Kein kriegerisches Ereignis ist der deutschen Bevölkerung bis zum Ersten Weltkrieges so im Gedächtnis geblieben wie der Dreißigjährige Krieg mit seinen verheerenden Folgen. Ursprünglich als konfessionelle Auseinandersetzung zwischen den sich polarisierten Glaubensbekenntnisse begonnen, verlor dieser Krieg immer mehr die konfessionelle Seite und nahm im Gegenzug fast ausschließlich politischen Charakter an, in welchem es um die Vorherrschaft in Europa oder die weitgehende Autonomie gegenüber dem Landesherren ging.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Tolerantes Zwischenspiel bis 1600. Von Maximilian II. bis zum Beginn des Bruderzwist im Hause Habsburg
2.1. Maximilian II. und die Rückgewinnung ständischer Rechte / Freiheiten
2.2. Rudolf II. bis zum Bruderzwist
3. Der Bruderzwist im Hause Habsburg sowie die Ausweitung des Konflikts auf das Reich und Europa
3.1. Verlauf des Bruderzwistes
3.2. Die näheren Auswirkungen des Bruderzwistes
4. Das Zurückdrängen des Majestätsbriefes durch Matthias sowie die Zuspitzung des Konflikts in Böhmen
4.1. Matthias’ Umgang mit dem Majestätsbrief und den böhmischen Ständen nach seiner Wahl zum böhmischen König
4.2. Die Reaktionen der ständischen Opposition bis zum Prager Fenstersturz
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung.
Kein kriegerisches Ereignis ist der deutschen Bevölkerung bis zum Ersten Weltkrieges so im Gedächtnis geblieben wie der Dreißigjährige Krieg mit seinen verheerenden Folgen. Ursprünglich als konfessionelle Auseinandersetzung zwischen den sich polarisierten Glaubensbekenntnisse begonnen, verlor dieser Krieg immer mehr die konfessionelle Seite und nahm im Gegenzug fast ausschließlich politischen Charakter an, in welchem es um die Vorherrschaft in Europa oder die weitgehende Autonomie gegenüber dem Landesherren ging.
Letzteres ist bereits beim Ausbruch des Krieges in Böhmen erkennbar. Hier begannen sich mit der habsburgischen Dynastie Landesherren zu etablieren, welche durch ihren Herrschaftsanspruch in einem scharfen Gegensatz zu den errungenen Freiheiten der Stände seit der hussitischen Revolution traten. Somit beginnt lange vor der ständischen Erhebung das Ringen um die Macht in Böhmen, was im Prager Fenstersturz als Signal zum Aufstand in Anlehnung an den 30. Juli 1419 und damit die hussitische Revolution kulminierte. Für die Habsburger steht dabei der Anspruch, ein möglichst autokratisches Herrschaftssystem zu etablieren und so einen für sie als Landesherren nötigen Machtanspruch gegenüber den Ständen durchsetzen können. Die böhmischen Stände, vor allem die Protestanten sind wiederum bemüht, ihre lange vor den Habsburgern erworbenen und während der Jagellonen bereits erweiterten Freiheiten unter der neuen Dynastie zu sichern als auch wiederum zu erweitern. Jedoch erwiesen sich die Habsburger gegenüber den Jagellonen als weitaus zielstrebige Landesherren in ihren Bemühungen den eigenen Machtanspruch zu stabilisieren, was sich schon unter Ferdinand I. deutlich bemerkbar machte. Dieses Ringen zwischen den Landesherren und den Ständen um die Macht in Böhmen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Der Begriff Vorabend definiert sich hier von der Regierung Maximilians II. bis zum Prager Fenstersturz und somit der Regierung von Matthias. Dabei ist zu bemerken, dass die Regierungen von Ferdinand I. als auch Ferdinand II. ebenso zu einer Betrachtung Böhmens am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges mit heranzuziehen wären, da beide einen äußeren Rahmen markieren, was ein Vergleich des Regierungsstils und der politischen Erfolge durch die Ausnutzung eines gescheiterten ständischen Aufstandes sicherlich aufzeigen würde. Dennoch sprengt eine solche Betrachtung den Rahmen dieser Arbeit.
Bei der Darstellung der Situation in Böhmen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges steht der Konflikt zwischen dem Landesherren und den böhmischen Ständen um das Ringen nach Autonomie im Mittelpunkt. Da dies verschiedene Landesherren aus der habsburgischen Dynastie mit einschließt, folgt die Arbeit den unterschiedlichen Qualitäten der einzelnen böhmischen Könige. Dabei wird aufzuzeigen sein, dass sich der Konflikt trotz einer teilweise toleranten Politik unter Maximilian II. und Rudolf II. bis 1600 durch eine Kontinuität in den habsburgischen Hausmachtinteressen seit Ferdinand I. zunehmend verschärft. Nach 1600 wird dies durch die politischen und personellen Veränderungen in Böhmen nochmals potenziert. Ganz deutlich wird dies dann seit dem Regierungsantritt von Matthias. Hatte sich während Maximilian II. und Rudolf II. trotz einer gewissen Kontinuität zu Ferdinand I. das ständische Selbstbewusstsein seit den Restriktionen von 1547 durch das schrittweise erneute Erlangen ständischer Freiheiten bis zum Majestätsbrief von 1609 wieder erholt, so wurde dies dann durch Matthias und später auch Ferdinand II. wieder mehr und mehr aufgehoben. Die Lösung des Konflikts mit militärischen Mitteln wurde damit für die protestantischen Stände in Böhmen unausweichlich.
Im Zuge des Majestätsbriefes von 1609 gewinnt der böhmische Konflikt zwischen Ständen und Landesherr eine weitere Dimension über die Grenzen Böhmens hinaus. Dies ist die folgenschwere Verbindung der bisher separaten böhmischen Verhältnisse mit den Konflikten des Reiches und Europas. Der Grund für diese Entwicklung liegt in der Verbindung Böhmens mit der Königswahl im Reich durch die erste weltliche Kurstimme. Durch die konfessionelle Teilung der Kurstimmen kommt Böhmen dadurch eine weitreichende Bedeutung für die Wiederwahl eines Habsburgers. Somit korreliert die Vormachtstellung der Habsburger in Böhmen mit ihrem direkten Einfluss auf die Königswahl im Reich, da sie nur dadurch in der Lage sind, diese so zu ihren Gunsten zu beeinflussen. An dieser Beeinflussung durch die böhmische Kur sind auch noch andere Mächte des Reiches und Europas in unterschiedlicher Weise interessiert.
Wenn es in dieser Arbeit um Konflikte geht, so wird aufzuzeigen sein, dass es sich dabei vorrangig um konfessionelle Auseinandersetzungen handelt, da diese im betrachteten Zeitraum gleichbedeutend mit politischen Auseinandersetzungen sind. Ebenso sind konfessionelle Freiheiten auch politische Freiheiten.
Die einzelnen Konflikte in Böhmen sollen nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden, sondern nur soweit, um die Ergebnisse dieser als Ursache für den Ausbruch des Aufstandes 1618 darzulegen. Für die detaillierte Darstellung der Konflikte wird die weiterführende Literatur aufgezeigt. Dabei ist von der Tatsache auszugehen, dass in Bezug auf die Ursachen des Dreißigjährigen Krieges im Reich ausreichend Literatur zu Verfügung steht, welche sich weitgehend einig ist. Etwas ungünstiger ist die Literatur zu den Verhältnissen in Böhmen. Die Literatur zu Böhmen gibt meist nur einen groben Überblick, der sich dabei stark auf die Person des jeweiligen Landesherren. Nur wenig Literatur geht auf detaillierte Fragen der böhmischen Verhältnisse ein. Auffällig ist auch, dass es im Zuge der Betrachtung zu Rudolf II. und dem anschließenden Bruderzwist zu einer stärkeren Berücksichtigung der böhmischen Verhältnisse kommt. Zusätzlich erschwert ein weiterer Umstand die Auswertung von Literatur. Eine Vielzahl von Literatur konnte zu dieser Arbeit nicht herangezogen werden, da sie in tschechischer Sprache verfasst wurde.
Zur Quellenlage kann keine diesbezügliche Aussage getroffen werden. Es wird weitgehend auf das Heranziehen von Primärquellen verzichtet, da der Umfang der Auswertung dieser Quellen den gesetzten zeitlichen Rahmen der Darstellung sprengen würde. Dennoch kann weiterführend auf Quellen zur Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges als auch auf eine Vielzahl von Korrespondenz zwischen verschiedenen Entscheidungsträgern hingewiesen werden.
2. Tolerantes Zwischenspiel bis 1600. Von Maximilian II. bis zum Beginn des Bruderzwist im Hause Habsburg.
2.1 Maximilian II. und die Rückgewinnung ständischer Freiheiten.
Hatte sich unter Ferdinand I. ein Machtzuwachs des Landesherren gegenüber den böhmischen Ständen ergeben, so wurde dies in der Zeit Maximilians II. wieder revidiert.[1] Die Stände in Böhmen gewinnen auf Berufung ihrer langjährigen Tradition zunehmend wieder an Einfluss und können dadurch ihre Machtgrundlagen in politischer und damit auch in religiöser Hinsicht ebenfalls wieder erweitern.
Die Gründe für den erneuten Machtzuwachs der Stände unter Maximilian II. sind vielfältig. Es lässt sich durchaus vermuten, dass ein Grund dafür in der Person des Kaisers Maximilian II liegen könnte. So erwartete man schon zu Beginn der Regierung Maximilian II. als böhmischer König, dass er die Politik seines Vater nicht fortführen, sondern zugunsten der Protestanten ändern würde.[2] Dafür spricht auch der Umstand, dass Ferdinand I. vor seinem Tod nicht den eigentlichen Thronfolger Maximilian, sondern den als katholisch energischeren Bruder Ferdinand mit der Statthalterschaft in Böhmen beauftragte.[3] Maximilian galt bereits vor seinem Regierungsantritt als ein Mensch und Politiker, der den protestantischen Ständen und ihrer Religion zugeneigt war. Durch einen daraus resultierenden protestanten - freundliche Ausgleich war er in der Lage, eine Politik zu führen, die dem traditionellen Verständnis der Stände und ihrem „Verlangen nach ständischer Libertät, nach Anerkennung konfessioneller Handlungsspielräume im Reich und in den Territorien, weit entgegen“[4] kam. Die Gründe dafür sind in den Weichenstellungen seiner Jugend - und Kronprinzenzeit zu finden.[5] So verstand sich Maximilian als ein Herrscher, der nach traditionellen Vorstellungen die „Maßstäbe für die Gestaltung seiner Reichspolitik setzte: die Verpflichtung zur Sicherheit des Friedens im Reich, was auch die Wahrung des Reichsrechts einschließlich des Religionsfriedens bzw. der Verfahrensnormen in den Reichsinstitutionen umfasste, und die gedeihliche Kooperation mit den Reichsständen beider Konfessionen auf dem Weg zu reichsweitem Frieden und religiöser Einheit.“[6] Die Möglichkeit diese Aufgaben zu verwirklichen, sah Maximilian in der Aufrechterhaltung des Reichsoberhauptes als überparteilicher Vermittler der konfessionellen und ständischen Gegensätze im Reich. Auch Maximilians Konfliktlösung, welche nicht mit Gewalt, sondern mit Milde und Güte zu versuchen sei, spiegelt dieses Selbstverständnis wider. Dies vertrat er um so mehr, wenn der positive Ausgang des Konflikts durch den Einsatz von Gewalt wenig Erfolg versprach. So kommt dies z.B. in den Ermahnungen an Philipp II. von Spanien zum Verhalten bei der Verschärfung des Konflikt in den Niederlanden zum Ausdruck, wenn Maximilian „sovil immer möglich, zur guete und senftmuetigkait, mehr als zur strenge“[7] appelliert.
Das Verständnis Maximilians als Kaiser und die daraus abgeleiteten Aufgaben sowie deren Möglichkeiten zur Umsetzung hat diesen Herrscher zur Toleranz gegenüber den protestantischen Ständen im Reich befähigt.[8] Dennoch ist das Kaisertum unter Maximilian II. nicht protestantisch geworden. Bei aller persönlicher wie auch politischer Vorliebe für den Protestantismus hat Maximilian II. sich letztlich doch sehr nach den dynastischen Interessen und der habsburgischen Familienräson in seiner Politik gerichtet.[9] Damit setzte er die Kontinuität zur Regierung Ferdinands I. fort.
Es erscheint verständlich, dass gerade den Protestanten in Böhmen ein Herrscher wie Maximilian gegenüber Ferdinand I. als sehr willkommen erscheinen musste. Weiterhin war anzunehmen, dass Maximilian II. die Grundelemente seines politischen Handelns auch in Böhmen anwenden würde. Doch die Erwartungen wurden nicht bestätigt. Vielmehr setzte Maximilian die Politik seines Vaters in Böhmen fort. So trieb er unter anderem wie sein Vater die Bildung der kirchlichen Einheit zwischen Katholiken und Utraquisten weiter voran. Zu diesem Zweck setzte Maximilian auch die von Ferdinand I. eingeführte Neubestellung des Administrators für das untere Konsistorium, welche von seiner Bestätigung und Eignungsprüfung abhängig war, fort. Er ging sogar noch einen Schritt weiter, wenn seit 1571 die obersten utraquistischen Kirchenämter nur noch durch ihn und ohne Zustimmung der Stände bestellt wurden.[10] Maximilian widersetzte sich um den Willen der Vereinigung von Utraquisten und Katholiken sogar den strengen Forderungen des Konzils von Trient, doch die ablehnende Haltung der Utraquisten ließen sein Ziel letztlich scheitern.[11]
Die Fortführung der Politik Ferdinands beinhaltete aber auch eine Absage an die anderen religiösen Richtungen in Böhmen wie den Neuutraquisten und den böhmischen Brüdern. Dies passt weit weniger zu dem toleranten Herrscherbild von Maximilian und zeigt einmal mehr die Zwiespältigkeit des Kaisers.[12] Daraus resultiert in Böhmen, dass sich die Nichtkatholiken einander mehr und mehr annäherten und auf dem Landtag von 1575 von Maximilian eine dem Augsburger Bekenntnis ähnliche Bekenntnisschrift für Böhmen, die „Confessio Bohemica“, forderten.[13]
Maximilian scheint die geforderte Bekenntnisschrift jedoch nicht gewollt zu haben und genehmigte sie im Grunde nicht. Es kam zu einer mündlichen Zusicherung, dass die Nichtkatholiken keine Beeinträchtigung in der Ausübung ihres Bekenntnisses hätten. Die weitgehenden Forderungen der neuen Bekenntnisgemeinde, welche in einem eigenen Entwurf zu einer Kirchenorganisation vorgelegt wurden, nach der Administratoren, Konsistorium und ständische Defensoren von den Ständen gewählt werden sollten, kam Maximilian nur teilweise nach. Er gestattete lediglich die Defensorenwahl und die Bestätigung für die beiden höheren Stände, die Herren und Ritter sowie deren Untertanen.[14]
Warum Maximilian in der Frage der „Confessio Bohemica“ als auch in der generellen religiösen Vielfalt Böhmens so widerstrebend reagierte, lässt sich nicht genau bestimmen.[15] Es scheinen mehr die politischen Umstände und die Besinnung auf die katholische Zugehörigkeit zu sein als die religiöse Offenheit der Jugend- und Kronprinzenzeit. Die Abwehr der Türken, ein Krieg mit Ungarn und die angestrebte Thronfolge in Polen waren kostspielige Unternehmungen, zu denen das Steueraufkommen der böhmischen Länder unbedingt erforderlich war, da es das höchste aus den habsburgischen Ländern darstellte.[16] Neben diesen von Maximilian dringend benötigten Steuern war die Frage nach der Thronfolge von seinem Sohn Rudolf ein entscheidender Punkt, über welchen die böhmischen Stände entscheiden konnten.[17] Die Böhmen waren sich dieser Tatsache durchaus bewusst und versuchten diese Situation zu ihren Gunsten auszunutzen. Sie setzten das Mittel der Steuerbewilligung gezielt ein, um ihre Forderungen gegenüber dem Landesherren durchzusetzen. Da die Böhmen die Steuern nicht ohne ein Entgegenkommen des Kaisers bewilligten, musste Maximilian notgedrungen in die Bekenntnisschrift einwilligen. Damit war gleichzeitig aber auch eine Erweiterung der ständischen Machtgrundlagen beinhaltet, worauf die von den Stände ursprünglich geforderte „Confessio Bohemica“ mit abzielte. Dies hätte den Handlungsspielraum Maximilians erheblich eingeschränkt, so wie es dann später bei Rudolf II. und erst recht bei Matthias geschah, welcher bis 1615 nicht mehr imstande war, einen Landtag einzuberufen. Daran konnte der Landesherr von Böhmen nicht interessiert sein, so protestantenfreundlich dieser auch gewesen sein mochte.
Die Darstellung der Regierung Maximilians II. in Böhmen dürfte gezeigt haben, dass sich durch die böhmischen Stände aus berechtigten Gründen an seine Person Hoffnungen banden, die dann aber nicht erfüllt wurden. Der Gegensatz zwischen Landesherr und Stände in Böhmen bricht hier vielmehr wieder erneut auf. Dadurch wird die kurze Phase der Etablierung der autokratischen Habsburgerherrschaft, welche durch Ferdinand I. eingeleitet wurde, unterbrochen und an das ständische Selbsbewusstsein vor 1526 angeknüpft. Die Kontinuität zur Regierung Ferdinand I. wird dadurch eingeschränkt, dass die politischen Umstände Maximilian II. zum Einlenken bewegen. Zwar kommt es unter Maximilian II. noch nicht zu einer Zuspitzung des Konflikts zwischen Landesherr und Ständen, was nicht zuletzt mit der Persönlichkeit des Kaisers in Zusammenhang steht, aber anders als Ferdinand I. sieht sich Maximilian einem Handlungsspielraum gegenüber, welcher die Durchsetzungskraft seiner Herrschaft einengt und die ständische Tradition wiederbelebt. Zwar ist die neue Bekenntnisschrift nur mündlich zugesichert worden, aber trotzdem bedeutete die „Confession Bohemica“ für die Herren und Ritter in Böhmen eine größere Rechtssicherheit. Eine spätere Rücknahme der Zugeständnisse erfolgt trotz mehrerer Versuche weder bei Maximilian II, noch Rudolf II.. Damit bereitet die Regierungszeit Maximilians II. den Konflikt von 1618 vor, da das Erstarken der Stände gegenüber dem Landesherren nach 1547 hier erneut einsetzt, wodurch die Möglichkeit zur ständischen Opposition wieder gegeben ist.
2.2. Rudolf II. bis zum Bruderzwist.
Die Person Rudolf und deren Auswirkungen auf seine Politik sind in der wissenschaftlichen Literatur bis heute umstritten.[18] Der Grund dafür liegt in der Persönlichkeit Rudolfs II. So wird Rudolfs Politik vorrangig unter dem Gesichtspunkt seines Gemütsleidens, welches sich Depressionen, Misstrauen und Wutausbrüchen ausdrückte, als auch seiner Vorliebe für die schönen und okkulten Künste bewertet. Das Bild, welches sich daraus ergibt, zeigt einen Kaiser, der durch sein Schwanken und seine Verzögerungstaktiken eine zunehmend unstetige Politik führte, die letztlich in politische Passivität mündete.
[...]
[1] Zur ständischen Opposition und Herrschaftsetablierung unter Ferdinand I. in Böhmen siehe Eberhard, Winfried: Monarchie und Widerstand. Zur ständischen Oppositionsbildung im Herrschaftssystem Ferdinands I. in Böhmen. München 1985, Einl./d und e.
[2] Siehe Richter, Karl: Die Böhmischen Länder von 1471 bis 1740. in: Bosl, Karl (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Böhmischen Länder. Bd. II, Stuttgart 1974. S. 163 und Edel, Der Kaiser und Kurpfalz. Eine Studie zu den Grundelementen politischen Handelns bei Maximilian II. (1564-1576). Göttingen 1997, S. 88. Edel geht davon aus, dass Maximilian sich zu dieser Zeit schon einem politischen und religiösen Wandel unterzogen hat, der auf einem von Ferdinand I. erzwungenen Sicherheitseid an die geistlichen Kurfürsten beruhte, während dessen die Böhmen noch an einen protestantisch toleranten Maximilian bei dessen Thronerhebung glaubten.
[3] Siehe auch Hoensch, Geschichte Böhmens. Von der slawischen Landnahme bis zur Gegenwart. 3. Aufl., München 1997, S. 200.
[4] Rudersdorf, Manfred: Maximilian II. in: Die Kaiser der Neuzeit 1519-1918. Hrsg. v. Schindling, A./Ziegler, W, München 1990, S. 80.
[5] Siehe Edel, a.a.O., Kap. III./1, sowie auch Rudersdorf, a.a.O., S. 80 f.
[6] Edel, a.a.O., S. 52.
[7] Ks. Maximilian an Kg. Philipp II., 7.3.1567, Bibl, Ko rrespondenz II, S. 122.
[8] Das Problem der Toleranz und der zwiespältigen Herrscherpolitik wird in der Literatur zu Maximilian eingehend diskutiert. Dies geschieht auch bei Edel: Der Kaiser und Kurpfalz. Edel verweist auf die Literatur zu den kritischen Punkten von Maximilians Politik.
[9] Siehe zur hohen Bedeutung der dynastischen Motive in Maximilians Politik Edel, a.a.O., S. 55ff sowie Rudersdorf, a.a.O., S. 83 ff.
[10] siehe Richter, a.a.O., S. 171.
[11] Ebd., S. 163 ff.
[12] Die Zwiespältigkeit und das ambivalente Verhalten Maximilians ist in der Literatur immer wieder betont worden. Rudersdorf, a.a.O., S. 79 fasst die unterschiedlichen Herrscherbilder der Historiker kurz zusammen. So wird unter anderem vom „rätselhaften Kaiser“ (Bibel), vom „toleranten Herrscher“ (Evans) und „Kaiser des Religionsfriedens“ (Press) gesprochen.
[13] zu den Umstände, welche zur „Confessio Bohemica“ führen, siehe auch Richter, a.a.O., S. 172.
[14] Siehe zur Bestätigung der „Confessio Bohemica“ Hoensch, a.a.O., S. 201 und Richter, a.a.O., S. 165.
[15] Richter und Hoensch sehen als Grund für das Einlenken des Kaiser in die „Confessio Bohemica“ die politischen Umstände außerhalb Böhmens und die damit notwendige Frage des Steuerbewilligungsrechtes der Stände. Hoensch meint, dass es nur zu einer mündlichen Zusage kommt, liegt an dem erheblichen Widerspruch der böhmischen Katholiken, des Episkopat und des Nuntius sowie dem Abrücken der Altutraquisten von der Vorlage. Von einem Willen im Sinne eines protestanten - freundlichem Kaiser ist bei beiden nichts ausgeführt. Prinz, Friedrich: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Böhmen und Mähren. Berlin 1993, S. 195 nimmt auch den Widerstand der Katholiken als Grund für die mündliche Zusicherung. Weiterhin sagt er aber, die wäre so von Bedeutung, „so dass Maximilian keine durchgreifenden Entscheidung zugunsten der protestantischen Parteien treffen konnte“. Ob Maximilian es persönlich gewollt hatte, ist auch bei Prinz nicht erkennbar. Die ausgewertete Literatur geht auf die zwiespältige Persönlichkeit und damit auf eine differenzierte Sichtweise der Umstände zur „Confessio Bohemica“ nicht ein. Genauso wenig wird die Persönlichkeit Maximilians II. auf Böhmen generell projiziert. Edel hingegen untersucht zwar Maximilians Persönlichkeit, geht dabei aber kaum bzw. gar nicht auf die Verhältnisse in Böhmen ein.
[16] Das Steueraufkommen der böhmischen Länder betrug im Vergleich zu allen habsburgischen Ländern 1541/42 gut zwei Drittel. Siehe dazu auch Richter, a.a.O., S. 167.
[17] Richter, a.a.O., S 165 sieht dies als einen der Gründe, warum Maximilian überhaupt einlenkte. Dass Maximilian hier weniger an einem Entgegenkommen interessiert war, belegt Richter mit der Tatsache, dass nach der Annahme Rudolfs Mandate zur Entwertung der „religiösen Neuerung“ ergingen. Dennoch blieben diese ohne große Bedeutung.
[18] Siehe dazu auch Rill, Bernd: Kaiser Matthias. Graz 1999, S. 121. Rill, der aus der Sichtweise des Matthias die Ereignisse aufarbeitet, sagt: „Wenn je ein Kaiser weg musste, dann Rudolf II.“ Evans, Robert J.W.: Rudolf II. Graz 1980, geht weniger hart ins Gericht mit Rudolf, wenn er die Verhältnisse der Jahrhundertwende mit heranzieht und Rudolf trotzdem politisches Manövrieren nicht gänzlich abspricht. Trotzdem kann auch Evans eine gewisse politische Resignation gerade nach 1600 bei Rudolf II. feststellen.
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- Steven Engler (Autor), 2003, Böhmen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14685
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