Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema des kindlichen
physiologischen und pathologischen Schluckakts und dessen möglicher, bzw. sinnvoller, therapeutischer Intervention am Beispiel der infantilen Zerebralparese (CP). Es wird ein Überblick über die Anatomie des frühkindlichen Ansatzrohres und dessen Funktionsweise während der Deglutation gegeben. Zur Verdeutlichung der anatomischen und funktionellen Unterschiede erfolgt die Vor- stellung im Vergleich zum erwachsenen Ansatzrohr und dessen Schluckakt.
Anschließend findet eine Einführung in das neurologische Krankheitsbild der CP und eine kurze Beschreibung der möglichen Dysphagieformen statt, um Besonderheiten der Pathologie darzustellen. Folgend werden zwei Therapieansätze zur Behandlung der Dysphagie bei infantiler CP überblicksartig vorgestellt und im Schlussteil verglichen und diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Anatomie und Physiologie des kindlichen Schluckakts
3. Die infantile Zerebralparese
3.1 Die Äthiologie der infantilen Zerebralparese
3.1 Die Äthiologie der infantilen Zerebralparese
4. Die orofaziale Regulationstherapie nach Rodolfo Castillo Morales
5. Die neurofunktionelle Regulation nach Beatriz Padovan
6. Gegenüberstellung der Therapieansätze und Diskussion
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema des kindlichen physiologischen und pathologischen Schluckakts und dessen möglicher, bzw. sinnvoller, therapeutischer Intervention am Beispiel der infantilen Zerebralparese (CP). Es wird ein Überblick über die Anatomie des frühkindlichen Ansatzrohres und dessen Funktionsweise während der Deglutation gegeben. Zur Verdeutlichung der anatomischen und funktionellen Unterschiede erfolgt die Vor- stellung im Vergleich zum erwachsenen Ansatzrohr und dessen Schluckakt. Anschließend findet eine Einführung in das neurologische Krankheitsbild der CP und eine kurze Beschreibung der möglichen Dysphagieformen statt, um Besonderheiten der Pathologie darzustellen. Folgend werden zwei Therapieansätze zur Behandlung der Dysphagie bei infantiler CP überblicksartig vorgestellt und im Schlussteil verglichen und diskutiert. Aufgrund der Kürze der Arbeit kann lediglich kurz auf die wichtigsten Eckpunkte des sehr großen Themas eingegangen werden. Eine Ausführlichere Darstellung des Krankheitsbildes und der Therapiemethoden wäre ein Thema für eine umfassendere Arbeit.
2. Anatomie und Physiologie des frühkindlichen Schluckakts
Das Schlucken stellt die Primärfunktion des Pharynx dar. Bereits in der 12. Schwangerschaftswoche trinkt der F ö tus, durch pharyngeales Schlucken ohne Saugen, das Fruchtwasser. Die Qualität des Schluckakts verändert sich während der Gestationswochen. Eine orale Ernährung mit voll ausgebildeter Saug- und Schluckfunktion ist ab der 34. bis 37. Woche zu erwarten.
Der kindliche Schluckakt unterscheidet sich aufgrund der anatomischen Struk- turen und deren Funktionsweise deutlich vom dem eines Erwachsenen. Äußerlich auffällig sind die Fettpolster, welche bei reif geborenen Säuglingen zwischen dem M. masseter und M. buccinator lokalisiert sind, und die Wagen rund erscheinen lassen. Sie verhindern ein Einsaugen der Wangen zwischen die noch zahnlosen Kiefer während des Saugens. Bis zum 4. Lebensjahr entwickeln sich die Fettpolster zurück, da die Nahrungsaufnahme sich ändert, das Saugen nicht mehr relevant ist, die Zähne und der nun wirksame Buccinatormechanismus ein Einfallen der Lippen verhindern.
Aufgrund der geringeren Größe der Mundhöhle, gegenüber einem Erwachsenen, wird diese von der Zunge ganz ausgefüllt. Die lingua befindet sich in der Ruhelage zwischen den Kiefern, an die Unterlippe angelehnt und berührt dorsal den Gaumen. Intraoral bestehen weitere Unterschiede. Der Pharynx ist kürzer, der Oropharynx ist per se nicht existent, da durch die Kehlkopfhochlage, direkt unter der Zungenwurzel, der Nasopharynx fließend in den Hypopharynx übergeht. Durch die hohe Lage des Kehlkopfes und der Berührung des Velums mit dem Zungenrücken ist während der oralen Phase die Nasenatmung möglich und wird erst durch die Absenkung der Hinterzunge und der Anhebung des Velums unterbrochen. Außerdem sind die Aryknorpel beim Säugling, im Vergleich zum Larynxeingang, größer, Velum, Lingua und Epiglottis liegen enger beieinander. Neugeborene zeigen ein rhythmisches Saug-Schluckmuster, welches durch ganzheitliche Bewegungen der oralen Motorik bestimmt wird. „Jedes Kind zeigt ein typisches, festes Muster von Saugen, Schlucken und Atmen zwischen dem Schlucken.“1 Der kindliche Schluckakt ist, wie auch der von Erwachsenen, in 4 Phasen ein zu teilen. Die orale Vorbereitungsphase, beginnend mit dem Einstrom der Milch in den Mundraum, fällt, aufgrund der Nahrungskonsistenz, deutlich kürzer aus, als bei älteren Kindern und Erwachsenen, die feste Nahrung zu sich nehmen. Je nach Alter des Säuglings werden zwei Stadien der Saugentwicklung und verschieden gestaltete orale Vorbereitungsphasen und orale Phasen beobachtet. Das „Suckling“ ist durch eine horizontale Zungenbewegung und kräftigen vertikalen Kieferbewegungen bei losem Lippenschluss gekennzeichnet. Ab dem 6. Lebensmonat kann das so genannte „Sucking“ beobachtet werden. Hierbei zeigt sich eine deutlich verminderte Kieferaktivität, da durch den festen Lippenschluss und eine vertikale Zungenbewegung der entstehende Unterdruck für den Einstrom der Milch sorgt. Der Entwicklungsschritt zum „Suckling“ ist bedeutend für die Vorbereitung auf festere Nahrung.
An die beschriebene orale Phase schießt sich die pharyngeale Phase an, welche mit dem Zugenrückstoss und der Velumelevation beginnt. Anschließend kontrakieren sich die pharyngealen Muskeln um den Bolus abwärts zu bewegen. Gleichzeitig bewegt sich der Kehlkopf passiv, durch die Hyoidbewegung, nach ventral-kranial, Epiglottis, Taschenfalten und Stimmlippen schließen sich, um den Schutz der Atemwege zu gewährleisten. Die pharyngeale Kontraktion fällt bei den Säuglingen stärker aus, als bei Erwachsenen, da durch die hohe Lage des Laryx ´ und Hyoids die superior-anteriore Bewegung zur Öffnung des Oberen Ösophagussphinkters nicht stark genug stattfinden kann. Die ösophageale Phase beginnt mit Eintritt des Bolus in den Ösophagus.
3. Die infantile Zerebralparese
3.1 Die Äthiologie der infantilen Zerebralparese
Die frü hkindliche Zerebralparese entsteht durch einen nicht-progredienten Hirnschaden, welcher prä-, peri- oder postnatal bis zum 4. - 6. Lebensjahr infolge verschiedener Ursachen auftritt. Neben den häufigsten Ursachen, wie Sauerstoffmangel während der Geburt und Hirnblutungen, entstehen die Hirnschädigungen durch Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft, Schädel-Hirn-Trauma und anderen Ursachen.2 Je nach Lokalisation und Ausprägung der Schädigung kommt es zu Störungen der Motorik, häufig begleitet von kognitiven Beeinträchtigungen, Epilepsien, sowie Hör- und Sehbehinderungen. Die motorischen Probleme äußern sich in zumeist spastischen, aber auch hypotonen, athetotischen, hyperkinetischen oder ataktischen Di-, Hemi- oder Tetraparesen des Kindes, welche im Verlauf die physiologische motorische aber auch sensorische Entwicklung hemmen. Neben den Paresen persistieren häufig frühkindliche Reflexe, wie der Babinski-Reflex und der Asymmetrisch- tonische - Nackenreflex, die ebenfalls sie Entwicklung des Kindes stark beeinflussen.
Die verschiedenen Formen der CP treten meistens in Mischformen auf.
3.2 Dysphagien bei Kindern mit Zerebralparese
Nach Arvedson und Brodsky3 beschreiben Patienten mit Zerebralparese die größte Gruppe neurogener Dysphagien bei Kindern. Die schwerst betroffenen Patienten sind häufig Kinder, die Assistenz bei der Nahrungsaufnahme benötigen. Im orofazialen Bereich zeigt sich eine geringe Zungenaktivität, verzögerte Schluckreaktion und verringerte Pharynxaktivität. Daraus resultiert eine Verzögerung der pharyngealen Phase, sowie gestörte Koordination der oralen Bewegungsabläufe. Das Muster der oralen sensomotorischen Dysfunktion bei Zerebralparese äußert sich in Zungenvorstoß, starkem Beiß- und Würgereflex, taktiler Hypersensitivität und Drooling4. Die orale Vorbereitung ist durch den Zungenvorstoß erschwert, welcher zu einen Auswurf der Nahrung führt. Es sind Residuen in den Wangentaschen, am Gaumen und im Mundvorhof zu finden, da neben der eingeschränkten Sensibilität die Zungenbeweglichkeit nicht genügt, die Speisereste zu entfernen. Das Zerkleinern der Nahrung fällt den älteren Kindern schwer. Es fehlt ein adäquates Kaumuster, aufgrund der erschwerten Kieferkontrolle, die unter anderem durch überschießende Bewegungen verursacht wird. Dieses kompensieren die Kinder, indem sie die Nahrung am harten Gaumen zerdrücken, was jedoch eine ungenügende Bolusvorbereitung darstellt. Durch die mangelhafte Boluskontrolle, aber auch Leaking5 von Speichel, kommt es häufig zu Aspirationen, die zu Atemnot führen können, bei erhaltenen Schutzreflexen zu Husten und Würgen. Jedoch nicht alle Konsistenzen führen zu Aspiration. Alexander6 berichtet eine verbesserte Kaufunktion, sowie verbesserte Lippen, Wangen und Zungenaktivität durch Genuss von Keksen, die länger ihre harte Konsistenz beibehalten. Bei Säuglingen kann sich die gestörte Kieferkontrolle, besonders in den ersten Lebensmonaten, negativ auf das Saugen auswirken. Aufgrund der behinderten Nahrungsaufnahme sind Mahlzeiten langandauernd und mühevoll für die Kinder und die Betreuer. Um die ausreichende Kalorienzufuhr zu gewährleisten werden viele Kinder, wenigstens vorübergehend, sondenernährt. Die oralen Probleme sind häufig begleitet von mangelhafter Rumpf-, Schulter- und Kopfkontrolle, weshalb der Einfluss der Gesamtkörperhaltung bzw. die vorbereitende Regulation der pathologischen Körperhaltung und Bewegungsabläufe diskutiert wird (Arvedson & Brodsky, 2002: 443) .
4. Die orofaziale Regulationstherapie nach Rodolfo Castillo Morales
Der argentinische Rehabilitationsarzt Rodolfo Castillo Morales leitet seit über 30 Jahren ein Rehabilitationszentrum für Kinder und Erwachsene in Cordoba/ Argentinien. Hier entwickelte er, basierend auf den Konzepten von Dr. Berta und Dr. Karel Bobath und R. Voijta, unter Mitarbeit eines großen interdisziplinären Teams von Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Therapeuten die Konzepte der Neuromotorischen Entwicklungstherapie (NET) und der Orofazialen Regulationstherapie (ORT).7
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1 Gudrun Bartolome, Schluckstörungen Diagnostik und Rehabilitation,1. Aufl., Munchen: Elsevier 2006, S. 29
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Infantile_Zerebralparese, 2009
3 Joan C. Avedson, Linda Brodsky, Swallowing and Feeding-Assessment and Management, Albany, NY : Singular Publisher Group 2002c
4 Drooling (also known as driveling, ptyalism, flobidising, sialorrhea, or slobbering) is when saliva flows outside the mouth. Drooling is generally caused by excess production of saliva, inability to retain saliva within the mouth, or problems with swallowing., http://en.wikipedia.org/wiki/Drooling 2009
5 Leaking ist definiert durch unkontrolliertem Rückfluss von Speichel ohne Schluckreflexauslösung mit möglicher Aspiration.
6 R. Alexander, oral-motor treatment for children and infants with cerebral palsy. Seminars in speech and Language, 8, S. 87-100
7 http://www.castillomoralesvereinigung.de/Castillodata/Deutsch/Konzept.html, 2009
- Quote paper
- Daniela Brachaus (Author), 2009, Therapeutische Intervention bei Dysphagien zerebralparetischer Kinder, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146696
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