Die Transformation von Unternehmen hin zu nachhaltiger Entwicklung ist ein komplexer Prozess, der oft von zahlreichen Vorschriften, Normen und Standards begleitet wird. Während Begriffe wie Nachhaltigkeit und entsprechende Labels wie „Fairtrade“ oder das deutsche „Grüner Knopf“ Siegel zunehmend im Bewusstsein der Konsumierenden verankert sind, bleibt die Einbindung der Endkund:innen in diesen Prozess unzureichend.
Diese Arbeit untersucht, wie Verbraucher:innen besser in die Nachhaltigkeitstransformation eingebunden werden können, um das Vertrauen in Nachhaltigkeitszertifikate zu stärken und Greenwashing zu vermeiden. Anhand des Beispiels der Outdoor-Marke VAUDE, die seit Jahren erfolgreich Nachhaltigkeit auf allen Ebenen umsetzt, wird aufgezeigt, wie Unternehmen Transparenz schaffen und ihre Interessengruppen effektiv informieren können. Ziel ist es, Wege aufzuzeigen, wie nachhaltige Bemühungen glaubwürdig kommuniziert und Endkund:innen als aktive Teilnehmer:innen in die Transformation integriert werden können.
Die große Transformation – ihre Zertifikate, Siegel, Normen, Labels und die Endkund*innen am Beispiel der Firma VAUDE
Inhalt
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Transformation in die Nachhaltigkeit – ein Überblick
2.2. Nachhaltige Entwicklung der Marke VAUDE
2.3. Normen, Zertifikate, Siegel und Labels der Transformation
2.3.1. Zertifizierbare und nicht zertifizierbare Normen und Labels
2.3.2. Warum gibt es so viele Labels und Siegel?
2.3.3. Labels und Siegel der Marke VAUDE. 12
3. Stakeholder*innen – die Endkund*innen und ihre Rolle. 13
3.1. Label-Dschungel – das große Misstrauen der Endkund*innen
3.2. Einbindung der Endkund*innen in die Transformation am Beispiel der Marke VAUDE
4. Fazit
5. Verzeichnisse
5.1. Literatur- und Quellenangaben
5.2. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Als ich mich mit dem Thema Transformation von Organisationen in die Nachhaltigkeit beschäftigt habe, fragte ich mich bei all den Vorschriften und Leitlinien, den zertifizierbaren und nicht zertifizierbaren Normen und Standards, wo hier eigentlich die Endkund*innen eingebunden werden.
Nachhaltigkeit als Wort und irgendwie auch in der Sinnhaftigkeit, ist inzwischen fast jedem ein Begriff. Den Transformationsprozess in die nachhaltige Entwicklung, den aktuell schon viele Unternehmen global gehen müssen oder wie die Firma VAUDE auch schon länger freiwillig gehen, kennen allerdings nur diejenigen die sich mit dem Thema beschäftigen. Natürlich fällt den Konsumierenden auf, dass es im Supermarkt nun mehr Bioprodukte mit dem EG-Bio-Label gibt, dass immer mehr Textilhersteller Labels wie „Fairtrade“ oder „Organic“ auf ihren Produkten haben (Abb.1.). Wir sehen Zertifikate wie das CE-Zeichen oder das deutsche Grüner Knopf Siegel (Abb.2). Wir gehen praktisch unter im Label-Dschungel der „nachhaltigkeitswilligen“ Unternehmen. Es gibt ein generelles Misstrauen, weil "schon wieder ein neues Label" auf den Produkten erscheint. Es ist noch größer als das Label davor, noch sichtbarer und noch verwirrender, weil Verbraucher*innen Internetseiten durchforsten müssten, um hinter die vielen Zeichen auf den Produkten zu kommen. Endkund*innen werden hier nicht gut genug informiert und abgeholt.
Dabei gibt es zusätzlich zu den Labels und Siegeln auch die sehr komplexen Abläufe des „Zertifizierungsdschungels“ mit wichtigen Normen und Standards für Managementsysteme. Es gibt Umweltzertifikate und Normen für Ökobilanzen, Energiemanagement und Effizienz, Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement u. v. m.. Diese komplexe Welt der zertifizierbaren Normen und Standards ist für die Verbrauchenden nicht präsent und auf Produkten nicht ersichtlich. Die bestehenden zertifizierbaren Normen dienen auch eher der nationalen und internationalen Kontrolle, Transparenz und Sicherheit von Abläufen, Produkten und Dienstleistungen.
Die Internetseite Utopia hat 2019 zu den Siegeln und Labeln eine kleine Internet-Umfrage mit 3.459 Usern gemacht und kam in der Schlussfolgerung u.a. zu folgendem Ergebnis: „Für bewusste Konsumenten sind Siegel eine wichtige Orientierungshilfe beim Einkauf. Im Detail kennen sich aber – selbst in dieser gut informierten Gruppe – nur wenige mit Siegeln, Kriterien und Zeichengebern aus.“ [1]
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildungen wurden aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abb. 1, Abb. 2
Die Labels und Siegel sind an die Verbrauchenden gerichtet, damit sie sich in der Produktvielfalt für ein ökologisches und nachhaltiges Produkt entscheiden können. Eine Grundlage an Informationen besteht also. Die Frage ist: Wie können die Verbrauchenden damit besser in die große Transformation eingebunden werden?
Wie geht ein Unternehmen vor, dessen Weg in die Nachhaltigkeit schon weit fortgeschritten ist, wie es bei der Outdoor-Marke VAUDE der Fall ist? Hier wird schon seit vielen Jahren daran gearbeitet, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen umzusetzen. Wie wird Transparenz hergestellt und wird die Interessengruppe informiert?
Kund*innen müssen erkennen, wer es ernst meint mit der Nachhaltigkeit und wer ein „schwarzes Schaf“ ist. Nur so kann verhindert werden, dass durchweg alle Nachhaltigkeitsbemühungen mit passenden Labels und Siegeln als generelles „Greenwashing“ der Unternehmen bezeichnet werden.
2. Hauptteil
In den letzten Jahren gab es unglaubliche Entwicklungen im internationalen Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit – von der Corporate Social Responsibility, der CSR-Berichtspflicht von nicht-finanziellen Geschäftsberichten und dem Lieferkettensorgfalts-pflichtengesetz, bis zur Circular Economy, den Prozessen einer Kreislaufwirtschaft. Für Verbrauchende ist diese Entwicklung ein Meilenstein, weil Produkte und Dienstleistungen in Sachen Nachhaltigkeit in Zukunft strengeren staatlichen Vorschriften unterliegen.
In Deutschland und auch in der EU existieren schon lange Gesetze, Standards und Regeln, die unterschiedliche Unternehmensbereiche betreffen. Sehr viele sind verbindlich, einige freiwillig und für alle gilt, dass sie Stakeholder*innen (interne, wie Mitarbeitende und externe, wie Kund*innen im B2B- oder B2C-Bereich) Transparenz und Sicherheit vermitteln sollen.
2.1. Transformation in die Nachhaltigkeit – ein Überblick
Die Entwicklung einer nachhaltigen und vor allem verantwortungsvollen Wirtschaft begann schon vor Jahrzehnten, vorrangig in Unternehmen in denen Unternehmer*innen als Social Entrepreneurs die gesellschaftliche Verantwortung als Vision umsetzten.
In den 1990er Jahren veröffentlichte die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) Leitsätze als Empfehlungen für multinationale Unternehmen mit Grundsätzen und Maßstäben für ein verantwortungsvolles und dem geltenden Recht und international anerkannten Normen entsprechendes unternehmerisches Handeln.
Im gleichen Zeitraum entwickelte die Europäische Union mit einer Verordnung für umweltbewusste Betriebsführung in Organisationen das Eco Management and Audit Scheme (EMAS). Unternehmen konnten mit diesen Standards freiwillig Umweltschutz in ihr Managementsystem integrieren und Umweltleistungen kontinuierlich und transparent verbessern.
Im Jahr 2000 wurde mit dem UN Global Compact die weltweit größte Initiative für verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmensführung gegründet. Die 10 Prinzipien zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsprävention wurden 2015 noch durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ergänzt. Die Initiative hat 24.500 Teilnehmende (Stand: Januar 2024) aus Unternehmen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft. [2]
Das deutsche lokale Netzwerk des Global Compact DGCN, kurz für Deutsches Global Compact Netzwerk, umfasst gegenwärtig über 1.160 Teilnehmende. [3] Es gibt also ein deutliches Interesse sich in Richtung nachhaltige Transformation aufzumachen.
2015 sollte mit der Agenda 2030 und den 17 SDGs der Vereinten Nationen eine globale nachhaltige Entwicklung weltweit zur „Chefsache“ werden. Die SDGs beinhalten nicht nur Umweltthemen, sondern einen „globalen Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands zum Schutz des Planeten.“ [4]
Das zwölfte SDG zu „nachhaltigem Konsum und Produktion“ zielt sehr genau auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes ab, inklusive der gesamten Lieferkette.
Ebenso einschneidend für den zukünftigen wirtschaftlichen Umgang mit Ressourcen war das Klimaabkommen von Paris auf der Weltklimakonferenz im Dezember 2015, in dem sich die 195 Staaten im Sinne der Agenda 2030 der Aufgabe verschrieben, den Klimawandel einzudämmen und die Weltwirtschaft klimafreundlich umzugestalten.
Im Jahr 2019 verpflichteten sich die Länder Europas mit dem Green Deal, bis zum Jahr 2050 ein klimaneutraler Kontinent zu werden.
Am 8. Juni 2023 veröffentlichte die OECD eine aktualisierte Fassung ihres internationalen Rahmenwerks “Leitsätze für multinationale Unternehmen zum verantwortungsvollen unternehmerischen Handeln“. Die Leitsätze beinhalten systematisches Umweltmanagement und wissenschaftsbasierte Strategien für Klimaschutz und -anpassung.
Sie haben damit auch Einfluss auf regulatorische Entwicklungen im Bereich der unternehmerischen Sorgfaltspflichten, wie beispielsweise die aktuell im Entwurf vorliegende EU-Lieferkettenrichtlinie, Englisch: Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), das bereits bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) und die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, bekannt als Corporate Social Reporting Directive (CSRD) sowie deren Berichtsstandards, den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). [5]
Seit 2023 sind Unternehmen ab einer bestimmten Größe gemäß der CSRD dazu verpflichtet, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Diese Berichte müssen öffentlich zugänglich sein und werden meist auf der Internetseite des Unternehmens zur Verfügung gestellt.
Die CSR-Reportings oder Nachhaltigkeitsberichte werden nicht staatlich geprüft. Der Staat vertraut hier auf eine „öffentliche Kontrolle“, da die Berichte aktuell nicht von staatlicher Seite auf die sachliche Richtigkeit überprüft werden können.
Trotzdem sind die Nachhaltigkeitsberichte ein weiterer Schritt in Richtung große Transformation [6] von Wirtschaft und Gesellschaft in eine nachhaltige Zukunft.
Für Verbrauchende ist diese Entwicklung von neuen Gesetzen und Standards in der globalen Ökonomie ein großer Schritt in Richtung einer examinierten und transparenten nachhaltigen Unternehmensführung.
2.2. Nachhaltige Entwicklung der Marke VAUDE
Es ist eine beeindruckende Leistung, ökologisches und soziales nachhaltiges Wirtschaften auf allen Ebenen ohne staatliche Vorgaben und Standards ernsthaft umsetzen zu wollen. Im Falle von VAUDE passt es auch zum Geschäftsmodell. Kund*innen von Outdoor-Kleidung wollen eine intakte Umwelt, damit eine heile und gesunde Natur erlebt werden kann. Der Klimawandel mit Stürmen, Regenfluten oder das Schmelzen des Permafrosts in den Alpen ist für eine Outdoor-Marke wahrlich ein Geschäftsrisiko.
Als Gründertochter Antje von Dewitz den Familienbetrieb übernahm, meinte sie es ernst mit der Vision, das Unternehmen auf allen Ebenen transparent und nachhaltig zu gestalten. [7] Im Jahr 2008 erhielt das Unternehmen eine EMAS-Zertifizierung und erhob dafür alle entstehenden Emissionen im gesamten Produktionszyklus.
Die Firmenzentrale in Tettnang wurde bis 2012 mit allen dort her-gestellten Produkten klimaneutral.
Im Jahr2019, dem Jahr des Green Deal der EU, schloss sich VAUDE auf dem Weg zur Klimaneutralität aller Produkte der Science Based Targets Initiative (SBTi) [8] an.
2021 folgte der klimaneutrale Transport und Versand vom Produktions-betrieb bis zum Kunden. Seit 2022 besteht die Hälfte aller Produkte überwiegend aus recycelten oder biobasierten Materialien. VAUDE bekennt sich zum Prinzip der Kreislaufwirtschaft und kooperiert deutschlandweit mit Repair-Cafés und dem europäischen Ableger der Onlineplattform iFixit, einer Reparaturplattform. [9]
Das Unternehmen schreibt auf seiner Internetseite: „Unsere weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden systematisch reduziert. Aktuell nicht vermeidbare Emissionen werden vollständig über „myclimate“ durch zertifizierte Gold-Standard-Klimaschutzprojekte kompensiert.“ [10]
Im Jahr 2014 trat VAUDE dem Bündnis für nachhaltige Textilien des BMZ bei, um die Rahmenbedingungen der gesamten Textilbranche zu verändern. Die Marke setzte sich dafür ein, dass der Standard der Anforderungen des Bündnisses für nachhaltige Textilien inhaltlich mit dem Higg-Index abgestimmt wurde, sodass nach einheitlichen Standards gearbeitet werden kann. An der Entwicklung des Higg-Index, einem Instrument für die Bekleidungs- und Schuhindustrie, um die Nachhaltigkeit von Produkten zu bewerten[11], war VAUDE erheblich beteiligt. Wie ernst es die Marke nimmt, zeigt auch die Gründung der VAUDE Academy für nachhaltiges Wirtschaften, in der andere Unternehmen und Organisationen auf ihrem Weg in die Nachhaltigkeit unterstützt werden. [12]
Da erstaunt es nicht, dass das Unternehmen 2023 mit dem Reuters Business Transformation Award ausgezeichnet wurde. Der Preis ehrt die weltweit besten, nachhaltig engagierten Unternehmen. Zudem wurde VAUDE beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 gleich zweimal ausgezeichnet: als Nachhaltigstes Unternehmen und in der Kategorie Fairness in der Lieferkette.
Auf der Unternehmens-Website bekennt sich die Outdoor-Marke klar zu ihrer Unternehmenskultur und Mission der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes. Mit ihrem Buch „Mut steht uns gut!: Nachhaltig, menschlich, fair – mit Haltung zum Erfolg“ veröffentlichte VAUDE-Geschäftsführerin Antje von Dewitz im Jahr 2020 ihre Schilderung des steinigen Weges der Transformation in die Nachhaltigkeit, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
In einem Positionspapier zur aktuellen Debatte um die EU-Lieferketten-richtlinie schreibt das Unternehmen: „Wir sind davon überzeugt, dass nur gesetzliche Standards mit einer hohen Verbindlichkeit für die Einhaltung von Menschenrechten, Verbraucherschutz sowie Umwelt-/Klimaschutz in der globalen Lieferkette sorgen können.“ [13]
2.3. Normen, Zertifikate, Siegel und Labels der Transformation
Nationale und internationale Normen sind so genannte „soft laws“, die nicht rechtsverbindlich sind, sondern Geschäftsbeziehungen und Produkte mit einheitlichen Regelungen versehen. Sie helfen den Unternehmen dabei, durch bestimmte Anforderungen an Standards bessere Managementsysteme aufzubauen.
Produkte und Dienstleistungen mit globalen Standards zu versehen, erleichtert den Handel und schafft Transparenz und Vertrauen. So muss zum Beispiel ein Produkt, das im europäischen Binnenmarkt zugelassen werden soll, die rechtlichen Vorgaben der relevanten EU-Richtlinien oder -Verordnungen erfüllen. (z.B. durch das geprüfte CE-Zeichen). [14]
Zwei Beispiele für wichtige Normen der Transformation, sind die ISO-Normreihe 9000 für Qualitätsmanagement, oder der ISO 14000 Reihe zu Umweltmanagementsystemen.
Seit der Einführung von EMAS und OECD-Leitlinien in den 1990er Jahren werden bei der Normung neben technisch-wirtschaftlichen Aspekten auch Fragestellungen des Umweltschutzes, des Klimawandels und der Nachhaltigkeit berücksichtigt. [15]
Die EMAS beruft sich darauf, ein zertifizierbares ökologisches Logo zu haben – im Gegensatz zur ISO 14001, einem internationalen zertifizier-baren Umweltmanagementsystem. Das EMAS-Logo darf jedoch nicht auf Produkten oder der Verpackung verwendet werden. Um Kund*innen zu informieren kann es allerdings für Marketingmaßnahmen und auf der Website aufgeführt werden. [16]
Für eine sinnvolle Orientierungshilfe wären sichtbare und staatlich geprüfte ökologische Siegel auf Produkten hilfreicher.
Für die Entwicklung von neuen Normen gibt es auf internationaler Ebene zum Beispiel die International Organization for Standardization (ISO), für nationale Normen das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) und als europäische Normungsorganisation bildet das Europäische Komitee für Normung (CEN) die europaweiten Normen aus. Durch Arbeitsgruppen von Interessenvertretern und Normenausschüssen werden in Normungsorganisationen neue Normen entwickelt und alte überarbeitet. „Heute werden mehr als 80% der Normungsthemen europäisch oder international erarbeitet.“ [17] Diese internationalen und nationalen staatliche Normen können zwar mit Audits geprüft und zertifiziert werden, aber es sind nur Empfehlungen und ihre Anwendung ist freiwillig. “Ihre faktische Macht liegt in ihrer sachlichen Kompetenz“. [18]
Die von unabhängigen Instituten auditierten Zertifizierungen sind auch noch mit Kosten verbunden, die nicht jedes Unternehmen bereit ist auf sich zu nehmen.
Neben zertifizierbaren staatlichen Normen und Standards für Umweltschutz und Nachhaltigkeit gibt es viele Labels, die nicht staatlich auditiert werden. Sie werden zum Teil direkt oder in Kooperation von Organisationen selbst entwickelt und gestaltet. Wie seriös diese Labels sind, kann nicht immer nachgeprüft werden. Der Unterschied zwischen Label und Siegel ist auf Produkten nicht deutlich zu erkennen. Dabei werden Labels häufig als Oberbegriff für Zusatzinformationen zu einem Produkt verstanden. Ein Siegel kann dagegen als Gütesiegel oder Qualitätssiegel gesehen werden, das staatlich geprüft und zertifiziert wird. Ein Produktlabel können Organisationen und Verbände auch selbst nach bestimmten Standards entwickeln.
Vor allem im Lebensmittelhandel erhalten diverse Label auch viel Kritik. Wie im Fall des grünen Logos „verantwortlicher verpackt“ für weniger Plastikverpackung der Supermarktkette Lidl. [19]
Neben dem EMAS-Logo im Bereich Umweltschutz, gibt es seit 1978 das zertifizierbare Blaue Engel-Siegel. Dabei handelt es sich um ein Umweltzeichen der Bundesregierung, das umweltschonende Produkte und Dienstleistungen von Recyclingpapier, Möbel und Waschmitteln von über 1.600 Unternehmen kennzeichnet. Es ist sicherlich eines der bekanntesten Siegel, das auch auf Produkten abgebildet werden kann. [20]
Für nachhaltige Textilien wurde 2019 das staatliche Siegel Grüner Knopf vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – BMZ eingeführt, um Verbraucher*innen eine bessere Orientierung beim Einkauf zu geben. „Es ist das erste Siegel, das die unternehmerische Sorgfaltspflicht nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen in prüfbare Kriterien überführt hat“. [21] Mit dem Grünen Knopf werden auch Anforderungen an die Lieferkette und deren Sorgfaltspflicht verlangt. Allerdings wird das Siegel erst durch das Lieferketten-sorgfaltspflichtengesetz gegen Vorwürfe des Greenwashings geschützt, da mit dessen Einführung die rechtlichen Grundlagen gesetzt werden. Das LkSG gilt aktuell in Deutschland jedoch nur für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Das europaweite LkSG wäre weitaus strenger, ist allerdings noch nicht ratifiziert. [22] Zusätzlich gibt es in Deutschland auch Kritik und blockierende Parteien, die den Unternehmen den bürokratischen Aufwand und die rechtliche Verantwortung für ihre globalen Zulieferer nicht zumuten möchten. [23]
Mit den neuen Anforderungen zu mehr Nachhaltigkeit entwickelte die Organization for Standardization bis 2010 in einem globalen Multi-Stakeholder-Prozess die Managementnorm ISO 26000. Sie sollte „Licht und System in den damals vorherrschenden Dschungel an Initiativen, Standards und Normen bringen […]“. [24]
Diese Norm wurde 2011 als DIN ISO 26000 in das deutsche und 2020 in das europäische Normenwerk aufgenommen und dient als Leitfaden, um Managementsysteme und Prozesse in Richtung nachhaltigen Wirtschaf-tens und vor allem auch zur gesellschaftlichen Verantwortung, einer Corporate Social Responsibility (CSR), auszurichten.
2.3.1. Zertifizierbare und nicht zertifizierbare Normen und Labels
Die Managementnorm ISO 26000 / DIN ISO 26000 kann aktuell in Deutschland noch nicht auditiert werden. Die zertifizierbaren Managementsystem-Normen, wie die ISO 14001 und andere zertifizierbare ISO-Normen (z.B. SA8000 zu Arbeitsbedingungen) werden daher aktuell bevorzugt. [25]
In einigen Ländern Europas sind nationale zertifizierbare Fassungen entstanden, wie zum Beispiel in Österreich, Dänemark, Spanien und Portugal. [26]
Vermutlich wird auch in Deutschland in Zukunft eine zertifizierbare DIN ISO 26000 Norm eingeführt werden, damit dieser nachhaltige Standard auch von den Organisationen angenommen und umgesetzt wird.
Die Freiwilligkeit des Zertifizierens wird durch Stakeholder*innen wie Finanzinstitute und Businesspartner*innen konterkariert. Denn für geplante Finanzierungen oder Geschäftsbeziehungen können zertifizierte Normen verlangt werden. Damit üben die Beteiligten in der Wirtschaft für die Auditierung von Normen Druck auf Subunternehmer aus. Besonders im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes gibt es hier massiven Einfluss auf Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMUs), die im Moment noch keine CSR-Berichtspflicht haben. Besonders den Lebenszyklus von Produkten über die gesamte Lieferkette hinweg zu monitoren, ist eine große Herausforderung für Unternehmen und wird seine Zeit dauern.
Allerdings kann die Norm 26000 nicht als Label oder Siegel zur Information über Nachhaltigkeitsleistungen auf Produkte oder Produktverpackungen platziert werden. Um Kund*innen zu informieren ist daher ein eindeutiges Label sinnvoll, selbst wenn es kein staatliches Siegel ist.
Bei vielen Labels wird die Einhaltung der festgeschriebenen ökologischen oder sozialen Kriterien durchaus auch stichprobenartig kontrolliert und von unabhängigen Organisationen wie zum Beispiel der EcoCert überprüft. [27]
Sowohl für Audits als auch Label-Lizenzen fallen für die Unternehmen nicht unerhebliche Kosten an. Für Kund*innen kann daher ein geprüftes Label auch ein Indikator sein, wie ernst es einem Unternehmen mit der nachhaltigen Transformation ist.
2.3.2. Warum gibt es so viele Labels und Siegel?
Die Flut an Labels, Siegeln und Zertifikaten hat einen Grund: Während zertifizierte Normen und deren Standards nicht auf Produkten vermerkt sind und von Kund*innen auch nicht unbedingt eingeschätzt werden könnten, sind Labels und Siegel häufig direkt im Design mit dem entsprechenden Thema verknüpft und daher für Verbrauchende leichter erkennbar.
Da es nicht für jedes ökologische und soziale Engagement in der Produktentwicklung staatliche Siegel gab, wurden immer mehr Labels zu bestimmten Themen von Netzwerken, Vereinen und Non-Profit Organisationen häufig in Zusammenarbeit mit Unternehmen entwickelt. Als Beispiele können hier die Fair Wear Foundation mit dem Fair Wear Label (Abb. 3), das BIOCOTTON-Logo der Modemarke C&A oder das internationale Responsible Down Standard Label (Abb. 3), für Tierwohl-Aspekte bei der Daunen-Gewinnung genannt werden.
Es entstanden immer mehr Labels, die uns als Konsumierende in ihrer unübersichtlichen Masse überfordern.
So heißt es zum Beispiel auf der Internetseite der EMAS: „Im Siegel- und Logo-Dschungel rund um Nachhaltigkeit ist es mittlerweile nicht mehr ganz so einfach zu unterscheiden, wofür die einzelnen Logos stehen und was Konsumentinnen und Konsumenten erwarten können […]. Dabei ist es wichtig, differenzieren zu können, welche Logos und Siegel glaubwürdige und geprüfte Belege dafür sind, dass Unternehmen umweltfreundliche Produkte herstellen oder ihre Geschäftstätigkeit so ausgerichtet haben, dass ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt Schritt für Schritt verringert werden.“ [28]
Selbst auf Internetseiten wie www.siegelklarheit.de, die vom BMZ gefördert wird und auf der Webseite der Verbraucherzentrale werden nicht alle bestehenden Labels abgebildet und erklärt. So heißt es über den „Label-Dschungel“ auf der Internetseite www.siegelklarheit.de: „Die Welt der Standards ist sehr dynamisch und die Anzahl verfügbarer Siegel wächst stetig. Hier den Überblick zu behalten ist eine große Herausforderung – umso mehr freuen wir uns über Ihre Hilfe!“ [29]
Dieser Aufruf an die Verbrauchenden zeigt sehr deutlich, wie diffus die Label- und Siegel-Situation heute ist.
2.3.3. Labels und Siegel der Marke VAUDE
Für ein Unternehmen wie VAUDE, das sich schon länger in Richtung Nachhaltigkeit bewegt, sind die neuen Gesetze und Regelungen Meilensteine. Übermäßig günstige (Outdoor)-Kleidung und Ausrüstung wird auf Dauer nicht möglich sein, wenn Unternehmen dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz nachkommen müssen und ihre CSR-Reportings gewissenhaft erstellen. Ein bereits sehr nachhaltiges Unternehmen wird so noch wettbewerbsfähiger. Wie bereits erwähnt, hat VAUDE das Umweltzertifikat EMAS schon sehr früh erworben und schreibt selbst auf seiner Internetseite: „Damit wir nicht nur viel behaupten, sondern auch belegen, arbeiten wir mit zahlreichen unabhängigen Organisationen und Siegeln zusammen.“ [30]
Die Auflistung der zertifizierten Siegel und Label ist durchaus überzeugend:
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildungen wurden aus
urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abb. 3
Das Unternehmen entwickelte 2010 mit Green Shape einen eigenen Umweltstandard, weil staatliche Siegel aktuell nicht zu den Anforderungen dieser Produkte passten. Sie sind u. a. ohne schdliche Chemikalien wie PFAS (u.a. aliphatische organische Verbindungen zum Imprägnieren) und einem Öko-Design, das Reparierbarkeit, Material-effizienz und Recycelbarkeit vereint.
In seinem sehr ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht 2022 schreibt das Unternehmen: „Gibt es nicht schon genug Öko-Siegel? Da blickt doch niemand mehr durch …? Stimmt. Wozu dann noch ein VAUDE-eigenes Label? Als wir 2009 anfingen, unsere Produktentwicklung konsequent Richtung Nachhaltigkeit umzusteuern, war das Bewusstsein für ökologische und soziale Aspekte von Bekleidung gerade erst im Entstehen.“ […] Wir haben also recherchiert und gesucht, aber kein Siegel gefunden, was auf all unsere verschiedenen Produktbereiche und auf unsere hauptsächlich aus Kunstfasern hergestellten Produkte anwendbar wäre und gleichzeitig international funktioniert.“ [31]
In diesem Fall ist es verständlich, dass ein eigenes Label, das den besonderen Produkteigenschaften und Herstellungsweisen entspricht, entwickelt wurde. Für interessierte Kund*innen kann das Label auch über die Themen chemische persistente Verbindungen und nachhaltige Herstellung informieren. Trotzdem ist es ein weiteres Label, dass nicht national oder international von staatlicher Seite zertifizierbar ist und dazu auch Produkte von VAUDE beschildert.
Die Anforderungen des Green Shape-Labels sind allerdings für die Marke aufgrund des Öko-Designs, der anwenderfreundlichen Reparier-barkeit auch ein großer Schritt in Richtung Circular Economy.
3. Stakeholder*innen – die Endkund*innen und ihre Rolle
Die Kreislaufwirtschaft beansprucht jedoch auch viel Verantwortung von den Konsumierenden, die defekte Produkte zum Beispiel an den Händler zurücksenden oder selbst reparieren müssen. Dabei sind die Endkund*innen die wichtigsten Stakeholder*innen für Unternehmen. Sie sind diejenigen, die Kaufentscheidungen aufgrund von differenzierten Anreizen treffen, die ökologische und auch soziale Aspekte umfassen können. Für einige Konsumierende geht es nicht mehr um das günstigste Produkt. Im Gegenteil: Günstige Produkte schaffen auch Misstrauen über den Umgang mit Ressourcen, über sichere und nicht gesundheitsgefährdende Endprodukte und menschenwürdige Arbeit bei der Produktion. Kund*innen übernehmen damit auch freiwillig Verant-wortung für das gekaufte Produkt.
Die Unternehmen sollten daher zeigen, dass sie eine seriöse Strategie in Richtung nachhaltiger Entwicklung haben und diese auch ernsthaft umsetzen. Durch die verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichte auf den Internetseiten der Hersteller lässt sich die Vision, die Mission sowie auch die Umsetzung der Transformation erkennen. Es fehlt allerdings häufig an Vertrauen in CSR-Berichte, Labels und Siegel. Das Stichwort „Greenwashing“ fällt in der breiten Öffentlichkeit immer häufiger, weil NGOs und Verbände nicht erfüllte Maßnahmen in der Berichterstattung von Organisationen aufdecken oder staatliche Siegel nicht korrekt auditiert wurden.
3.1. Label-Dschungel – das große Misstrauen der Endkund*innen
In der Gesellschaft gibt es ein generelles Misstrauen in Labels und Siegel, das vermutlich auch daher rührt, dass es bereits sehr viele gibt und gefühlt jeden Tag mehr entstehen, die nicht alle geprüft werden (können).
Der Vertrauensverlust kommt sicherlich auch durch einige öffentlich gemachte Skandale. So erlebte zum Beispiel das staatliche Siegel Grüner Knopf2021 ein negatives Medienecho. Die NGOs Femnet und Public Eye prüften 31 öffentliche Berichte von Unternehmen, die das Siegel verwenden und stellten fest, dass das Siegel nicht das liefere, was sich viele von ihm versprechen: Kleider und Textilwaren, die ohne Ausbeutung und Umweltverschmutzung auch entlang der Lieferketten hergestellt werden. Die Standards und Prüfprozesse wurden als mangelhaft bezeichnet. [32]
Zumindest in Deutschland kann mit dem deutschen LkSG und den damit verbundenen gesetzlichen Regelungen zur globalen Lieferkette ein Signal gesetzt werden. Damit wäre die gesetzliche Grundlage für ein Siegel wie der Grüne Knopf zumindest angelegt.
Eine vertrauenswürdige Reputation von Labels und Siegel braucht jedoch mehr glaubwürdig nachhaltige Unternehmen wie die Marke VAUDE, die weit mehr als nur den gesetzlichen Rahmen des LkSG umsetzen.
3.2. Einbindung der Endkund*innen in die Transformation am Beispiel der Marke VAUDE
Wie können Endkund*innen besser in die Transformation in Bezug auf Produkte eingebunden werden?
Unternehmen wie VAUDE und Mitbewerber Patagonia verändern international die Outdoor-Branche. Sie sind Vorreiter der Nachhaltigkeit und inspirieren vor allem mit guten Umsätzen viele andere Wettbewerber.
VAUDE ist in den sozialen Netzwerken sehr präsent und informiert über neue Entwicklungen in Sachen Nachhaltigkeit. Ein eigener Podcast „Inside Outdoor – Der VAUDE Podcast ohne BlaBla“ behandelt nicht nur Nachhaltigkeit bei Outdoor-Aktivitäten, sondern auch nachhaltiges Leben und Unternehmertum im Allgemeinen. Den aktuellen Podcast-Trend für unterhaltsame Informationen und Nachhilfe in Sachen Nachhaltigkeit zu nutzen, setzt die richtigen Impulse.
Die Stakeholder*innen können allerdings nur über nachhaltige Produkte entscheiden, wenn ein nachhaltiges Produkt auch vertrauensvoll gekennzeichnet ist. Ob hier selbst entwickelte Labels wie Green Shape von VAUDE helfen, mehr Vertrauen zu bewirken ist fraglich. Überzeugt jedoch ein Unternehmen als Social Entrepreneurship so intrinsisch wie VAUDE, kann vielleicht auch ein eigenes Label überzeugen. Es bleibt aber ein Markeninternes Label, das keine nationale oder internationale Zertifizierung aufweist.
Antje von Dewitz hat hierzu eine eigene Vision: „Wäre es nicht großartig, wenn wir einfach davon ausgehen könnten, dass die Produkte unserer Wahl ökologisch und fair hergestellt wurden? […] Wenn Unternehmen sich für ihr gesamtes Handeln, auch in fernen Lieferketten, verantwortlich zeigen und sich mit großer Selbstverständlichkeit für das Wohl von Mensch und Natur einsetzen? Ich bin der Meinung, das muss keine unerreichbare Vision bleiben." [33]
Die VAUDE-Geschäftsführerin äußert sich seit vielen Jahren auch zu anderen gesellschaftspolitischen Themen, wie z.B. den Braunkohleabbau und Migrationsdebatten. Diese Haltungs-kommunikation sorgt für Kontroversen bis zu Aufrufen zu Kauf-boykotten. [34]
Das Unternehmen schafft es damit, in der Öffentlichkeit sehr präsent zu sein und persönliche sowie allgemeine Nachhaltigkeitsthemen weiter zu verbreiten. Das ist ein mutiger Weg, da durchaus das Risiko besteht, dass kritische Stimmen dem Geschäft nicht unwesentlich schaden.
In der aktuellen Phase der Transformation hilft eine solche klare Haltungskommunikation den Verbrauchenden ein Unternehmen einzuschätzen. Für die Kaufentscheidungen müsste aber das Produkt direkt die nachhaltige Haltung transportieren können.
Vielleicht könnte eine Darstellung auf allen Produkten helfen, die vergleichbar mit Inhaltsstoffen auf Lebensmitteln zu kcal und Zuckeranteil, den CO2-Fußabdruck und Recycling-Anteil anzeigen. Es könnte einen „Nachhaltigkeits-Score“ mit nachhaltigen und ressourcenschonenden Einordnungen von A-D geben, so dass nachhaltig produzierte Produkte bis ins kleinste Detail einfach erkennbar sind.
Es würde helfen, die Endkund*innen besser über neue Normen, Siegel und Labels zu informieren. In den aktuellen Debatten zeigt sich aber, dass politische Klimaentscheidungen jetzt schon für viel gesellschaftlichen Sprengstoff sorgen. Die staatlichen Entscheidungen zur Transformation werden kritisch beurteilt und von Interessengruppen wird mitunter Misstrauen verbreitet. Das Vertrauen in neue gesetzliche Standards, Siegel und Labels zur Nachhaltigkeit aufzubauen, wird daher ebenfalls erschwert.
Wie sehr uns der Klimawandel und die damit verbundene Klimapolitik einschränken wird, ist das Thema der kommenden Jahrzehnte.
Hinzu kommen die Entwicklungen zu einer Circular Economy, die viel Verantwortung an die Verbrauchenden weitergibt. Vor allem werden dann klare Produktinformationen nötig sein, die beim Umgang mit defekten Produkten helfen. Das wird eine der großen Herausforderungen für die Endkund*innen.
4. Fazit
Seit der Zielsetzung der Agenda 2030 im Jahr 2015 ist viel passiert, aber nach dem Fortschrittsbericht zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) von 2022 findet die nötige Transformation bis 2030 trotz vielfachen Umsetzungsbemühungen und vereinzelten Fortschritten zu langsam und nicht in ausreichender Tiefe statt. [35] Die politischen Bemühungen und vor allem Verpflichtungen zur Erreichung der SDGs müssen national und international intensiviert werden.
Auf dem Weg zur Transformation von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dürfen die Endkund*innen, die wichtigste Interessengruppe, im Prozessverlauf nicht vernachlässigt werden. Die Kund*innen brauchen klare Labels und Siegel, die auf den Produkten abgebildet sind. Es muss über Normen und Zertifizierungen informiert werden, damit vertrauen in Unternehmen und die Transformation aufgebaut wird. Wir brauchen nicht noch weitere staatliche Siegel, die uns im Label-Dschungel noch mehr untergehen lassen. Die bestehenden Labels für innovative nachhaltige Produkte, der Circular Economy oder fair Trade könnten in staatliche Siegel umgewandelt werden. Eine staatliche Beteiligung mit vertrauensvollen Zertifizierungen zusammen mit Gesetzen, die rechtliche Grundlagen legen, könnte den diffusen Überfluss an Labeln ausdünnen. Die Labels, als staatliche Siegel, könnten Vertrauen schaffen und klare Zeichen setzen. Erst dann wäre es auch sinnvoll in Schulen im Unterricht neben Nachhaltigkeitsthemen auch eine Siegel-Kunde zu lehren. Kinder und Jugendliche würden damit lernen was Nachhaltigkeit bedeutet und welche Zusammenhänge mit Labels und Siegeln auf den Produkten bestehen.
Die Outdoor-Branche ist allerdings nur ein kleiner Bereich der Textilbranche, die in aller Regel ohnehin naturliebende Kund*innen anspricht. Die Zielgruppe dürfte demzufolge für das breite Spektrum der Nachhaltigkeitsthemen, also nicht nur hinsichtlich Natur- und Umweltschutz, sondern auch für soziale Belange innerhalb der ganzen Lieferkette empfänglich sein. Erst wenn Bereiche der Textilbranche wie Fast-Fashion-Mode oder Haute Couture mit ihren jährlich wechselnden Modetrends den Weg zur Transformation umsetzen, wird es auch für Kund*innen einfacher, sich auf ein nachhaltiges Kaufverhalten bei Textilien einzulassen.
Allerdings hat der Konsum von nachhaltigen und Bio-Produkten, seien es Lebensmittel, faire Kleidung, Kosmetika oder nachhaltige Haushaltsgeräte, viel mit Preisstrukturen und Bildung zu tun. Es ist eine Frage des Geldbeutels, ob ich bei Kick einkaufe oder ein T-Shirt von VAUDE erwerbe.
Das nachhaltige Verhalten auf allen Ebenen von Bio-Lebensmitteln bis hin zu E-Autos ist nicht für jeden möglich. Es ist ein Wohlstandsverhalten, und das sollte es nicht sein. Weltweite Bildungskampagnen wie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind wichtig und gut, aber es muss auch für jeden möglich sein, sich für ein solches Produkt zu entscheiden.
Aber – und das sei natürlich hier am Ende auch noch erwähnt – Konsum ist niemals nachhaltig. Das Reparieren, Verschenken und ein sorgfältiger Umgang mit Kleidung und anderen Produkten dagegen schon. In der Kreislaufwirtschaft liegt die eigentliche Zukunft des Konsumierenden-Verhaltens. Ob das alle Wirtschaftsunternehmen unterstützen möchten, wird sich zeigen.
Die Marke VAUDE bewegt sich bereits in diese Richtung. Trotzdem weicht VAUDE-Marketingleiter Manfred Meindl in einem Interview bei der Fragestellung, „dass Nachhaltigkeit in der Bekleidungsbranche heißt, weniger zu kaufen“, auch erst einmal aus und gibt dann doch ein klares Statement: „Der Konsum eines nicht notwendigen Produktes ist, wie auch die Produktion, schlecht für den Planeten.“ [36]
Auf der Internetseite von VAUDE heißt es sehr präsent: „Jetzt geht es darum, bewusster zu konsumieren. Dinge zu reparieren, statt wegzuwerfen.“ […] Mach mit! Trage weniger – erreiche mehr.“ [37]
Das ist beeindruckend zu lesen von einem wirtschaftlich agierenden Unternehmen und es sind – das kann man nicht anders sagen – wahre und sehr nachhaltige Worte.
5. Verzeichnisse
5.1. Literatur- und Quellenangaben
Bernhard Schwager (Hrsg.) (2022): CSR und Nachhaltigkeitsstandards: Normung und Standards im Nachhaltigkeitskontext / Berlin: Springer Gabler
Hannes Jaenicke, Fred Sellin (2022): Die große Sauerei: wie Agrarlobby und Lebensmittelindustrie uns belügen und betrügen - und was das für unsere Ernährung bedeutet / München: Yes
Antje von Dewitz (2020): Mut steht uns gut!: Nachhaltig, menschlich, fair - mit Haltung zum Erfolg /; mit einem Vorwort von Winfried Kretschmann Salzburg: Benevento
Jan Diesteldorf, Süddeutsche Zeitung vom 17.01.2024: Lieferkettenregeln, nein danke Firmen in der EU sollen künftig für die Vergehen ihrer Zulieferer haften, sonst drohen hohe Bußgelder. Das geht der FDP zu weit – damit steht sie nicht allein
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (2022): Transformation zu globaler Nachhaltigkeit: Ressortbericht zur Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der SDGs / Berlin: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Dipl.-Ing. Wolfgang Niedziella (2022): Wie funktioniert Normung?: eine Einführung in die nationale, europäische und internationale elektrotechnische Normung / Berlin: VDE Verlag
Webseiten:
- Blauer Engel Webseite: https://www.blauer-engel.de/de/blauer-engel/unser-zeichen-fuer-die-umwelt abgerufen am 14.01.2024
- Deutsches Global Compact Netzwerk : https://www.globalcompact.de/ueber-uns/un-global-compact-netzwerk-deutschland abgerufen am 14.01.2024
- EMAS, Europäische Umweltmanagement- und Auditierungssystem: https://www.emas.de/aktuelles/news/oecd-aktualisiert-leitsaetze-fuer-multinationale-unternehmen abgerufen am 12.01.2024
https://www.emas.de/emas-marketing abgerufen am 22.01.2024
https://www.emas.de/emas-einordnen , abgerufen am 12.01.2024
- Label Online Webseite:
https://label-online.de/label/supporting-the-cotton-made-in-africa-initiative/ abgerufen am 22.01.2024
- Siegelklarheit Webseite:
https://www.siegelklarheit.de/faq#das-siegel-nach-dem-ich-suche-ist-nicht-auf-siegelklarheit-abgebildet-oder-nicht-bewertet-worden-warum-ist-das-so abgerufen am 14.01.2024)
- Süddeutsche Zeitung Online: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/textilindustrie-kritik-am-gruenen-knopf-1.5166513 abgerufen am 15.01.2024.
- SBTi, The Science Based Targets initiative: https://sciencebasedtargets.org/how-it-works abgerufen am 13.01.2024
- The Sustainable Apparel Coalition (SAC), Higg-Index:
https://apparelcoalition.org/tools-programs/higg-index-tools/ abgerufen am 13.01.2024
- UNRIC, Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen:
https://unric.org/de/17ziele/ abgerufen am 12.01.2024
- Utopia, Siegel-Studie 2019:
https://i.utopia.de/sales/utopia-siegel-studie-lost-in-label-2019.pdf abgerufen am 12.01.2024
- VAUDE Webseite:
https://www.vaude.com/de/de/blog/post/klimaneutral.html abgerufen am 12.01.2024
https://www.vaude.com/de/de/blog/post/green-shape-umweltfreundliche-produkte.html abgerufen am 13.01.2024
- VAUDE Academy Webseite:
https://academy.vaude.com/ abgerufen am 12.01.2024
- VAUDE Nachhaltigkeitsbericht: https://nachhaltigkeitsbericht.vaude.com/gri/produkte/greenshape-konzept.php abgerufen am 16.01.2024
- VAUDE Positionspapier:
https://www.linkedin.com/pulse/vaude-positionspapier-zum-fdp-beschluss-stopp-der-eu-lieferkettenrichtlinie-gux2f%3FtrackingId=fkjykUqSQ02heMH3Rv7qvA%253D%253D/?trackingId=fkjykUqSQ02heMH3Rv7qvA%3D%3D abgerufen am 19.01.2024
- WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen:
https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-gesellschaftsvertrag-fuer-eine-grosse-transformation abgerufen am 11.01.2024
- Podcast Sustainable Brand Stories – der Podcast für nachhaltig erfolgreiche Marken & Kommunikation: Provokante Pioniere: die VAUDE-Story mit Manfred Meind, S1 I 17, 01.11.2023
5.2. Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Quelle: https://www.openpr.de/news/1090016/Woher-weiss-ein-Kunde-wie-gruen-ein-Textilhersteller-ist.html abgerufen am 11.01.2024
Abb.2: Quelle: https://gruener-knopf.de/ abgerufen am 12.01.2024
Abb.3 Quelle: https://www.vaude.com/de/de/blog/post/green-shape-umweltfreundliche-produkte.html abgerufen am 13.01.2024
[1] Utopia Siegel-Studie 2019.
[2] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 100.
[3] Vgl. Deutsches Global Compact Netzwerk.
[4] UNRIC.
[5] Vgl. EMAS.
[6] Der Begriff „Große Transformation“ wird mit der Transformation zu einer klimaverträglichen Gesellschaft ohne Nutzung fossiler Brennstoffe verbunden. Er wurde für die Publikation der WBGU im Jahr 2011 „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ aufgegriffen und seitdem mit der nachhaltigen Ausrichtung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Verantwortung von Unternehmen in Verbindung gebracht. Nachhaltigkeit bedeutet, dass ein regeneratives, natürliches System in seiner prinzipiellen Beschaffenheit dauerhaft erhalten bleibt. Oder noch besser - auch künftige Generationen im gleichen Maße ihre Bedürfnisse befriedigen können, wie es aktuell für die Generation möglich ist. Vgl. WBGU.
[7] Vgl.Antje von Dewitz, 2020.
[8] Die Science-Based-Targets Initiative - SBTi (Initiative für wissenschaftsbasierte Ziele), definiert und fördert bewährte Verfahren zur Emissionsreduzierung und Net-Zero Ziele im Einklang mit der Klimawissenschaft. Unternehmen können dabei wissenschaftsbasierte neueste Erkenntnisse der Klimawissenschaft und technische Unterstützung und Expertenressourcen nutzen. Vgl. SBTi.
[9] Vgl. Antje von Dewitz, 2020, S.308-309.
[10] Vgl. VAUDE Webseite, klimaneutral.
[11] Vgl. The Sustainable Apparel Coalition (SAC), Higg-Index.
[12] Vgl. VAUDE Academy Webseite.
[13] Vgl. VAUDE Positionspapier.
[14] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 9
[15] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 17.
[16] Vgl. EMAS.
[17] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 12.
[18] Dipl.-Ing. Wolfgang Niedziella, 2022, S. 85.
[19] Vgl. Hannes Jaenicke, Fred Sellin, 2022, S. 153.
[20] Vgl. Blauer Engel Webseite.
[21] Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2022, S. 43.
[22] Der aktuelle Entwurf für der EU-Lieferkettenrichtlinie würde zunächst alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Euro Jahresumsatz betreffen und Haftungen mit Bußgeld bei Verstößen von globalen Lieferanten beinhalten.
[23] Vgl. Jan Diesteldorf, 2024.
[24] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 33.
[25] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 34.
[26] Vgl. Bernhard Schwager (Hrsg), 2022, S. 43.
[27] Label Online Webseite. /*****/////
[28] Vgl. EMAS.
[29] Vgl. Siegelklarheit Webseite.
[30] VAUDE Webseite.
[31] Vgl. VAUDE Nachhaltigkeitsbericht.
[32] Vgl. Süddeutsche Zeitung Online,2021.
[33] Vgl.Antje von Dewitz, 2020, S. 20-21.
[34] Vgl. Podcast Sustainable Brand Stories, Min. 20:38.
[35] Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ),2022, S.6.
[36] Vgl. Podcast Sustainable Brand Stories, Min. 19:13.
[37] VAUDE Webseite, klimaneutral.
- Arbeit zitieren
- Julia Gebefügi (Autor:in), 2024, Einbindung der Endkunden in die Nachhaltigkeitstransformation von Unternehmen. Herausforderungen und Lösungen am Beispiel der Firma VAUDE, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1467195
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