Diese Arbeit befasst sich, nach einer kurzen Einleitung zum Begriff der Allegorese im Allgemeinem und zu ihrer geschichtlichen Entwicklung bis zur Scholastik im besonderen, mit dem Allegoresebegriff bei Petrarca. Textgrundlage bietet dabei Petrarcas "Secretum Meum" und seine Vergilallegorese in den "Res Seniles IV,5".
Im Besonderen wird Petrarcas Position zum Allegoriebegriff Thomas von Aquins diskutiert.Für ihn kann die Allegorese im eigentlichen Sinne nur auf die göttlich inspirierte Bibel angewandt werden, denn hier offenbart sie den geheimen Willen Gottes. In profanen und paganen Texten ist ein solcher verborgener Sinn per se nicht enthalten, es kann höchstens ein solcher bewusst vom Autor hineingelegt worden sein (voluntas-auctoris-Prinzip). Die Auflösung dieses Sinns zählt für ihn aber nicht zur Allegorese, sondern ist Teil des richtigen Verständnisses des sensus litteralis.
Inhaltsverzeichnis
Allegorese
Ursprung
Entwicklung bis zur Scholastik
Standpunkte zum Allegorese-Diskurs
Allegorese im Secretum meum
Die Vergilallegorese in Sen. IV, 5
Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Allegorese
Ursprung
Das hermeneutische Verfahren der Allegorese diente ursprünglich zur Überführung alter, kanonisierter Texte in ein neues Werte-Paradigma.[1] Sie verteidigte Texte, die nunmehr als sinnlos oder unmoralisch galten, und sprach ihnen neuen, zeitgemäßen, aber verborgenen Sinn zu, der deutlich von ihrem wörtlichen (litteralen) Sinn abweichen konnte.
Die Allegorese entstand im sechsten vorchristlichen Jahrhundert zur Apologie der griechischen Mythen und Homers Epen gegen die Vorsokratiker und ihr rationales Weltbild.[2] Später diente sie den Christen in der Nachfolge des Paulus zur Eingliederung der jüdischen Tora in den Kanon der christlichen Bibel.[3]
Die Allegorese als Auflösung der rhetorisch-dichterischen Allegorie ist, wie die Begriffe Allegorese und Allegorie selbst, eine spätere Entwicklung. Wir müssen hier mit Schleiermacher deutlich die „allegorische Interpretation“ und die „Interpretation der Allegorie, wo der uneigentliche Sinn der einzige ist“[4], unterscheiden. Wenn im Folgenden von Allegorese die Rede ist die Allegorese als hermeneutische Methode der Textinterpretation gemeint.
Entwicklung bis zur Scholastik
Die Allegorese konnte bereits in der Antike auf jede Textart angewandt werden. Besonders geeignet scheint sie aber für religiöse Texte, z.B. die griechischen Mythen, zu sein. Im Christentum wird sie sodann zu dem Mittel der Bibelexegese ausgebaut. Sie entwickelt sich zu einem komplizierten System unterschiedlicher Schriftsinne mit eigener Fachsprache und befindet sich in ständiger Entwicklung.[5] Diese antik-mittelalterliche Art des Verstehens erhält somit große Bedeutung und wird nun nicht mehr nur auf die Bibel selbst angewandt, sonder ist Vorbild auch für das Verstehen anderer Texte und der Welt selbst, bzw. der Geschichte.[6]
Einen besonderen Stellenwert nehmen bei der Allegorese profaner Texte die Ovid- und Vergilallegorese ein, die diese paganen Autoren für die christliche Gesellschaft wieder lesbar und verstehbar macht.[7]
In der Scholastik wird diese Vorgehensweise abgelehnt:[8] Thomas von Aquin unterscheidet klar zwischen der Allegorese der heiligen Schrift und der profaner oder gar paganer Texte. Für ihn kann die Allegorese im eigentlichen Sinne nur auf die göttlich inspirierte Bibel angewandt werden, denn hier offenbart sie den geheimen Willen Gottes. In profanen und paganen Texten ist ein solcher verborgener Sinn per se nicht enthalten, es kann höchstens ein solcher bewusst vom Autor hineingelegt worden sein (voluntas-auctoris-Prinzip). Die Auflösung dieses Sinns zählt für ihn aber nicht zur Allegorese, sondern ist Teil des richtigen Verständnisses des sensus litteralis. Er unterscheidet also schon wie Schleiermacher zwischen der Allegorese als „allegorische Interpretation“ und der Allegorese als „Interpretation der Allegorie“.[9]
Dessen ungeachtet erscheinen aber auch in Petrarcas Zeit und darüber hinaus weiterhin Ovidallegoresen, von denen eine sogar Petrarca selbst gewidmet ist.[10] Wie Petrarca diesen Allegorese-Diskurs seiner Zeit aufnimmt und welchen Standpunkt er selbst einnimmt, will ich im Folgenden behandeln.
[...]
[1] Zum Zusammenhang zwischen Kanonisierung und Interpretation siehe: Assmann (2007), S.93-103.
[2] Vgl.: Cancik-Lindemaier / Sigel (2007).
[3] Die Kirchenväter und die späteren christlichen Autoren berufen sich vor allem auf zwei Paulus-Stellen: Gal 4,24 wo er eine allegorisch-typologische Auslegung der Geschichte der zwei Söhne Abrahams (Gen 16,5-22,2) als AT und NT mit den Worten „ quae sunt per allegorium dicta “ (nach Brinkmann 1980 S.220) einleitet und auf 2 Kor 3,6 „ littera occidit, spiritus autem vivificat “ (nach Brinkmann 1980 S.227). Siehe hierzu: Brinkmann (1980), S.219-259 und Lubac (2007a), S.344f.
[4] Schleiermacher (1959), S.84.
[5] Diese Entwicklung hier nachzuvollziehen ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, siehe dazu aber Meier (1976); Ohly (1977); Brinkmann (1980); Lubac (2007) oder kürzer Weddige (2006), S.108-110, die aber leider kein einheitliches Bild zeichnen, da die Entwicklung der Allegorese nur schwer oder gar nicht zu vereinfachen ist, zumal sie sich über einen Zeitraum von über tausend Jahren hinzieht.
[6] Vgl.: Müller-Bochat (1975).
[7] Vgl.: Klopsch (1991a); Klopsch (1991b); Brinkmann (1980), 292-317.
[8] Vgl: Reyero (1971), S.153-253; Meier (1976), S.16-19; Torrance (1962), S. 281-285; Föcking (2000) und Reiser (2007), S. 135f. mit Anm. 57 und 58. Dagegen: Lieberknecht (1999), Anm. 22.
[9] Diese Unterscheidung nimmt er nach Reiser (2007), Anm. 58 als Erster in dieser klaren Form vor.
[10] Föcking (2000), S. 273.
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