Karl Kraus, geboren am 28. April 1847 in Gitschin, gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er war Publizist der Fackel1, Lyriker, Satiriker,2 Dramatiker, Sprach- und Kulturkritiker, Aphoristiker und scharfer Kritiker der Presse. In den Jahren 1915 bis 1921 schrieb er an einem Drama, das in seiner Form einzigartig ist. „Die letzten Tage der Menschheit“ versucht das Wesen und die Wirklichkeit des Ersten Weltkrieges einzufangen und das in einem Stück, das so bündig die erste Katastrophe im 21. Jahrhundert widerspiegelt, dass es lange Zeit als unspielbar galt. Denn neben der Länge macht auch der Aufbau des Stücks es schwer zu spielen, da das Stück aus über 200 mehr oder weniger zusammenhängenden Szenen besteht. Selbst Kraus hielt es seinem Vorwort des Stücks nach für unaufführbar:
„Die Aufführungen des Dramas, dessen Umfang nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht. Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten. [...] Die Handlung, in hundert Szenen und Höllen führend, ist unmöglich, zerklüftet, heldenlos wie jene.“2
Dabei erscheint für das Stück die Entstehungsgeschichte, die Form und der Stil ebenso von Bedeutung wie der Inhalt. Daher wird der Inhalt im weiteren Verlauf nur nebensächlich behandelt werden und der Fokus richtet sich auf das allgemeine Verständnis für das Stück.
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1 „Die Fackel“ wurde 1899 von Karl Kraus als Herausgeber gegründet. Sie entwickelte sich zu einer führenden kultur- und gesellschaftskritischen Zeitschrift, in der auch Autoren wie Else Lasker-Schüler veröffentlichten.
2 Karl Kraus. Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog. Frankfurt am Main 1986. S. 9.
Einleitung
Karl Kraus, geboren am 28. April 1847 in Gitschin, gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er war Publizist der Fackel[1], Lyriker, Satiriker,2 Dramatiker, Sprach- und Kulturkritiker, Aphoristiker und scharfer Kritiker der Presse. In den Jahren 1915 bis 1921 schrieb er an einem Drama, das in seiner Form einzigartig ist. „Die letzten Tage der Menschheit“ versucht das Wesen und die Wirklichkeit des Ersten Weltkrieges einzufangen und das in einem Stück, das so bündig die erste Katastrophe im 21. Jahrhundert widerspiegelt, dass es lange Zeit als unspielbar galt. Denn neben der Länge macht auch der Aufbau des Stücks es schwer zu spielen, da das Stück aus über 200 mehr oder weniger zusammenhängenden Szenen besteht. Selbst Kraus hielt es seinem Vorwort des Stücks nach für unaufführbar:
„Die Aufführungen des Dramas, dessen Umfang nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht. Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten. [...] Die Handlung, in hundert Szenen und Höllen führend, ist unmöglich, zerklüftet, heldenlos wie jene.“[2]
Dabei erscheint für das Stück die Entstehungsgeschichte, die Form und der Stil ebenso von Bedeutung wie der Inhalt. Daher wird der Inhalt im weiteren Verlauf nur nebensächlich behandelt werden und der Fokus richtet sich auf das allgemeine Verständnis für das Stück.
Entstehungsgeschichte
An den letzten Tagen Im Sommer 1915 begann Kraus an den Arbeiten der Letzten Tage[3] worauf fast sieben Jahre Arbeit daran folgten. Bereits in den Jahren 1918/19 gab es eine erste Veröffentlichung der so genannten Aktausgabe mit dem 1917 fertiggestellten Epilog Die letzte Nacht. Das Stück erschien hier in drei Sonderheften der Fackel. Erst nach weiteren Änderungen in den Jahren 1920/21 wurde das Stück in seiner endgültigen Form 1922 gedruckt. Wenn man bedenkt das einige Szenen bereits 1913 in der Fackel gedruckt wurden, arbeitete Kraus sogar neun Jahre an den Letzten Tagen. Kraus selbst berichtet, dass die meisten Szenen zwischen 1915 und 1917 entstanden sind, deswegen kann man das Stück aber noch lange nicht als ein genaues Abbild seiner Ansichten zu dieser Zeit sehen.[4] Denn das Stück entwickelte sich in den Jahren genauso wie sein Autor es tat. War Kraus zu Beginn der Arbeiten noch ein konservativer Schreiber und selbst Leser der klerikale Reichspost mit antisemitischen Anklängen in seiner Satire, entwickelte er sich durch die Enttäuschung an der österreichischen Führungspolitik hin zu einem Mann, der ein radikaler Republikaner mit sozialistischen Sympathien ist. Während er also in der Aktausgabe noch etwas einseitig Presse und Menschen kritisierte, ist das Stück in seiner Nachbearbeitung mit etwa fünfzig neuen Szenen ausgewogener und in seiner ideologischen Gewichtung grundlegend geändert. So werden in der Buchfassung gegenüber der Aktausgabe die klerikale ebenso perfide dargestellt, wie die liberale Presse.[5]
[...]
[1] „Die Fackel“ wurde 1899 von Karl Kraus als Herausgeber gegründet. Sie entwickelte sich zu einer führenden kultur- und gesellschaftskritischen Zeitschrift, in der auch Autoren wie Else Lasker-Schüler veröffentlichten.
[2] Karl Kraus. Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog. Frankfurt am Main 1986. S. 9.
[3] Den Titel „Die letzten Tage der Menschheit“ kürze ich im folgenden so ab.
[4] Vgl. Edward Timms. Karl Kraus, Satiriker der Apokalypse. Wien 1995. S. 506.
[5] Ebd. S. 507 f.
- Quote paper
- Anonymous,, 2005, Zu Karl Kraus' Die letzten Tage der Menschheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147048