Was Brechts Schaffen auf dem Gebiet der Liebeslyrik anbelangt, so gehen die Meinungen auseinander: „Doch eher um Nebenarbeiten“ handele es sich „gemessen an der inneren und äußeren Spannweite des Brechtschen lyrischen Schaffens“, so Mennemeier. Er habe aus diesem Thema „kein großes poetisches Engagement gemacht“, versuchte vielmehr, in seinen Gedichten „mit der Liebe „fertig“ zu werden.“
Marcel Reich-Ranicki macht Bertolt Brecht im Gegenzug zu „einem der großen Erotiker der deutschen Literatur“.
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung
2. Zusammenfassende Betrachtung ausgewählter Beispiele
der Liebeslyrik Brechts ab 1933
Sonett Nr. 19
Morgens und abends zu lesen
Liebeslied aus einer schlechten Zeit
Bidi in Peking
Liebeslieder
3. Detailliertere Analyse: Liebeslied I
4. Schlusswort
Literaturverzeichnis
1. Hinführung
Was Brechts Schaffen auf dem Gebiet der Liebeslyrik anbelangt, so gehen die Meinungen auseinander: „Doch eher um Nebenarbeiten“ handele es sich „gemessen an der inneren und äußeren Spannweite des Brechtschen lyrischen Schaffens“[1], so Mennemeier. Er habe aus diesem Thema „kein großes poetisches Engagement gemacht“, versuchte vielmehr, in seinen Gedichten „mit der Liebe „fertig“ zu werden.“[2]
Marcel Reich-Ranicki macht Bertolt Brecht im Gegenzug zu „einem der großen Erotiker der deutschen Literatur“.[3]
Unbestritten ist, dass Brechts liebes-lyrisches Schaffen recht unregelmäßig und grob in zwei Perioden erfolgte: Die frühen Augsburger Jahre, in denen die meisten und wohl auch bekanntesten Liebesgedichte erschienen und die späten Liebeslieder ab 1950, die in ihrem Tenor zum volkstümlichen Lied per se zurückfinden. In der Exilzeit bleibt Lyrik vor einem reinen liebesthematischen Hintergrund, der von einem poltisch-gesellschaftlichen Kontext völlig unberührt ist, eher die Ausnahme.
Es sind zunächst die hektischen roaring twenties, die im jungen Brecht eine „gesteigerte Begierde nach Lust, rücksichtslose Lebensgier, einen asozialen, amoralischen Vitalismus“[4] aufleben lassen. Getragen vom so genannten Baal’schen Weltbild, das Frauen nicht als Partner, sondern lediglich als Objekte des Mannes begreift, „der ihnen wie ein Jäger nachstellt“[5], in dem das „Geschlecht [...] die Lebenslust stillen“ sollte, kann die Liebe nicht „als caritas“ begriffen werden.[6]
In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen. – Brechts selbsternannte Scheu vor Verantwortung, sein „Wissen um die Vergänglichkeit und ihrer Wirkung, die durch bloße Sexualität als materialisierter Liebe nur gesteigert wird“[7] sind die tragenden Motive der Liebeslyrik seiner Augsburger Jahre.
So scheint die Liebe den Liebenden ein Halt schließt das Gedicht Die Liebenden. Die „Liebe ist sich selbst genug und hält die sie bindet“, wird aber „zugleich in das Licht des Unwirklichen (scheint) gestellt. So scheitert der Traum.“[8] Das Ideal Liebe wird zur Illusion.
Doch schon 1925 sind erste Tendenzen erkennbar, die auf eine Hinwendung vom Ich zu einer Ich-Du-Beziehung deuten lassen: Im Sonett Entdeckung an einer jungen Frau weicht die provokatorische Verherrlichung der Sexualität einer nachdenklicheren Haltung. – Das „plötzliche Bewusstwerden der Vergänglichkeit des Liebespartners facht die schon erloschene Sinnlichkeit des Mannes neu an“[9]. Reich-Ranicki spricht auch von der „Gier nach dem Leben“[10] das sich aus dem Bewusstwerden der eigenen Vergänglichkeit ergibt. Hier ist nicht mehr die Rede vom generalisierten Objekt Frau, beschrieben wird vielmehr die Eigenart und Eigenexistenz einer jungen Frau als geschätztes Individuum. Dieses neu erfahrene Ich-Du Verhältnis führt aus der Eingeengtheit der Vergänglichkeitsmotive und dem sexuellen Freibeutertum in Brechts Liebeslyrik.
„Die Einsicht, dass wechselseitiges Glück – und mag es noch so flüchtig sein – den Bezug zum eigenständigen Du voraussetzt, ist Brecht nicht wieder verlorengegangen.“[11]
Diese einsichtigeren, reflektierteren Gedichte ab 1933, in der die Liebe wieder vom Menschen Besitz ergreifen darf, sollen im Mittelpunkt der folgenden Abhandlung stehen.
2. Zusammenfassende Betrachtung ausgewählter Beispiele der Liebeslyrik Brechts ab 1933
Die späteren Liebesgedichte wenden sich also von der „anfangs so oft aufs Tapet gebrachten“[12] Thematik und Motivik ab und führen hin zu dem, „was mit wirklichen Liebesbeziehungen einhergeht“[13].
Beispielsweise kommt im Sonett Nr. 19 von 1939 der ehrliche Wunsch nach einer Dauer der Liebesbeziehung zur Geltung. Das Sonett „ringt zweifellos ernst um eine Realität, um den Zusammenhalt trotz Zwists“[14]. Die von Brecht gewählte Sonettform in seiner „handfesten Derbheit“ kultiviert hierbei die „derbe, aufrichtige, bewahrende Liebe“[15] und soll keineswegs parodistisch wirken. In der letzten Strophe wird ein weiterer tragender Aspekt angesprochen: Das Abhängigkeitsverhältnis der Partner innerhalb einer Liebesbeziehung, die Einsicht, zu brauchen und gebraucht zu werden:
Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei,
Ich aber brauche dich, wie’s immer sei
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.
Diese Einsicht kommt auch im bekannten Gedicht Morgens und abends zu lesen zum Tragen, das Bertolt Brecht 1937 für Ruth Berlau schrieb. Es geht hier um genau jene Verantwortung, gegen die sich der junge Brecht lange Zeit so konsequent zur Wehr gesetzt hatte und die er nun bereit ist, zu übernehmen. Das passiert in fast übertriebener, rührender Vorsichtigkeit, in der Überwindung des eigenen Egoismus:
Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte.
[...]
[1] Mennemeier, Franz Norbert: Bertolt Brechts Lyrik: Aspekte, Tendenzen. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel 1982. S. 61.
[2] Ebd.
[3] Reich-Ranicki, Marcel: Ungeheuer oben. Bertolt Brecht, die Lyrik und die Liebe. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 5 vom 6.1. 1996.
[4] Weber, Albrecht: Zu Liebesgedichten Bert Brechts. In: Interpretationen zur Lyrik Brechts. Beiträge eines Arbeitskreises. München: R. Oldenburg Verlag, 1976. S. 58.
[5] Völker, Klaus: Bertolt Brecht – Eine Biographie. München: Hanser 1976. S. 49.
[6] Weber 1976, S. 58.
[7] Ebd., S. 60.
[8] Ebd., S. 71.
[9] Mennemeier 1982, S. 65.
[10] Reich-Ranicki 1996.
[11] Misch, Manfred: Für Alle Liebeslagen. Zu Bertolt Brechts Gedichten über die Liebe. In: Hundert Jahre Brecht – Brechts Jahrhundert. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1998. S. 111.
[12] Ebd.
[13] Ebd.
[14] Weber 1976, S. 81.
[15] Ebd.
- Citation du texte
- Theresa Hotho (Auteur), 2008, Die Liebeslyrik Bertolt Brechts ab 1933, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147350
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