In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob die sportliche Freizeitaktivität von Erwerbstätigen die Beziehung zwischen ausgewählten Arbeitsbedingungen und psychischen Befindensvariablen im Sinne der Stress-Pufferhypothese moderieren kann. Die aktuelle Forschung konzentriert sich bei diesem Thema fast ausschließlich auf die Untersuchung von Haupteffekten. Empirische Befunde zum Stellenwert der sportlichen Aktivität im komplexen Zusammenspiel von sowohl Arbeitsstressoren als auch Befindensvariablen lassen sich dagegen kaum finden – zur Schließung dieser Lücke soll die vorliegende Arbeit beitragen. Vor dem Hintergrund des Anforderungs-Kontroll-Modells von Karasek und Theorell (1990) wurden mögliche Bedingungen von high-strain jobs auf der Tätigkeitsebene erhoben. Außerdem ging nach dem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist (1996) die Effort-Reward Imbalance als Ungleichgewichtszustand auf der Beziehungsebene in die Untersuchung ein. Die Stichprobe umfasste 112 Erwerbstätige, wovon 55.4% über das Schneeball-System und 44.6% durch Akquise am Arbeitsplatz – insgesamt drei Altenpflegeheime in Leipzig – gewonnen werden konnten. Im Rahmen einer Querschnitts-Fragebogenuntersuchung wurden als unabhängige Variablen Arbeitsbelastungen, Handlungsspielraum, körperliche Arbeitsaktivität und Effort-Reward Imbalance (ERI) erhoben. Als abhängige Variablen gingen das affektive arbeitsbezogene Wohlbefinden sowie psychische Befindensbeeinträchtigungen (Irritation, Depressivität, Psychosomatische Beschwerden) in die Untersuchung ein. Die Ergebnisse deuten auf eine erwartungskonforme Moderatorwirkung der sportlichen Aktivität auf den Zusammenhang zwischen Zeitdruck und arbeitsbezogenen Wohlbefinden/ Irritation/ Depressivität hin. Für die Arbeitsbedingung Unsicherheit widersprach die Moderatorbeziehung inhaltlich der erwarteten Form. Eine weitere Interaktion zeigte sich zwischen sportlicher Aktivität und körperlicher Arbeitsaktivität in Bezug auf Irritation. Für ERI konnte keine moderierte Beziehung zu Befindensvariablen festgestellt werden. Die Inkonsistenz der Befunde lässt vermuten, dass eine arbeitsbezogene Beanspruchungsregulation durch sportliche Aktivität nur unter bestimmten Bedingungen gelingt, die zu ergründen Aufgabe weiterer Forschungsbemühungen sein sollte.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Danksagung
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung und Fragestellung
2 Theorieteil
2.1 Begriffsklärung: arbeitsbezogene Beanspruchung und Belastung
2.1.1 Das Belastungs- und Beanspruchungskonzept
2.1.2 Handlungsregulatorische Aspekte
2.1.3 Der Stressbegriff: Stressoren und Stressreaktionen
2.1.4 Gruppierung von stressrelevanten Aspekten der Arbeit
2.1.5 Terminologische Schlussfolgerungen
2.2 Erklärungsansätze von arbeitsbezogenen Beanspruchungsfolgen
2.2.1 Transaktionales Stress-Konzept und Coping
2.2.2 Arbeitspsychologische (Im-) Balancemodelle
2.2.2.1 Anforderungs-Kontroll-Modell
2.2.2.2 Modell der beruflichen Gratifikationskrisen
2.2.2.3 Vergleich der beiden Modelle
2.2.3 Ressourcenfokussierte Sichtweise
2.2.3.1 Salutogenesekonzept
2.2.3.2 Systemisches Anforderungs-Ressourcen-Modell
2.2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die eigene Erhebung
2.3 Gesundheitsverhalten: Sportliche Aktivität in der Freizeit
2.3.1 Begriffsklärung und Definition
2.3.2 Theoretische Einordnung: SAR-Modell und Konzept der Erholung
2.3.3 Klassifikationsmöglichkeiten körperlicher Aktivitäten
2.3.4 Methoden zur Erfassung körperlich-sportlicher Aktivität
2.3.5 Zusammenhang zwischen körperlich-sportlicher Aktivität und Gesundheit
2.3.6 Intentionalität der körperlich-sportlichen Aktivität
2.4 Wohlbefinden als Dimension von Gesundheit
2.4.1 Definition von Gesundheit und Wohlbefinden
2.4.2 Differenzierungsmöglichkeiten des Wohlbefindens
2.4.2.1 Subjektives Wohlbefinden nach Diener
2.4.2.2 Strukturmodell des Wohlbefindens nach Becker
2.4.2.3 Arbeitsspezifisches und Kontextfreies Wohlbefinden nach Warr
2.4.2.4 Eingrenzung und Schlussfolgerung für die eigene Erhebung
2.4.3 Beziehungen zwischen Arbeit und Wohlbefinden
2.4.4 Vitamin-Modell und arbeitsbezogene Determinanten des Wohlbefindens
2.4.5 Psychische Befindensbeeinträchtigungen
2.4.5.1 Irritation
2.4.5.2 Depressivität
2.4.5.3 Psychosomatische Beschwerden
2.4.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerung für die eigene Erhebung
2.5 Untersuchungsannahmen
3 Methodenteil
3.1 Idealdesign
3.1.1 Stichprobe
3.1.2 Erhebungszeitpunkte
3.1.3 Art der Datenerhebung
3.1.4 Einsatz von Erhebungsinstrumenten
3.1.5 Datenanalyse
3.2 Realdesign
3.2.1 Stichprobe
3.2.2 Erhebungszeitpunkte
3.2.3 Art der Datenerhebung
3.2.4 Einsatz von Erhebungsinstrumenten
3.2.5 Datenanalyse
3.3 Wesentliche Abweichungen zwischen Ideal- und Realdesign
4 Ergebnisse
4.1 Moderation der Beziehung Arbeitsbedingungen-Befinden: Hypothesenkomplex 1
4.2 Moderation der Beziehung ERI-Befinden: Hypothesenkomplex 2
4.3 Explorative Analysen zu Motiven der Sportpartizipation
5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
5.2 Kritische Reflexion des Untersuchungsdesigns
5.2.1 Stichprobe
5.2.2 Erhebungszeitpunkte
5.2.3 Art der Datenerhebung
5.2.4 Einsatz von Erhebungsinstrumenten und Datenanalyse
5.3 Bedeutsamkeit der Ergebnisse für Forschung und Praxis
Literaturverzeichnis
Anhang Anhang A - Fragebogen und Informationsmaterial
Anhang B - Dokumentation der Skalen- und Itemkennwerte
Anhang C - Ergänzende Details zu Methoden und Ergebnissen
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob die sportliche Freizeitaktivität von Erwerbstätigen die Beziehung zwischen ausgewählten Arbeitsbedingungen und psychischen Befindensvariablen im Sinne der Stress-Pufferhypothese moderieren kann. Die aktuelle Forschung konzentriert sich bei diesem Thema fast ausschließlich auf die Untersuchung von Haupteffekten. Empirische Befunde zum Stellenwert der sportlichen Aktivität im komplexen Zusammenspiel von sowohl Arbeitsstressoren als auch Befindensvariablen lassen sich dagegen kaum finden - zur Schließung dieser Lücke soll die vorliegende Arbeit beitragen. Vor dem Hintergrund des Anforderungs-Kontroll-Modells von Karasek und Theorell (1990) wurden mögliche Bedingungen von high-strain jobs auf der Tätigkeitsebene erhoben. Außerdem ging nach dem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist (1996) die Effort-Reward Imbalance als Ungleichgewichtszustand auf der Beziehungsebene in die Untersuchung ein. Die Stichprobe umfasste 112 Erwerbstätige, wovon 55.4% über das Schneeball-System und 44.6% durch Akquise am Arbeitsplatz - insgesamt drei Altenpflegeheime in Leipzig - gewonnen werden konnten. Im Rahmen einer Querschnitts- Fragebogenuntersuchung wurden als unabhängige Variablen Arbeitsbelastungen, Handlungsspielraum, körperliche Arbeitsaktivität und Effort-Reward Imbalance (ERI) erhoben. Als abhängige Variablen gingen das affektive arbeitsbezogene Wohlbefinden sowie psychische Befindensbeeinträchtigungen (Irritation, Depressivität, Psychosomatische Beschwerden) in die Untersuchung ein. Die Ergebnisse deuten auf eine erwartungskonforme Moderatorwirkung der sportlichen Aktivität auf den Zusammenhang zwischen Zeitdruck und arbeitsbezogenen Wohlbefinden/ Irritation/ Depressivität hin. Für die Arbeitsbedingung Unsicherheit widersprach die Moderatorbeziehung inhaltlich der erwarteten Form. Eine weitere Interaktion zeigte sich zwischen sportlicher Aktivität und körperlicher Arbeitsaktivität in Bezug auf Irritation. Für ERI konnte keine moderierte Beziehung zu Befindensvariablen festgestellt werden. Die Inkonsistenz der Befunde lässt vermuten, dass eine arbeitsbezogene Beanspruchungsregulation durch sportliche Aktivität nur unter bestimmten Bedingungen gelingt, die zu ergründen Aufgabe weiterer Forschungsbemühungen sein sollte.
Danksagung
Für die wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bei Thomas Rigotti bedanken, der mich mit vielen nützlichen Anregungen, hilfreichen Denkanstößen und jeder Menge Sprechzeit unterstützt hat.
Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Freund Matthias, der mit mir stundenlang geduldig vor dem Computer saß, mich aufgemuntert und mir bei allen scheinbar unüberwindbaren Formatierungsproblemen geholfen hat.
Ein großer Dank gilt meiner Mutter für ihren Optimismus, ihre Unterstützung und dafür, dass sie während meines gesamten Studiums immer an mich geglaubt und mir sechs schöne Jahre in Leipzig ermöglicht hat.
Für die Bereitschaft, sich immer neue Gedanken und Ideen zu dieser Arbeit anzuhören und meine Stimmungsschwankungen auszuhalten möchte ich mich bei meinen Freundinnen Pauline, Nadine, Katharina und Suzi sowie bei meiner Mitbewohnerin Nicole bedanken. Danke für das Ernstnehmen und Zumlachenbringen, Zuhören und Ablenken.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gütemaße der vorliegenden Untersuchung
Tabelle 2: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 1a
Tabelle 3: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 1b
Tabelle 4: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 1c
Tabelle 5: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 1d
Tabelle 6: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 2a
Tabelle 7: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 2b
Tabelle 8: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 2c
Tabelle 9: Ergebnisse der Regressionsanalyse - Hypothese 2d
Tabelle 10: Änderungen in R² durch zusätzliche Kontrollvariablen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Quellen von Beanspruchung bei der Erwerbsarbeit nach McGrath (1981)
Abbildung 2: Anforderungs-Kontroll-Modell nach Theorell und Karasek (1996)
Abbildung 3: Strukturmodell des Wohlbefindens nach Becker (1994)
Abbildung 4: Circumplexmodell affektiver Zustände nach Schallberger (2006)
Abbildung 5: Drei Achsen zur Messung des affektiven Wohlbefindens nach Warr (2003)
Abbildung 6: Überblick über Berufsgruppen in der Stichprobe
Abbildung 7: Schul- und Berufsabschlüsse in der Stichprobe
Abbildung 8: Gegenüberstellung der vertraglichen und tatsächlichen Arbeitszeit
Abbildung 9: Überblick der Variablen in Hypothesenkomplex 1
Abbildung 10: Darstellung zur inhaltlichen Aufklärung der Moderatoranalyse (1a)
Abbildung 11: Darstellung zur inhaltlichen Aufklärung der Moderatoranalyse (1b)
Abbildung 12: Darstellung zur inhaltlichen Aufklärung der Moderatoranalyse (1c)
Abbildung 13: Überblick der Variablen in Hypothesenkomplex 2
Abbildung 14: Ausprägungen der ERI in der Stichprobe
1 Einleitung und Fragestellung
Das Anliegen dieser Diplomarbeit ist die Untersuchung der Bedeutung sportlicher Aktivität für den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und psychischen Befindensvariablen. Dabei wird angenommen, dass sportliche Freizeitaktivität eine bedeutsame Komponente des individuellen Gesundheitsverhaltens darstellt und das Wohlbefinden nachhaltig positiv beeinflussen kann. Die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: Kann sportliche Aktivität als Gesundheitsverhalten den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und dem psychischen Befinden von erwerbstätigen Personen in dem Sinne moderieren, dass der positive Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastungen und Befindensbeeinträchtigungen abgeschwächt wird?
Die Idee von gesundheits- und wohlbefindenssteigernden sportlichen Aktivitäten wurde in den letzten Jahren vermehrt zum Bestandteil der Unternehmens-Philosophie von zumeist größeren Organisationen erklärt. So findet sich beispielsweise auf der Internet-Seite eines internationalen Unternehmens im Bereich der Automobilindustrie unter „vorbildlichen Sozialleistungen“ auch der Stichpunkt Betriebssport. In vielen Unternehmen wird dies durch firmeneigene und somit arbeitsplatznahe Fitness-Studios oder Sportgruppen realisiert. Das Interesse an körperlicher Fitness und Gesundheit der Beschäftigten dürfte nicht zuletzt auf dem Wunsch nach „überdurchschnittlicher Motivation und Leistungsbereitschaft“ von Seiten der Unternehmensleitung begründet sein. Andererseits können derlei Maßnahmen zur Förderung sportlicher Aktivitäten positiv bewertet werden, denn Bewegungsmangel zählt in modernen Gesellschaften zu den zunehmend bedeutsamen Risikofaktoren, die vor allem individuelle aber auch gesellschaftliche Kosten verursachen. In der aktuellen Public Health Diskussion hat sich in den letzten Jahren das Konzept der gesundheitsförderlichen körperlichen Aktivität durchgesetzt, wobei ein aktiver Lebensstil und der Einbau von mehr Bewegung in den Alltag im Fokus der Betrachtung steht (Wagner et al, 2006). Die wohlbefindensfördernde Wirkung sportlicher Aktivität ist unbestritten, wurde jahrelang erforscht und wird auch von der Mehrheit der Laien auf diesem Gebiet intuitiv und ohne empirische Prüfung als gegeben angenommen. Wenig untersucht ist allerdings, welchen Stellenwert die sportliche Freizeitaktivität im komplexen Zusammenspiel von Arbeitsbedingungen, alltäglichen Arbeitsbelastungen und dem psychischen Befinden von Erwerbstätigen hat. Die differenzierte Erhebung von Merkmalen der Arbeitstätigkeit, des Arbeitsverhältnisses und den dem damit verbundenen Belastungserleben wird in diesem Zusammenhang eher unterbelichtet. Interessant erscheint hier zum Beispiel die Frage, ob Personen mit ähnlichem Belastungserleben im Arbeitskontext und unterschiedlichen Bewegungsgewohnheiten Unterschiede in Befindensvariablen zeigen. Indikatoren des psychischen Befindens sollten in Hinblick auf die Empirie so gewählt werden, dass sie sich eindeutig mit der Erwerbsarbeit in Beziehung setzen lassen. Erst wenn es vermehrt empirische Ergebnisse dafür gibt, dass sportlich aktive Personen bei vergleichbaren Arbeitsbedingungen höheres Wohlbefinden berichten als Personen mit einem bewegungsarmen Lebensstil, ist eine beanspruchungsregulierende Wirkung von Sport im Kontext der Erwerbsarbeit denkbar. Zu dieser Frage soll die vorliegende Diplomarbeit ein kleines Stück Erkenntnisgewinn beitragen.
Die Liste möglicher Arbeitsstressoren ist endlos und reicht von Stressoren in der
Arbeitsaufgabe bis hin zu physikalischen Stressoren, Stressoren in der zeitlichen Dimension, Stressoren in der sozialen Situation oder organisatorisch bedingten Stressoren (Udris & Frese, 1999). Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann daher in empirischen Untersuchungen kaum erhoben werden und auch in dieser Diplomarbeit werden nach theoretischen Überlegungen einzelne Arbeitsbelastungen und -bedingungen aus der Komplexität des Arbeitsalltags herausgegriffen.
Zur Vorbereitung auf kommende Schwerpunkte dieser Arbeit soll der folgende Leitfaden dienen. Den ersten großen Abschnitt bildet der Theorieteil, in dem nach einer anfänglichen Begriffsklärung zum Thema Stress ausgewählte Modellvorstellungen zu Beanspruchungsfolgen am Arbeitsplatz vorgestellt werden. Die angenommene moderierende Variable sportliche Aktivität ist in Hinblick auf ihre Bedeutung als Gesundheitsverhalten ein zweiter Schwerpunkt des Theorieteils. Der dritte theoretische Komplex ist das Wohlbefinden, wobei verschiedene Klassifikationsmöglichkeiten vorgestellt werden. In Anbetracht des Arbeitskontextes wird hier der Schwerpunkt auf nichtklinische Befindensbeeinträchtigungen gelegt. Schlussfolgerungen für eigene Untersuchungsannahmen und die Erhebung sind thematisch in den Theorieteil eingebettet. Die konkreten Hypothesen werden unter 2.5 zusammengefasst. Im Anschluss wird das methodische Vorgehen unter Idealbedingungen konstruiert und dem tatsächlich realisierten Untersuchungsdesign gegenübergestellt. Die Ergebnisse der statistischen Analysen werden in Abschnitt 4 detailliert dargestellt und in Abschnitt 5 in Hinblick auf ihre Bedeutsamkeit für Wissenschaft und Praxis ausführlich diskutiert. Um Replikationsstudien zu ermöglichen wurde ein umfassender Anhang erstellt, in dem der komplette Fragebogen sowie relevante statistische Kennwerte und Berechnungen enthalten sind.
2 Theorieteil
Dieses Kapitel umfasst drei inhaltliche Schwerpunkte. Zum einen werden nach einführenden Begriffsdefinitionen (2.1) Modelle arbeitsbezogener Beanspruchungsfolgen in Hinblick auf empirische Zusammenhänge mit sportlicher Aktivität und psychischem Befinden vorgestellt (2.2). Die sportliche Aktivität als Gesundheitsverhalten (2.3) bildet den zweiten thematischen Schwerpunkt. Die theoretische Einordnung und Klassifikation von Befindensvariablen (2.4) stellt den dritten Komplex dieses Abschnitts dar.
2.1 Begriffsklärung: arbeitsbezogene Beanspruchung und Belastung
Die Notwendigkeit der folgenden Begriffsklärungen ergibt sich aus der Vielfalt der möglichen Definitionen und Sichtweisen, die mit einer verschwommenen und ungenauen Verwendung des Bezeichnung Stress einhergehen. Ziel dieses Kapitels ist es, eine einheitliche Sprachregelung für die vorliegende Diplomarbeit zu definieren.
2.1.1 Das Belastungs- und Beanspruchungskonzept
Erstmals wurden die Begriffe Beanspruchung und Belastung im arbeitspsychologischen Kontext in den vierziger Jahren verwandt. Zu dieser Zeit wurden sie als austauschbar angesehen und sowohl zur Beschreibung eines Vorgangs als auch eines Zustands genutzt. Eine klare Trennung der Begriffe wurde in den siebziger Jahren durch Rohmert und Rutenfranz herbeigeführt (Schönpflug, 1987). Sie verstehen unter Belastung die Gesamtheit der objektiv erfassbaren Größen und Faktoren, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Dies entspricht inhaltlich dem englischen Begriff (work-) load. Weiterhin unterscheiden die AutorInnen zwischen Belastungsgrößen und Belastungsfaktoren. Um Belastungsgrößen handelt es sich dann, wenn Dauer, Schwere und Zusammensetzung der Belastungen objektiv auf metrischen Skalen messbar sind, wie es zum Beispiel bei Lärmwerten der Fall ist. Belastungsfaktoren hingegen sind nur qualitativ beschreibbar, wie beispielsweise Kundenverhalten. Unter Beanspruchung (strain) werden die subjektive Folgen verstanden, die im Menschen als unmittelbare Auswirkungen der psychischen Belastung entstehen. Dabei wird zwischen physischen und psychischen Beanspruchungen differenziert (Rohmert & Rutenfranz, 1975). Hervorzuheben ist, dass die Begriffe Belastung und Beanspruchung inhaltlich neutral sind, da sie nicht mit der Konnotation des Negativen oder Unangenehmen verbunden sind. Die Relevanz dieser Begriffe drückt sich in ihrer Aufnahme als DIN-Norm aus, was die Anerkennung in der deutschen, europäischen und internationalen Normung bedeutet (DIN EN ISO 10075-1, 2000).
2.1.2 Handlungsregulatorische Aspekte
Vertreter der „Berliner Schule“ der Handlungsregulationstheorie stellen die psychische Steuerung bzw. Regulation des individuellen Handelns in den Fokus der Betrachtung. Dabei wird die Arbeitsaufgabe unter dem Aspekt betrachtet, welche Forderungen sie an die psychische Regulation des Handelns stellt (Oesterreich & Volpert, 1987). Es wird postuliert, dass sich höhere Regulationserfordernisse im Bereich der Arbeitstätigkeit positiv auf die Individuen auswirken, indem sie die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung bieten sowie das Selbstvertrauen und die seelische Gesundheit fördern (Resch, 2003). Aus der Sicht handlungsregulationstheoretischer Ansätze (Oesterreich & Volpert, 1987) kommt es zu psychischen Belastungen wenn die Durchführungsbedingungen der Arbeit im Widerspruch zur Zielerreichung stehen. Dies wird mit dem Begriff Regulationsbehinderung bezeichnet, wobei zwischen Regulationshindernissen (Behinderung oder Blockierung der Aufgabenerfüllung) und Regulationsüberforderungen (aufgabenimmanente oder aufgabenunspezifische Bedingungen, die die menschliche Regulation des Handelns überfordern) unterschieden wird. Der Unterschied zum ursprünglichen Belastungs- Beanspruchungs-Konzept von Rohmert und Rutenfranz (1975) ist, dass zwischen Belastungen im Sinne von Regulationsbehinderungen und Anforderungen unterschieden wird. Die arbeitsbezogenen Anforderungen, eigene Entscheidungen während des Arbeitsprozesses zu treffen, werden als Regulationserfordernisse bezeichnet, von denen eine positive Wirkung auf die Kompetenz und Motivation der betroffenen Person ausgeht (Resch, 2003).
2.1.3 Der Stressbegriff: Stressoren und Stressreaktionen
Die Gemeinsamkeit, die allen aktuellen Definitionsversuchen von Stress zu Grunde liegt ist, dass es sich bei Stress um das Vorhandensein eines Ungleichgewichts zwischen Zielen und Möglichkeiten oder zwischen Bedürfnissen und Angeboten handelt. Fraglich ist an dieser Stelle, ob jede Art des Ungleichgewichts als Stress bezeichnet werden kann oder nur bestimmte Qualitäten der Abweichung in die Definition aufgenommen werden. Die gegenwärtige Stressforschung konzentriert sich eher auf eine Definition im Sinne negativ getönter Erlebnisse (Semmer & Udris, 2004). Für die vorliegende Diplomarbeit wird daher die folgende Stress-Definition nach Greif (1991) favorisiert. Demnach ist Stress „…ein subjektiv intensiv unangenehmer Spannungszustand, der aus der Befürchtung entsteht, daß eine stark aversive, subjektiv zeitlich nahe (oder bereits eingetretene) und subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht vollständig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint“ (Greif, 1991, S. 13). Stressoren werden definiert als „…hypothetische Faktoren, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit „Streß“ (oder „Streßempfindungen“) auslösen“ (Greif, 1991, S.13). Das bedeutet, dass ein bestimmter Stressor nicht zwingend bei jeder Person und unter allen Umständen Stresserleben auslösen muss. Der Grundgedanke dieser Definition ist, dass die verschiedenen Einschätzungen von Personen überindividuellen Einflüssen unterliegen. Diese Einflüsse ergeben sich beispielsweise aus kulturellen Gemeinsamkeiten oder aus der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, was dazu führt, dass die Einschätzungen von Menschen, die gemeinsam diesen Einflüssen ausgesetzt sind, eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen (Mohr & Semmer, 2002). Die erhöhte Wahrscheinlichkeit bezieht sich damit auf die Gesamtpopulation. Werden Stressoren, wie von Mohr und Semmer (2002) vorgeschlagen, dagegen probabilistisch konzipiert, so genügt es, wenn sie analog zum epidemiologischen Risikofaktoren-Konzept die Wahrscheinlichkeit der individuellen Interpretation einer Situation als stressend erhöhen.
Die Konstrukte, welche die unmittelbar auf Stressoren folgenden psychischen Zustände und Verhaltensweisen beschreiben, werden als Stressreaktionen bezeichnet (Greif, 1991). Stressreaktionen können als kurzfristige, mittel- und langfristige chronische Manifestationen auftreten. Auf physiologischer Ebene reichen Stressreaktionen von kurzfristig erhöhter Herzfrequenz und Blutdruck sowie der Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin bis zu langfristig psychosomatischen Beschwerden, Depressivität und Burnout. Auf psychischer und emotional-kognitiver Ebene können kurzfristig zum Beispiel Anspannung, Frustration, Ermüdungs-, Monotonie- und Sättigungsgefühle auftreten. Auf der individuellen Verhaltensebene kann es kurzfristig beispielsweise zu Leistungsschwankungen oder nachlassender Konzentration kommen, als langfristige Reaktionen werden Fehlzeiten oder vermehrter Nikotin-, Alkohol- und Medikamentenkonsum angesehen (Udris & Frese, 1999). In Bezug auf die terminologische Abgrenzung zu den in Kapitel 2.1.1 dargestellten Begriffen diskutiert Greif (1991) die Überordnung der Begriffe Belastung und Beanspruchung. Stressoren können demnach als eine spezifische Untergruppe psychischer Belastungen betrachtet werden und Stressreaktionen als spezielle psychische Beanspruchungen (Greif, 1991).
Neben begrifflichen Überlegungen ist außerdem die Frage relevant, wie und unter welchen Gesichtspunkten einzelne Stressoren zusammengefasst oder geordnet werden können. Darauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen.
2.1.4 Gruppierung von stressrelevanten Aspekten der Arbeit
Neben der Vielzahl von Möglichkeiten, Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz zu gruppieren, postuliert McGrath (1981) ein allgemeines Rahmenkonzept, das die möglichen Quellen von Stress und Belastungserleben in der Arbeit zu drei Bereichen zuordnet und in Abbildung 1 dargestellt wird. Dabei handelt es sich um das materiell-technische System, das soziale System und das personale System, wobei es jeweils Überlappungsbereiche gibt. Im Überlappungsbereich vom technischem und sozialem System kann als Beispiel das Phänomen der sozialen Isolation genannt werden. Ein weiterer Aspekt sind Arbeitsrollen - mögliche Rollenkonflikte sind dem Schnittpunkt von sozialem und personalen System zugeordnet. Aspekte der Aufgabe, das Ausmaß der Abwechslungsreichtums und damit einhergehend Über- und Unterforderungsphänomene ergeben sich im Überlappungsbereich von personalen und technischen Systems (Semmer & Udris, 2004). Im Zuge einer ganzheitlichen Betrachtung können die ursprünglich von McGrath aufgeführten Quellen von Beanspruchungserleben jeweils auch als Quellen potentieller Ressourcen betrachtet werden(Semmer & Mohr, 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Quellen von Beanspruchung bei der Erwerbsarbeit nach McGrath (1981)
Obwohl diese Art der Gruppierung den Nachteil hat, dass die Zuordnung von Stressoren nicht immer eindeutig möglich ist, besteht der entscheidende Vorteil dieses allgemeinen Konzepts darin, dass es sich um eine relativ neutrale Gruppierungsidee handelt. Der Stellenwert der einzelnen Bereiche ist von der jeweiligen theoretischen Orientierung der AutorInnen und dem Fokus ihrer Forschungsarbeit abhängig (Semmer & Mohr, 2001). Ausgehend vom allgemeinen Rahmenkonzept von McGrath (1981) differenzieren Semmer und Udris (2004) Stressfaktoren in folgenden fünf Bereichen: Die Aufgabe selbst, die Arbeitsorganisation, physische Bedingungen, soziale Bedingungen und organisatorische Rahmenbedingungen. Auch bei dieser Variante der Zusammenstellung ist eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Stressoren nicht in jedem Fall möglich. Ein Beispiel hierfür ist „emotionale Dissonanz“.
2.1.5 Terminologische Schlussfolgerungen
Um Unklarheiten zu vermeiden, soll in der vorliegenden Arbeit auf den Begriff Stress verzichtet werden. Stattdessen wird der Ansatz von Greif (1991) berücksichtigt, wobei zwischen arbeitsbezogenen Belastungen oder Stressoren und der individuellen Stressreaktionen im Sinne eines Beanspruchungserlebens unterschieden wird. In Hinblick auf die Handlungsregulationstheorie werden Belastungen als Regulationsbehinderungen verstanden, von denen Anforderungen im Sinne von höheren Regulationserfordernissen abgegrenzt werden müssen. Diese Anforderungen werden auch als Ressourcen der Arbeit bezeichnet, was in Abschnitt 2.2.3 genauer erläutert wird.
2.2 Erklärungsansätze von arbeitsbezogenen Beanspruchungsfolgen
Der Ausgangspunkt für die arbeitspsychologische Stressforschung sind in den meisten Fällen die Konzepte der allgemeinen Stressforschung. Hierzu wird das Stresskonzept von Selye und das von Lazarus gezählt (Semmer & Mohr, 2001). In 2.2.1 wird das Konzept von Lazarus (1999) in Hinblick auf die Bedeutung für die Fragestellung dargestellt.
Zu den arbeitspsychologischen Modellen mit aktueller Relevanz für die Forschung gehören das Rollenstress-Modell von Kahn und Byosiere, das Person-Environment Fit Modell von Edwards et al., das Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek und Theorell, das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist sowie Modelle, die ihren Ursprung in der Handlungsregulationstheorie von Hacker und Richter haben (Semmer & Mohr, 2001). Auf das Anforderungs-Kontroll-Modell und das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen wird unter 2.2.2 eingegangen. Darüber hinaus existieren ressourcenfokussierte Stresskonzepte, die auf der salutogenetischen Sichtweise von Antonovsky basieren. Diese werden unter 2.2.3 dargestellt.
2.2.1 Transaktionales Stress-Konzept und Coping
Das Konzept von Lazarus und Folkman (1984) stellt die Bedeutung der Balance zwischen Anforderungen und Ressourcen einer Person in den Fokus der Betrachtung. Zentral sind die Kognitionen der betroffenen Person: Stressempfinden entsteht nach Lazarus (1999) durch die Einschätzung einer Situation und der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Dabei wird zwischen der primären Einschätzung (primary appraisal), der sekundären Einschätzung (secondary appraisal) und der abschließenden Neueinschätzung (reappraisal) der Situation unterschieden. Die primäre Einschätzung bezieht sich auf das Ereignis, welches dann als stressend gilt, wenn es von der betroffenen Person als potentielle Schädigung oder Bedrohung des Wohlbefindens bewertet wird. Die sekundäre Einschätzung umfasst die Bewertung der eigenen Bewältigungsfähigkeiten und -möglichkeiten. Zur Bewältigung stehen individuelle emotions- oder problemfokussierte Coping-Mechanismen zur Verfügung. Im Anschluss an die mehr oder weniger erfolgreichen Bewältigungsversuche kommt es zu einem dritten Bewertungsprozess - der Neubewertung (reappraisal) der Ausgangssituation. War die Bewältigung erfolgreich, so wird die gleiche Situation in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit als weniger stressend eingeschätzt werden. Charakteristisch für alle drei Arten der Einschätzung ist, dass sie schnell, automatisch und intuitiv ablaufen (Lazarus, 1999).
Coping wird von Lazarus definiert als „[…] constantly changing cognitive and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person.“ (Lazarus, 1999, S. 110). Emotionsbezogenes Coping zielt unmittelbar auf die Regulierung der Emotionen ab, die im Zusammenhang mit der belastenden Situation entstanden sind (Lazarus, 1999). Bezüglich der Fragestellung kann das Konstrukt der sportlichen Aktivität den emotionsbezogenen Bewältigungsstrategien zugeordnet werden, worauf in Kapitel 2.3 genauer eingegangen wird.
Aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen kritisieren die unpräzise formulierte und damit uneindeutige Verknüpfung der zentralen Konzepte im Modell von Lazarus. Daraus resultiert ein Stresskonzept, das nach Becker (2006) nur schwer zu operationalisieren ist. Lazarus selbst (1999) hebt vor allem die Schwierigkeit bei der empirischen Unterscheidung von Bewertungs- und Coping-Prozessen hervor. Krohne (1996) bezeichnet das Modell von Lazarus aufgrund der zahlreichen Unklarheiten als empirisch nicht überprüfbar.
2.2.2 Arbeitspsychologische (Im-) Balancemodelle
Die Gemeinsamkeit der beiden folgenden Modelle besteht in der Annahme, dass ein dauerhafter Ungleichgewichtszustand zwischen Anforderungen und Entscheidungspielraum bzw. zwischen Anstrengung und Belohnung zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen beiträgt.
2.2.2.1 Anforderungs-Kontroll-Modell
Das Modell postuliert eine Interaktion zwischen Handlungs- bzw.
Entscheidungsspielraum (Kontrolle) und psychischen Anforderungen im Kontext von Erwerbsarbeit. Unter Handlungsspielraum verstehen Theorell und Karasek (1996) einerseits die Möglichkeit zur Nutzung vorhandener und Entwicklung neuer Fähigkeiten sowie andererseits Entscheidungsbefugnisse. Psychische Arbeitsanforderungen werden als mentale Arbeitsbelastungen beschrieben, welche auf quantitativer oder qualtitativer Ebene ihre Wirkung entfalten. Darin eingeschlossen sind auch Anforderungen, die aus interpersonaler Interaktion am Arbeitsplatz entstehen. Die Grundidee ist, dass die Kombination aus einem geringen Grad an Handlungsspielraum und einem hohem Grad an psychischen Anforderungen zu einer hohen Beanspruchung (high-strain job) der betroffenen Personen führt, was mit einem Anstieg des Risikos psychischer Beeinträchtigungen und kardiovaskulärer Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Die Kombination aus hohen psychischen Anforderungen und einem gleichzeitig großen Handlungsspielraum wird als active job situation angesehen, was zu einem Anstieg der Motivation und der Lernmöglichkeiten führt und in diesem Zusammenhang von Theorell und Karasek (1996) als „desireable Stress“ (S. 10) bezeichnet wird. Empirische Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen der active job situation und einer hohen Rate an Partizipation in politischen und sozialen Freizeitaktivitäten (Theorell & Karasek, 1996). Die anderen beiden Kombinationen, die in der Abbildung 2 zu sehen sind, werden als „relaxed and passive job situations“ (S. 10) beschrieben.
Die postulierte Interaktion von Kontrolle und Anforderungen ist empirisch nicht ausreichend bestätigt. Die meisten Studien sprechen für Haupteffekte von sowohl Anforderungen als auch Kontrolle (Theorell & Karasek, 1996). Demnach werden in der vorliegenden Diplomarbeit verschiedene Facetten der Komponenten Anforderung und Kontrolle erhoben, auf eine Replikation der postulierten Interaktion wird aber verzichtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anforderungs-Kontroll-Modell nach Theorell und Karasek (1996)
Eine Weiterentwicklung des Modells zur „dynamic version of the demand-control model“ (Theorell & Karasek, 1996, S. 11) soll die Bedingungen erklären, unter denen in stark beanspruchenden Arbeitssituationen über längere Zeiträume hinweg das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ansteigt. Demnach besteht eine Verbindung zwischen den aktuellen und den vergangenen Umgebungsbedingungen, wobei beide einen Einfluss auf den gegenwärtigen psychosozialen Zustand sowie das Verhalten eines Individuums haben. Entsprechend dieser Hypothese ist eine anhaltende active job situation mit der Entwicklung des Gefühls des Mastery assoziiert, welches die subjektive Wahrnehmung von Arbeitsbeanspruchung hemmt und dadurch psychophysiologische Auswirkungen von beanspruchenden Arbeitssituationen reduzieren kann. Andauernde Beanspruchungen ohne Erholungsphasen führen zu einer Kumulation von emotionalen Erschöpfungsgefühlen. Resultat kann die Verminderung von Lernbestrebungen sein, was zum Abbruch von im Arbeitsalltag vorkommenden Bildungsanregungen führt (Theorell & Karasek, 1996). Eine Modell-Erweiterung wurde durch die Aufnahme des Konstrukts der sozialen Unterstützung vorgenommen. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Überprüfung der postulierten Dreifach-Interaktion dadurch, dass gemeinsame und wechselseitige Unterstützung am Arbeitsplatz eventuell dazu führt, dass das Individuum gleichzeitig verbesserte Kontrollmöglichkeiten wahrnimmt, wodurch sich die Konzepte der sozialen Unterstützung und der Kontrolle überschneiden (Theorell & Karasek, 1996). Auch sind die empirischen Befunde bezüglich der Dreifach-Interaktion inkonsistent (Semmer & Mohr, 2001). Auf die Erhebung der sozialen Unterstützung wird in dieser Arbeit verzichtet.
Ein Rückblick auf die empirische Forschungsarbeit der vergangenen 20 Jahre zum Thema Anforderungs-Kontroll-Modell von Van der Doef und Maes (1999) stellt Unterschiede bei der Konzeptualisierung von Anforderungen und Kontrolle in den verschiedenen Studien als entscheidend dafür heraus, ob die empirischen Ergebnisse das Modell unterstützen oder nicht. Dabei basieren die Einschätzungen in Bezug auf die Arbeitstätigkeit bei unterstützenden Studien auf selbstberichteten Angaben der betroffenen Personen, was bei nicht-unterstützenden Studien nicht der Fall ist. Außerdem scheinen verschiedene Subpopulationen mehr von einem hoch ausgeprägten Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu profitieren als andere. In Bezug auf die Anzahl der Erhebungszeitpunkte sprechen nur Ergebnisse von Querschnittsuntersuchungen dafür, dass high-strain job situations mit psychischem Stressempfinden in Beziehung stehen. In Längsschnittstudien findet sich dafür kaum empirische Evidenz (Van der Doef & Maes, 1999).
Arbeitsbeanspruchung und sportliche Aktivit ä t
In einer Studie von Kouvonen, Kivimäki, Elovaino, Virtanen, Linna und Vahtera (2005) wurde der Zusammenhang zwischen Arbeitsbeanspruchung (gemessen über Anforderungen im Sinne von Arbeitsbelastung und Kontrolle) und sportlicher Aktivität in der Freizeit untersucht. Dabei gaben Personen in hoch beanspruchenden Arbeitssituationen (high-strain) im Vergleich zu Personen in wenig beanspruchenden Arbeitssituationen (low-strain) ein deutlich geringeres Ausmaß an sportlicher Aktivität an. Auch gaben Personen mit hohem Entscheidungsspielraum (Kontrolle) ein höheres Ausmaß an sportlicher Aktivität an als Beschäftigte mit geringen Kontrollmöglichkeiten. Die AutorInnen sehen die Relevanz dieser Ergebnisse in Zusammenhang damit, dass Arbeitsbeanspruchung über die Modifikation gesundheitsbezogener Verhaltensweisen, wie beispielsweise sportliche Aktivität, das Risiko für die koronare Herzerkrankung beeinflusst (Kouvonen et al., 2005).
Arbeitsbeanspruchung und Wohlbefinden
Eine empirische Studie von De Jonge, Bosma, Peter und Siegrist (2000) untersuchte mögliche Effekte der Komponenten des Demand-Control-Modells auf das Wohlbefinden. Dabei wurde Wohlbefinden operationalisiert über eine Selbsteinschätzung bezüglich emotionaler Erschöpfung, psychosomatischer und physischer Gesundheitsbeschwerden sowie Arbeitszufriedenheit. Außerdem wurden psychische und physische Arbeitsanforderungen sowie arbeitsbezogene Kontrolle erhoben. Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Zusammenhang zwischen hoher Arbeitsbeanspruchung und einem erhöhten Risiko für emotionale Erschöpfung, psychosomatische Beschwerden, physische Symptome und Arbeitsunzufriedenheit. Im Vergleich war das Risiko der emotionalen Erschöpfung für Personen in stark beanspruchenden Arbeitssituationen elfmal so hoch wie das Risiko derer, die geringe Anforderungen gekoppelt mit hohem Entscheidungsspielraum (low-strain job) angaben. Für die anderen drei Indikatoren des Befindens ergab sich ein ungefähr dreimal so hohes Risiko für Beschäftigte in hoch beanspruchenden Arbeitssituationen bezüglich psychischer Anforderungen. Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse für zunehmende Befindensbeeinträchtigungen in stark beanspruchenden Arbeitssituationen (De Jonge et al., 2000).
2.2.2.2 Modell der beruflichen Gratifikationskrisen
Die Grundannahme des Modells sozialer Krisen im Erwerbsleben basiert auf der sozialen Reziprozität bzw. Wechselseitigkeit: Wird diese Norm verletzt, so resultieren daraus intensive negative Emotionalität sowie eine anhaltende Stress-Reaktion, die langfristig gesundheitsschädigende Wirkungen auf die betroffene Person entfalten (Siegrist, 2007). Eine berufliche Gratifikationskrise wird definiert als chronifizierte Form niedriger beruflicher Statuskontrolle, die aus einem Missverhältnis zwischen der subjektiven Wahrnehmung von hoher erbrachter Arbeitsleistung und vergleichsweise niedriger erhaltener Belohnung resultiert. Statuskontrolle ist die Möglichkeit einer Person, einen angestrebten beruflichen Status einzunehmen und ihn solange wie gewünscht zu behalten. Damit sind Leistungschancen, Belohnungserwartungen und Mitgliedschaftsoptionen verbunden (Siegrist, 1996).
Von zentraler Bedeutung für die Entstehung beruflicher Gratifikationskrisen sind Belohnungen, die im Berufsleben über drei Transmittersysteme verteilt werden. Zum einen findet Belohnung durch Geld, d. h. über die Bezahlung statt. Die anderen beiden Transmittersysteme sind berufliche Anerkennung bzw. das Ansehen einer Person sowie Karriere-Chancen und der damit verbundene berufliche Aufstieg. Wenn aber als ungerecht empfundene Bezahlung, ausbleibende Anerkennung und soziale Unterstützung am Arbeitsplatz, blockierter Aufstieg, erzwungener Abstieg oder erhöhte Arbeitsplatzunsicherheit mit hoher Verausgabung der Erwerbstätigen gekoppelt auftreten so bezeichnet Siegrist (1996) diese Konstellationen als Formen chronifizierter Gratifikationskrisen. Hohe berufliche Verausgabung bzw. Anstrengung kann auf ein extern vorgegebenes für den Arbeitsplatz spezifisches Anforderungsprofil, auf eine individuell besonders stark ausgeprägte Leistungsbereitschaft oder auf die Kombination beider Bedingungen zurückführbar sein. Diese spezifische Disposition wird von Siegrist (1996) als motivationales Muster Overcommitment bezeichnet.
Theoretisch ist eine Vermeidung beruflicher Gratifikationskrisen möglich, indem bei ausbleibender Belohnung die Verausgabungskosten gesenkt werden. Für die Erwerbsarbeit werden Bedingungen angenommen, unter denen dieser Mechanismus der Kostensenkung nicht zu erwarten ist. Stattdessen wird die Konstellation des Ungleichgewichts beibehalten. Beispiele sind fehlende Arbeitsplatz-Alternativen, in Aussicht gestellte Beförderung, die Akzeptanz des Ungleichgewichts aus strategischen Gründen oder eine hohe Ausprägung der Disposition Overcommitment (Siegrist, 1996).
Das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen postuliert die Vorhersage von Gesundheitsrisiken als Folge von Stresserfahrungen, die durch das Ungleichgewicht von Verausgabung und Belohnung entstehen. Dabei wird angenommen, dass eine höhere Verausgabung, in Relation zur Belohnung, zu einem gesteigerten Krankheitsrisiko führt. (Rödel et al., 2004).
Das Modell wurde in zahlreichen Studien überprüft und gilt als empirisch bestätigt. Die meisten Forschungsergebnisse existieren im Bereich des Zusammenhangs von Gratifikationskrisen und kardiovaskulären Erkrankungen. Andere Studien untersuchten den Zusammenhang mit Depressivität, Wohlbefinden und subjektivem Gesundheitszustand, Absentismus, psychophysiologischen Variablen wie zum Beispiel Blutdruck oder Cortisol- Spiegel sowie dem Auftreten von Risikofaktoren im Lebensstil (Siegrist, 2007). Ausgewählte Untersuchungen sind für die Fragestellung relevant und werden im Folgenden dargestellt.
Effort-Reward Imbalance und Lebensstil-Risikofaktoren
Im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung von Kouvonen et al. (2006) wurde der Zusammenhang zwischen beruflichen Gratifikationskrisen (gemessen über Effort-Reward Imbalance, ERI) und dem Auftreten von gesundheitlichen Risikofaktoren (Rauchen, starker Alkoholkonsum, Übergewicht und physische Inaktivität) untersucht. Im Vergleich zu Personen mit niedriger ERI gaben die Beschäftigten mit hoher ERI mit 40% höherer Wahrscheinlichkeit drei oder mehr als drei der möglichen Risikofaktoren als für sie zutreffend an. Die Zusammenhänge zwischen hoher ERI und einzelnen Risikofaktoren dagegen waren gering. Die AutorInnen gehen davon aus, dass bei der Betrachtung von Risikofaktoren die Annahme von Synergie-Effekten (und der damit einhergehenden wechselseitigen Beeinflussung der Risikofaktoren) der Annahme eines additiven Zusammenwirkens vorzuziehen sei. Der einzige Risikofaktor, bei dem deutliche Zusammenhänge mit ERI gefunden wurden, ist die physische Inaktivität. Zudem korrelieren sowohl eine niedrige Verausgabung als auch niedrige Belohnungswerte positiv mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der physischen Inaktivität. Die AutorInnen sehen diesen Zusammenhang als mögliches Argument für die Annahme, dass eine niedrige Verausgabungsneigung auch einen generell eher passiven Lebensstil repräsentiert. Zusammenfassend liefert die Untersuchung moderate Evidenz für die Hypothese, dass eine hohe ERI im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Auftreten verschiedener gesundheitlicher Risikofaktoren des Lebensstils steht (Kouvonen et al., 2006). In einer weiteren Studie von Kouvonen (2005) wurde die Beziehung zwischen Arbeitsbeanspruchung und dem Body Mass Index (BMI) als Indikator für Übergewicht untersucht. Die Ergebnisse zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen hoher ERI und dem BMI. Als mögliche Erklärung dafür diskutieren die AutorInnen verschiedene Aspekte stressbedingter Ernährungsgewohnheiten. Als weitere Erklärung für die erhöhte Wahrscheinlichkeit des Übergewichts kann physische Inaktivität in der Freizeit vermutet werden, was Resultat eines stark beanspruchenden Arbeitsalltags und der damit verbundenen Ermüdung sein kann (Kouvonen et al., 2005).
Effort-Reward Imbalance und Wohlbefinden
Eine dritte Studie von DeJonge, Bosma, Peter und Siegrist (2000) untersucht Effekte von ERI auf das Wohlbefinden von Erwerbstätigen. Dabei wurden als Indikatoren für Wohlbefinden emotionale Erschöpfung, psychosomatische und physische Gesundheitsbeschwerden sowie Arbeitszufriedenheit gewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass für Beschäftigte mit hoher psychischer Anstrengung und niedriger Belohnung das Risiko der emotionalen Erschöpfung fünfzehnmal so hoch ist wie das Risiko für die Konstellation wenig Anstrengung-hohe Belohnung. Auch für die anderen Indikatoren des Befindens zeigten sich ähnliche, allerdings schwächere Effekte. Einzeln betrachtet scheint psychische Anstrengung der beste Prädiktor für emotionale Erschöpfung, psychosomatische Beschwerden und physische Symptome zu sein (De Jonge et al., 2000).
2.2.2.3 Vergleich der beiden Modelle
Die Modelle unterscheiden sich hinsichtlich zweier Aspekte: Das Anforderungs- Kontroll-Modell fokussiert Merkmale der unmittelbaren Arbeitsaufgabe und des Arbeitsplatzes (Entscheidungsspielraum und Anforderungen). Das ERI-Modell dagegen erfasst den Ungleichgewichtszustand auf der Beziehungsebene zwischen Erwerbstätigen und der Organisation (Belohnung, Anerkennung). Außerdem werden weiter gefasste Variablen wie Bezahlung oder Arbeitsplatzsicherheit miteinbezogen, die teilweise abhängig von der allgemeinen Arbeitsmarktsituation sind.
Die bereits erwähnte Studie von De Jonge et al. (2000) vergleicht beide Modelle hinsichtlich ihrer Effekte auf das Wohlbefinden. Die Ergebnisse zeigen, dass hohe Anstrengung und niedrige Belohnungen stärkere Prädiktoren für gering ausgeprägtes Wohlbefinden sind als ein geringer Entscheidungsspielraum (Kontrolle). Die Komponenten beider Modelle haben unabhängige und kumulative Effekte auf das Wohlbefinden, obwohl die Effektgrößen für die ERI stärker sind als die Effektgrößen bezüglich hoher Arbeitsbeanspruchung im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells (DeJonge et al., 2000). Demzufolge werden in der vorliegenden Diplomarbeit beide Modelle als einander ergänzend betrachtet und dienen gemeinsam der theoretischen Fundierung für die empirische Untersuchung. Neben der Effort-Reward Imbalance werden Merkmale der Arbeitstätigkeit erhoben. Dazu zählen in Hinblick auf das Anforderungs-Kontroll-Modell einerseits der Handlungsspielraum und andererseits Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen durch Vorgesetzte und MitarbeiterInnen sowie Unsicherheit in Bezug auf Anforderungen, Arbeitsergebnisse und -folgen.
2.2.3 Ressourcenfokussierte Sichtweise
Psychische Beanspruchung ist neben der Qualität der Stressoren auch von den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig. Hobfoll beispielsweise stellt in seinem „Conservation of resources model“ (2001) eine breite Palette von Ressourcen in den Mittelpunkt, deren tatsächlicher oder drohender Verlust als hauptsächlicher Grund für die Entstehung von Stresserleben postuliert wird.
Unter Ressourcen werden allgemein Faktoren verstanden, die den Umgang mit stressreichen Situationen erleichtern (Semmer & Udris, 2004). Dabei unterscheiden die Autoren zwischen situationsbezogenen und personenbezogenen Ressourcen. Zu den wichtigsten situationsbezogenen Ressourcen gehören soziale Unterstützung und Handlungsspielraum. Beispiele für personenbezogene Ressourcen sind der individuelle Gesundheitszustand und berufliche Qualifikationen (Semmer & Udris, 2004). Ressourcen können aber im Stressprozess ihre Wirkung auf unterschiedlichen Wegen entfalten. Zum einen können sich Ressourcen direkt positiv auf das Wohlbefinden von
Individuen auswirken. Andererseits sind indirekte Wirkungen auf die Gesundheit denkbar, wobei bestimmte Ressourcen (wie beispielsweise die Möglichkeit, einen Auftrag abzulehnen) zur Reduzierung von Stressoren beitragen können. Die dritte Möglichkeit ist die Moderatorwirkung von Ressourcen auf Zusammenhänge zwischen Stressoren und Stressfolgen (Zapf & Semmer, 2004). In Bezug zur Fragestellung soll für die sportliche Freizeitaktivität als Ressource genau diese Moderatorwirkung untersucht werden.
2.2.3.1 Salutogenesekonzept
Der salutogenetische Ansatz von Antonovsky (1997) wendet sich gegen eine dichotome Klassifizierung der Menschen in gesund oder krank und die einseitige Konzentration auf krankmachende Bedingungen. Stattdessen sollen Individuen auf einem multidimensionalen Gesundheits-Krankheits-Kontinuum lokalisiert werden. Im Fokus steht die Suche nach Faktoren, die dazu beitragen, dass die Position auf dem Kontinuum beibehalten wird oder sich in Richtung des gesunden Pols verschiebt. Diese Faktoren werden als generalisierte Widerstandsressourcen bezeichnet. Differenziert wird dabei zwischen genetisch- konstitutionellen und psychosozialen Ressourcen (Antonovsky, 1997). Sportliche Aktivität und die damit einhergehende körperliche Fitness wird in diesem Zusammenhang als konstitutionelle Ressource betrachtet, was in Abschnitt 2.3.1 genauer erläutert wird. Stressoren werden im Salutogenese-Modell als allgegenwärtig mit nicht notwendigerweise pathologischen Konsequenzen betrachtet. Die Auswirkungen von Stressoren auf den Menschen werden als abhängig vom Charakter des Stressors und von einer mehr oder weniger erfolgreichen Auflösung der Anspannung beschrieben. Wenn der Spannungszustand, der durch das Zusammentreffen mit dem Stressor entstanden ist, nicht abgebaut werden kann, so geht er in einen Stresszustand über und stellt ein gesundheitliches Risiko dar. Die Auflösung des Spannungszustandes gelingt durch erfolgreiche Bewältigungsversuche, damit einhergehende positive Bewältigungserfahrungen kann zu emotionaler Befriedigung und einer Stärkung des Kohärenzgefühls führen (Antonovsky, 1997). Da das Konzept des Kohärenzgefühls nicht Bestandteil der vorliegenden Fragestellung ist, wird an dieser Stelle auf genauere Ausführungen verzichtet.
2.2.3.2 Systemisches Anforderungs-Ressourcen-Modell
Das Systemische Anforderungs-Ressourcen-Modell (SAR-Modell) von Becker (2006) basiert auf der Annahme eines bipolaren Gesundheits-Krankheitskontinuums, wie es in 2.2.3.1 beschrieben wurde. Die Grundannahme des Modells ist, dass der aktuelle Gesundheitszustand eines Individuums davon abhängt, inwieweit es dieser Person mittels der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen während der letzten Zeit gelungen ist bzw. aktuell gelingt, bestimmte Anforderungen zu bewältigen. Dabei werden Anforderungen und Ressourcen unterteilt in interne und externe sowie psychische (oder psychosoziale) und physische Bedingungen (Becker, 2006). Daraus ergeben sich acht Modellkomponenten, die im Folgenden durch Beispiele kurz skizziert werden.
Unter externen physischen Anforderungen werden beispielsweise Schadstoffbelastung, Lärm oder Belastungen, die durch Schichtarbeit entstehen, verstanden. Externe psychosoziale Anforderungen umfassen unter anderem berufliche Anforderungen oder Anforderungen seitens der Familie. Beispiele für interne physische Anforderungen sind konstitutionelle Vulnerabilitäten wie genetische oder erworbene Krankheitsdispositionen. Unter internen psychischen Anforderungen werden vom Individuum ausgehende Sollwerte verstanden, die aus psychischen Bedürfnissen, verinnerlichten Normen und individuellen Lebensentwürfen resultieren. Zu externen physischen Ressourcen zählen Schutzeinrichtungen vor gesundheitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz. Intakte soziale Netzwerke gehören zu der Modellkomponente der externen psychosozialen Ressourcen. Zu den internen physischen Ressourcen zählt unter anderem eine gute physische Kondition. Die Modellkomponente der internen psychischen Ressourcen umfasst protektive Persönlichkeitsmerkmale und habituelles Gesundheitsverhalten, zu dem gesunde Ernährung, Bewegung, Entspannung und Erholung zählt. An dieser Stelle bietet sich der theoretische Anknüpfungspunkt für die Einordnung der körperlich-sportlichen Aktivität als Ressource, was in Abschnitt 2.3.2 spezifiziert wird.
Das SAR-Modell impliziert, dass mangelnde Gesundheit das Resultat von zu hohen oder zu niedrigen Anforderungen und/oder dem Fehlen von Ressourcen ist. Ein guter Gesundheitszustand dagegen entsteht, wenn die Anforderungen angemessen sind und das Individuum auf entsprechende Ressourcen zurückgreifen kann (Becker, 2006).
2.2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die eigene Erhebung
Das Wohlbefinden, welches als Dimension des individuellen Gesundheitszustandes angesehen werden kann, und die kognitive Bewertung einer Situation (primäre und sekundäre Bewertung nach Lazarus, 1999) sind neben objektiven Stressoren von einer Vielzahl physischer und psychosozialer Ressourcen einer Person abhängig (Becker, 2006). Neben dem Konzept des Kohärenzgefühls (Antonovsky, 1997) und dem für die Fragestellung relevanten habituellen Gesundheitsverhalten wie der sportlichen Aktivität (Becker, 2006) gibt es situationsbezogene Ressourcen am Arbeitsplatz. Von besonderer Bedeutung ist hier der Handlungs- und Entscheidungsspielraum (Semmer & Udris, 2004), der im Anforderungs-Kontroll-Modell (Theorell & Karasek, 1996) unter Kontrolle beschrieben wird. Auch die von Siegrist (1996) beschriebenen beruflichen Gratifikationen wirken als Ressourcen. Im Sinne einer salutogenetischen Sichtweise (Antonovsky, 1997) wird bei der vorliegenden Fragestellung neben der situationsbezogenen Ressource Handlungsspielraum am Arbeitsplatz die sportliche Aktivität als personale Ressource betrachtet, die die Beziehung zwischen verschiedenen Arbeitsbedingungen und Wohlbefinden moderieren kann.
Die empirischen Befunde der genannten Untersuchungen zum Anforderungs-Kontroll- Modell (Theorell & Karasek, 1996) und zum Modell der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996) sprechen für positive Zusammenhänge zwischen Arbeitsbeanspruchung und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens. Für die eigene Untersuchung ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Erhebung verschiedender Facetten der Arbeitstätigkeit (im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells) sowie der Effort-Reward-Imbalance als unabhängige Variablen im Kontext der Erwerbsarbeit. Dadurch ergeben sich für die Annahme der Moderation durch sportliche Aktivität in der Freizeit (siehe 2.3) zwei Hypothesenkomplexe, die unter 2.5 dargestellt werden. Hypothesenkomplex 1 umfasst die Moderation der Beziehung zwischen tätigkeitsbezogenen Arbeitsbedingungen (Handlungsspielraum, Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen, Unsicherheit und körperliche Arbeitsaktivität) und dem psychischen Befinden. Hypothesenkomplex 2 beinhaltet die Moderation des Zusammenhangs zwischen Effort-Reward-Imbalance und dem psychischen Befinden. Auf die Indikatoren des Befindens als abhängige Variable wird im Abschnitt 2.4 eingegangen.
2.3 Gesundheitsverhalten: Sportliche Aktivität in der Freizeit
„Unter einem Gesundheitsverhalten versteht man eine präventive Lebensweise, die Schäden fernhält, die Fitness fördert und somit auch die Lebenserwartung verlängern kann“ (Schwarzer, 2004, S.4). Sportlich-körperliche Aktivität ist nur ein Aspekt des Gesundheitsverhaltens. Sie ist primär präventiv wirksam, da sie vor verschiedenen chronischen Erkrankungen schützt. Zudem kann Bewegung dazu beitragen, die Behandlung von Erkrankungen zu unterstützen und das Auftreten von Risikofaktoren zu reduzieren (Lippke & Vögele, 2006). Neben sportlicher Aktivität gibt es zahlreiche andere Verhaltensweisen, die als Gesundheitsverhalten gelten, wie beispielsweise Gewichtskontrolle, Sonnenschutzverhalten oder rücksichtsvolles Autofahren (Schwarzer, 2004). Auf nähere Erläuterungen der vielfältigen Verhaltensmöglichkeiten wird an dieser Stelle verzichtet, da sich die Fragestellung dieser Arbeit auf den Aspekt der sportlichen Aktivität bezieht.
2.3.1 Begriffsklärung und Definition
Für den englischen Begriff physical exercise gibt es keine eindeutige deutsche Übersetzung. Die Möglichkeit, den Begriff k ö rperliche Aktivit ä t zu wählen, ist dahingehend problematisch, dass damit jede Bewegung der Skelettmuskulatur gemeint ist, was zum Beispiel auch Tätigkeiten wie Treppensteigen oder Säckeschleppen mit einschließt. Die Bezeichnung „ Exercise “ meint aber konkret die körperliche gesundheitsorientierte Freizeitaktivität, der Begriff „ physical activity “ wird allgemein für jegliche Art der Aktivität verwendet (Wagner, Woll, Singer & Bös, 2006). Dies umfasst alle Bewegungsaktivitäten mit nennenswerter Energieproduktion und schließt zum Beispiel den Weg zur Arbeit, Hausarbeiten, berufliche Arbeit und spielerische Bewegungen mit ein. Auf den Begriff Sport kann dadurch nicht zurückgegriffen werden, dass der Deutsche Sportbund auch Aktivitäten wie Schach und Schießen als Sport definiert, wobei kaum Energie durch Bewegung verbraucht wird. Schwarzer (2004) schlägt vor, die Bezeichnung k ö rperlich-sportliche Aktivit ä t zu benutzen, wenn es sich um Gesundheitsverhalten im gesundheitspsychologischen Kontext handelt. Woll (2004) wählt die selbe Bezeichnung für körperliches Training und sportliche Aktivität, wenn es sich nicht um eine berufsmäßige Ausübung handelt und damit als Subkomponente der freizeitbezogenen körperlichen Aktivität angesehen werden kann. Körperliche Aktivität kann damit als Oberbegriff angesehen werden, dem die sportliche Aktivität und die körperliche Aktivität im Sinne von Lebensstilaktivitäten, wie beispielsweise Gartenarbeit, untergeordnet sind (Schlicht & Brand, 2007).
Für die vorliegende Arbeit ergibt sich daraus, dass körperlich-sportliche Aktivität in der Freizeit nach der Definition von Woll (2004) die treffendste Bezeichnung darstellt. Aus praktischen Gründen wird alternativ der Begriff sportliche Aktivit ä t verwendet, womit inhaltlich aber das gleiche gemeint ist.
2.3.2 Theoretische Einordnung: SAR-Modell und Konzept der Erholung
Becker (2006) postuliert in seinem Modell zur seelischen Gesundheit (siehe 2.2.3.2), dass Menschen neben zahlreichen anderen Bedürfnissen ein angeborenes Bewegungsbedürfnis haben, das individuell ausgeprägt ist und im SAR-Modell der Komponente der internen physiologischen Anforderungen untergeordnet ist. Maßnahmen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und in diesem Fall des Bewegungsbedürfnisses haben eine gesundheitsförderliche Wirkung. Dies impliziert, dass chronischer Bewegungsmangel zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt und körperlich-sportliche Aktivität langfristig einen Beitrag zur Erhaltung beziehungsweise Verbesserung des individuellen Gesundheitszustandes leisten kann. Im SAR-Modell gehört darüber hinaus die körperliche Fitness, die Resultat von sportlicher Aktivität sein kann, zu den internen physischen Ressourcen von Individuen. Fitness wird als unspezifische globale Ressource angesehen, die sich im Gegensatz zu spezifischen Ressourcen durch eine breite Anwendbarkeit auszeichnet und somit die Bewältigung externer und interner Anforderungen erleichtern kann. Im Sinne eines habituellen Gesundheitsverhaltens wird sportlich-körperliche Aktivität als Bewegung, Entspannung und Erholung den internen psychischen Ressourcen zugeordnet (Becker, 2006).
Eine ähnliche Betrachtungsweise findet sich bei Allmer (1996), wo sportlicher Aktivität in der Freizeit eine Erholungsfunktion zugeschrieben wird. Dazu findet sich folgende Formulierung: „Bewegungsaktivitäten sind Ressourcen, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn es darum geht, sich von biopsychosozialen Stresszuständen zu erholen.“ (Allmer, 1996, S.106). Das Zusammenwirken von Stress, Bewegungsaktivität und Gesundheit wird mit der „Pufferhypothese“ erklärt, demzufolge können durch sportliche Aktivität die negativen Auswirkungen von Stressereignissen auf die Gesundheit abgepuffert werden (Allmer, 1996). Dies wird in empirischen Studien vorwiegend durch die Betrachtung physiologische Parameter wie die Leistungsfähigkeit des Immunsystems oder die Rückführung auf ein physiologisches Ruheniveau nach einer Stressexposition erklärt (Jansen, 2005).
Die theoretische Einordnung ist von Bedeutung, da sie die Relevanz der sportlichen Aktivität für den individuellen Gesundheitszustand, was vorwiegend in der Sportwissenschaft untersucht wird, für psychologische Fragestellungen wie die vorliegende herausstellt. Sportliche Aktivität und Fitness werden als personale Ressource betrachtet. Auf spezifische Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand wird unter 2.3.5 eingegangen. Die Beschreibung physiologischer Wirkprozesse wird nicht vertieft, da die Fragestellung den psychologischen Befindensaspekt fokussiert, der unter 2.4 dargestellt wird.
2.3.3 Klassifikationsmöglichkeiten körperlicher Aktivitäten
Um das Ausmaß der körperlich-sportlichen Aktivität unter quantitativen Gesichtspunkten zu charakterisieren, werden 4 Merkmale gewählt: Dauer, Frequenz, Intensität und Art der Aktivität. Unter Frequenz (oder Häufigkeit) wird die Anzahl der Bewegungseinheiten pro Tag, Woche, Monat oder Jahr verstanden. Die Intensität bzw. der Anstrengungsgrad wird in Hinblick auf die aktuelle Rate der Energieverbrennung ermittelt und mit Hilfe von metabolischen Äquivalenten (MET) quantifiziert. Mittels der MET wird das Verhältnis zwischen dem Energieverbrauch des Organismus in Ruhe und während der körperlichen Aktivität dargestellt (Woll, 2004).
Das aktuelle Konzept einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von Bewegung ist das der gesundheitsf ö rderlichen k ö rperlichen Aktivit ä t. Dieses Konzept berücksichtigt im Sinne eines aktiven Lebensstils sämtliche körperliche Aktivitäten in den Kontexten Arbeit, Transport, Hausarbeit und Freizeit (Brehm & Bös, 2006). Der gesundheitliche Nutzen der Aktivität wird in diesem Zusammenhang nur über den zusätzlichen Kalorienverbrauch gemessen. Eine Differenzierung dieser Betrachtungsweise ist nötig, da neuere Studien Ergebnisse zur Relevanz der Dimension des Aktivitätskontextes herausstellen (Brehm & Bös, 2006). Unter qualitativem Aspekt können daher mindestens drei Bereiche der körperlichen Aktivität in Bezug auf das Setting unterschieden werden: Körperliche Aktivität im Arbeitsalltag, sportliche Aktivität in der Freizeit und andere Freizeitaktivitäten, die nicht explizit als Sport angesehen werden (Wagner et al., 2004). Der Sinn dieser Unterscheidung gilt als empirisch bestätigt, da die ermittelten Indizes der drei Bereiche unabhängig voneinander zur Varianzaufklärung von verschiedenen Gesundheitsvariablen und dem Index „körperliche Gesamtaktivität“ beitragen (Wagner & Singer, 2003). Als Beispiel für die Relevanz des Aktivitätskontextes kann die Studie von Lawlor, Taylor, Bedford und Ebrahim (2002) genannt werden, in der bei einer Stichprobe von älteren Frauen positive gesundheitliche Effekte durch Freizeitaktivitäten, nicht aber durch Hausarbeiten gefunden wurden.
Für das vorliegende Untersuchungsvorhaben ist es daher von Bedeutung, nicht nur selektiv die sportliche Aktivität in der Freizeit zu erheben, sondern sie in Beziehung zur körperlichen Aktivität am Arbeitsplatz zu setzen. Die quantitativen Merkmale sollten zu einem Gesamtindex zusammengefasst werden, um vergleichbare Aussagen über das individuelle Ausmaß der sportlichen Aktivität treffen zu können.
2.3.4 Methoden zur Erfassung körperlich-sportlicher Aktivität
In Bezug auf die Quantifizierung von sportlicher Aktivität wird als Grundproblem genannt, dass es keine allgemein anerkannte Methode zur Erfassung gibt. Der Einsatz einer bestimmten Methode wird vom jeweiligen Untersuchungsziel bestimmt (Woll, 2004). Bei den vorhandenen Messverfahren wird zwischen direkten und indirekten Verfahren unterschieden (Woll, 2004). Zu den direkten Messverfahren gehören Tagebuchaufzeichnungen, objektive Registrierungen von Körperbewegungen, Verhaltensbeobachtungen sowie der Einsatz der Fragebogentechnik. Der Messung mit Hilfe indirekter Verfahren (beispielsweise Ernährungsprotokolle) liegt die Idee zugrunde, dass bei der Ausübung von körperlicher Aktivität Energie verbraucht wird und dabei bestimmte physiologische Prozesse stattfinden.
In Hinblick auf den Versuchsaufbau lassen sich die Messverfahren dahin gehend einteilen, ob sie aufgrund ihres apparativen Aufwandes unter Laborbedingungen oder im Rahmen von Feldstudien eingesetzt werden können (Woll, 2004). Es wird unterschieden zwischen Verhaltensbeobachtung, elektronischen und mechanischen Bewegungsmessern, Verfahren zur Messung von physiologischen Parametern und der Befragung. Fragebögen unterscheiden sich bezüglich ihres Referenzzeitraums voneinander (LaPorte, Montoye, Caspersen, 1985). Eine Möglichkeit zur Quantifizierung im Rahmen einer Fragebogenuntersuchung ist die Indexbildung, wobei die Intensität, die Dauer und die Frequenz der körperlichen Aktivität berücksichtigt werden (Wagner & Singer, 2003). Der Überblick über die vorgestellten Erfassungsmöglichkeiten zeigt, dass für eine Diplomarbeit mit psychologischer Fragestellung eine Fragebogenerhebung die praktikabelste Alternative ist. Um einen empirisch fundierten Vergleichsmaßstab zu schaffen, wird bei der Untersuchung die Indexbildung nach Wagner und Singer (2003) angewandt, wobei die Aktivitätsindizes für die Bereiche Arbeit und Sport gebildet werden.
2.3.5 Zusammenhang zwischen körperlich-sportlicher Aktivität und Gesundheit
Um überblicksartig mögliche Effekte sportlicher Aktivität auf die Gesundheit zu systematisieren, werden an dieser Stelle die sechs Kernziele gesundheitssportlicher Aktivität nach Brehm und Bös (2006) zusammengefasst. Zum Einem soll eine Stärkung physischer Ressourcen erreicht werden, dazu zählt unter anderem das Herz-Kreislaufsystem und das Zentralnervensystem. Das zweite Kernziel ist die Verminderung und Prävention von Risikofaktoren, wie zum Beispiel des Bewegungsmangels. Das dritte Kernziel ist die Stärkung psychosozialer Gesundheitsressourcen, als Beispiel hierfür ist die Selbstwirksamkeitserwartung zu nennen. Das vierte Kernziel umfasst die Bewältigung von Beschwerden und Missempfinden, im Sinne eines problem- und emotionsbezogenen Copings. Die Verhaltensdimension wird im fünften Kernziel „Bindung an gesundheitssportliches Verhalten“ betrachtet, die Verhältnisdimension im sechsten Kernziel „Schaffung und Optimierung unterstützender Settings“ abgebildet (Brehm & Bös, 2006). Die folgenden Ausführungen werden sich in Hinblick auf die psychologische Fragestellung auf Zusammenhänge zwischen sportlicher Aktivität und psychischer Gesundheit und dabei insbesondere auf das Befinden konzentrieren.
In Bezug auf psychische Parameter von Gesundheit und ihr Zusammenhang mit
sportlicher Aktivität findet sich eine fast unüberschaubare Menge von Veröffentlichungen, Bös und Brehm (2006) stellen beispielsweise Stimmung, allgemeines und physisches Selbstkonzept, Kompetenz- und Konsequenzerwartung sowie soziale Unterstützung als psychosoziale Gesundheitsressourcen heraus.
Der Einfluss von Dritt- und Kontrollvariablen
Der aktuelle Stand der Forschung ist, dass sich kausal interpretierbare generelle Zusammenhänge zwischen sportlicher Aktivität und psychischer Gesundheit nicht finden lassen (Wagner & Brehm, 2006). Die AutorInnen gehen davon aus, dass spezifische Parameter psychischer Gesundheit in Zusammenhang mit sportlicher Aktivität stehen, wenn bestimmte Moderatoren, wie beispielsweise die Personenvariablen Alter, Geschlecht und Bildungsniveau berücksichtigt werden. Ein signifikanter Haupteffekt dieser drei Variablen auf die körperlich-sportliche Aktivität konnte empirisch nachgewiesen werden. So haben Männer höhere Werte als Frauen, jüngere Personen höhere Werte als ältere Personen und Personen mit höherem Bildungsabschluss höhere Werte als Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss (Wagner & Singer, 2003).
Vor diesem Hintergrund scheint für die vorliegende Diplomarbeit eine Erfassung der Variablen Geschlecht, Alter und Bildungsabschluss als Kontrollvariablen sinnvoll.
Wirkungen der k ö rperlichen Aktivität in drei Bereichen
In einer Querschnittsuntersuchung von Wagner, Singer, Woll, Tittlbach und Bös (2004) wurde herausgefunden, dass bei einer Erfassung der körperlichen Aktivität in den Bereichen Sport, Arbeit und Freizeit die sportliche Aktivität in Relation zu den anderen beiden Bereichen den größten Anteil der Varianz verschiedener Gesundheitsindizes aufklärt. Dies gilt vor allem für die physische Gesundheit, konnte aber auch für psychische
Befindensvariablen (Kompetenzerwartung, Depressivität, Angst, Kohärenzsinn) nachgewiesen werden. Für den Zusammenhang zwischen Ausmaß der sportlichen Aktivität und dem subjektiven Gesundheitszustand wurde eine lineare Beziehung ohne erkennbaren Schwellenwert gefunden. Ungeklärt blieb die Wirkungsweise und -richtung (Wagner et al., 2004).
In der Untersuchung von Wagner et al. (2004) wurden sowohl psychische als auch physische Aspekte des subjektiven Gesundheitszustandes erhoben. Im Gegensatz dazu umfasst die abhängige Variable in der vorliegenden Diplomarbeit Indikatoren des psychischen Befindens sowie psychosomatische Beschwerden. Daher sind in diesem Zusammenhang eher kleine Effekte zu erwarten.
Die körperliche Aktivität am Arbeitsplatz wird neben den Arbeitsbedingungen Handlungsspielraum, Zeitdruck, Unsicherheit und Arbeitsunterbrechungen (siehe Kapitel 2.2) als weitere unabhängige Variable operationalisiert.
Bedeutung der Regelm äß igkeit sportlicher Aktivit ät für das Wohlbefinden
Die empirischen Befunde einer Studie von Hassmén, Koivula und Uutela (2000) weisen darauf hin, dass sportliche Aktivität regelmäßig mindestens zweimal pro Woche betrieben werden muss, um signifikant geringere Werte auf Skalen zur Messung von Depressivität, Ärger und zynischem Misstrauen zu erreichen. Auch hatten Personen, die mindestens zweimal pro Woche aktiv waren, ein signifikant höheres Kohärenzgefühl und gaben signifikant höhere Werte der wahrgenommenen sozialen Unterstützung an (Hassmén et al., 2000). Die kurzfristige Wirkung auf das Befinden wird in einer Tagebuchstudie von Steptoe, Kimbell und Basford (1998) deutlich. Die positive Stimmung war am Abend höher, wenn die Personen tagsüber sportlich aktiv waren, im Gegensatz zu den Tagen, an denen keine sportliche Aktivität stattgefunden hat. Allerdings mit der Einschränkung, dass signifikante Ergebnisse nur bei Frauen gefunden wurden. Im Widerspruch dazu stehen die Ergebnisse der Studie von Wagner et al. (2004), bei denen eine lineare Beziehung zwischen Ausmaß der sportlichen Aktivität und subjektivem Gesundheitszustand ohne Schwellenwert gefunden wurde.
Die Befunde können hinsichtlich der Dosis-Wirkungs-Beziehung zusammenfassend als inkonsistent betrachtet werden. In der vorliegenden Arbeit geht die Regelmäßigkeit sportlicher Aktivität als Frequenz in die Berechnung des Sportindex ein und wird nicht separat betrachtet.
Moderatoreffekt der sportlichen Aktivit ä t
In einer Studie zu Zusammenhängen zwischen wahrgenommener Arbeitsbelastung, sportlicher Aktivität und psychophysischen Befinden von Kaluza, Keller und Basler (2001) wurde die Moderationsannahme, dass sportliche Aktivität als Moderatorvariable den Zusammenhang zwischen Belastungserleben und Wohlbefinden beeinflusst, untersucht. Demnach wäre bei sportlich aktiven Personen der negative Einfluss von Arbeitsbelastungen auf das Wohlbefinden geringer ausgeprägt als bei Personen mit geringer sportlicher Aktivität. Dieser Ansatz findet sich auch bei Allmer (1996), was unter 2.3.2 beschrieben wurde. Die empirischen Ergebnisse sprechen für einen Einfluss der sportlichen Aktivität auf das berichtete Wohlbefinden, der abhängig vom Grad der wahrgenommenen Arbeitsbelastung ist. Bei mittleren Belastungsgraden zeigt sich ein Puffereffekt: Durch regelmäßige sportliche Aktivität können negative Belastungswirkungen auf das Befinden deutlich abgemildert werden (Kaluza et al., 2001).
Die sportliche Aktivität wurde in dieser Studie durch zwei Items erfasst.
Unberücksichtigt blieb dabei die Art der sportlichen Aktivität sowie die Dauer und Intensität, die im Gegensatz dazu in der vorliegenden Arbeit über die Indexbildung nach Wagner und Singer (2003) erfasst werden. Die AutorInnen selbst weisen auf die Notwendigkeit der Erhebung der Art sportlicher Aktivitäten für nachfolgende Untersuchungen hin (Kaluza et al., 2001).
Die Annahme, dass sportliche Aktivität als Moderator die Beziehung zwischen
Arbeitsbedingungen und Befindensvariablen beeinflussen kann, bildet die Grundlage der Hypothesenkomplexe 1 und 2.
2.3.6 Intentionalität der körperlich-sportlichen Aktivität
Allmer (1996) weist darauf hin, dass die Intentionalität sportlicher Aktivitäten entscheidend dafür ist, ob ein abgeschwächter Effekt von Stresserleben auf die Gesundheit erwartet werden kann. Relevant sind laut Allmer nur jene sportliche Aktivitäten, die absichtsvoll zum Stressausgleich organisiert werden.
Maltby und Day (2001) verglichen in einer Studie zum Zusammenhang zwischen Motiven von sportlicher Aktivität und psychischem Wohlbefinden Personen, die seit sechs oder mehr Monaten regelmäßig sportlich aktiv waren mit Personen, bei denen dies seit weniger als sechs Monaten der Fall war. Grundlage war das von Markland und Ingledew (1997) entwickelte Exercise Motivations Inventory 2 (EMI-2) und der empirische Befund, dass eine extrinsische Motivation in Bezug auf sportliche Aktivität zu herabgesetzten
Wohlbefinden führt und durch intrinsische Motivation das psychische Wohlbefinden gesteigert wird (Markland & Ingledew, 1997). Die Ergebnisse von Maltby und Day (2001) zeigten für die Gruppe der Personen, die seit weniger als sechs Monaten sportlich aktiv waren, dass extrinsische Motive (soziale Anerkennung, Zugehörigkeit, Wettkampf und äußeres Erscheinungsbild) signifikant mit geringer ausgeprägten Wohlbefinden korrelierten. In der Gruppe der Personen, die seit mindestens sechs Monaten sportliche Aktivität in ihrer Freizeit ausübten, waren intrinsische Motive (Herausforderung, Vergnügen, Revitalisierung und Stress-Management) signifikant mit höherem psychischen Wohlbefinden korreliert. Von dieser Personengruppe wurden auch insgesamt häufiger intrinsische Motive angegeben, im Gegensatz zu der anderen Gruppe, in der häufiger extrinsische Motive angegeben wurden. Dies stützt die Annahme, dass sich die Motive im Zeitverlauf ändern und abhängig von ihrer Qualität mit unterschiedlichen Ausprägungen des Wohlbefindens in Zusammenhang stehen (Maltby & Day, 2001).
Die berichteten Ergebnisse sprechen dafür, dass die Intentionalität der sportlichen Aktivität zumindest als Kontrollvariable in die Untersuchung eingehen sollten. Um die Vielfalt der von Markland und Ingledew (1997) vorgeschlagenen Motive einzuschränken, musste in dieser Arbeit eine Auswahl getroffen werden. Als intrinsische Motive sollen Revitalisierung und Stress-Management erhoben werden, als extrinsische Motive wurden soziale Anerkennung und äußeres Erscheinungsbild gewählt.
2.4 Wohlbefinden als Dimension von Gesundheit
In diesem Abschnitt soll das breite Konstrukt Wohlbefinden in Bezug auf die vorliegende arbeitspsychologische Fragestellung eingegrenzt werden. Dabei werden zunächst Definitionen und Klassifikationsmöglichkeiten verschiedener AutorInnen vorgestellt. Danach wird eine Auswahl von Befindensvariablen getroffen, die in der empirischen Untersuchung berücksichtigt werden sollen.
2.4.1 Definition von Gesundheit und Wohlbefinden
Die wahrscheinlich bekannteste positive Definition von Gesundheit stammt von der Weltgesundheitsorganisation: “Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“ (Weltgesundheitsorganisation, zit. nach Hurrelmann & Franzkowiak, 2003, S. 53) Demnach umfasst das Konstrukt Gesundheit mindestens die Komponenten des physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens (Wagner et al., 2004).
Eine andere Herangehensweise beschreibt Wohlbefinden als einzelne Dimension von Gesundheit. Becker (2006) nennt bei der Charakterisierung von Gesundheit vier Kernkonstrukte, die er als wesentliche Bestandteile von Gesundheits-Definitionen herausstellt. Zusammenfassend findet sich bei ihm folgende Formulierung: „Experten charakterisieren Gesundheit als Zustand eines Individuums, der gekennzeichnet ist durch Funktionstüchtigkeit der Organe, Leistungsfähigkeit, erfolgreiche Anpassung an die Lebensbedingungen und Wohlbefinden“ (Becker, S.16, 2006). Auch in den von Franke vorgeschlagenen sieben Dimensionen der Gesundheit findet sich das Konstrukt Wohlbefinden als eine Dimension, wodurch die subjektiv erlebte Seite der Gesundheit hervorgehoben wird (Franke, 2008).
Für die weiteren Betrachtungen ergibt sich daraus die Erkenntnis, dass das Wohlbefinden im komplexen Gefüge des individuellen Gesundheitszustandes nur eine einzelne Facette unter vielen anderen darstellt und damit auch nur einen begrenzten Erklärungswert besitzt.
2.4.2 Differenzierungsmöglichkeiten des Wohlbefindens
In diesem Abschnitt werden drei Ansätze zur inhaltlichen Differenzierung des psychologischen Konzepts des Wohlbefindens dargestellt. Ziel ist es, daraus Schlussfolgerungen für die Operationalisierung des latenten Konstrukts zu ziehen.
2.4.2.1 Subjektives Wohlbefinden nach Diener
Die Grundannahme von Diener (2000) ist, dass sich das Subjektive Wohlbefinden aus zwei Komponenten zusammensetzt, nämlich der emotionalen bzw. affektiven Komponente und der kognitiv-evaluativen Komponente. Dabei umfasst die emotionale Komponente den Positiven und Negativen Affekt sowie Glück als längerfristig positiven affektiven Zustand. Die kognitiv-evaluative Komponente besteht aus der allgemeinen und bereichsspezifischen Lebenszufriedenheit. In Bezug auf die Erwerbsarbeit findet sich zum Zusammenhang zwischen Arbeits- und Lebenszufriedenheit in einer Meta-Analyse von Tait, Padgett und Baldwin (1989) eine mittlere Korrelation von .44 über die Ergebnisse von 34 Studien hinweg. Glück und Lebenszufriedenheit stellen die Trait-Komponente des Subjektiven Wohlbefindens dar, Positiver und Negativer Affekt eher die State-Komponente (Schumacher, Klaiberg & Brähler, 2003)
Die verschiedenen Komponenten des Subjektiven Wohlbefindens stehen in moderatem Zusammenhang mit verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften, vor allem mit Extraversion und Neurotizismus. Demnach ist das Subjektive Wohlbefinden über die gesamte Lebensspanne hinweg relativ stabil (Diener & Lucas, 2003).
2.4.2.2 Strukturmodell des Wohlbefindens nach Becker
Becker (1994) schlägt mit seinem Modell die Unterscheidung zwischen aktuellem Wohlbefinden und habituellem Wohlbefinden vor. Das aktuelle Wohlbefinden meint das momentane Erleben einer Person und bezieht sich zumeist auf bestimmte Personen, Situationen oder Erlebnisse. Das habituelle Wohlbefinden beruht auf aggregierten emotionalen Erfahrungen und spiegelt damit das allgemeine Wohlbefinden in den vergangenen Wochen oder Monaten wider. Es wird als relativ stabile Eigenschaft angesehen. Weiterhin differenziert Becker (1994) zwischen physischem und psychischem Wohlbefinden, was in Kombination mit aktuellem und habituellen Wohlbefinden zu den in Abbildung 3 gezeigten Formen des Wohlbefindens führt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Strukturmodell des Wohlbefindens nach Becker (1994)
Das aktuelle psychische Wohlbefinden umfasst positive Gefühle und Stimmungen
sowie die momentane Beschwerdefreiheit, das habituelle psychische Wohlbefinden dagegen meint das seltene Auftreten negativer Gefühle und Stimmungen und die Häufigkeit positiver Gefühle und Stimmungen. Das aktuelle physische Wohlbefinden bezieht sich auf momentane positive körperliche Empfindungen sowie körperliche Beschwerdefreiheit während das habituelle physische Wohlbefinden länger andauernde Beschwerdefreiheit und positive körperliche Empfindungen umfasst. Aus den beiden Formen des habituellen Wohlbefindens ergibt sich die Zufriedenheit mit der psychischen und körperlichen Verfassung, was der Ebene der kognitiven Bewertung entspricht (Becker, 1994).
2.4.2.3 Arbeitsspezifisches und Kontextfreies Wohlbefinden nach Warr
Warr (2003) postuliert für das von ihm entwickelte Vitamin-Model (siehe 2.4.4) zwei verschiedene Formen des Wohlbefindens. Unterschieden wird hier zwischen dem kontextspezifischen und dem kontextfreien Wohlbefinden. In Bezug auf die Erwerbsarbeit nimmt Warr arbeitsspezifisches Wohlbefinden an, womit die spezifischen Gefühle einer Person in Bezug auf ihren Arbeitsalltag gemeint sind. Dem gegenüber steht das kontextfreie Wohlbefinden, welches generelle Gefühle in verschiedenartigen Situationen umfasst und damit einen weiteren, unspezifischeren Fokus einnimmt.
Dem Konstrukt des Wohlbefindens legt Warr (2003) ein zweidimensionales Modell mit den Gefühlsdimensionen Arousal und Pleasure zu Grunde (siehe 2.4.4). Bei der Bestimmung des Wohlbefindens einer Person werden zwei Aspekte beachtet: Zum einen die relative Lage in Bezug zu den beiden Dimensionen, was den inhaltlichen Aspekt widerspiegelt. Zum anderen ist die Distanz zum Mittelpunkt relevant, da sie die Intensität der Gefühle abbildet. Je größer die Distanz, umso höher die Intensität der erlebten Gefühle.
2.4.2.4 Eingrenzung und Schlussfolgerung für die eigene Erhebung
In Anbetracht der beiden Komponenten des Subjektiven Wohlbefindens nach Diener (2000) werden in der empirischen Untersuchung sowohl Aspekte des affektiven Wohlbefindens als auch des kognitiven Wohlbefindens erhoben. Die affektive Komponente, die von Becker (1994) als aktuelles Wohlbefinden bezeichnet wird, wird auf Grund der vorliegenden arbeitspsychologischen Fragestellung und des damit verbundenen Erhebungskontextes der Erwerbsarbeit als arbeitsspezifisches affektives Wohlbefinden nach Warr (2003) untersucht und mit dem vom Autor entwickelten Fragebogen operationalisiert. Die Unterscheidung in physisches und psychisches Wohlbefinden von Becker (1994) wird in diese Arbeit dahingehend einbezogen, dass sowohl psychische Befindensvariablen als auch psychosomatische Beschwerden erhoben werden.
Auf die Erhebung der Lebens- und Arbeitszufriedenheit im Sinne der bewertenden Komponente nach Diener (2000) wird bei der vorliegenden Untersuchung verzichtet.
2.4.3 Beziehungen zwischen Arbeit und Wohlbefinden
Schallberger (2006) postuliert, dass affektives Arbeitserleben das Befinden über zwei verschiedene Wege beeinflusst. Demnach ist Arbeit einerseits Quelle von Belastungserleben und andererseits Quelle von Arbeitsfreuden sowie ein Ort persönlicher Entfaltung. Dies steht im Einklang mit der ressourcenfokussierten Sichtweise und dem Salutogenesekonzept (siehe 2.2.3). Als theoretischen Bezugsrahmen nennt Schallberger die Affekt- oder Aktivierungstheorie wonach alltägliches Handeln von zwei verschiedenen Aktivierungssystemen reguliert wird: dem Annäherungssystem, welches Handlungen in Bezug auf das Erreichen positiv bewerteter Ziele reguliert, und dem Vermeidungssystem, das Handlungen reguliert, die zur Vermeidung drohender aversiver Zustände beitragen. Daraus ergibt sich die Annahme zweier Affektdimensionen, die der Positive Aktivierung (PA) und der Negativen Aktivierung (NA). Wohlbefinden wird als bipolares Konstrukt Valenz aufgefasst und ist gleichzeitig von den Ausprägungen beider Aktivierungsdimensionen (PA und NA) abhängig, was in Abbildung 4 dargestellt wird. In Bezug auf den Arbeitsalltag ist dies die Erklärung dafür, dass sowohl das Ausmaß des Arbeitsstresses als auch das Ausmaß erlebter Arbeitsfreuden unabhängig voneinander auf das Wohlbefinden wirken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Circumplexmodell affektiver Zustände nach Schallberger (2006)
Schallberger (2006) untersuchte dies in einer Experience Sampling-Studie, wobei die TeilnehmerInnen über einen Zeitraum von einer Woche siebenmal pro Tag ihr momentanes Befinden und die aktuelle Situation beurteilen sollten. Die erhobenen Daten bezogen sich sowohl auf die Arbeitszeit als auch auf die übrige Zeit des Tages, wodurch eine individuelle Baseline des Befindens ermittelt werden konnte, die zur Untersuchung der Spezifik des Arbeitslebens im Vergleich zur Freizeit diente. Als Ergebnis zeigte sich ein dominanter Effekt der NA gegenüber der PA für das momentane Wohlbefinden. Dies spricht dafür, dass das aktuelle Wohlbefinden primär das Ausmaß der momentanen negativen Aktivierung widerspiegelt und im Gegensatz dazu das habituelle Wohlbefinden, wie zum Beispiel die Lebenszufriedenheit primär mit dem charakteristischen Niveau der positiven Aktivierung im Arbeitsalltag in Zusammenhang steht.
2.4.4 Vitamin-Modell und arbeitsbezogene Determinanten des Wohlbefindens
Warr (2003) postuliert drei Hauptachsen, die bei der Erfassung des arbeitsspezifischen affektiven Wohlbefindens relevant sind. In Hinblick auf die zentrale Bedeutung der Dimension Freude für das affektive Wohlbefinden wird diese Dimension von einer Achse („displeasure-to-pleasure“) allein gemessen. Die anderen beiden Achsen beinhalten sowohl Aspekte der Freude als auch des Arousals, was durch ihren diagonalen Verlauf in Abbildung 5 gekennzeichnet ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Drei Achsen zur Messung des affektiven Wohlbefindens nach Warr (2003)
Die zweite Achse reicht von „anxiety“ zu „comfort“, Gefühle der Angst sind hier eine Kombination aus geringer Freude und hoher mentaler Erregung, comfort wird illustriert als Freude mit niedriger mentaler Erregung. Die dritte Achse „depression-to-enthusiasm“ reicht von Traurigkeit bis hin zu Gefühlen der Begeisterung. Das affektive Wohlbefinden einer Personen lässt sich durch die individuelle Lage auf jeder der drei Achsen, welche aufgrund der horizontalen Dimension Freude miteinander interkorreliert sind, charakterisieren (Warr, 2003).
Umgebungsdeterminanten für Wohlbefinden
Warr (2003) postuliert eine Klassifikation von Bedingungen der individuellen Arbeitsumgebung, die hinsichtlich ihres Vorhandenseins und ihrer Ausprägung das arbeitsspezifische Wohlbefinden determinieren.
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- Arbeit zitieren
- Dipl.-Psychologin Franziska Sinnig (Autor:in), 2009, Die Bedeutung sportlicher Freizeitaktivität als Gesundheitsverhalten für den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Befindensvariablen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146620
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