Die gegenwärtige „exakte Wissenschaft“ der Theologie steht der Glaubenserfahrung kritisch gegenüber. Kann es deshalb eine exakte Wissenschaft der Theologie im Sinne der Naturwissenschaften geben, oder begeben wir hier uns nicht vielmehr auf dünnem Eis? Diesem Auseinanderklaffen von Theologie und Spiritualität, welches seit dem 12. Jahrhundert angesetzt hat, entgegenzuwirken, war eines der Hauptanliegen Hans Urs von Balthasars. Die „tragische Diastase zu überwinden zwischen einer Wissenschaft von den göttlichen Dingen, die immer mehr um die Kritik der eigenen Begriffe und die strukturierte Organisation der Glaubenswahrheiten in ein kohärentes System bemüht war, und einer Spiritualität, die in Reaktion gegen die vollkommene Rationalisierung der Theologie ihrer Aufmerksamkeit vor allem auf das Gesamt der Probleme konzentrierte, die sich aus der Entwicklung des geistlichen Lebens ergeben“ , so schreibt Jacques Servais in seinem Artikel „Weisheit, Wissen und Freude“. Das Eine schliesst das Andere nicht aus, aber es besteht die Gefahr dass „damit ein „Christus des Glaubens“ gegen einen „historischen Jesus“ ausgespielt wird. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht, dass die Heilige Schrift, aber auch alle ausserbiblische Glaubensrede Gotteswort im Menschenwort sei . Die Offenbarung setzt den Glauben voraus, denn ohne Glauben kann der Mensch nicht in die Tiefe der Offenbarung dringen, kann auf das angesprochen werden von Gott nicht antworten. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Aufbau Herrlichkeit I – Schau der Gestalt
2.1. Die Bedeutung der „Gestalt“ in Herrlichkeit
3. Glaubenserfahrung in vier neutestamentlichen Gestalten
3.1. Die Gestalt Petrus
3.2. Der Apostel Paulus
3.3 Der Lieblingsjünger Johannes
3.4. Die Mutter Maria
4. Schluss
Noch ein Nachtrag:
5. Bibliographie
„Die Ros ist ohn warum;
Sie blühet weil sie blühet,
sie acht nicht ihrer selbst,
fragt nicht ob man sie siehet.“[1]
1. Einführung
Die gegenwärtige „exakte Wissenschaft“ der Theologie steht der Glaubenserfahrung kritisch gegenüber. Kann es deshalb eine exakte Wissenschaft der Theologie im Sinne der Naturwissenschaften geben, oder begeben wir hier uns nicht vielmehr auf dünnem Eis? Diesem Auseinanderklaffen von Theologie und Spiritualität, welches seit dem 12. Jahrhundert angesetzt hat, entgegenzuwirken, war eines der Hauptanliegen Hans Urs von Balthasars. Die „tragische Diastase zu überwinden zwischen einer Wissenschaft von den göttlichen Dingen, die immer mehr um die Kritik der eigenen Begriffe und die strukturierte Organisation der Glaubenswahrheiten in ein kohärentes System bemüht war, und einer Spiritualität, die in Reaktion gegen die vollkommene Rationalisierung der Theologie ihrer Aufmerksamkeit vor allem auf das Gesamt der Probleme konzentrierte, die sich aus der Entwicklung des geistlichen Lebens ergeben“[2], so schreibt Jacques Servais in seinem Artikel „Weisheit, Wissen und Freude“. Das Eine schliesst das Andere nicht aus, aber es besteht die Gefahr dass „damit ein „Christus des Glaubens“ gegen einen „historischen Jesus“ ausgespielt wird.[3] Das Zweite Vatikanische Konzil spricht, dass die Heilige Schrift, aber auch alle ausserbiblische Glaubensrede Gotteswort im Menschenwort sei[4]. Die Offenbarung setzt den Glauben voraus, denn ohne Glauben kann der Mensch nicht in die Tiefe der Offenbarung dringen, kann auf das angesprochen werden von Gott nicht antworten. In diese Richtung geht auch der oben zitierte Vers von Angelus Silesius. Um was geht es dabei? Nicht das Wesen der „Rose an sich“ steht hier im Mittelpunkt, sondern die Kritik an den gewöhnlichen Zugang zu den Dingen in unserer Welt. Keine hochgezüchtete Edelrose, wie sie heute fast in jedem Garten stehen, steht hier im Blick, sondern nur eine einfache, schöne und blühende Heckenrose. Wer nämlich einer einfachen Heckenrose in ihrer ganzen, unauffälligen Schönheit begegnet, der spürt, dass er hier nicht nach den „Ursachen“, nennen wir es „Phänomens“, fragen darf. Dieses uns Begegnende birgt seinen Grund in sich, besser noch: es ist von einem Grunde her gehalten, an den kein Fragen heranreicht. So könnten wir die beiden ersten Verse interpretieren. Einen Schritt weiter gehen die beiden letzten. Weil dass wahrhaft Schöne in ihrer exemplarischen Identität mit seinem Grunde ruht, braucht es sich auch nicht um seine individuelle Identität zu sorgen. Die Rose braucht sich vor keinen Spiegel zu stellen, um sich dann über die Anerkennung anderer ihrer Schönheit zu vergewissern. Auch wenn ich sie übersehe oder in einem oberflächlichen Hinblick an ihr vorbeigehe, bleibt ihre Schönheit unangefochten. Wer ist diese unsere Begegnung im Glauben? Was ist das für eine Kraft, die uns berührt und uns aus unserer Starrheit, von theoretischen Denkkonstrukten herausschleudert? Hans Urs von Balthasar kommt in seinem Zweiten Band/1 der „Theodramatik“ auf die soeben interpretierten Verse zu sprechen: „Sie, die kostbare Gestalt, verweist bis in den nicht hinterfragbaren Grund, in den Grund also, der sich in der Gestalt nicht nur verbirgt, sondern im Verborgensein zugleich offenbart“.[5] Es ist eine Person, die Figur oder die Gestalt Jesus von Nazareth[6]. Um diese zweite Hypostase der göttlichen Dreieinigkeit zu verstehen, müssen wir vorher zum Begriff „Gehorsam“ zurückkehren. Gehorsam ist ein immer wieder kehrender Begriff, nicht nur im ganzen Werk Balthasars, sondern auch in seinem Leben feststellbar. Der Gehorsamsakt ist der fulminante Punkt der Kenose der sich in Herrlichkeit und Liebe manifestiert. Denn „der Vater ist der Sendende, der im Sendungsakt die gesamte Existenz Jesu auf Erden begründet, verantwortet und begleitet“.[7] Das Gehorsamsverständnis übernimmt Balthasar von seiner inständigen und lebenslangen Verbundenheit zu Ignatius von Loyola.[8] In diesem Gehorsam wird Jesu Mission konkret, welche die Mission seines Vaters ist. Darin erkennen wir die Fortsetzung des Heilsplanes Gottes. Die theologische Dramatik beginnt, er gehorcht (gleichzusetzen mit dem Kadavergehorsam!) Gott und niemand anders (vgl. Versuchung der Wüste durch den Satan).
[...]
[1] Cher. W. nr. 289, Ohne Warum.
[2] J. Servais, Weisheit, Wissen und Freude. Zur Überwindung einer verhängnisvollen Diastase, in: M. Striet/J.-H. Tück (Hg.) Die Kunst Gottes verstehen, 2005, 320-348, hier 320.
[3] Hans Urs von Balthasar, Herrlichkeit I, 167.
[4] Vgl. hierzu die Dogmatische Konstitution Dei Verbum.
[5] TD, 20f.
[6] Vgl. Eph 1,9: „…und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat“.
[7] TD, 140.
[8] Sein langjähriger Freud Balthasar Jacques Servais behandelt dieses Thema sehr ausführlich in seinem Aufsatz Théologie des Exercies spirituel. Im ersten Teil des Aufsatzes behandelt Servais die Rolle Ignatius im Leben Hans Urs von Balthasar. Im Mittelpunkt steht der Satz der ignatianischen Exerzitien, dass der Mensch erschaffen sei Gott zu loben und ihm zu dienen und so seine Seele zu retten. Der ignatianische Mensch sei ein Mensch, der sein Heil will indem er den Willen Gottes erfüllt. Im Dasein und Sosein, welches umgeben ist von der potentia oboedentialis und der Analogie electionis.
- Citation du texte
- lic.theol. Daniel M. Bühlmann (Auteur), 2007, Die Bedeutung der Glaubenserfahrung in Hans Urs von Balthasar, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147617
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