Die Hausarbeit befasst sich mit der Sprechakttheorie John Langshaw Austins unter dem Gesichtspunkt, ob dieser die Unterscheidung zwischen performativen und konstativen Äußerungen zurecht zusammenbrechen lässt. Austin verwies als erster darauf, dass Sprechen unter bestimmten Bedingungen zugleich Handeln bedeuten kann. Er explizierte dies in seinem Hauptwerk: „How to do things with words“, indem er zunächst zwischen konstativen Äußerungen, welche wahr oder falsch sein können und performativen Äußerungen, Handlungen, die gelingen oder misslingen können, unterschied.
Im Laufe seiner Untersuchung stellte Austin jedoch fest, dass sich diese Unterteilung nicht aufrecht erhalten ließ, stattdessen unterschied er fortan bei jeder menschlichen Äußerung drei simultan ablaufende Sprechakte: die Lokution, die Illokution und die Perlokution.
Diese Arbeit stellt die erste Unterteilung Austins seiner zweiten gegenüber. Die zentrale Frage dabei lautet:
Warum lässt sich die ursprüngliche Unterteilung nicht aufrecht erhalten?
Austins Arbeit wird zunächst in einen zeitgeschichtlichen Kontext gestellt. Dieser erste Teil wird allerdings relativ knapp abgehandelt, zugunsten des Hauptteils. In diesem werden sowohl beide Modelle Austins ausführlich vorgestellt, als auch die Gründe die zum Zusammenbruch der Theorie von den Performativa führten. Im Anschluss wird als Gegenthese Sybille Krämers Modell vorgestellt und diskutiert.
Dabei wird besonders interessieren, warum Austin, die erste Unterteilung überhaupt in die Theorie der Sprechakte aufnahm, wenn er sie anschließend doch zusammenbrechen lässt. Abschließend soll die Frage geklärt werden, ob Austins inszenierter Zusammenbruch notwendig war, außerdem wird der Überlegung nachgegangen, ob die neuere Darstellung „auch als ein Verlust interpretierbar ist(...)“.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Zeitlicher Kontext
2.1 Sprachwissenschaft im 20. Jh
2.1.1 Linguistik Turn
2.1.2 Ordinary Language Philosophy
3 Die Sprechakttheorie
3.1 Die Form der Schrift
3.2 Konstativa und Performativa
3.2.1 Die überholte Theorie
3.2.2 Die Ausgangsüberlegungen
3.3 Lokutionen, Illokutionen und Perlokutionen
3.4 Der Zusammenbruch
3.5 Die Antithese – Es handelt sich um zwei verschiedene Phänomene
3.5.1 Kritik an der Antithese
3.6 Warum nahm Austin die Theorie von den Performativa in die Schrift auf?
4 Fazit – was bleibt vom Performativa?
1 Einleitung
Die folgende Hausarbeit befasst sich mit der Sprechakttheorie des Sprachphilosophen John Langshaw Austin unter dem Gesichtspunkt, ob die Theorie von den Performativa wirklich zum Zusammenbruch verdammt war. Austin verwies als erster darauf, dass Sprechen unter bestimmten Bedingungen zugleich Handeln bedeuten kann. Er explizierte dies in seinem Hauptwerk: „How to do things with words“, indem er zunächst von einer polaren Zweiteilung von Äußerungstypen ausging. Auf der einen Seite benannte er die konstativen Äußerungen, welche wahr oder falsch sein können und auf der anderen Seite die performativen, Handlungen, die gelingen oder misslingen.[1]
Im Laufe seiner Untersuchung stellte Austin jedoch fest, dass sich diese Unterteilung nicht aufrecht erhalten ließ, stattdessen unterschied er fortan bei jeder menschlichen Äußerung drei simultan ablaufende Sprechakte: die Lokution, die Illokution und die Perlokution.
Austin meinte, dass bisher nur die Lokution, der Inhalt und die Bedeutung einer Äußerung, und die Perlokution, die intendierte Wirkung einer Sprechhandlung, von Philosophen und Sprachwissenschaftlern untersucht worden seien, nicht jedoch die Illokution[2]. Die Illokution legt die Rolle der Äußerung fest, verdeutlicht somit, wie die Lokution zu verwenden ist.
Diese wissenschaftliche Arbeit stellt im folgendem die erste Unterteilung Austins seiner zweiten gegenüber. Die zentrale Frage bei dieser Analyse wird lauten:
Warum lässt sich die ursprüngliche, dichotome Unterteilung nicht aufrecht erhalten?
Um methodisch sorgfältig vorzugehen, wird Austins Arbeit zunächst in einen zeitgeschichtlichen Kontext gestellt. Dieser erste Teil wird allerdings relativ knapp abgehandelt, zugunsten des Hauptteils. In diesem werden sowohl beide Modelle Austins ausführlich vorgestellt ,als auch die Gründe die zum Zusammenbruch der Theorie von den Performativa führten[3]. Im Anschluss wird als Antithese, dass man die erste Unterteilung möglicherweise doch hätte aufrecht erhalten können, Sybille Krämers Modell vorgestellt und diskutiert[4]. Dabei wird ebenfalls nach dem Zweck gefragt, den der Sprachphilosoph verfolgte, indem er die erste Unterteilung in die Theorie der Sprechakte aufnahm, um sie anschließend zusammenbrechen zu lassen. Abschließend soll die Frage geklärt werden, ob Austins inszenierter Zusammenbruch notwendig war, außerdem wird der Überlegung nachgegangen, ob die neuere Darstellung „auch als ein Verlust interpretierbar ist(...)“[5].
2 Zeitlicher Kontext
Die Philosophen des antiken Griechenlands beschäftigten sich mit dem Phänomen der Sprache zunächst unter dem Gesichtspunkt, ob Wörter und die entsprechenden Dinge in der realen Welt eine natürliche oder Gottgegebene Übereinstimmung inne hatten, oder ob diese Übereinstimmung lediglich auf menschliche Konvention zurückzuführen ist. Kurz, ob Worte wahr, oder von den Menschen verfälscht seien.
Dabei war es Aristoteles, der darauf hinwies, das „wahr und falsch“ im strikten Sinne nicht ein einzelnes Wort sein könne, sondern lediglich ein vollständiger Satz, genauer gesagt eine Aussage. Durch diese These verfestigte sich jedoch die dogmatische Annahme, diese Aussagen seien der einzige Typ menschlicher Lautäußerung, der einer philosophischen Erörterung wert sei, alle anderen seien zu vernachlässigen.[6]
Dieses Dogma, das nur eines der aristotelischen ist, das die Jahrtausende überdauerte, kam erst circa 2300 Jahre später, eben durch jenen John L. Austin zu Fall. Ein Grund für den langen Fortbestand dieses Irrtums war der Zeitpunkt, an dem Aristoteles in der Geschichte menschlicher Denker steht. Er war der letzte Philosoph in einer Reihe kreativer Denker des alten Athens. Nach ihm folgte für fast 2000 Jahre kein annähernd vergleichbarer. Was schließlich dazu führte, dass seine Lehren am Ende des Mittelalters, nachdem sie, von islamischen Gelehrten bewahrt und schließlich christianisiert worden waren, einen dogmatischen Charakter besaßen, der fast an die Lehren der Bibel heranreichte.
Erst mit der sogenannten kopernikanischen Wende, die einsetzte, als es dem Astronom Kopernikus gelang nachzuweisen, dass die Erde nicht im Mittelpunkt des Universums steht, brachen die Dogmen der sogenannten Scholastik[7] auf und eine neue Periode kreativer Denker setzte ein. Bertrand Russel schrieb dazu: „Seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts musste unweigerlich fast jeder ernsthafte geistige Fortschritt mit einem Angriff auf eine aristotelischen Doktrin einsetzen; in der Logik verhält es sich noch heute so.“[8]
2.1 Sprachwissenschaft im 20. Jh.
2.1.1 Linguistik Turn
Es blieb Wilhelm von Humboldt vorbehalten in seiner Schrift: „Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ der Sprachreflexion eine vollkommen neue Richtung zu geben[9]. Seine Feststellung, dass „(...) das Sprechen eine nothwendige Bedingung des Denken des Einzelnen (...)“ ist und jede Sprache zugleich „eine eigenthümliche Weltansicht“ darstellt, führten zu der Entwicklung[10], die heute in der Philosophie als „linguistic turn“ bezeichnet wird. Erst dieser „linguistic turn“ ermöglichte die Entwicklung der Sprachwissenschaft als eigenständige Wissenschaft, die Sprache in ihren verschiedenen Dimensionen untersucht. Warum?
[...]
[1] John L. Austin: How to do things with words; Oxford; 1962; (Übersetzung: „Zur Theorie der Sprechakte“; 1972; Stuttgart. [Im folgenden: Austin:„Theorie der Sprechakte“ DB]).
[2] Austin: „Theorie der Sprechakte“; S. 120.
[3] Es gibt für diesen Äußerungstyp anscheinend keine einheitliche Bezeichnung, Austin selbst sprach zumeist von performatorischen und später von performativen Äußerungen. In der Sekundärliteratur hingegen ist häufig von Perfomativa oder Performativen die Rede. [DB].
[4] Sibylle Krämer: „John L. Austin – Performative und konstatierende Äußerungen: Warum lässt Austin diese Unterscheidung zusammenbrechen?“; in „Sprache, Sprechakt, Kommunikation“; Frankfurt a.M.; 2001.
[5] Sibylle Krämer: „John L. Austin – Performative und konstatierende Äußerungen: Warum lässt Austin diese Unterscheidung zusammenbrechen?“; in „Sprache, Sprechakt, Kommunikation“; Frankfurt a.M.; 2001; S. 136.
[6] Aristoteles: „Categoriae et Liber de interpretatione“; Oxford; 1949. (Mir ist bewusst, dass dies nicht die original Ausgabe ist).
[7] Als Scholastik bezeichnet man in der Philosophie gemeinhin die Dogmatisierung der Platonischen, aber vor allem der Aristotelischen Lehre durch christliche Philosophen, wie etwa Augustinus, während des Mittelalters
[8] Bertrand Russel: „A History of Western Philosophy“; London; 1945; S.181.
[9] W. v. Humboldt: „Gesammelte Schriften (GS)“; Berlin; 1903 – 1936.
[10] W.v. Humboldt: „Gesammelte Schriften“; Band VII; S.55 / 60.
- Quote paper
- Daniel Brockmeier (Author), 2003, Performativa und Illokutionen - ein Ersetzungsverhältnis?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147524
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