Wer, aus welchen Gründen auch immer, einmal Informationen zum Konzept des informellen Sektors recherchieren will, wird erstens nicht lange danach suchen müssen und zweitens zumindest nicht unbeeindruckt sein von der Fülle an Material, die zu diesem Thema verfügbar ist. Entsprechend groß ist auch die Bandbreite an Erklärungen, Deutungen und dem Umgang mit diesem, auch als Schattenwirtschaft oder Überlebensökonomie bezeichneten, Sektor. Der Begriff der Überlebensökonomie vermittelt dabei den Eindruck, dass wirtschaftlich informelles Handeln gerade die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken kann. In vielen Fällen mag das zutreffen, jedoch keineswegs immer. Genauso gibt es Menschen, die durch informelle Arbeit reich werden, oder andere, die besser leben können als mancher formelle Lohnarbeiter (ESCHER 1999, S.660). Während manche Autoren einerseits das Sektorenkonzept als hilfreich erachten, um soziale und wirtschaftliche Vorgänge in Entwicklungsländern zu verstehen, stellen andere dies gänzlich in Frage. Das ist umso brisanter, wenn man sich klar macht, welche gewichtige Rolle das Konzept des informellen Sektors in der Entwicklungspolitik spielt (SCHAMP 1989, S.12). Auf den folgenden Seiten dieser Arbeit sollen aus diesem Grund verschiedenste Verständnismöglichkeiten zum Begriff, zur Bedeutung und zum Umgang mit dem informellen Sektor, sowie dessen geschichtlicher Entwicklung vorgestellt werden. Dabei wird geklärt werden, wann und wie dieser Begriff überhaupt entstand und wie sich die aktuelle Debatte darstellt. Ob und welcher Erklärungsansatz dabei dominiert, welche Perspektive also die Debatte um diesen Sektor bestimmt, soll hier aufgezeigt werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Versuch einer Definition
3. Aufkommen eines neuen Begriffs
4. Das Problem der Abgrenzung
5. Vier Theorieansätze
5.1. Die Modernisierungs- und Dependenztheorien
5. 2. Das neoliberale Konzept
5. 3. Anthropologische Ansätze
5. 4. Weltsystemtheorien
6. Fallbeispiel Nairobi/Kenya
7. Ursachen der Informalität
8. Ein Konzept mit Zukunft?
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wer, aus welchen Gründen auch immer, einmal Informationen zum Konzept des informellen Sektors recherchieren will, wird erstens nicht lange danach suchen müssen und zweitens zumindest nicht unbeeindruckt sein von der Fülle an Material, die zu diesem Thema verfügbar ist. Entsprechend groß ist auch die Bandbreite an Erklärungen, Deutungen und dem Umgang mit diesem, auch als Schattenwirtschaft oder Überlebensökonomie bezeichneten, Sektor. Der Begriff der Überlebensökonomie vermittelt dabei den Eindruck, dass wirtschaftlich informelles Handeln gerade die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken kann. In vielen Fällen mag das zutreffen, jedoch keineswegs immer. Genauso gibt es Menschen, die durch informelle Arbeit reich werden, oder andere, die besser leben können als mancher formelle Lohnarbeiter (ESCHER 1999, S.660). Während manche Autoren einerseits das Sektorenkonzept als hilfreich erachten, um soziale und wirtschaftliche Vorgänge in Entwicklungsländern zu verstehen, stellen andere dies gänzlich in Frage. Das ist umso brisanter, wenn man sich klar macht, welche gewichtige Rolle das Konzept des informellen Sektors in der Entwicklungspolitik spielt (SCHAMP 1989, S.12). Auf den folgenden Seiten dieser Arbeit sollen aus diesem Grund verschiedenste Verständnismöglichkeiten zum Begriff, zur Bedeutung und zum Umgang mit dem informellen Sektor, sowie dessen geschichtlicher Entwicklung vorgestellt werden. Dabei wird geklärt werden, wann und wie dieser Begriff überhaupt entstand und wie sich die aktuelle Debatte darstellt. Ob und welcher Erklärungsansatz dabei dominiert, welche Perspektive also die Debatte um diesen Sektor bestimmt, soll hier aufgezeigt werden.
2. Versuch einer Definition
Wie schon bereits erwähnt, sind die möglichen Definitionen des informellen Sektors fast so zahlreich, wie die Autoren, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es lassen sich aber einige wesentliche Merkmale zusammentragen, die immer wieder in verschiedenen Publikationen zu diesem Thema eine Rolle spielen.
Als informell werden demnach Tätigkeiten bezeichnet, die der Lebenssicherung dienten, offiziell staatlich nicht erfasst seien und daher weder Arbeitsverträge, Besteuerung oder Arbeitsschutzbestimmungen aufwiesen. Die Qualifikationsvoraussetzung sei gering und würde nebenbei erworben (HOFMEIER/ MEHLER 2005, S.138- 139), (ZIMMERMANN et al. 1997, S.10). Oft zählt man auch das Errichten von Hütten am Stadtrand, in Form von informellen Siedlungen, oder auch die urbane Landwirtschaft zu diesem Begriff. Generell wird dabei häufig die unternehmerische Kreativität der Akteure betont (NUSCHELER, S.627).
Dabei ist zu bedenken, dass die meisten Eigenschaften des informellen Sektors negativ bestimmt sind. Die staatlich nicht erfasste Arbeit steht der formellen gegenüber (SCHAMP 1989, S.12). So wird zwar klar, was der informelle Sektor nicht ist. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern eine solche Begriffsbestimmung hilfreich sei kann.
Auffällig ist auch, dass Autoren, die zu diesem Thema schreiben, häufig ihrem Text eine Aufzählung verschiedenster Tätigkeiten voranstellen, die kaum etwas gemeinsam haben, außer dass sie allgemein dem informellen Sektor zugeordnet werden. Schon dadurch wird ersichtlich, wie heterogen dieser Sektor ist und dass sich aus diesem Grund eine allgemein gültige Definition nur schwerlich formulieren lässt. Zudem bleibt festzuhalten, dass es bis heute keine Maßeinheit zur quantitativen Bestimmung des Phänomens des informellen Sektors gibt. Eine statistische Erfassung ist auch gerade auf Grund des mobilen, ortsungebundenen Charakters vieler informeller Tätigkeiten schwierig. Das macht eine realistische Einschätzung der globalen Tragweite dieses Sektors sehr schwierig. Deswegen sind die geschätzten Werte auch recht weit gefasst und schwanken erheblich (ebd. S.17). Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden für Subsahara- Afrika kommen dabei auf einen Anteil von 33 bis 84 Prozent der städtischen Bevölkerung, die informell beschäftigt sind (SCHNEIDER 2001, S.5). So bleibt festzuhalten, dass mindestens ein Drittel (wahrscheinlich aber viel mehr) der Stadtbewohner nicht formell beschäftigt sind. Ein Grund für den hohen Anteil der Beschäftigten im informellen Sektor könnte sein, dass viele formell Beschäftigte nebenbei auch noch informell Geld verdienen. Mittlerweile weiß man, dass Informalität keineswegs nur im städtischen Milieu auftritt. Ländliche Gebiete sind deshalb ebenso Gegenstand der Untersuchung geworden.
3. Aufkommen eines neuen Begriffs
An dieser Stelle soll auf den Ursprung des Begriffs des informellen Sektors verwiesen werden, der vor allem durch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), einer Institution der Vereinten Nationen, Bekanntheit erlangte. Die Formulierung des Begriffs geht jedoch auf Keith Hart zurück, der in seiner Forschung über Ghana erstmals auf das Problem aufmerksam machte. Anfang der 1970er Jahre wurde dann von der ILO der Versuch unternommen Kriterien festzulegen, die charakteristisch wären für den informellen Sektor. Ein, zu dieser Zeit, erst neu entdecktes Phänomen, dem nun viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde.[1] Obwohl oft kritisiert, wird dieser Ansatz noch heute von wichtigen entwicklungspolitischen Trägern im Wesentlichen so verstanden, wie schon vor Jahrzehnten definiert. Auf Grund der immer noch vorhanden Relevanz und der weiten Verbreitung dieser Beschreibung sollen die wichtigsten Kriterien aus Sicht der ILO für die Abgrenzung dieses Wirtschaftsbereichs hier auszugsweise vorgestellt werden.
1. Die Arbeit ist behördlich nicht erfasst, lizenziert oder besteuert.
2. Unternehmen beschäftigen meist weniger als 10 Mitarbeiter.
3. Für die Arbeit sind nur geringe Vorkenntnisse erforderlich, die gegebenenfalls bei der Tätigkeit erworben werden; dafür ist sie aber arbeitskraftintensiv.
4. Organisation und Technologie sind gering ausgeprägt.
5. Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten meist ohne vertragliche Bindungen, oft sind es Familienangehörige (ESCHER 1999, S.658).
Innovativ an diesem Konzept war vor allem die veränderte, eher positive, Sichtweise auf die Masse der (formal) arbeitslosen Menschen in den Entwicklungsländern. Ihnen wurde das Potential zuerkannt, durch ihre produktive Tätigkeit außerhalb des staatlich erfassten, also somit informellen Beschäftigungsverhältnisses, einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Ökonomie im Land zu leisten. So zum Beispiel in Kenia, wo 1972 eine oft zitierte ILO- Studie durchgeführt wurde. In dieser Studie wird der informelle Sektor als „(…) a sector of thrivig economic activity and a source of Kenya’s future wealth“ (ILO 1972, S.5, in WETTER 1985, S.36 ) bezeichnet . Zur Entwicklung der Ökonomie Kenias könne die Regierung demnach nicht allein dem unrealistischen Ziel folgen, genügend Lohnarbeitsmöglichkeiten schaffen zu wollen und gleichzeitig die als illegal proklamierte Tätigkeit, durch übertriebene bürokratische Regelungen zu behindern. Vielmehr solle der informelle Sektor als Potential verstanden und aktiv unterstützt werden, idealerweise durch die Regierung des betroffenen Landes selbst, so die Verfasser der ILO- Studie (VON FRIELING 1989, S.170-172).
Die Autoren lassen dabei auch nicht die Zerstörung der illegalen Siedlungen durch die kenianische Regierung außer acht, die sie kritisieren. Sie ordnen die bestehenden Mietverhältnisse in den Siedlungen ebenso dem informellen Sektor zu (WETTER 1985, S.36). Auch auf diese Situation ließe sich also der Begriff der Informalität anwenden. In dieser Arbeit jedoch soll auf diese erweiterte Sichtweise nicht weiter eingegangen werden.
Neben der Kritik werden in der Studie aber auch konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die darauf abzielen, den informellen Sektor in die Volkswirtschaft zu integrieren. Diese Maßnahmen betreffen beispielsweise die Vergabe von Krediten, die Ausbildung auch von offiziell nicht erfassten Beschäftigten, Forschungsarbeit zur Unterstützung der Produktion des Sektors und das Tolerieren der Slumsiedlungen (ZIMMERMANN et al. 1997, S.15).
Diese Überlegungen werden in der Literatur weitgehend geteilt und bestätigt. Dennoch wird den Empfehlungen der ILO eine zu idealistische Sichtweise unterstellt, die sich eher am westlichen Demokratieverständnis als an der Realität der Entwicklungsländer orientiere (WETTER 1985, S.38).
Dennoch hält die ILO auch aktuell an dem Konzept fest, den informellen Sektor zu unterstützen und setzt sich mittlerweile vor allem für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein, was in folgendem Zitat aus einem aktuellen Projekt deutlich wird: „In order to raise the productivity of informal sector workers it is necessary to develop measures (…) to increase their income and services to assist them in protecting their health and improving their working conditions.” ( F ORASTIERI 1999)
[...]
[1] Die Erkennung des informellen Sektors als solchen, verlief durchaus nicht parallel mit dem tatsächlichen Entstehen dieses Wirtschaftsbereiches. Heute geht man davon aus, dass er im urbanen Bereich Ende der 1920er Jahre entstand und in den 80ern noch mal einen Aufschwung erlebte (ZIMMERMANN et al. 1997, S.9).
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- Fabian Lehmann (Autor), 2008, Der informelle Sektor, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147311
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