe als Mittel der Macht- und Bündnispolitik, um mächtige und vermögende Familien aneinander zu binden. So waren Kinderverlöbnisse und Ehen zwischen Partnern mit großem Altersunterschied nicht selten. Aus Liebe wurde fast nie geheiratet. Wichtig war, dass die Verbindung standesgemäß ausfiel.[46] Sollte eine Frau einen Mann aus einer niederen Schicht heiraten, musste sie sich von nun an mit der Stellung ihres Gatten begnügen.
[...]
[1] Tepl, Johannes von: Der Ackermann aus Böhmen. Stuttgart 2000. 9. Kapitel.
[2] Vgl. Knoch, Wendelin. In: Ehe, in: Lexikon des Mittelalters, 3. Band, Hrsg. Robert-Henri Bautier, München, Zürich 1986. S. 1616 – 1618.
[3] Vgl. 1. Buch Mose 1, 27 und 2, 18 – 24.
[4] Vgl. Matthäus-Evangelium 19, 1 – 12; Markus-Evangelium 10, 1 – 11.
[5] Vgl. hierzu auch Lukas-Evangelium 16, 18.
[6] Vgl. 1. Korinther-Brief 7, 2.
[7] Vgl. Angenendt, Arnold, S. 269 f., in: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 2009.
[8] Vgl. 1. Buch Mose 2, 22.
[9] Vgl. 1. Korinther-Brief 11, 7 – 9.
[10] Vgl. 1. Korinther-Brief 14, 33b – 36.
[11] Vgl. 1. Timotheus-Brief 2, 12 –15.
[12] Vgl. Angenendt, S. 262.
[13] Vgl. Otis-Cour. S.64.
[14] Augustinus von Hippo, (13. November 354 - 28. August 430), war einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer und wichtiger Philosoph zwischen Antike und Mittelalter. Er war zunächst Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand. Von 395 an bis zu seinem Tod 430 war er Bischof von Hippo Regius.
[15] Uitz, Erika: Die Frau im Mittelalter. Wien 2003. S. 158.
[16] Vgl. Angenendt, S. 280.
[17] Otis-Cour, Leah; Lust und Liebe. Geschichte der Paarbeziehungen im Mittelalter. Frankfurt am Main 2000. S. 55.
[18] Vgl. Uitz, S. 159.
[19] Vgl. Angenendt, S. 281.
[20] Ebenda.
[21] Vgl. Klapisch-Zuber,S. 323.
[22] Vgl. Uitz. S. 158.
[23] Vgl. Angenendt, S. 281.
[24] Vgl. Störig, Hans Joachim, S. 233, in: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, 17. Auflage, Frankfurt 2006.
[25] Klapisch-Zuber, S. 320.
[26] Ebenda.
[27] Ebenda.
[28] Ebenda.
[29] Vgl. Knoch, S. 1618.
[30] Thomas von Aquin ( um 1225 - 7. März 1274 ) gilt als einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Er war Dominikaner und einer der bedeutendsten katholischen Kirchenlehrern. Er war ein Hauptvertreter der Philosophie des hohen Mittelalters, d. h. der Scholastik.
[31] Vgl. Knoch, S. 1618.
[32] Vgl. Angenendt, S. 282.
[33] Petrus Abaelardus ( 1079 - 21. April 1142) war ein umstrittener und streitbarer französischer Philosoph und bedeutender Vertreter der Frühscholastik.
[34] Vgl. Angenendt, S. 282.
[35] Vgl. Otis-Cour. S.107.
[36] Vgl. Klapisch-Zuber,S. 324.
[37] Ebenda.S. 329.
[38] Vgl. Dallapiazza, S. 9.
[39] Ebenda.
[40] Ebenda.
[41] Vgl. Klapisch-Zuber, S. 319.
[42] Vgl. Uitz, S. 106.
[43] Vgl. Klapisch-Zuber, S.318.
[44] Klapisch-Zuber, Christina: Die Frau und die Familie. In: Der Mensch des Mittelalters. Frankfurt am Main 1996. S. 313.
[45] Ebenda.
[46] Ebenda, S. 107.
- Citation du texte
- Julia Grubitzch (Auteur), 2009, Das Ehebild im Mittelalter am Beispiel des „Ackermann aus Böhmen“ von Johannes von Tepl , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147668
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