Diese Masterarbeit analysiert kritisch die Macht- und Gewaltstrukturen in der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe und untersucht, wie diese Strukturen die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen beeinflussen. Ziel der Arbeit ist es, ein tieferes Verständnis der Dynamiken zwischen Assistenzpersonal und Leistungsberechtigten zu entwickeln und Strategien aufzuzeigen, wie die Selbstbestimmung dieser vulnerablen Gruppe gestärkt werden kann. Durch die Analyse geführter Interviews und theoretische Analysen werden die subtilen Übergänge von Macht zu Gewalt beleuchtet und deren Auswirkungen auf die Autonomie der Betroffenen dargestellt. Weiterhin wird untersucht, wie der Grad zwischen Macht- und Gewaltausübung durch Mitarbeitende verschwimmt und welchen Einfluss dies auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten hat. Die durchgeführte qualitative Studie mit sieben Interviews mit MitarbeiterInnen der besonderen Wohnform zeigt, dass Macht und Gewalt allgegenwärtig sind und die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten beeinflussen, sodass diese zunehmend fremdbestimmt leben.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis - 1 -
Abkürzungsverzeichnis - 1 -
1. Einleitung. - 2 -
2. Menschen mit Behinderungen und die besondere Wohnform.. - 5 -
3. Aktueller Forschungsstand. - 9 -
4. Theoretischer Rahmen. - 14 -
4.1 Selbstbestimmung. - 14 -
4.2 Macht - 17 -
4.3 Gewalt - 19 -
4.4 Der Zusammenhang von Macht, Gewalt und Selbstbestimmung. - 25 -
5. Methodisches Vorgehen. - 27 -
5.1 Auswahl und Beschreibung des methodischen Vorgehens - 28 -
5.2 Sampling und Datenerhebung. - 29 -
5.3 Auswertungsmethodik. - 32 -
5.4 Überprüfung der Studiengüte. - 38 -
6. Ergebnisdarstellung. - 40 -
6.1 Machtverständnis - 40 -
6.2 Gewaltverständnis - 42 -
6.3 Erfahrungsberichte. - 44 -
6.4 Einfluss auf die Selbstbestimmung. - 52 -
6.5 Umgang, Konsequenzen, Prävention und Intervention. - 54 -
7. Zusammenführung der Ergebnisse. - 59 -
7.1 Der Grad zwischen der Ausübung von Macht und Gewalt - 60 -
7.2 Der Einfluss von Macht und Gewalt auf die Selbstbestimmung. - 70 -
8. Fazit und Ausblick. - 80 -
Literatur - 83 -
Anhang. - 91 -
Anmerkung der Redaktion: Die Transkripte mussten aus datenschutzrechtlichen Gründen leider entfernt werden.
Abkürzungsverzeichnis
BAGüS Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe
BIVA Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BSHG Bundessozialgesetz
BTHG Bundesteilhabegesetz
DIMD Deutsches Institut für Menschenrechte
HEP HeilerziehungspflegerIn
IfeS Institut für empirische Soziologie
LVR Landschaftsverband Rheinland
MAGS Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
SGB Sozialgesetzbuch
UN-BRK UN-Behindertenrechtskonvention
ÜAG NRW Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen in Nordrhein-Westfalen
WHO World Health Organization / Weltgesundheitsorganisation
ZQP Deutsche Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege
1. Einleitung
„15 Jahre Haft für vierfachen Mord in Behinderteneinrichtung“ (Kammer 2021: o.S.).
Dieses Urteil steht für das Ereignis, welches sich am 28.04.2021 in Potsdam ereignet und die gesamte Bundesrepublik Deutschland erschüttert hat. In der betroffenen Einrichtung, einer Einrichtung der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe, hat eine damalige Mitarbeiterin vier Menschen mit Behinderungen heimtückisch mit einem Keramikmesser ermordet. Zudem wurde die Mitarbeiterin wegen dreifachen versuchten Mordes, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, angeklagt (Wenzel 2021: o.S.). Es handelt sich dabei keineswegs um einen Einzelfall, wenngleich das Ereignis von besonderer Tragweite war. Die folgenden Schlagzeilen verdeutlichen weitere Gewaltvorfälle an Menschen mit Behinderungen, in der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe, in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens:
„Sexueller Missbrauch in Hattinger Behinderten-Einrichtung bestraft“ (Höffken 2017: o.S.), „Wittekindshof: Zahl der Beschuldigten steigt auf 165“ (Althoff 2021: o.S.), „Staatsanwalt nennt das Vergehen ‚geringfügig‘. Pfleger fesselt behinderten Johannes (22) ans Bett. Bundestagsabgeordneter spricht von Behindertenfeindlichkeit“ (Wegener 2023: o.S.), „Behinderte gequält: Herner Wewole zeigt fünf Mitarbeiter an“ (Christoph 2022: o.S.).
Die Schlagzeilen repräsentieren einen Teil des Hellfelds, aus dem hervorgeht, dass besonders MitarbeiterInnen häufig die Täterrolle einnehmen. Es ist davon auszugehen, dass das Dunkelfeld in Bezug auf Macht- und Gewaltvorfälle an und mit Menschen mit Behinderungen wesentlich größer ist. Einen Einfluss auf das Hell- und Dunkelfeld hat die Tatsache, dass Macht und Gewalt Tabuthemen darstellen (DIMD 2022: o.S.;BMAS 2021b: 674; Billen 2014: 95 f.; Schünemann 2020: 51). Menschen mit Behinderungen stellen mit 16 % der Weltbevölkerung die weltweit größte Minderheit dar (WHO 2023: o.S). Aus den Daten des Mikrozensus geht hervor, dass in Deutschland jede achte Person, die in einem Privathaushalt lebt, eine amtliche Behinderung hat. Dies entspricht einem Anteil von 12,5 % (10,4 Millionen) der Gesamtbevölkerung im Jahr 2019 (Statistisches Bundesamt 2020: o.S.; Statistisches Bundesamt 2021: 15). Menschen mit Behinderungen weisen aufgrund ihrer eingeschränkten körperlichen und/oder psychischen/kognitiven Ressourcen eine erhöhte Vulnerabilität auf. Damit einher geht ein erhöhtes Risiko, Opfer von Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und Gewalt zu werden (Staudhammer 2018: 20; Freck 2021: 201; BMAS 2021a: 17). Zurückliegende Studien aus den Jahren 2011 und 2013 untermauern dies, da Menschen mit Behinderungen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt signifikant häufiger Opfer von Gewalt werden (BMAS 2013: 6 ff. & 122). Ein erhöhtes Risiko geht zudem mit der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe, ehemals stationäres Wohnen, aufgrund der dort vorherrschenden Machtstrukturen, Machtverhältnisse und Abhängigkeiten einher. Im Jahr 2019 lebten 194.565 Menschen mit Behinderungen, die in diesem Zusammenhang Leistungsberechtigte sind, in der besonderen Wohnform. Die existierenden Machtverhältnisse in der besonderen Wohnform sowie Gewaltvorfälle können einen Einfluss auf die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen haben. Macht und Gewalt sind soziale Phänomene, die von der Gesellschaft beeinflusst werden können. Auch Vorurteile, Rollenzuschreibungen, vorgegebene Strukturen und Regeln, die auch mit der besonderen Wohnform einhergehen, können einen Einfluss haben (Staudhammer 2018: 10, 13, 25 & 28; Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2022: 5; Billen 2014: 96; BAGüS 2023: 6; Deutscher Bundestag 2021a: 2; Römisch 2019a: 177 & 180; Lindmeier & Meyer 2020: 45; Mech & Görtler 2020: 138 f.; Seifert & Metzler 2024: 45).
In den letzten Jahren ist die Diskussion über das im Grundgesetz verankerte Recht auf Selbstbestimmung zunehmend aufgekommen. Die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ist einerseits ein menschenrechtliches Anliegen (Lindmeier & Meyer 2020: 38). Andererseits werden Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zumeist als Objekte der Fürsorge und nicht als aktiv handelnde Akteure wahrgenommen, sodass ihnen auch die Fähigkeit zur Selbstsorge abgesprochen wird. Von dieser Sichtweise gilt es Abstand zu nehmen und Menschen mit Behinderungen bei der Etablierung eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen (Waldschmidt 2003: 15). Bisherige Studien konnten zeigen, dass trotz des Inkrafttretens der verbindlichen UN-Behindertenrechtskonvention in der Realität noch kein wirksamer Schutz vor Gewalt existiert (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2022: 3). In dieser Masterarbeit wird daher folgende Fragestellung bearbeitet:
- Inwiefern verschwimmt der Grad zwischen Macht- und Gewaltausübung im Rahmen der Assistenz durch MitarbeiterInnen und welchen Einfluss nimmt dies auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten?
Ziel dieser Masterarbeit ist es aufzuzeigen, wann es im Rahmen der Assistenz in Einrichtungen der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe zu Machtausnutzungen bestehender Machtstrukturen kommt und wann diese in Gewalt umschlagen. Darüber hinaus soll dargestellt werden, welchen Einfluss Machtausnutzung und Gewaltvorfälle auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten haben. Zudem soll ein Beitrag zur Enttabuisierung von Macht und Gewalt in der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe geleistet werden. Die Auseinandersetzung mit und Sensibilisierung für diese Themen soll ebenfalls angeregt werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist die vorliegende Arbeit in Theorie, Methodik und Ergebnisdarstellung gegliedert. Im theoretischen Teil werden zunächst zentrale Begriffe definiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Darauf aufbauend wird der Forschungsstand dargestellt und auf Grundlage dessen die Forschungsfrage abgeleitet. Das nachfolgende Kapitel befasst sich mit dem zugrundeliegenden theoretischen Rahmen, der die Themen Selbstbestimmung, Macht und Gewalt umfasst. Die Annäherung an den Begriff der Selbstbestimmung erfolgt über die Definitionen von Waldschmidt sowie Kennedy und Lewin. Zudem wird das Konzept von Kennedy und Lewin beleuchtet und der Begriff der Fremdbestimmung einbezogen. Ausgehend von einer der prägnantesten soziologischen Definitionen nach Weber wird das Thema Macht beleuchtet, um darauf aufbauend die Definition von Macht nach French und Raven sowie deren Machtbasentheorie darzulegen. In ähnlicher Weise wird sich dem Thema Gewalt genähert, indem zunächst soziologische Klassiker angeführt werden, um darauf aufbauend die Definition und das Gewaltdreieck von Galtung zu beleuchten. Eine Verknüpfung der verschiedenen Aspekte und Theorien rundet den theoretischen Rahmen ab. Im methodischen Teil wird zunächst die Entscheidung für die Methode der Leitfadeninterviews begründet, die Methodik und die Entwicklung des Leitfadens beschrieben. Im nächsten Kapitel wird auf den Forschungsprozess, den Feldzugang, das Sampling und die Datenerhebung eingegangen. Die zugrundeliegende Auswertungsmethodik, welche die Transkriptionsregeln und die Inhaltsanalyse nach Kuckartz umfasst, wird ebenfalls dargelegt. Der Ergebnisteil beschreibt die wichtigsten Kategorien und führt die Ergebnisse zusammen. Diese werden sowohl miteinander verknüpft als auch in den theoretischen Rahmen und Forschungsstand eingeordnet. Abschließend wird ein Fazit gezogen, das alle relevanten Aspekte zusammenfasst und weitere Forschungsperspektiven aufzeigt.
2. Menschen mit Behinderungen und die besondere Wohnform
Menschen mit Behinderungen stellen die größte Minderheit der Weltbevölkerung dar und dennoch ist der Begriff „Behinderung“ immer noch sehr abstrakt und negativ konnotiert. Dies hat zur Folge, dass es nach wie vor an Verständnis für die Verwendung des Begriffs mangelt (WHO 2023: o.S.; Rohrmann 2018: 57). Diese negative Konnotation kann auf die Geschichte des Begriffs zurückgeführt werden, welche bis ins 20. Jahrhundert zurückreicht. Damals gab es keinen allgemein gültigen Begriff für Menschen mit Behinderung. Stattdessen wurden Bezeichnungen wie „Missgeburt“, „Krüppel“, „Invalide“ oder „Gebrechliche“ verwendet (Mürner & Sierck 2012: 12). Als „Invalide“ wurden jene Personen bezeichnet, die für den Militärdienst untauglich waren. Sofern organische Fehler vorlagen, die die körperliche und/oder geistige Fähigkeit einer Person dauerhaft einschränkten, wurden diese als „Gebrechliche“ bezeichnet. Insbesondere der Begriff „Krüppel“ etablierte sich und bezeichnete kranke, heimbedürftige Personen. Daran knüpfte die damalige Deutsche Vereinigung für Krüppelforschung, heute Deutsche Vereinigung für Rehabilitation, an und führte 1906 die sog. Krüppelstatistik durch (Mürner & Sierck 2012: 12 & 16 f.). In der Weimarer Republik tauchte erstmals der Begriff „Körperbehinderte“ auf, der sich im Dritten Reich etablierte, um zunächst Abgrenzungen im nationalsozialistischen Sinne vornehmen zu können. Dabei wurde zwischen „legitimen“ Körperbehinderten (Unfallopfer und Kriegsversehrte) und „illegitimen“ Behinderten (Minderwertige und Erbkranke) unterschieden (Kastl 2017: 36). Mit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurde der Begriff für alle Menschen mit Körperbehinderungen verwendet. Erst mit der Einführung des Bundessozialgesetz (BSHG) im Jahr 1961 etablierte sich der Begriff „Behinderung“ schrittweise. Erstmals wurden „körperliche“, „geistige“ und „seelische“ Behinderungen berücksichtigt, unterschieden und voneinander abgegrenzt (Kastl 2017: 36; Rohrmann 2018: 57; § 39 Abs. 2 BSHG). Eine einheitliche Definition des Begriffs ging mit dem Paradigmenwechsel der Behindertenpolitik im Jahr 2001 einher. Mit dem Paradigmenwechsel wurde das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB) zur „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ verabschiedet, welches u.a. die Loslösung vom Fürsorgegedanken und eine einheitliche Definition von Behinderung innehat, sodass fortan von Menschen mit Behinderungen gesprochen wird (Rohrmann 2018: 57; Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2023: o.S.). Ein Mensch mit Behinderung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX eine Person, die „körperliche, seelische, geistige oder Sinnenbeeinträchtigungen“ hat und bei deren Wechselwirkung mit umwelt- und einstellungsbedingten Barrieren eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft wahrscheinlich für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten verhindert wird. Als Beeinträchtigung wird die Abweichung des Körper- und Gesundheitszustandes vom alterstypischen Zustand bezeichnet (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen werden nach dem Grad der Behinderung unterschieden, sodass eine Mensch mit einem Behinderungsgrad von 50 % und mehr als schwerbehindert gilt. Menschen mit einem Behinderungsgrad von weniger als 50 %, aber mehr als 30%, können mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, sofern sie ohne die Gleichstellung keinen Arbeitsplatzfinden finden und aufrechterhalten können (§ 2 Abs. 1 und 3 SGB IX). Ende 2021 lebten in Deutschland rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen, was einem Anteil von 9,3 % an der deutschen Gesamtbevölkerung entspricht. Im Vergleich zum Jahr 2019 konnte ein Rückgang um 1,4 % (108.000 Personen) verzeichnet werden, welcher auf die Bereinigung der Verwaltungsdaten in Niedersachsen zurückzuführen ist. Die Geschlechterverteilung zeigt, dass 50,3 % der schwerbehinderten Menschen männlich und 49,7 % weiblich sind. Bei der Altersverteilung zeigt sich, dass die Altersgruppe 55 bis 74 Jahre mit einem Anteil von 45 % am häufigsten vertreten ist. Etwa ein Drittel (34 %) der schwerbehinderten Menschen ist älter als 75 Jahre alt, während nur 3 % minderjährig sind (Statistisches Bundesamt 2022a: o.S.).
Menschen mit Behinderungen, insbesondere schwerbehinderte und ältere Menschen mit Behinderungen, gehören zu einem Personenkreis, der in der Regel auf ein hohes Maß an Unterstützung angewiesen ist. Aus diesem Grund werden diese Menschen teilweise auch als Menschen mit hohem und/oder komplexem Unterstützungsbedarf bezeichnet. Der hohe Unterstützungsbedarf und die unterschiedlichen Einschränkungen von Menschen mit Behinderungen können dabei zu einer Abhängigkeit führen (Tauchert 2019: 33; Maetzel & Sulzer 2018: 211 & 213; Seifert 2016: 65; Billen 2014: 102; Römisch 2019b: 133). Hier setzt die Eingliederungshilfe an, welche seit dem 01.01.2020 als nachrangige Sozialleistung im SGB IX geregelt ist und aus dem Fürsorgesystem des SGB XII „Sozialleistung“ herausgelöst wurde (§ 91 Abs. 1 SGB IX; Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2023: o.S.). Die Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, den Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die dem Grundsatz der Menschenwürde entspricht. Ebenso soll die gleichberechtigte Teilhabe am Leben innerhalb der Gesellschaft gefördert werden (§ 90 Abs. 1 SGB IX). Ausschlaggebend für den Erhalt der Leistung(en) sind zum einen die zugrundeliegenden Beeinträchtigungen, zum anderen gilt es die Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft durch die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit unterschiedlichen Barrieren zu betrachten. Eine Einschränkung dieser Fähigkeit liegt vor, wenn Aktivitäten in einer Vielzahl der neun Lebensbereiche nicht ohne professionelle oder technische Unterstützung durchgeführt werden können. Die Lebensbereiche werden wie folgt differenziert: Lernen und Wissensanwendung, Selbstversorgung, häusliches Leben, bedeutende Lebensbereiche, Kommunikation, Mobilität, allgemeine Aufgaben und Anforderungen, interpersonelle Interaktionen und Beziehung sowie Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben (§ 99 Abs. 1 & Abs. 3 SGB IX; § 118 Abs. 1 SGB IX). Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe sind in den Bereichen der medizinischen Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung und sozialen Teilhabe möglich, welche die Leistungsberechtigten in den unterschiedlichen Lebensbereichen unterstützen können (§ 90 SGB IX). Im Rahmen dieser Masterarbeit steht die soziale Teilhabe im Vordergrund, welche auf eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben innerhalb der Gesellschaft abzielt. Dieser Leistungsbereich greift dann, wenn eine gleichberechtigte Teilhabe durch die anderen Leistungsbereiche nicht möglich ist. Verfolgt wird die Zielsetzung, den Leistungsberechtigten eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung zu ermöglichen und die Leistungsberechtigen in ihrem Sozialraum zu befähigen sowie hierbei Unterstützung zu leisten (§ 90 SGB IX; § 113 Abs. 1 SGB IX). Die Leistungen zur sozialen Teilhabe umfassen ein großes Spektrum. Hierzugehören u.a. Leistungen zur Förderung von Verständigung (§ 82 SGB IX), Leistungen für Wohnraum (§ 77 SGB IX) und Assistenzleistungen (§ 78 SGB IX). Ein sehr essenzieller Bereich stellen die Assistenzleistungen dar, welche Leistungen zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags und Tagesstrukturierung umfassen (§ 78 Abs. 1 SGB IX). Im Laufe der Jahre gewann die Eingliederungshilfe in Deutschland stetig an Relevanz, da ein deutlicher Anstieg der Leistungsberechtigten im Zeitraum zwischen 2005 und 2022 verzeichnet wurde (Statista 2023: o.S.; Statistisches Bundesamt 2023a: o.S.). Im Jahr 2022 erhielten mehr als eine Million Menschen Leistungen der Eingliederungshilfe, was einem Anstieg von 2,1 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Etwa ein Viertel der Leistungsberechtigten kommt aus Nordrhein-Westfalen (25,83 % bzw. 258.405 Personen). Von den über einer Million Leistungsberechtigten erhielten etwa 755.450 Menschen Leistungen zur sozialen Teilhabe. Assistenzleistungen stellen mit ca. 67,46 % (509.640 Personen) den größten Leistungsbereich der sozialen Teilhabe dar (Statistisches Bundesamt 2023b: o.S.; Statistisches Bundesamt 2023c: o.S.).
Ein weiterer essenzieller Bereich der sozialen Teilhabe sind die Wohnformen der Eingliederungshilfe (Kommunaler Sozialverband Sachsen 2023: o.S.). Infolge des Inkrafttretens der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) am 01.01.2020 wurde aus den stationären und teilstationären Einrichtungen die besondere Wohnform der Eingliederungshilfe (Deutscher Bundestag 2021a: 2; Tauchert 2019: 33). Fortan wird nicht mehr zwischen der ambulanten, teilstationären und stationären Wohnform unterschieden, sondern zwischen innerhalb und außerhalb der besonderen Wohnform. Hintergrund dieser Änderung ist, dass von der früheren Heimunterbringung Abstand genommen werden soll, um eine möglichst selbstbestimmte Wohnform für Menschen mit Behinderungen zu etablieren (BAGüS 2023: 5; Kruse & Tenbergen 2019: 1; Deutscher Bundestag 2021b: 3). Charakteristisch für die besondere Wohnform ist, dass eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch die MitarbeiterInnen stattfindet und die Leistungsberechtigten in Wohngruppen zusammenleben. Dabei leben die Leistungsberechtigten allein oder zu zweit in persönlichen Wohnräumlichkeiten und können Sanitärräume und Kochangelegenheiten gemeinschaftlich mit der Wohngruppe nutzen (Deutscher Bundestag 2021b: 3; LVR 2023: o.S.). Ob das Wohnen innerhalb oder außerhalb der besonderen Wohnform möglich ist, hängt vom Einzelfall und den individuellen Ressourcen ab. Die Entscheidung über die geeignete Wohnform wird nach § 104 SGB IX getroffen. Dabei gilt es, die Wünsche zu berücksichtigen, wenn diese angemessen sind und u.a. die Kosten nicht unverhältnismäßig übersteigen. Dabei gilt, dass sobald eine Wohnform außerhalb der besonderen Wohnform möglich ist, dieser Vorzug zu geben ist, wenn dies den Wünschen der/des Leistungsberechtigten entspricht (§ 104 Abs. 2 SGB IX; § 104 Abs. 3 S. 1 und S. 2 SGB IX). Im Jahr 2021 lebten in der Bundesrepublik Deutschland 194.565 Menschen mit Behinderungen in einer Einrichtung der besonderen Wohnform, was einem Rückgang von 0,2 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Mit einem Anteil von 22,7 % (44.074 Personen) leben die meisten Menschen in Nordrhein-Westfalen in der besonderen Wohnform (BAGüS 2023: 6 & 13). Wenngleich ein Rückgang der Leistungsberechtigten innerhalb der besonderen Wohnform verzeichnet werden kann ist diese insbesondere für ältere Menschen von großer Bedeutung. Während der Anteil der über 60-jährigen Leistungsberechtigten kontinuierlich zu nimmt (2017: 21,3 % zu 2021: 26,8 %), ist der Anteil der Leistungsberechtigten im Alter von 18 bis 60 Jahren rückläufig (2017: 78,7 % zu 2021: 73,2 %) (Statistisches Bundesamt 2023b: o.S; BAGüS 2023: 17 f.; BAGüS 2021: 24).
3. Aktueller Forschungsstand
Der Forschungsstand zu Macht- und Gewaltstrukturen in der besonderen Wohnform ist sehr umstritten. Die bisherigen Studien liegen bereits einige Jahre zurück oder machen nicht immer Leistungsberechtigte zum Gegenstand der Forschung, sondern beziehen sich allgemein auf Menschen mit Behinderungen.
Die erste repräsentative Studie „Lebenssituation und Belastung von Frauen mit Behinderung in Deutschland“ wurde Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) initiiert und im Zeitraum von 2009 bis 2011 von der Universität Bielefeld durchgeführt. Die Grundgesamtheit bildeten 1.561 Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, nachfolgend Frauen mit Behinderungen, ab, welche zwischen 16 und 65 Jahren alt waren und entweder in Wohneinrichtungen oder einem eigenen Haushalt wohnten. Zur Felderschließung wurde methodisch auf drei verschiedene Wege zurückgegriffen. Neben einer repräsentativen Haushaltsbefragung (N = 800) und einer Einrichtungsbefragung (N = 420) wurde eine nichtrepräsentative Zusatzbefragung (N = 341) in Haushalten durchgeführt. Ergänzend wurden 31 Frauen mit Gewalterfahrungen vertiefend mithilfe der qualitativen Studie befragt (BMFSFJ 2012: 3; BMFSFJ 2013: 9f. & 259). In allen Stichproben wiesen die Frauen mehrheitlich multiple Beeinträchtigungen und Behinderungen auf. Die größte Bedeutung wird den körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen und Problemen zugeschrieben (BMFSFJ 2013: 87 f.). Da erstmals auf nationaler Ebene eine repräsentative Befragung von Frauen mit Behinderungen durchgeführt wurde, konnten umfassende und zentrale Ergebnisse gewonnen werden. Neben Erkenntnissen über soziokulturelle Aspekte konnte aufgezeigt werden, dass Beeinträchtigungen und Behinderungen größtenteils im Laufe des Erwachsenenalters auftreten. Ebenso konnte ein wichtiges Dunkelfeld aufgehellt werden, denn über 60 % der Frauen der Haushaltsbefragung verfügten trotz Beeinträchtigungen und hoher Belastung nicht über einen Behindertenausweis. Die Studie konnte zudem aufzeigen, dass die Wohnform der Frauen das Ausmaß der sozialen Ausgrenzung und der Teilhabeeinschränkung maßgeblich beeinflusst. In Einrichtungen lebende Frauen gaben erhebliche Einschränkungen zur Wahrung der Privat- und Intimsphäre sowie im Bereich des selbstbestimmten Lebens an. Auch die Freizeitgestaltung wurde durch Bevormundung und Reglementierung des Alltags eingeschränkt (BMFSFJ 2013: 259-263). Besonders relevant sind die hervorgebrachten Ergebnisse zu Gewalterfahrungen sowie der Vergleich dieser mit dem weiblichen Bevölkerungsdurchschnitt, welcher auf die Frauenstudie aus dem Jahr 2004 zurückgeführt werden kann. Durch den repräsentativen Teil der Studie konnten diese Ergebnisse gewonnen werden. Aus den unterschiedlichen Teilstichproben geht hervor, dass 68-90 % der befragten Frauen mit Behinderungen angaben, psychische Gewalt erlebt zu haben. Im Vergleich dazu gaben 45 % der Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt an, psychische Gewalt erlebt zu haben. Die erlebten Gewaltformen reichen von verbalen Beleidigungen, Benachteiligungen, Ausgrenzungen und Drohungen bis hin zu Psychoterror. Fast doppelt so häufig erleben Frauen mit Behinderungen (58-73 %) im Vergleich zum weiblichen Bevölkerungsdurchschnitt (35 %) mindestens einmal körperliche Gewalt. Neben der gesteigerten Häufigkeit erleben Frauen mit Behinderungen auch häufiger schwere und bedrohliche Übergriffe. Von sexueller Gewalt im Erwachsenenalter berichten Frauen mit Behinderungen im Vergleich zum weiblichen Bevölkerungsdurchschnitt (13 %) zwei- bis dreimal häufiger (21-43 %) (BMFSFJ 2013: 265; BMFSFJ 2012: 24). Am häufigsten wurde eine dieser drei Gewaltformen von Frauen, die in einer Einrichtung wohnten, erlebt. Ähnlich wie im Bevölkerungsschnitt lassen sich die TäterInnen meist im sozialen Umfeld verorten. Eine Besonderheit konnte mit Blick auf die in Einrichtungen lebenden Frauen identifiziert werden, welche eine Gefährdung durch MitbewohnerInnen sowie das Personal thematisierten (BMFSFJ 2013: 265 ff.). Neben den Gewalterfahrungen konnten auch Diskriminierungserfahrungen erhoben werden. Erfahrungen im Bereich der Diskriminierung, wie bspw. durch Grenzüberschreitungen, Bevormundung oder Einschränkungen der Selbstbestimmung, wurden von jeder zweiten in einer Einrichtung lebenden Frau angegeben. Diese Personengruppe gab im Vergleich zu den befragten Frauen im Haushalt häufiger an, beschimpft (46 %), ungefragt und unangemessen angefasst (ca. 40 %) sowie ungefragt geduzt und angestarrt zu werden (35-52 %). Darüber hinaus fühlen sich diese Frauen besonders häufig durch Regeln und Bedingungen in ihrer Selbstbestimmung und Freiheit eingeschränkt (38-42 %) (BMFSFJ 2013: 246-267).
Basierend auf der ersten Studie wurden sekundäranalytische Auswertungen durchgeführt und 2014 im Rahmen der Studie „Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen – Ausmaß, Risikofaktoren, Prävention –“ publiziert. Dabei wurden 401 in einer Einrichtung lebende Frauen als Grundgesamtheit herangezogen (BMFSFJ 2014: 5). Die Analyse hat unterschiedliche Risikofaktoren für Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderungen in Einrichtungen aufgezeigt. Das Risiko, Gewalt zu erfahren, kann einerseits durch die Form und Ausprägung der Behinderung(en) sowie negativ konnotierte, schädigende und teils gewaltsame Kindheitserfahrungen beeinflusst werden. Andererseits können geringe (psycho-)soziale, ökonomische und berufliche Ressourcen einen Einfluss auf Risiko haben. Risikofaktoren können auch auf die Lebensbedingungen in den stationären Einrichtungen zurückgeführt werden. Als Risikofaktoren konnten ein respektloser und grenzenloser Umgang, unzureichendes Eingehen auf die Bedürfnisse, fehlende Vertrauensbeziehungen sowie das Angewiesensein auf Unterstützung u.a. bei der Körperpflege identifiziert werden. Zudem können gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen und Diskriminierung vermehrt zu Gewalterfahrungen führen. Ein hohes Maß an Diskriminierung, ein respektloser Umgang, Bevormundung und Einschränkungen sorgen für ein erhöhtes Gewaltrisiko (BMFSFJ 2014: 157-160).
Die Studie „Lebenssituation und Belastungen von Männern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland – Haushaltsbefragung“ wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiiert und im Zeitraum von 2011 bis 2012 von der Universität Bielefeld durchgeführt. Das methodische Vorgehen war an dem der ersten Studie des BMFSFJ angelehnt. Auf nationaler Ebene wurden erstmals repräsentative Daten zu den Gewalterfahrungen von Männern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, nachfolgend Männer mit Behinderungen, gewonnen. 204 Interviews mit Männern mit Behinderungen, die in ihrem eigenen Haushalten leben, bildeten die Grundgesamtheit (BMAS 2013: 2 & 8 ff.). Ähnlich wie bei der Befragung der Frauen weist auch bei den befragten Männern der größte Teil eine körperliche Beeinträchtigung, gefolgt von einer in der Regel zusätzlichen psychischen Beeinträchtigung, auf. Im Vergleich zur Frauenbefragung konnte aufgezeigt werden, dass mit 60 % deutlich mehr Männer über einen Behindertenausweis verfügen (BMAS 2013: 9). Die Ergebnisse haben zudem gezeigt, dass im Vergleich zum männlichen Bevölkerungsdurchschnitt Männer mit Behinderungen deutlich häufiger Gewalt erleben. Während etwa zwei Drittel der befragten Männer (65 %) angaben, mindestens einmal psychische Gewalt erlebt zu haben, trifft dies nur auf 46 % des männlichen Bevölkerungsdurchschnitts zu. Männer mit Behinderungen erfahren jedoch seltener psychische Gewalt im Vergleich zu Frauen mit Behinderungen. Ein gegenteiliges Bild zeigt sich bei der körperlichen Gewalt. In diesem Bereich sind Männer mit Behinderungen häufiger Opfer von Gewalt als Frauen mit Behinderungen. Während 43 % des männlichen Bevölkerungsdurchschnitts angaben, körperliche Gewalt erlebt zu haben, taten dies 71 % der befragten Männer mit Behinderung. Sexuelle Gewalt scheint bei Männern mit Behinderungen eine geringere Rolle zu spielen, dennoch hat ein Drittel der befragten Männer im Erwachsenenalter Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht. Im Vergleich dazu haben mehr als zwei Drittel der Frauen sexuelle Belästigung erlebt (BMAS 2013: 12, 14 & 86 f.). Strukturelle Gewalt und Diskriminierung berichteten etwa zwei Drittel der Männer mit Behinderungen. Das Gefühl, durch Regelungen in der Freiheit und Entscheidung eingeschränkt zu sein, wurde von etwa jedem Sechsten angegeben. Männer mit Behinderungen wurden zudem beschimpft (13 %), ungefragt und unangemessen angefasst (6-10 %), geduzt (17 %) und angestarrt (26 %). Vor dem Hintergrund der subjektiven Wahrnehmung thematisieren Männer im Vergleich zu Frauen mit Behinderungen weniger strukturelle Gewalt und Diskriminierung (BMAS 2013: 128 f.). In diesem Zusammenhang muss kritisch angemerkt werden, dass die dargelegten Ergebnisse ausschließlich auf Männern mit Behinderungen beruhen, die in einem eigenen Haushalt leben. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen keine Daten für Männer mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben, vor (MAGS 2020: 175).
Anknüpfend an bisherige Forschungsarbeiten wurde die Studie „Gewaltschutzstrukturen für Menschen mit Behinderungen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen“ vom BMAS in Auftrag gegeben. Mit der Durchführung erfolgte im Zeitraum von August 2020 bis Juli 2021 durch das Institut für empirische Sozialforschung (IfeS) (BMAS 2021a: 13 & 17). Methodisch stützt sich die Studie auf eine Literatur- und Dokumentenanalyse sowie unterschiedliche Arten qualitativer Interviews. Neben 22 Interviews mit ExpertInnen wurden 53 Einzel- und neun Gruppeninterviews in Wohneinrichtungen und Werkstätten der Behindertenhilfe geführt. Dabei wurden nicht nur Aspekte des Fortschritts und positive Beispiele aus der Praxis in den Blick genommen, sondern auch aktuelle Problemfelder und Lücken aufgezeigt. Während u.a. die Achtung der Privat- und Intimsphäre, die schlechten Selbstvertretungsstrukturen, die Einschränkungen von Mitbestimmungsrechten und Personalmangel als problematisch angesehen werden, wurden positive Entwicklungen der gesteigerten Aufmerksamkeit und zunehmenden Partizipation zugeschrieben. Weitere positive Entwicklungen konnten u.a. im Bereich der Leitlinien sowie Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen identifiziert werden. Aus diesen empirischen Befunden ergaben sich eine Reihe an Verbesserungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen hervor (BMAS 2021a: 13 f.). Weitere Forschungen im Bereich des Gewaltschutzes sollten demzufolge u.a. die Grenzbereiche in den Blick nehmen und diesen „im Einsatz von Zwang, Freiheitseinschränkung und Einschränkungen der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ Aufmerksamkeit schenken (BMAS 2021a: 171). Darüber hinaus gilt es auf gesamtgesellschaftlicher Ebene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um gewaltbegünstigende Rahmenbedingungen zu thematisieren und einen Abbau dieser anzuregen (BMAS 2021a: 15).
Anknüpfend an die Studie des IfeS hat der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2022 weitere Handlungsempfehlungen unter dem Titel „Schutz vor Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen – Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis“ veröffentlicht. Als Zielsetzung werden die ursächliche Bekämpfung von Gewalt und die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen beschrieben (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2022: 5 & 7). Eine essenzielle Empfehlung zur Reduzierung des Gewaltrisikos stellt die Verbesserung der personellen Situation dar. Weiterer Handlungsbedarf wird in den Bereichen unabhängige Überwachung des Gewaltschutzes und Partizipation, Gewaltschutzkonzepte, Intervention, Opferschutz und Selbstbestimmung gesehen (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen 2022: 7-17).
Die von 2021 bis 2024 laufende Studie „Gewalt gegen Frauen und Männer mit Behinderungen in Einrichtungen“ des IfeS in Zusammenarbeit mit dem SOKO Institut wurde vom BMFSFJ und BMAS in Auftrag gegeben. Dabei knüpft die Studie an eine der größten Forschungslücken in diesem Bereich an. Vorgesehen ist eine Befragung von 1.500 Frauen, Männern und diversen Menschen, die in unterschiedlichen Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und arbeiten. Ziel der Studie ist es, zum einen erstmals Erkenntnisse über die Gewalterfahrungen von Männern in Einrichtungen zu gewinnen. Zum anderen wird mit der Befragung der Frauen eine Wiederholungsstudie realisiert, durch die vertiefende Ergebnisse gewonnen und ein verstärkter Fokus auf die Gewaltprävention gelegt werden soll (IfeS o.J.: o.S.).
Der dargelegte Forschungsstand verdeutlicht, dass die bisherigen Studien einige Jahre zurückliegen und primär Frauen mit Behinderungen in den Fokus der Forschung rückten. Für Frauen mit Behinderungen liegen Daten für diejenigen vor, die in eigenen Haushalten leben und in Einrichtungen leben. Im Gegensatz dazu gibt es derzeit nur Daten über Männer mit Behinderungen, die in einem eigenen Haushalt leben. Wenngleich die derzeit laufende Studie an diese Forschungslücke anknüpft, wurden bisher keine Ergebnisse veröffentlicht (BMFSFJ 2013: 9 f. & 259; MAGS 2020: 175). Der Forschungsbedarf im Bereich Gewalt und Gewaltschutz von Menschen mit Behinderungen geht über die Datenerhebung der Gewaltbetroffenheit hinaus. Im Rahmen weiterer Forschung gilt es u.a. die Grenzbereiche, in denen Zwang und Freiheitseinschränkung eingesetzt und die Selbstbestimmung eingeschränkt werden, in den Blick zu nehmen (BMAS 2021a: 171). Als weiterer Grenzbereich konnte der Übergang von Macht zu Gewalt identifiziert werden. Aufgrund der Rahmenbedingungen in der besonderen Wohnform, wie u.a. das Arbeitsverhältnis, kann immer von einer bestehenden Machtbeziehung ausgegangen werden. Diese Machtbeziehung ist zunächst normativ konnotiert und kann als neutral angesehen werden. Eine Veränderung dieser Machtbeziehung in eine positive oder negative Richtung hängt von der Machtausübung der Personen in den Einrichtungen ab. Mit einem negativen Ursprung der Machtausübung geht Machtmissbrauch einher, der darauf abzielt, eigene Interessen durchzusetzen und in Gewalt umschlagen kann (Staudhammer 2018: 4 & 15). Sowohl Macht als auch Gewalt können in Verbindung mit Zwang und Freiheitseinschränkung gebracht werden, sodass zum einen an diese Forschungslücke angeknüpft wird. Zum anderen wird an die Forschungslücke der Einschränkungen von Selbstbestimmung angeknüpft, da sowohl Macht- als auch Gewaltausübung auf diese einen Einfluss nehmen können (Raven et al. 1998: 308; Lux et al. 2023b: o.S; Römisch 2019a: 177 & 180; Seifert & Metzler 2024: 45; BMAS 2021a: 171).
Obwohl im dargelegten Forschungsstand von Frauen und Männern mit Behinderungen gesprochen wurde, wird nachfolgend auf den Begriff „Leistungsberechtigte“ zurückgegriffen. Die unterschiedliche Verwendung der Begrifflichkeiten hat den Hintergrund, dass nicht alle Menschen mit Behinderungen als Leistungsberechtigte bezeichnet werden können. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht jedoch die besondere Wohnform, in der ausschließlich Menschen mit Behinderungen wohnen, die entsprechende Leistungen erhalten und als Leistungsberechtigte bezeichnet werden (§ 90 Abs. 1 SGB IX; § 99 Abs. 1 SGB IX). Ausgehend von den Forschungslücken und dem Wissen, dass Machtbeziehungen in der besonderen Wohnform immer präsent sind, ergibt sich für die vorliegende Untersuchung die folgende Forschungsfrage:
- Inwiefern verschwimmt der Grad zwischen Macht- und Gewaltausübung im Rahmen der Assistenz durch MitarbeiterInnen und welchen Einfluss nimmt dies auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten?
4. Theoretischer Rahmen
Der theoretische Rahmen dieser Masterarbeit beinhaltet neben den Begriffsdefinitionen von Selbstbestimmung, Macht und Gewalt auch die Darstellung der zugrundeliegenden theoretischen Konzepte. Ausgehend von der Darstellung der Definition von Selbstbestimmung nach Waldschmidt erfolgt eine Annäherung an die Definition nach Kennedy und Lewin. Prinzipien, Werte und Ausgestaltung der Selbstbestimmung werden diskutiert und der Begriff der Fremdbestimmung erläutert. Der Machtbegriff wird zunächst anhand der Definition von Weber behandelt, um darauf aufbauend die Definition von French und Raven sowie deren Machtbasentheorie vorzustellen. Danach folgt eine soziologische Annäherung an das Thema Gewalt, wobei das Gewaltdreieck von Galtung als theoretischer Rahmen dient. Abschließend werden die Theorien miteinander verknüpft.
4.1 Selbstbestimmung
Die Selbstbestimmung stellt ein Menschenrecht dar und steht in engem Zusammenhang mit Art. 2 des Grundgesetzes (Lindmeier & Meyer 2020: 38). Selbstbestimmung wird nach Anne Waldschmidt als „Für sich selbst sorgen können, das heißt, sein Leben selbstständig zu gestalten, unabhängig zu sein, eigenen Entscheidungen zu treffen und nach ihnen zu handeln, kurz, das heißt Selbstbestimmung.“ definiert (Waldschmidt 2003: 15).
Menschen mit Behinderungen wird jedoch zumeist die Fähigkeit für sich selbst zu sorgen abgesprochen, da diese in der Gesellschaft oft als Objekte der Fürsorge wahrgenommen und nicht als aktiv handelende Akteure angesehen werden (Waldschmidt 2003: 15). Michael Kennedy und Lori Lewin (2004) verstehen Selbstbestimmung als Prozess, der davon abhängt, was eine Person für ein befriedigendes und für sie selbst sinnvolles Leben als notwendig und wünschenswert erachtet. Folglich ist dieser Prozess von Person zu Person verschieden. Die Selbstbestimmung ist sowohl personenzentriert als auch personengeleitet und richtet sich nach den Entscheidungen des Individuums und nicht nach denen der DienstleiterInnen (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). In diesem Kontext bedeutet dies, dass die Entscheidungen, wie die Menschen mit Behinderungen ihr Leben gestalten wollen und welche Assistenzformen diese hierfür in Anspruch nehmen, ausschließlich von ihnen selbst zu entscheiden ist und nicht von den Mitarbeiterinnen der besonderen Wohnform. Kennedy und Lewin definieren vier Prinzipien der Selbstbestimmung: Freiheit, Autorität, Autonomie und Verantwortung. Freiheit bedeutet, dass die Menschen die Möglichkeit haben, zusammen mit ausgewählten Familienmitgliedern oder Freunden das eigene Leben mit der benötigten Unterstützung zu gestalten. Die Autorität ermöglicht Menschen mit Behinderungen über einen gewissen Gelbetrag selbstständig zu verfügen und zu kontrollieren, um Dienstleistungen eigenständig erwerben zu können. Sofern dies notwendig ist, kann hierbei auf ein soziales Unterstützungsnetzwerk zurückgegriffen werden. Hinter dem Prinzip der Autonomie verbirgt sich ein eigenverantwortlicher Umgang mit den Ressourcen und dem Personal, welches die Menschen mit Behinderungen unterstützt, ein in die Gesellschaft integriertes Leben zu führen. Das letzte Prinzip stellt die Verantwortung dar. Verantwortung bedeutet in diesem Kontext eine anerkannte Rolle einzunehmen. Diese Rolle kann u.a. die persönliche Entwicklung, ein entlohntes Arbeitsverhältnis und die Sorge um andere Menschen in der Gemeinschaft umfassen. Dazu gehört auch die Verantwortung, öffentliche Gelder auszugeben und diese so einzusetzen, dass das Leben von Menschen mit Behinderungen bereichert wird(Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Neben den Prinzipien gibt es Werte, welche durch die Selbstbestimmung unterstützt werden. Zu diesen Werten gehören Respekt, Wahlmöglichkeiten, Eigentümerschaft, Unterstützung und Möglichkeiten. Naturgemäß sollen Menschen mit Behinderungen im Sinne der Selbstbestimmung als wertvolle und fähige Menschen erlebt werden, denen stets mit Respekt begegnet wird. Respekt geht über Freundlichkeit und Lippenbekenntnisse hinaus und bedeutet die Stärken, Fähigkeiten und individuellen Werte einer Person anzuerkennen, zu sehen und wertzuschätzen. Entscheidend für die Selbstbestimmung sind die Wahlmöglichkeiten, welchen Menschen mit Behinderungen nur begrenzt zur Verfügung stehen, da diese oftmals nicht die wichtigen Aspekte des Lebens frei bestimmen können. Denn richtige Wahlfreiheit bedeutet, von der gleichen Bandbreite an Zielen, Lebensstilen und Vorlieben wie Menschen ohne Behinderungen auswählen zu können. Hinter dem Wort „Eigentümerschaft“ steckt, dass mit der Selbstbestimmung die Menschen mit Behinderungen unterstützt werden, Besitz über ihr eigenes Leben zu erlangen. Dabei geht dies über das Treffen von Entscheidungen hinaus und umfasst die totale und endgültige Autorität auf seitens der Menschen mit Behinderung. Hilfestellungen durch den Unterstützungskreis beim Treffen von Entscheidungen sind möglich, sofern das letzte Wort auf der Seite der Menschen mit Behinderungen liegt. Letztlich bedeutet Eigentümerschaft auch, dass die Konsequenzen und die Verantwortung für das eigene Handeln zu erkennen und zu tragen. Der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist die Unterstützung durch das Unterstützungsnetzwerk, z. B. bei wichtigen Entscheidungen oder Schritten. Selbstbestimmung bedeutet hier, den Unterstützungskreis selbst auszuwählen, welcher u.a. aus Familie, Freunden und weiteren Menschen der Gemeinschaft bestehen kann, welche sich die Person wünscht. Das Wichtigste dabei ist, dass zu diesen Personen eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut und aufrechterhalten wird. Der letzte Wert umfasst die Möglichkeiten des Lebens, welche durch die Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen ausgedehnt werden. Zudem gilt es diese zu ermutigen, die unterschiedlichen Möglichkeiten des Lebens zu entdecken. Mit den Möglichkeiten können Risiken einhergehen, sodass Fehler gemacht werden können, welche die Entwicklung einer Person beeinflussen können (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Das Gegenteil von Selbstbestimmung ist die Fremdbestimmung, welche das Bestimmen für oder über eine Person bedeutet. Fremdbestimmung kann in unterschiedlichen Bereichen durch institutionelle Rahmenbedingungen wie u.a. Heimordnungen oder Sachzwänge, aber auch durch fehlende oder behindernde Strukturen sowie Normen offenkundig werden (Drolshagen & Rothenberg 2001: 503 & 507 f.; Rothenberg 2001: 528). Die nachfolgende Tabelle führt ein paar Beispiele der unterschiedlichen Bereiche an, welche für die nachfolgende Analyse noch von Bedeutung sein werden.
Tabelle1:Fremdbestimmung – Bereiche und Beispiele
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528; eigene Darstellung
Die Beispiele in der Tabelle zu den unterschiedlichen Bereichen zeigen auf, dass Fremdbestimmung in der besonderen Wohnform für die Leistungsberechtigten allgegenwärtig ist (Klicker 2001a: 266; siehe Tabelle 1). Infolge der Fremdbestimmung ist es möglich, dass die Entstehung und Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse unterdrückt und diese nur zurückhaltend geäußert werden. Eine gleiche Veränderung ist bei den eigenen Erwartungen und Wünschen möglich. Möglicherweise wirkt sich dies nachhaltig aus, sodass durch die totale Fremdbestimmung die Entwicklung individueller Bedürfnisse auch im späteren Leben erschwert wird. Durch den Versuch, Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen zu erkennen und zu benennen, kann eine Abkehr von der Fremdbestimmung und eine Stärkung der Selbstbestimmung durch die Leistungsberechtigten erfolgen. Dabei kann die Unterstützung in Form von Einzel- oder Gruppenberatungen erforderlich sein (Klicker 2001b: 254).
4.2 Macht
Der Begriff „Macht“ wird im wissenschaftlichen Diskurs sehr unterschiedlich definiert, sodass nicht der eine Machtbegriff in der Soziologie existiert (Inhetveen 2008: 253). Neue Impulse in der Machtdiskussion wurden vor allem in den 1980er Jahren etabliert. Zur Annäherung an den Machtbegriff wurden verschiedene Elemente aus meist umfassenden Gesellschaftstheorien, wie z. B. von Foucault oder Arendt, herangezogen (Göhler 2006: 244). In der Soziologie existiert kein einheitlicher Machtbegriff. Dennoch wurde der Machtbegriff von Weber in seinem 1922 posthum veröffentlichten Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ geprägt (Llanque 2007: 489; Inhetveen 2008: 253). Der Einfluss Webers zeigt sich darin, dass verschiedene AutorInnen seine Definition als Grundlage genommen haben, um sich davon zu distanzieren, sich ihr anzuschließen oder sie weiterzuentwickeln (Inhetveen 2008: 253). Weber definiert Macht folgendermaßen: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (Weber2002: 28). Auch die Definition von Macht nach Raven, die dieser Arbeit zugrunde liegt, knüpft an den Aspekt der sozialen Beziehungen an: „Social power was defined as the potential for such influence, the ability of the agent or power figure to bring about such change, using resources available to him or her.” (Raven 2008: 1).
Raven geht somit davon aus, dass durch Macht ein Einfluss auf eine Person genommen werden kann. Dieser Einfluss kann von einer anderen Person, einer Gruppe, einem Teil einer Gruppe, einer Rolle oder einer Norm ausgehen (French & Raven 1959: 260). Als Ressourcen zur Machtausübung werden Belohnung, Zwang, Legitimation, Referenz, Information und Fachwissen genannt (Raven 2008: 1). Ausgehend vom Machtbegriff entwickelten Raven und French in den 1950er Jahren zunächst fünf grundlegende Typologien der Macht, die im Laufe der Zeit um einen sechsten Typ erweitert wurden. Die Typologien umfassen (1) Macht durch Belohnung / reward power, (2) Macht durch Zwang / coercive power, (3) Legitimationsmacht / legitimate power, (4) Expertenmacht / expert power, (5) Identifikationsmacht / referent power und (6) Informationsmacht / informational power (Raven et al. 1998: 308).
Die Macht durch Belohnung impliziert, dass die machtausübende Person in der Position ist, Belohnungen zu vermitteln und den Erhalt über diese zu kontrollieren. Die Wahrscheinlichkeit des Erhalts kann von der untergeordneten Person nicht beeinflusst werden. Die Stärke dieser Macht hängt von der Größe der Belohnung, der Wahrscheinlichkeit des Erhalts und der Wahrnehmung der untergeordneten Person ab. Sofern das Anbieten einer Belohnung als legitim angesehen wird, führt dies zu einer erhöhten Anziehung und geringerem Widerstand seitens der untergeordneten Person. Das Ziel dieser Macht ist es, Akzeptanz zu erlangen und eine Unabhängigkeit zu schaffen (French & Raven 1959: 263). Diese Art der Macht kann in persönliche und unpersönliche Macht unterteilt werden (Raven et al. 1998: 311). Die persönliche Macht strebt persönliche Anerkennung, Zustimmung, Aufwertung und Lob an. Bei der unpersönlichen Macht werden hingegen greifbare Belohnungen, wie u.a. Gegenstände oder benötigte Materialien genutzt (Erchul et al. 2001: 4 f.).
Das Gegenstück der Macht durch Belohnung stellt die Macht durch Zwang dar, bei der negative Sanktionen im Vordergrund stehen (Raven et al. 1998: 308). Im Vergleich zur Macht durch Belohnung kann diese Macht zu einer Abhängigkeit führen. Darüber hinaus kann durch diese Macht Ablehnung verhindert werden (French & Raven 1959: 263 f.). Diese Art der Macht kann sowohl auf persönlicher als auch auf unpersönlicher Ebene ausgeübt werden. Auf der unpersönlichen Ebene sind die Sanktionen greifbar und können bspw. die Wegnahme von etwas oder eine Entlassung umfassen. Auf der persönlichen Ebene äußert sich diese Macht durch persönliche Abwertung oder Missbilligung (Erchul et al. 2001: 4 f.).
Die Legitimationsmachthat ihren Ursprungin der Wahrnehmung der untergeordneten Person, dass ein legitimes Recht existiert, gewisse Verhaltensweisen vorgeschrieben zu bekommen (French & Raven 1959: 263 f.). Raven unterscheidet vier Kategorien der Legitimationsmacht: Position, Gegenseitigkeit, Gerechtigkeit und Abgängigkeit. Die Legitimationsmacht durch Position kann als ursprüngliche Form der Legitimationsmacht identifiziert werden. Zum Ausüben von Macht kann eine Person dabei durch ihre Position, welche u.a. auf Rechten oder Normen beruht, legitimiert werden. Die Legitimationsmacht durch Gegenseitigkeit beruht auf der Norm der Gegenseitigkeit und dem Gefühl der Verpflichtung, die Aufforderung machtausübenden Person auszuführen, wenn diese zuvor etwas Positives getan hat. Die dritte Art stellt die Legitimationsmacht durch Gerechtigkeit dar, die auf der Norm der Gleichheit basiert. Diese Art der Macht beinhaltet, dass Arbeiten, Leiden und/oder Schaden, die mit dem Ziel einhergehen, kompensiert werden sollen. Die letzte Kategorie ist die Legitimationsmacht durch Abhängigkeit, die auf der sozialen Verantwortung und Verpflichtung beruht, einer hilfsbedürftigen Person zu helfen (Raven et al. 1998: 307-311).
Die Expertenmachtberuht auf der Wahrnehmung, dass eine Person über besondere (Fach-)Kenntnisse verfügt. Diese Art von Macht beruht sowohl auf dem Umfang des Wissens als auch auf der Wahrnehmung und dem Vertrauen der ungeordneten Person gegenüber dem Wissen. Die Bewertung des Expertenwissens erfolgt auf der Grundlage allgemeingültiger Standards und/oder des eigenen Wissens. Das Ziel dieser Macht ist es, die kognitiven Strukturen der untergeordneten Person zu verändern (French & Raven 1959: 263 & 267 f.).
Bei der Identifikationsmachtsteht das Charisma der machtausübenden Person im Vordergrund. Im Rahmen dieser Macht geht es darum, dass sich die untergeordnete Person mit der machtausübenden Person identifiziert (French & Raven 1959: 266). Identifikation wird hier definiert als das Gefühl oder der Wunsch der untergebenen Person nach einer Einheit zwischen den beiden Personen. Ziel ist neben der Identifikation auch der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer guten Beziehung zwischen den beiden Personen. Die Aufrechterhaltung kann durch Verhaltensmuster, Werthaltungen und Einstellungen beeinflusst werden, wenn diese von der untergeordneten Person als lobenswert erachtet werden. Gegenwärtig gilt: Je stärker die Identifikation ist, desto größer ist die Identifikationsmacht (French & Raven 1959: 267).
In späteren Arbeiten etablierte Raven die Informationsmachtals weitere Typologie, die eine separate Klassifikation der Expertenmacht darstellt. Die beiden Machttypen unterscheiden sich dadurch, dass die Informationsmacht personenunabhängig ist, da sie auf Informationen beruht. Der Fokus liegt demnach ausschließlich auf den vermittelten Inhalten und nicht auf den Eigenschaften einer einzelnen Person (Raven et al. 1998: 308; Raven 1993: 235).
4.3 Gewalt
Der Begriff „Gewalt“ wird je nach Gesellschaft, Kultur und den damit einhergehenden Normen, Werten und Gesetzen unterschiedlich definiert (Brzank 2012: 22). Demzufolge existiert keine allgemein und einheitlich gültige Definition des Gewaltbegriffs (Lamnek et al. 2012: 7). Untermauert wird dies dadurch, dass in der Soziologie der Begriff der Gewalt umstritten ist (Inhetveen 2008: 264). Eine der einflussreichsten Definitionen von Gewalt wurde von Popitz formuliert. Demnach ist Gewalt eine Machtaktion, die als Option des menschlichen Handelns verstanden wird und zu bewusster körperlicher Verletzung führen kann (Popitz 1992: 48 & 57). „Der Mensch muß nie, kann aber immer gewaltsam handeln, er muß nie, kann aber immer töten […]“, so Popitz in diesem Zusammenhang (Popitz 1992: 50). Das Töten wird hier als äußerste Grenze und damit als äußerste Gewalt definiert. Popitz beschränkt sich in einer Gewaltdefinition auf physische Gewalt und berücksichtigt psychische Gewalt nicht gesondert. Psychische Gewalt wird nur im Zusammenhang mit Machtaktionen erwähnt, die äußerlich sichtbare Verletzungen hervorrufen. Hinter den psychischen Machtaktionen steckt die Intention, die soziale Teilhabe und gesellschaftliche Integration zu mindern, welche mithilfe von Vertreibung und Einsperren einer Person angestrebt werden kann (Popitz 1992: 43 ff. & 52). Diese Definition betrachtete Gewalt nicht unabhängig von Macht. Insbesondere die Theorien vor den 1970er Jahren betrachteten Gewalt nicht als eigenständiges Phänomen, sondern setzten Gewalt zum Teil mit Macht gleich. Zudem wurde oft thematisiert, dass Gewalt die höchste Form von Macht ist (Arendt 1985: 53). Arendt unterscheidet zwischen Macht und Gewalt als zwei unterschiedliche, gegensätzliche, aber oft gemeinsam auftretende Phänomene. Gewalt kann als eklatanteste Manifestation der Macht angesehen werden, während Macht nicht den sanften Modus der Gewalt abbildet. Zumeist tritt Gewalt dann auf, wenn die Macht bedroht ist. Gewalt hat einen instrumentalen Charakter und bedarf einem Zweck, der den Gebrauch der Gewalt rechtfertigt. Dabei kann Gewalt gerechtfertigt sein, jedoch kann sie niemals legitim sein (Arendt 1985: 70 f., 78-80 & 85 f.).
Im Rahmen seiner Friedensforschung brachte Galtung das sogenannte Gewaltdreieck und seinen Gewaltbegriff hervor, welcher dieser Arbeit zugrunde liegt. In Anlehnung an die Theorie von Galtung wurde diese von Hirsch mit dem Fokus auf Gewalt gegen ältere Menschen weiterentwickelt (Hirsch 2003: 14). Gewalt bedeutet nach Galtung, dass jemandem, definiert als Leben, Schaden oder Verletzungen zugefügt wird (Galtung 1998: 17). Dies zeigt sich dabei durch die Beeinträchtigung, Einschränkung oder Verhinderung der Befriedigung der Grundbedürfnisse eines Menschen durch direkte (personale), strukturelle (indirekte) oder kulturelle Determinanten. Die Grundbedürfnisse des Menschen sind nach Galtung Freiheit, Wohlbefinden, Überleben und Identität. Hirsch ergänzt die Entwicklungsmöglichkeiten als weiteres Grundbedürfnis (Galtung 1998: 81 & 343; Hirsch & Brendebach 1999: 450; Hirsch 2016: 106). Gewalt kann dem Körper (physische Gewalt) und dem Geist (geistige Gewalt) zugefügt werden. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass jede Form von Gewalt zu weiterer Gewalt führt und sich die Gewaltformen beeinflussen, sodass Galtung diese als „Ecke eines (teuflischen) Gewaltdreiecks“ bezeichnet (Galtung 1998: 17, 68 & 348).
Abbildung1: Gewaltdreieck
[Diese Abbildung ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: Hirsch 2010: 140; Schünemann 2020:114; eigene Darstellung
Kulturelle Gewalt ist eine Invariante während, direkte Gewalt ein Ereignis und strukturelle Gewalt ein Prozess mit Höhen und Tiefen ist. Dabei verstärken sich die drei Gewaltformen gegenseitig in Zyklen, die in jeder der Ecken beginnen können. Fußt das Dreieck auf struktureller und direkter Gewalt, so kann die kulturelle Gewalt als Legitimation dieser beiden angesehen werden. Wenn jedoch die direkte Gewalt die Spitze des Dreiecks bildet, können strukturelle und kulturelle Gewalt als Ausgangspunkt der direkten Gewalt betrachtet werden. Die sechs Möglichkeiten, die Gewaltformen im Gewaltdreieck anzuordnen, ermöglichen unterschiedliche Perspektiven auf Gewalt (Galtung 1998: 82 & 348; siehe Abbildung 1).
Direkte/Personale Gewalt
Direkte Gewalt, auch personale Gewalt genannt, handelt es sich um ein von den AkteurInnen beabsichtigtes Ereignis, welches von den AkteuerInnen allein, aber auch im Kollektiv durchgeführt werden kann (Galtung 1998: 17, 65, 81 & 348; Hirsch & Brendebach 1999: 450). Dabei erfolgt die direkte Gewalt „in den Räumen der Person, der Gesellschaft und der Welt“ (Galtung 1998: 65). Das Ziel der direkten Gewalt besteht darin, die Grundbedürfnisse einer Person zu verletzen. Ausgeübt werden kann die direkte Gewalt physisch und verbal und dabei den Körper, Geist und die Psyche schädigen. Durch offensive Abschreckung sowie Rache vermehrt sich die direkte Gewalt und kann Traumata und die Perpetuierung der Gewalt zur Folge haben. Die äußerste Form des Leids stellt der Tod dar, welcher u.a. durch Traumata begünstigt werden kann. Sofern eine Reduktion der direkten Gewalt stattfindet, kann das Leiden reduziert und das Eintreten der äußersten Form verhindert werden (Galtung 1998: 82, 66 ff., 230 ff. & 343-349).
Die direkte Gewalt tritt durch unterschiedliche Gewaltformen in Erscheinung. Dazu gehören die physische, psychische, sexualisierte und finanzielle Gewalt, aktive und passive Vernachlässigung, freiheitsentziehende Maßnahmen sowie die Einschränkung des eigenen Willens (Hirsch 2018: 6; Hirsch 2016: 106; Schünemann 2020: 115).
Die physische Gewalt in der Pflege reicht von bekannten gewalttätigen Handlungen, welche körperlichen Schaden anstreben, über unbequemes Positionieren/Mobilisieren, das Durchführen von Pflegemaßnahmen gegen den eigenen Willen bis hin zur unzulässigen Verabreichung von Medikamenten oder Zwangsmaßnahmen (Schünemann 2020: 115; Lux et al. 2023a: o.S.; Hirsch 2012: 20). Im Gegensatz zur physischen Gewalt verfolgt die psychische Gewalt die Absicht, mit verbalen Äußerungen oder Angriffen auf seelischer, emotionaler Ebene einer Person Schaden zuzufügen. Auf den ersten Blick hinterlässt die psychische Gewalt erstmal keine Symptome. Klassischerweise zeigt sich psychische Gewalt u.a. durch Beleidigungen, verbale Äußerungen oder respektlosen Umgang. Psychische Gewalt in der Pflege ist darüber hinaus u.a. gekennzeichnet durch Drohungen, Manipulation, Ignoranz, Bloßstellung, Bevormundung und sog. „secondary baby talk“, d.h. das Sprechen in Babysprache (Schünemann 2020: 121; Lux et al. 2023a: o.S.; Hirsch 2012: 20; Hirsch 2016: 106; Staudhammer 2018: 8).
Sexualisierte Gewalt tritt meist im Verborgenen auf und gilt als die am stärksten versteckte Form von Gewalt. Diese Gewalt umfasst Handlungen auf physischer und psychischer/emotionaler Ebene, die sexuelle Handlungen als Mittel zum Zweck beinhalten. Diese Gewaltform äußert sich bekanntlich in sexuellen Übergriffen, sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung (Schünemann 2020: 126; Galtung 1998: 82; Eggert et al. 2023: o.S.). Sexualisierte Gewalt in der Pflege kann sich u.a. durch sexuelle Demütigung, Verletzung der Scham- und Intimgrenze, ausgedehnte Intimpflege, anzügliche Äußerungen, zur Schau stellen oder gezielte Blicke äußern (Schünemann 2020: 126; Lux et al. 2023a: o.S.; Hirsch 2012: 20). Aber auch „Hands-off-Delikte“ wie verbale sexuelle Belästigung, Voyeurismus und Exhibitionismus gehören zur sexualisierten Gewalt (Berner et al. 2004: 142).
Die finanzielle Gewalt schließt Maßnahmen ein, die auf die finanzielle Ausbeutung pflegebedürftiger Personenabzielen. Beispiele hierfür sind neben dem klassischen Diebstahlauch das Nötigen zu Geschenken, das Entscheiden über ungerechtfertigte Ausgaben, Änderungen der Testamente oder weitere Geldleistungen. Meist wird diese Gewaltform mittels physischer, aber auch psychischer Gewalt wie Drohung oder Erpressung durchgesetzt (Schünemann 2020: 124; Lux et al. 2023a: o.S.).
Neben den vier klaren Gewaltformen stellen auch Vernachlässigung, freiheitsentziehende Maßnahmen sowie Einschränkungen des freien Willens jeweils eine Art der Gewalt dar. Die Vernachlässigung wird in aktive und passive Vernachlässigung unterschieden. Bei der aktiven Vernachlässigung handelt es sich um eine aktive Wahrnehmung der Notwendigkeit von medizinischen und/oder pflegerischen Maßnahmen, die bewusst unterlassen werden. Der Grad der Weigerung ist dabei von der Relevanz der Maßnahme abhängig. Konkrete Beispiele sind das bewusste Ignorieren der Klingel sowie unzureichendes Mobilisieren oder Positionieren (Schünemann 2020: 122 f.; Lux et al. 2023a: o.S.). Die passive Vernachlässigung hingegen umfasst das Unterlassen von medizinischen und/oder pflegerischen Maßnahmen aufgrund von Unwissenheit. Dabei kann ein mangelndes Pflegeverständnis, aber auch zu geringes pflegerisches Fachwissen dazu führen, dass Maßnahmen nicht erkannt werden und unabsichtliche negative Folgen einhergehen. Diese Art von Gewalt tritt besonders im Zusammenhang mit Auszubildenden, neuen KollegInnen und solchen, die sich nicht weiterbilden, auf (Schünemann 2020: 132 f.).
Freiheitsentziehende Maßnahmen umfassen jene Maßnahmen, welche eine Person daran hindern, sich frei zu bewegen. Neben der Unterscheidung zwischen Fixierung mit mechanischen Mitteln, Isolation und Gabe von ruhigstellenden Medikamenten stellen auch die Wegnahme von Hilfsmitteln und weitere schwerwiegende Eingriffe in die Bewegungsfreiheit Formen der freiheitsentziehenden Maßnahmen dar (Lux et al. 2023b: o.S.). Fixierung umfasst das klassische Fesseln und Festhalten, aber auch die Nutzung von Bettseitenteilen, Fixiergurten und -decken sowie Rückhaltegurten am Rollstuhl (BIVA 2015: 13; Hirsch 2016: 106). Die Gabe von ruhigstellenden Medikamente wird auch als „innere Fixierung“ oder „Sedierung“ bezeichnet (Hirsch 2016: 106; Hirsch 2021: 7). Jede freiheitsentziehende Maßnahme ohne richterliche Befugnis ist strafbar, sofern kein Notfall vorliegt. Als Notfall gilt jede Situation, in der eine Gefahr für Leib, Leben oder ein anderes Rechtsgut besteht, die nur durch eine einmalige oder kurzfristige freiheitsentziehende Maßnahme abgewendet werden kann (ÜAG NRW o.J.: 10). Darüber hinaus sind freiheitsentziehende Maßnahmen präventiv möglich, wenn ein ärztliches Attest belegt, dass eine Person bewegungsunfähig ist, Bewegungen nicht willentlich kontrollieren oder den Willen zur Fortbildung nicht bilden kann (Lux et al. 2023b: o.S.).
Die Einschränkung des eigenen Willens zeigt sich als Gewaltform durch Bevormundung, Androhung aber auch durch medikamentöse, mechanische oder elektronische Freiheitsbeschränkung (Hirsch 2018: 6; Staudhammer 2018: 9; ZQP 2022: 5).
Indirekte/strukturelle Gewalt
Die strukturelle (indirekte Gewalt) ist im Vergleich zur direkten Gewalt nicht von den AkteurInnen beabsichtigt. Galtung führt die Annahme „indirekte Gewalt = strukturelle Gewalt“ an (Galtung 1998: 17 & 81). Ausgangspunkt der strukturellen Gewalt stellt ein steiles Gefälle dar, welches aufgebaut wird. Dabei entstammt die indirekte, nicht intendierte, Gewalt aus dem Inneren des Menschen, also der Persönlichkeitsstruktur. Zudem geht die strukturelle Gewalt aus der Sozialstruktur hervor, sodass Gewalt zwischen Menschen, Gruppen von Menschen (Gesellschaften) und Gruppen von Gesellschaften entstehen kann. Im Rahmen dieser Gewalt wird der eigene Wert verherrlicht, das „Selbst aufgeblasen“, während der Wert anderer Personen vermindert und/oder herabgesetzt wird (Galtung 1998: 17 f. & 355). Während die direkte Gewalt zumeist offensichtlich ist, zeigt sich die strukturelle Gewalt eher verdeckt, weniger greifbar, generalisierend und langsam. Zudem kann meist keine bestimmte Person zur Verantwortung gezogen werden (Hirsch 2016: 106). Auswirkungen kann die strukturelle Gewalt mit ihren beiden Hauptformen, der politischen Gewalt (Repression) und der ökonomische Gewalt (Ausbeutung), sowohl auf den Körper als auch auf den Geist haben (Galtung 1998: 18 & 77).
Strukturelle Gewalt entsteht zum einen durch die nicht Einhaltung von Vorschriften und Gesetzen (Hirsch 2018: 6). Zum anderen haben Strukturen, die durch Normen und Regelungen sowie Prozesse in den Einrichtungen erkennbar sind, einen Einfluss auf die strukturelle Gewalt (Schünemann 2020: 128 f.). Offensichtlich wird die strukturelle Gewalt u.a. durch unzureichenden Lebensraum, mangelhafte soziale Unterstützung, Personalmangel und unterschiedliche Gegebenheiten der Einrichtungen. Hierzu zählen neben vorgegebenen Tagesstrukturen, einem festen Tagesablauf und strikten Zeitvorgaben auch patientenferne Tätigkeiten. Patientenferne Tätigkeiten sind z. B. Hygienevorschriften, Dokumentation und gesetzliche Vorgaben der Kranken- und Pflegekassen (Schünemann 2020: 128 f.; Hirsch 2012: 20; Staudhammer 2018: 11).
Kulturelle Gewalt
Die kulturelle Gewalt, als dritte und letzte Gewaltform, ist symbolisch und bezieht sich auf kollektive Vorurteile und immanente Wertvorstellungen, die fördernd auf Gewalt wirken können (Galtung 1998: 18; Hirsch 2018: 6). Kulturelle Gewalt wirkt über Inhalte wie z. B. Sprache, Religion, Medien, Ideologie und formale/empirische Wissenschaft (Logik). Mithilfe kultureller Gewalt ist es möglich, sowohl strukturelle als auch direkte Gewalt zu legitimieren und zu rechtfertigen. Zudem kann kulturelle Gewalt dazu beitragen, auf direkte Gewalt zu verzichten oder diese auszuüben sowie der strukturellen Gewalt entgegenzuwirken (Galtung 1998:18, 65-68, 81 & 341 f.; Hirsch 2016: 106). Kulturelle Gewalt reproduziert sich durch Klonen und Vervollständigen und kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt erfolgen. Träger der kulturellen Gewalt stellen dabei Medien, Schulen und Universitäten dar. Kulturelle Gewalt äußert sich u.a. durch Rollenbilder, Vorurteile, gesetzliche Bestimmungen und Ideologien der Ungleichheit (Galtung 1998:65-68,90 f., 350, 356 f. & 361). In der Pflege stellt die kulturelle Gewalt bereits seit einigen Jahren einen dauerhaften und konstanten Faktor dar. Negative Vorurteile gegenüber älteren Pflegebedürftigen, Demütigungen, Übergriffe oder respektloses Verhalten sind dabei keine Seltenheit und verstärken den bestehenden Generationskonflikt (Schünemann 2020: 130 f.). Weitere Beispiele stellen die Akzeptanz von Gewalt, das „Sendungsbewusstsein“ der HelferInnen und geschlechtsspezifische Pflegeverpflichtungen dar (Hirsch 2016: 106).
Alles in allem kann ein kausaler Zusammenhang zwischen den drei Gewaltformen festgestellt werden. Mittels der Kultur wird gelehrt, gepredigt und ermahnt, bis zu einem Punkt, an dem Ausbeutung/Repression als normal und natürlich angesehen wird. An diesem Punkt können Gewaltausbrüche auftreten, um der strukturellen Gewalt entgegenzuwirken, z. B. um dieser zu entfliehen (Galtung 1998: 349).
4.4 Der Zusammenhang von Macht, Gewalt und Selbstbestimmung
In der besonderen Wohnform existiert immer eine Machtbeziehung, die zunächst als neutral betrachtet werden sollte. Die Auslegung dieser Beziehung liegt in der Verantwortung der einzelnen Personen, sodass eine negative oder positive Machtbeziehung entstehen kann. Mit einer negativen Machtbeziehung geht Machtausübung und -missbrauch einher. Die hier zugrundeliegende Definition der Macht geht davon aus, dass Einfluss auf eine andere Person genommen wird. Sofern dieser Einfluss negativ behaftet ist, entsteht eine negative Machtbeziehung. Dabei stellt sich die Frage, wann diese neutrale Machtbeziehung in eine negative Machtbeziehung umschlägt. Hier knüpft die Machtbasentheorie an, welche es den MitarbeiterInnen erleichtert, Macht auszunutzen. Die unterschiedlichen Machtbasen können als Ressourcen angesehen werden, welche Anzeichen und Vorkommnisse vor Gewalthandlungen darstellen können. Die unterschiedlichen Machtbasen können durch Kommunikation oder Handlungen auftreten und sowohl physische als auch psychische Folgen haben. Der Übergang von Macht zu Gewalt ist erkennbar, wenn die Durchsetzung eigener Interessen im Vordergrund steht und körperliche oder seelische Schäden oder Verletzungen die Folge sind (French & Raven 1959: 260-268; Raven 2008: 1; Raven et al. 1998: 307-311; Galtung 1998: 68 & 81; Staudhammer 2018: 4 & 15; ZQP 2015: 23).
Die einzelnen Machtbasen stehen dabei in unterschiedlich starkem Zusammenhang mit den Gewaltformen. Da die strukturelle Gewalt nicht von den AkteuerInnen beabsichtigt ist und indirekt durch die Sozialstruktur erfolgt, kann diese nicht mit allen Arten der Macht in Verbindung gesetzt werden. Besonders die Legitimationsmacht durch Position ist für die strukturelle Gewalt relevant, da sie sich durch Rechte oder Normen legitimiert. Dabei kann die Legitimationsmacht mit einer entsprechenden Autorität einhergehen. Zudem zeigt sich sowohl bei der Legitimationsmacht durch Position als auch bei der strukturellen Gewalt ein starkes Gefälle (French & Raven 1959: 263-268; Raven et al. 1998: 307-311; Galtung 1998: 17 f. & 355). Die direkte Gewalt kann mit nahezu allen Machttypen in Verbindung gebracht werden. Obwohl sich die Macht durch Belohnung zunächst positiv anhört, hat diese Art der Machtausübung einen negativen Hintergrund, wenn ein Machtmissbrauch und die Umsetzung des eigenen Willens angestrebt werden. Unterstrichen wird dies dadurch, dass die Abgrenzung der Belohnungs- und Bestrafungsmacht nicht immer eindeutig erscheint. Dabei stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf oder die Aufhebung von einer Strafe mit einer Belohnung gleichgesetzt werden kann und ob das nicht Erhalten der Belohnung eine Strafe darstellt. Deutlich wird, dass die Arten der Macht nicht immer klar voneinander zu trennen sind und auch der Übergang zur Gewalt schleichend erfolgen kann (French & Raven 1959: 263; Sander 1993: 18). Dabei ist es möglich, dass sowohl die Macht durch Belohnung als auch die Macht durch Zwang mit der Einschränkung des eigenen Willens und psychischer Gewalt einhergehen. Bei der Macht durch Zwang ist es zudem möglich, dass diese mit den weiteren Formen der direkten Gewalt einhergehen kann. Zwanghafte Machthandlungen können demnach sowohl dem Körper als auch dem Geist Schaden und Verletzung zufügen. Negative Züge können auch mit der Identifikationsmacht einhergehen, sodass die Leistungsberechtigten Verhaltensmuster hinnehmen und übernehmen, um sich zugehörig zu fühlen. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass der Wille der Leistungsberechtigten eingeschränkt wird und diese psychische Gewalt erfahren. Hier besteht die Gefahr, dass durch die Identifikationsmacht die Gewaltformen legitimiert oder gar übernommen werden (Hirsch 2018: 6; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023b: o.S.; French & Raven 1959: 263; Raven et al. 1998: 308; Galtung 1998: 17).
Sowohl die Legitimationsmacht als auch die Expertenmacht können in direkte Gewalt übergehen. Die Wahrnehmung, dass ein legitimes Recht oder (Fach-)Wissen zur Vorschreibung von Verhaltensweisen vorliegt, kann zu direkter Gewalt führen. Eine besondere Relevanz kann der Legitimationsmacht durch Position zugeschrieben werden, da infolgedessen die Leistungsberechtigten jegliche Handlungen oder Äußerungen als normal und legitim wahrnehmen. Dabei kann dies alle Formen der direkten Gewalt betreffen, wenn die Leistungsberechtigten der Annahme sind, dass die Position der MitarbeiterInnen sie dazu befähigt. Die Expertenmacht kann sich in allen Bereichen der direkten Gewalt widerspiegeln, sofern die Leistungsberechtigten den MitarbeiterInnen eine entsprechende Expertise zuweisen. Begünstigt werden kann die Expertenmacht zudem durch das Vertrauensverhältnis, welches sich im Laufe der Jahre zwischen den MitarbeiterInnen und Leitungsberechtigten aufgebaut hat. Da die Expertenmacht eine Veränderung der kognitiven Strukturen anstrebt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Wahrnehmung der Leistungsberechtigten verändert und gewisse Verhaltensweisen normalisiert, verharmlost und nicht hinterfragt werden, wenn bestimmte Handlungen immer wieder wiederholt werden. Die Einschränkung der kognitiven Ressourcen der Leistungsberechtigten kann dazu führen, dass Experten- und Legitimationsmacht nicht hinterfragt wird, da eine Einschätzung der Position und des (Fach-)Wissens nicht möglich ist (French & Raven 1959: 263-268; Staudhammer 2018: 20; Dlugosch et al. 2020: 102).
Der Zusammenhang zwischen Selbstbestimmung, Macht und Gewalt zeigt sich durch verschiedene Faktoren. Ein erster Zusammenhang wird durch die Definitionen von Macht und Fremdbestimmung deutlich. Fremdbestimmung bedeutet, dass für oder über eine Person bestimmt wird und auch die Definition von Macht thematisiert die Einflussnahme auf eine Person (Drolshagen & Rothenberg 2001: 503 & 507; French & Raven 1959: 260). Sofern Macht zur Fremdbestimmung führt, zeigt sich, dass insbesondere Machtmissbrauch nicht mit Selbstbestimmung einhergehen kann. Demnach können alle Arten von Macht die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten, in allen Prinzipien und Werten dieser, einschränken. Dabei können sowohl die direkte Gewalt als auch die strukturelle Gewalt die Selbstbestimmung einschränken und die Bereiche der Fremdbestimmung verstärken. Dabei zeigt sich, dass nahezu alle Bereiche der Fremdbestimmung einen starken strukturellen Charakter haben. Aber auch die unterschiedlichen Formen der direkten Gewalt können die Werte und Prinzipien der Selbstbestimmung maßgeblich einschränken und die Bereiche der Fremdbestimmung fördern. Machtmissbrauch und Gewaltausübung in der besonderen Wohnform der Assistenz führen demnach dazu, dass das Leben der Leistungsberechtigten zunehmend fremdbestimmt wird. Selbstbestimmung scheint demnach nur dann möglich zu sein, wenn Machtmissbrauch und Gewalt in der besonderen Wohnform eine untergeordnete Rolle spielen (Kennedy & Lewin 2004: o.S.; Drolshagen & Rothenberg 2001: 503 & 507 f.; Rothenberg 2001: 528; French & Raven 1959: 260, 267 f. & 307-310; Raven et al. 1998: 308 ff.; Raven 1993: 235; Galtung 1998: 17 & 81).
5. Methodisches Vorgehen
Das folgende Kapitel befasst sich mit dem methodischen Vorgehen, der Konzeption und der Durchführung der vorliegenden Untersuchung. Hierfür wird die zugrundeliegende Methode der Leitfadeninterviews erläutert und die Entwicklung des Leitfadens beschrieben. Darauf aufbauend werden die Akquise des Samples, das Sample selbst sowie die Umsetzung und Durchführung der Datenerhebung beschrieben. Die Auswertung erfolgt gemäß den Transkriptionsregeln und der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Abschließend erfolgt eine Überprüfung der Studiengüte der Studie, in deren Rahmen eine kritische Auseinandersetzung mit dem methodischen Vorgehen erfolgt.
5.1 Auswahl und Beschreibungdes methodischen Vorgehens
In der Sozialforschung stehen sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsmethoden zur Verfügung, die seit der frühen Geschichte der Sozialforschung als zwei getrennte Traditionen wahrgenommen werden (Lamnek 2010: 4). Beide Forschungsmethoden stehen jedoch keineswegs in einem Konkurrenz-, sondern in einem Ergänzungsverhältnis, sodass oft auf Mixed-Methods zurückgegriffen wird (Döring 2023: VII). Zur Beantwortung der vorliegenden Forschungsfrage wurde methodisch auf die qualitative Forschung zurückgegriffen. Die Wahl fiel auf Leitfadeninterviews, da sich diese Interviewform aufgrund der Möglichkeit des Nachfragens besonders für tabuisierte Themen eignet. Zudem knüpft diese Methode an das Prinzip der Offenheit an. Darüber hinaus eignet sich diese Interviewart aufgrund des Forschungsinteresses, die subjektive Wahrnehmung und Erfahrung zu einem konkreten Themenbereich zu erforschen. Leitfadeninterviews zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie Flexibilität und Spontanität ermöglichen. Der/die InterviewerIn hat dabei die Möglichkeit, situativ einzugreifen und das Interview zu steuern. Dennoch besteht eine gewisse inhaltliche Erzählstruktur, die die Auswertung erleichtern soll (Helfferich 2011: 12, 36, 149, 168 & 179 f.).
Für die Erstellung des Leitfadens, der in Anhang 1 zu finden ist, wurde das sogenannte SPSS-System angewendet. Das SPSS-System besteht aus den vier Schritten „Sammeln“, „Prüfen“, „Sortieren“ und „Subsumieren“. Im ersten Schritt werden alle Fragen gesammelt, die zu einem Forschungsinteresse gehören, um einen möglichst großen Fragepool zu erstellen. Aufbauend darauf wird dieser Pool an Fragen im zweiten Schritt durcharbeitet, reduziert und strukturiert. Zurückgegriffen wird auf die Aspekte des Vorwissens und der Offenheit. Reine Faktenfragen werden im Rahmen des Leitfadens eliminiert. Um Ergebnisse jedoch klassifizieren zu können wurden Faktenfragen zu soziodemografischen Aspekten der InterviewpartnerInnen zuvor erfragt. Zum einen wird somit der Aspekt, dass keine Faktenfragen im Leitfaden enthalten sein sollten, eingehalten. Zum anderen kann so die Anonymität der InterviewpartnerInnen gewahrt werden. Im Leitfaden zu anonymisierende Stellen werden hierdurch ebenfalls reduziert. Durch die Verwendung eines separaten Datenblattes, das in Anhang 2 beigefügt ist, war es dennoch möglich, Informationen zu erhalten, mit denen das soziodemografische Profil der Stichprobe eingeschätzt werden kann. Dabei liegen Informationen über das Alter, die Anzahl der Dienstjahre in der Einrichtung und die Berufsbezeichnung vor.Zudem wird überprüft, ob die Fragen offene Antworten und Erzählungen zulassen und ob diese über die Abfrage von Vorwissen hinausgehen (Helfferich 2011: 181 ff.). Grundsätzlich sollen die Fragen des Leitfadens darauf ausgerichtet sein, Erzählungen zu generieren und Texte zu produzieren, welche umfassend ausgewertet werden können. Im dritten Schritt „Sortieren“ werden alle verbliebenen Fragen sortiert. Neben dem chronologischen Sortieren ist es auch möglich, die Fragen anhand von inhaltlichen Aspekten in bis zu vier Blöcke zu unterteilen (Helfferich 2011: 184 f.). Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Leitfaden in die folgenden zwei Blöcke unterteilt: Machtstrukturen in der besonderen Wohnform und Gewalt in der besonderen Wohnform. Die Einstiegs- und Abschlussfrage werden dabei als Einzelfrage behandelt und bekommen einen gesonderten Platz, zu Beginn und zum Ende im Leitfaden. Im abschließenden Schritt „Subsumieren“ geht es darum, für jedes Bündel eine möglichst einfache Erzählaufforderung zu finden und dieser die Einzelaspekte unterzuordnen. Jeder Block erhält neben der erzählgenerierenden Frage auch Aspekte bezüglich einzelner Nachfragen (Helfferich 2011: 185). Als Intervieweinstieg wurde bewusst eine offene Frage gewählt, um einen möglichst leichten Einstieg zu ermöglichen und dem Kriterium der Offenheit nachzugehen. Im Fokus stand der Aufgabenbereich und Arbeitsalltag der InterviewpartnerInnen, um nicht direkt mit den sensiblen und tabuisierten Themen Macht und Gewalt zu beginnen (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014: 128;Schünemann 2020: 51; Billen 2014: 95 f.). Beide Themenblöcke beginnen bewusst mit einer offenen Frage, sodass die InterviewpartnerInnen anhand ihrer eigenen Erfahrungen thematisieren können, was Macht und Gewalt für diese bedeutet. Anschließend wird das Kriterium der Spezifität integriert und die Fragen spezifischer auf die Themenfelder Macht und Gewalt zugeschnitten. Das Kriterium der Kontextualität und Relevanz wurde im Rahmen des Leitfadens berücksichtigt, indem den InterviewpartnerInnen teilweise vor den Fragen deren Relevanz erläutert wurde (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2014: 128 f.).
5.2 Sampling und Datenerhebung
Eine Eingrenzung der Stichprobe erfolgt bereits durch die Eingrenzung „besondere Wohnform der Eingliederungshilfe“ im Titel dieser Arbeit. Nach sorgfältiger Abwägung wurde entschieden, MitarbeiterInnen und nicht Leitungsberechtigte zu befragen, da Macht und Gewalt sensible Themen sind und die Befragung von Leistungsberechtigten zeitintensiver wäre. Zudem wäre es aufgrund der zeitlichen Ressourcen schwierig gewesen, die Einwilligung der gesetzlichen Betreuung einzuholen, die Interviews zu führen und den Leitfaden in leichter Sprache zu formulieren. Das Umformulieren des Leitfadens wäre zwingend erforderlich gewesen, um das Verstehen der Fragen und das Erkennen des Frageinteresses zu ermöglichen. Da Leistungsberechtigte auch in diesem Bereich oft auf die Assistenz der MitarbeiterInnen angewiesen sind, könnte dies die Ergebnisse verzerren. Daher wurde auf eine Befragung von Leistungsberechtigten verzichtet. Der Feldzugang und somit die Akquise von InterviewpartnerInnen, die in der besonderen Wohnform tätig sind, gestaltete sich als schwierig. Aus diesem Grund erstreckte sich dies über einen Zeitraum von mehreren Wochen im ersten Quartal des Jahres 2023. Zunächst wurde eine umfangreiche Recherche durchgeführt, um Träger und Einrichtungen der besonderen Wohnform in Nordrhein-Westfalen zu identifizieren. Der Feldzuschnitt auf Nordrhein-Westfalen erfolgte einerseits aufgrund der räumlichen Nähe. Andererseits liegen allen Bundesländern unterschiedliche rechtliche Grundlagen zugrunde, sodass eine Vergleichbarkeit nur eingeschränkt möglich gewesen wäre (Deutscher Bundestag 2021b: 3). Im Anschluss an die Recherche erfolgte die Kontaktaufnahme auf formellem und informellem Weg. Auf formellem Wege wurde ein offizielles Anschreiben mit der Bitte um Weiterleitung an diverse Träger und deren Einrichtungen versandt (siehe Anhang 3). Außerdem wurde der Kontakt zu einem berufsspezifischen Berufskolleg genutzt, um mit einem selbst erstellten Flyer für die Teilnahme an den Interviews zu werben (siehe Anhang 4). Darüber hinaus wurde der informelle Weg über bestehende Kontakte innerhalb der besonderen Wohnform genutzt.
Die Kontaktaufnahme über den formellen Weg zeigte wenig Resonanz, obwohl verschiedene Schnittstellen der jeweiligen Träger wie Personalabteilungen und (stellvertretende) WohnheimleiterInnen kontaktiert wurden. Lediglich ein geringer Anteil reagierte auf die Kontaktaufnahme, dabei kam es zum Teil zu Befürwortungen des Forschungsvorhabens und der Zusage zur Weiterleitung. Teilweise gab es jedoch auch Nachfragen mit der Bitte um ein Telefonat oder weitere Informationen wie z. B. die Zurverfügungstellung des Leitfadens. Diese endeten jedoch alle in der Absage der Unterstützung des Forschungsvorhabens. Die Gründe hierfür lagen zum einen darin, dass ich mich gegen die Nennung der Träger ausgesprochen habe. Zum anderen wurde die Auslastung der MitarbeiterInnen als Argument angeführt. Letzteres deckt sich mit den wenigen direkten Absagen auf die Interviewanfrage, welche einzig die personelle Situation als Grund nannten. Von den meisten Trägern blieb die Interviewanfrage jedoch unbeantwortet. Letztlich wurden über die Wege der Kontaktaufnahme zehn potenzielle InterviewpartnerInnen akquiriert. Sechs der InterviewpartnerInnen wurden über das formelle Anschreiben und eine durch den Flyer auf das Forschungsvorhaben aufmerksam. Die restlichen drei wurden über den informellen Weg gewonnen. Von den zehn potenziellen InterviewpartnerInnen wurde mit sieben Personen ein Interview geführt, da drei Personen den Kontakt während der Terminierung oder nach Unterzeichnung der Datenschutzerklärung abbrachen. Von den drei Personen wurden zwei über den formellen und eine über den informellen Weg gewonnen. Die abschließende Stichprobe besteht aus sieben Interviews mit fünf Männern und zwei Frauen, die für zwei verschiedene Träger der Eingliederungshilfe tätig sind. Die Geschlechterverteilung erscheint dabei erstaunlich, da der Pflegesektor noch immer durch eine hohe Frauenquote geprägt ist. Wenngleich für die MitarbeiterInnen in der Eingliederungshilfe solche Daten nicht vorliegen und hier eine Forschungslücke offensichtlich wird, können die allgemeinen Ergebnisse des Pflegesektors mit Vorsicht übertragen werden (Radtke 2023: o.S.). Sechs der sieben InterviewpartnerInnen arbeiten in fünf verschiedenen Städten im Ruhrgebiet, während eine Person im Münsterland tätig ist. Auf eine Nennung der Städte wird zur Wahrung der Anonymität verzichtet. Ebenso wurden das Alter sowie die Jahre innerhalb der Einrichtung seit der Einstellung klassifiziert, um die Anonymität der InterviewpartnerInnen umfassend zu gewährleisten. Drei Personen waren im Alter von 20 bis 30 Jahren, während zwei Personen zwischen 30 und 40 Jahre alt waren. Jeweils eine Person gehörte den Altersgruppen 50 bis 60 Jahre und über 60 Jahre an. In Bezug auf die Tätigkeitsdauer zeigt sich, dass drei Personen seit 1-5 Jahren in der Einrichtung tätig sind und alle weiteren Zeiträume jeweils einmal vertreten waren. Die Mehrheit der Personen (n = 4) hat eine abgeschlossene Berufsausbildung zum/zur HeilerziehungspflegerIn, von denen sich zwei Personen beruflich weitergebildet haben. Zudem sind die Berufsbilder Familienpflege, Altenpflege und Sozialpädagogik vertreten (siehe Tabelle 2). Zwei der männlichen Befragten haben darüber hinaus eine Leitungs- bzw. Führungsposition inne.
Tabelle2: Stichprobenzusammensetzung
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: eigene Darstellung
Zu Beginn der Kontaktaufnahme wurde kommuniziert, dass Interviews face-to-face, via Zoom/Teams oder telefonisch möglich sind und die Wahl der Interviewart den InterviewpartnerInnen obliegt. Zudem wurde eine flexiblen Terminierung sowohl zu jeder Tageszeit als auch an Werk- und Wochentagen, die auf positive Resonanz stieß. Beide Entscheidungen basierten darauf, dass die Terminierung der Interviews aufgrund von Schicht- und Wochenenddiensten der InterviewpartnerInnen als schwierig eingeschätzt wurde. Diese Annahme bestätigte sich, da drei InterviewpartnerInnen aufgrund ihrer zeitlichen Ressourcen bewusst via Zoom teilnahmen. Um die Interviews ohne zeitliche Einschränkungen durchführen und aufzeichnen zu können, wurde die Pro-Version von Zoom angeschafft. Die anderen vier InterviewpartnerInnen entschieden sich für eine face-to-face Teilnahme, welche mit dem Olympus DM-670 Diktiergerät aufgenommen wurden. Allen InterviewpartnerInnen wurde vorab in einer Datenschutzerklärung angekündigt, dass die Interviews aufgezeichnet werden (siehe Anhang 5).
Alle Interviews bewegten sich im zeitlichen Rahmen von 19 bis 54 Minuten, mit einer durchschnittliche Dauer von 39 Minuten (siehe Tabelle 3). Während ein Face-to-Face-Interview in einem Café geführt wurde, wurden die drei weiteren Interviews im beruflichen Umfeld der InterviewpartnerInnen durchgeführt. Zwei Face-to-Face-Interviews fanden in der jeweiligen Wohneinrichtung statt, ein weiteres in der Geschäftsstelle des Trägers. Alle vier Interviews konnten in ruhiger und entspannter Atmosphäre stattfinden. Bei den beiden Interviews in den Wohneinrichtungen waren Stress und Zeitdruck unterschwellig spürbar, da die InterviewpartnerInnen zu diesem Zeitpunkt im Dienst waren, was die Kürze der Interviews erklären könnte. Bei den beiden anderen Face-to-Face-Interviews waren die Interviewpartner entspannter. Zum einen wurde sich mehr Zeit für das Interview genommen, zum anderen wurde Smalltalk geführt (siehe Tabelle 3; siehe Anhang 8).
Tabelle3: Interviewart und -dauer
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: eigene Darstellung
5.3 Auswertungsmethodik
Zur Vorbereitung der Analyse der Interviews wurden die Audiodateien transkribiert, wobei die Transkriptionsregeln von Kuckartz (2007) sowie Kuckartz und Rädiker (2022) verwendet wurden. Die von Kuckartz 2007 hervorgebrachten, modifizierten Transkriptionsregeln basieren auf der Basis von vorhandenen und etablierten Transkriptionssystemen (Kuckartz 2007: 43). An diese Transkriptionsregeln knüpften Kuckartz und Rädiker an und erweiterten diese durch Vorschläge von Dresing und Pehl (2018) sowie eigene Erwartungswerte. Nachfolgend werden ausschließlich die verwendeten Transkriptionsregeln dargelegt.
Die Transkription erfolgt in Absätzen, sowohl für die einzelnen Sprechbeiträge als auch für kurze Einwürfe der anderen Person. Zur besseren Lesbarkeit wird nach jedem Sprechwechsel eine Leerzeile eingefügt (Kuckartz & Rädiker 2022: 199 f.). Sowohl die Absätze der interviewenden Person als auch die Absätze der Befragten erhalten ein eindeutiges Kürzel. Während das „I“ die Absätze der interviewenden Person kennzeichnet, führt Kuckartz für die Absätze der Befragten das „B“ an. Auf diese Art der Kürzel wird in der für diese Arbeit zugrundliegenden Transkription zurückgegriffen. Dabei erhalten die Kürzel der Befragten eine Nummerierung, welche chronologisch in Abhängigkeit von der Durchführung der Interviews erfolgt. Die erste interviewte Person erhält demnach das Kürzel „B1“ (Kuckartz 2007: 43; Kuckartz & Rädiker 2022: 200). Die Transkription wird wörtlich und keineswegs zusammenfassend oder lautsprachlich vorgenommen. Bestehende Dialekte werden nicht transkribiert, sondern ins Hochdeutsch übertragen. Ebenso werden umgangssprachlich genutzte Sprache sowie Interpunktion an das Schriftdeutsch angepasst und die Sprache hierdurch leicht geglättet. Beispielhaft ist hier, dass aus „(…) noch so’n Buch“ demnach „(…) noch so ein Buch“ wird (Kuckartz & Rädiker 2022: 200). Zum Hervorheben von auffallend betonten Begrifflichkeiten werden diese unterstrichen (Kuckartz & Rädiker 2022: 200; Kuckartz 2007: 43). Lautäußerungen der interviewenden Person, welche eine Bestätigung oder Zustimmung ausdrücken, wie „mhm“ oder „aha“ werden ausschließlich dann transkribiert, wenn diese den Redefluss unterbrechen. Im Gegensatz dazu werden diese Lautäußerungen der Befragten in die Transkription mit aufgenommen, wenn sie Teil einer konkreten Antwort darstellen. Weitere Lautäußerungen wie Lachen, Stöhnen oder Seufzen, werden in einfachen Klammern notiert, sofern diese dazu dienen eine Aussage zu untermauern (Kuckartz & Rädiker 2022: 200; Kuckartz 2007: 43). In einer Doppelklammer werden ebenfalls Störungen durch äußere Einflüsse notiert, die den Verlauf des Interviews beeinflussen können. Fülllaute wie „äh“ und „ähm“ werden jedoch nicht transkribiert, wenn ihnen keine inhaltliche Relevanz zugeschrieben werden kann (Kuckartz & Rädiker 2022: 200). Sofern Pausen deutlich erkennbar und länger sind, werden diese durch Auslassungspunkte in Klammern kenntlich gemacht. Hierfür wird ergänzend auf die Transkriptionsregeln von Kallmeyer und Schütze zurückgegriffen (Kuckartz 2007: 43 ff.). Die Dauer der Pausen wird wie folgt unterschieden:
(..) = kurze Pause
(…) = mittlere Pause
(Pause) = lange Pause
Im Rahmen seiner Transkriptionsregeln führt Kuckartz an, dass alle Angaben, die Rückschlüsse auf die interviewte Person ermöglichen, anonymisiert werden müssen. Dabei erfolgt die Anonymisierung nicht sofort bei der Transkription, sondern in einem separaten Schritt (Kuckartz 2007: 46). In dieser Arbeit werden bspw. der Name des Trägers oder der Einrichtung, Hinweise auf die Umgebung oder die Stadt anonymisiert. Der Träge wird bspw. als [### Träger 1] gekennzeichnet, die Nennung eines Einkaufszentrums als [### Einkaufszentrum] anonymisiert wird.
Nach der Transkription der Interviews stellt die Analyse den nächsten Schritt dar. Für die Analyse wurde die qualitative Inhaltsanalyse herangezogen, wobei anzumerken ist, dass es die eine qualitative Inhaltsanalyse in der Sozialforschung nicht gibt. Im deutschsprachigen Raum wird die qualitative Inhaltsanalyse jedoch weitestgehend mit dem Verfahren von Mayring in Verbindung gebracht. Neben Mayring prägten weitere WissenschaftlerInnen wie Schreier (2012), Gläser und Laudel (2019) sowie Kuckartz (2012) die qualitative Inhaltsanalyse (Schreier 2014: 2). Bei der qualitativen Inhaltsanalyse handelt es sich um
„[…] ein Verfahren zur Beschreibung ausgewählter Textbedeutungen. Diese Beschreibung erfolgt, indem relevante Bedeutungen als Kategorien eines inhaltsanalytischen Kategoriensystems expliziert und anschließend Textstellen den Kategorien dieses Kategoriensystems zugeordnet werden.“ (Schreier 2014: 2).
Das vorliegende Datenmaterial wird mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2012) ausgewertet. Abgrenzend zu Mayring stellt Kuckartz keine festgelegte Verfahrensfolge in den Vordergrund, sondern stellt in den Mittelpunkt der qualitativen Inhaltsanalyse die Ausarbeitung eines Kategoriensystems. Die unterschiedlichen Ablaufschritte beziehen sich wechselseitig aufeinander und auf die zugrundeliegende Fragestellung. Ein weiteres Argument für die Verwendung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz war, dass dieser das Datenmaterial im Analyseprozess erhält. Mayring arbeitet hingegen mit der Reduktion des Materials und nutzt dafür Paraphrasierung und Generalisierung (Girnus 2021: 9 f.). Kuckartz versteht die qualitative Inhaltsanalyse nicht alleinig als theoriegeleitetes Verfahren und schreibt der Entwicklung von Kategorien am Datenmaterial eine große Relevanz zu (Schreier 2014: 6). Das Vorgehen nach Kuckartz wurde zudem gewählt, dass dieser die verwendete Software MAXQDA mitentwickelte, sodass die Auswertungsmethode und das unterstützende Computerprogramm im Einklang genutzt werden können (Kuckartz 2007: 8). Im Vergleich dazu basiert das Verfahren von Mayring auf der händischen Auswertung und wurde erst nachträglich um computerunterstützende Möglichkeiten ergänzt (Girnus 2021: 10).
Die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz umfasst drei Formen: inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse, typenbildende qualitative Inhaltsanalyse und evaluative qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker 2022: 104). Bei der evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse wird das zugrundeliegende Material fallbezogen eingeschätzt und Kategorien gebildet, die meist ordinaler Art sind. Folglich steht die Einschätzung, Klassifizierung und Bewertung der Inhalte im Vordergrund (Kuckartz & Rädiker 2022: 158). Bei der typenbildenden qualitativen Inhaltsanalyse hingegen werden die einzelnen Fälle, anhand ausgewählter Merkmalsausprägungen verschiedenen Typen zugeordnet. Ein Typ ist durch die gleiche Kombination von unterschiedlichen Merkmalsausprägungen der Fälle geprägt und aus diesem Grund möglichst ähnlich. Im Gegensatz dazu sollen die verschiedenen Typen möglichst heterogen und unähnlich sein (Kuckartz & Rädiker 2022: 176). Im Vergleich zu diesen beiden Formen der qualitativen Inhaltsanalyse zielt die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse darauf ab, das vorliegende Datenmaterial zu strukturieren und Kategorien zu erarbeiten. Die Bildung der Kategorien kann sowohl induktiv als auch deduktiv erfolgen (Kuckartz & Rädiker 2022: 129). Der Ablauf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse besteht aus sieben unterschiedlichen Phasen:
Abbildung2 : Ablauf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: Kuckartz & Rädiker 2022: 132
Phase 1: Initiierende Textarbeit, Memos, Fallzusammenfassungen
Zur Vorbereitung auf diese Phase und die Analyse wurden alle transkribierten Interviews in der Auswertungssoftware MAXQDA hochgeladen. Mit dieser Software wurde das Datenmaterial gelesen, markiert und Memos erstellt, um Anmerkungen und spontane Auswertungsideen festzuhalten (Kuckartz & Rädiker 2022: 133). Ebenfalls relevant sind Fallzusammenfassungen, welche die Charakteristika des Einzelfalls im Hinblick auf die Forschungsfrage, systematisch ordnen und zusammenfassen. Ziel ist eine faktenorientierte Komprimierung, die sich akkurat am Gesagten orientiert. Interpretationen, eigene Ideen und Hypothesen werden möglichst vermieden. Die Fallzusammenfassungen können sowohl als Fließtext als auch mittels Stichpunkten formuliert werden (Kuckartz & Rädiker 2022: 124 f.). Diese wurden zu Beginn für alle Transkripte erstellt, jedoch aus Platzgründen nicht im Anhang aufgeführt.
Phase 2: Hauptkategorien entwickeln
Im Anschluss an die erste Phase werden die Hauptkategorien deduktiv aus der Forschungsfrage, dem Interviewleitfaden oder der Theorie abgeleitet. Bei dieser methodischen Vorgehensweise wird ein Probelauf mit einem Teil der Daten empfohlen, um die Kategorien auf ihre Anwendbarkeit auf das vorliegende empirische Material zu prüfen. Die dafür benötigte Menge an Datenmaterial hängt vom Umfang des gesamten Materials und der Komplexität des Kategoriensystems ab. Dabei wird ein Probelauf mit 10 bis 25 % des Auswertungsmaterials empfohlen (Kuckartz & Rädiker 2022: 102 & 133 f.). Der Probelauf wurde in dieser Analyse mit Interview 7 durchgeführt, da dies das kürzeste Interview darstellt (siehe Tabelle 3).
Phase 3: Daten mit Hauptkategorie codieren (1. Codierprozess)
In der dritten Phase findet der erste Codierprozess statt, bei dem das Textmaterial sequenziell durchgearbeitet wird und die Textausschnitte den Hauptkategorien zugeordnet werden. Textstellen können mehreren Haupt- und Subkategorien zugeordnet werden, was zu einer Überlappung oder Verschachtelung führen kann. Die Codierung erfolgt für Sinneinheiten, sodass in der Regel mindestens ein vollständiger Satz codiert wird. Sofern eine Sinneinheit mehrere Sätze und/oder Absätze umfasst, werden diese als zusammenhängendes Segment codiert. Für die Forschungsfrage irrelevante Textstellen und die Fragen des Interviewers werden nicht mitcodiert, wenn diese nicht zum Verständnis erforderlich sind (Kuckartz & Rädiker 2022: 134 & 136). Das zugrundeliegende Kategoriesystem (Codesystem) stellt ein hierarchisches Kategoriesystem dar, bei dem den Hauptkategorien auch Subkategorien untergeordnet sind. Durch die Wahl dieses Kategoriensystems ist eine übersichtliche, strukturierende und detaillierte Analyse des Textmaterials und das Aufzeigen von Zusammenhängen möglich. Die Kategorien stehen in engem Zusammenhang mit der/den Forschungsfrage(n), bilden zusammengenommen eine Gestalt und sind erschöpfend, nachvollziehbar sowie verständlich, trennscharf und wohl formuliert. Die Subkategorien stellen Dimensionen, Ausprägungen oder Unteraspekte ihrer Oberkategorien dar (Kuckartz & Rädiker 2022: 61-65).
Phase 4: Induktiv Subkategorien bilden
Während dieser Phase sollen die zunächst recht allgemeinen, für diese Studie bedeutenden Kategorien ausdifferenziert und ausgewählt werden (Kuckartz & Rädiker 2022: 138). Für die vorliegende Arbeit wurden die nachfolgenden Hauptkategorien entwickelt und für das Kategoriesystem ausgewählt:
- Machtverständnis
- Gewaltverständnis
- Erfahrungsberichte
- Selbstbestimmung
- Prävention, Intervention, Umgang und Konsequenzen
Basierend auf den ausdifferenzierten Hauptkategorien werden die Subkategorien induktiv gebildet. Dabei wurden die Subkategorien in einer Liste zusammengestellt, die geordnet und systematisiert wird, um relevante Aspekte zu identifizieren und mögliche Subkategorien zusammenzufassen. Im letzten Schritt werden Definitionen für die Subkategorien formuliert, die in Anhang 6 aufgeführt wurden (Kuckartz & Rädiker 2022: 138).
Phase 5: Daten mit Subkategorien codieren (2. Codierprozess)
Die fünfte Phase der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse beginnt nach der erfolgreichen Bildung von Subkategorien und stellt den zweiten Codierprozess dar. Textstellen, die mittels der Hauptkategorien codiert wurden, werden nun den ausdifferenzierten Kategorien zugeordnet (Kuckartz & Rädiker 2022: 142). Das zugrundeliegende, ausdifferenzierte Kategoriesystem dieser Arbeit wurde phasenweise erarbeitet und sieht wie folgt aus:
Tabelle4: Kategoriesystem
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: eigene Darstellung
Phase 6: Einfache und komplexe Analysen
Nach Abschluss des Codierprozesses stehen einfache und komplexere Analysen im Vordergrund, die zur Vorbereitung der Ergebnispräsentation durchgeführt werden können. Im Rahmen der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse stehen acht unterschiedliche Formen der Analyse zur Verfügung, welche der folgenden Grafik entnommen werden können:
Abbildung3: Analyseformen der einfachen und komplexeren Analys e
[Diese Abbildung ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Quelle: Kuckartz & Rädiker 2022: 147
In der vorliegenden Arbeit wird auf zwei Analyseformen zurückgegriffen. Zum einen auf die kategorienbasierte Analyse entlang der Hauptkategorien, zum anderen auf die Analyse der Zusammenhänge zwischen den Subkategorien einer Hauptkategorie (Kuckartz & Rädiker 2022: 148 f.). Bei der kategorienbasierten Analyse entlang der Hauptkategorien wird leitend die Frage nach dem „Was“ betrachtet. Für den Auswertungsteil ist es wichtig, dass eine ansprechende und sinnvolle Reihenfolge der Kategorien festgelegt wird. Dabei wurde ein für die LeserInnen verständlicher Aufbau gewählt und auf eine alphabetische und unreflektierte Reihenfolge verzichtet. Wenn Hauptkategorien existieren, denen Subkategorien untergeordnet sind, werden diese ebenfalls aufgeführt. Bei der Ergebnisdarstellung ist es zum einen möglich, die Häufigkeiten der Haupt- und Subkategorien zu thematisieren. Zum anderen ist eine qualitative Präsentation der Ergebnisse wichtig, die auch durch Vermutungen und/oder Interpretationen ergänzt werden kann. Im Vordergrund stehen dabei Fragen mit dem Relativpronomen „welche“, aber auch die Form, die Art und Weise der Thematisierung und die Gründe dafür.Dazu wird das Textmaterial der Subkategorien gelesen und Gemeinsamkeiten, Auffälligkeiten sowie Unterschiede festgehalten. Im Ergebnisbericht wird die Darstellung mit Beispielen belegt Bei der Analyse der Zusammenhänge zwischen den Subkategorien einer Hauptkategorie können sowohl Subkategorien innerhalb einer Hauptkategorie als auch zwischen den Hauptkategorien analysiert werden. Innerhalb einer Hauptkategorie fokussiert sich die Analyse auf die gleichzeitige Erwähnung von Subkategorien (Kuckartz & Rädiker 2022: 148 f.).
Phase 7: Ergebnisse verschriftlichen, Vorgehen dokumentieren
Im letzte Schritt werden die Ergebnisse verschriftlich und die Forschungsfrage beantwortet. Die Grundlage dafür sind u.a. die angefertigten Memos, bereits erstellte Textausschnitte, Grafiken und Tabellen, sodass Zusammenhänge, Ähnlichkeiten, Unterschiede und Muster beschrieben werden können (Kuckartz & Rädiker 2022: 154).
5.4 Überprüfung der Studiengüte
Während sich in der quantitativen Forschung die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität etabliert haben, gibt es seit den 1980er Jahren Diskussionen um die Gütekriterien in der qualitativen Forschung. In diese Diskussion brachten sich neben Flick (2007 & 2009), Lamnek & Krell (2016) auch Steinke (1999 & 2007) und Mayring (2002) ein (Kuckartz & Rädiker 2022: 234). Mayring formulierte dabei die folgenden sechs Gütekriterien: Argumentative Interpretationsabsicherung, Verfahrensdokumentation, Nähe zum Gegenstand, Regelgeleitetheit, Kommunikative Validierung und Triangulation (Mayring 2002: 144-148). Auch Kuckartz setzt auf die Regelgeleitetheit und integrierte diese in die interne Studiengüte. Darüber hinaus gehören u.a. Glaubwürdigkeit, intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Zuverlässigkeit und Auditierbarkeit zur Studiengüte nach Kuckartz. Ergänzend führt Kuckartz die externe Studiengüte an, welche Fragen zur Übertragbarkeit oder Verallgemeinerbarkeit umfasst (Kuckartz & Rädiker 2022: 236). Die Gütekriterien der internen Studiengüte beziehen sich nicht nur auf die inhaltsanalytische Auswertungstechnik, sondern auf das gesamte Forschungsprojekt. Kuckartz schlägt eine Reihe von Fragen in Form von zwei Checklisten vor, um die Datenerfassung und Transkription sowie die Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse mit Blick auf die Studiengüte zu beurteilen, welche im Anhang vorzufinden sind (Kuckartz & Rädiker 2022: 237 f.; siehe Anhang 7). Diese Checklisten werden, beschränkt auf das Nötigste, zur Überprüfung der Studiengüte, im Folgenden sequenziell durchgegangen. Beginnend mit der Checkliste zur Datenerfassung und Transkription ist zu erwähnen, dass eine Fixierung der Daten essenziell ist (Kuckartz & Rädiker 2022: 237). Während die Face-to-Face Interviews mit dem Diktiergerät Olympus DM-670 aufgenommen wurden, wurden die Interviews via Zoom über die Aufnahmefunktion der Software durchgeführt. Ein weiteres Kriterium stellt das Schreiben von Postskripten dar, in denen Besonderheiten der Interviewsituation festgehalten werden (Kuckartz & Rädiker 2022: 237). Im Nachgang aller Interviews wurden die Besonderheiten der Interviewsituation in ein paar Stichpunkten festgehalten (siehe Anhang 8). Weitere Kriterien der Checkliste beziehen sich auf die Transkription. Neben der Vollständigkeit der Transkription, dem Offenlegen der Codierregeln ist auch die Art und Weise der Transkription von Relevanz (Kuckartz & Rädiker 2022: 237). Alle sieben Interviews wurden vollständig transkribiert und als Anhang 9 beigefügt. Dabei wurde auf eine Kombination aus der eigenständigen Transkription und der Verwendung von entsprechenden Softwares zurückgegriffen, welche zu einer Zeitersparnis führten. Alle von der Software transkribierten Inhalte wurden auf Vollständigkeit, Richtigkeit und das Einhalten der Transkriptionsregeln überprüft und überarbeitet, damit auch das synchrone Arbeiten von Transkripten und Audiodaten möglich ist (siehe Kapitel 5.3). Ein weiteres wichtiges Kriterium ist das Anonymisieren der Daten (Kuckartz & Rädiker 2022: 237). Im Anschluss an die Transkription wurden alle Informationen, die Rückschlüsse auf die InterviewpartnerInnen oder dritte Personen ermöglichen, anonymisiert. Die zweite Checkliste bezieht sich auf die Durchführung der Interviews. Die ersten Kriterien stellen die Begründung der Auswahl der inhaltsanalytischen Methoden und der Durchführung sowie dessen Richtigkeit dar (Kuckartz & Rädiker 2022: 237; siehe Anhang 7). Die zugrundeliegende Begründung für die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse wurde in Kapitel 5.3 umfassend dargelegt. Die im Rahmen der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse angeführten Phasen wurden alle gemäß der Methodik durchgeführt. Hieraus resultiert auch, dass auch das Kriterium der Nutzung von Memos erfüllt ist. Zur computergestützten Durchführung wurde auf die Software MAXQDA zurückgegriffen (Kuckartz & Rädiker 2022: 237 f.). Weitere Kriterien beziehen sich auf das Kategoriesystem und die Codierung. Da es sich bei dieser Arbeit um eine Einzelarbeit handelt, wurde das Material lediglich von mir codiert, sodass das Kriterium der Inter-Coder-Reliabilität nicht erreicht werden kann (Kuckartz & Rädiker 2022: 238 f.). Im Rahmen des methodischen Vorgehens wurde das Material mehrfach codiert und das verwendete Kategoriesystem wurde in Kapitel 5.3offengelegt. Bei der durchgeführten Inhaltsanalyse wurden alle sieben Interviews berücksichtigt, sodass das vollständige Material herangezogen, analysiert und in die Auswertung einbezogen wurde (Kuckartz & Rädiker 2022: 238). Bei der Auswertung wird auf Zitate zurückgegriffen, die Schlussfolgerungen untermauern, aber auch Gegenbeispiele und Widersprüche darstellen können (Kuckartz & Rädiker 2022: 238). Insgesamt kann geschlussfolgert werden, dass die interne Studiengüte in dieser Studie erfüllt ist.
Die externe Studiengüte bezieht sich auf die Übertragbarkeit und Verallgemeinerbarkeit der Studie. Aufgrund der oft kleinen Stichprobe und der Samplingstrategien können die in der quantitativen Forschung üblichen Verallgemeinerungsstrategien auf die qualitative Forschung nicht oder nur selten angewendet werden. Sofern die Frage der Verallgemeinerbarkeit aufkommt, wird dies mit dem Sampling und dem Auswahlprozess in Verbindung gebracht (Kuckartz & Rädiker 2022: 236, 252 & 254). Die in Kapitel 5.2 beschriebene Akquise der InterviewpartnerInnen zeigt, dass diese nicht vollständig objektiv erfolgen konnte, da ein Teil der InterviewpartnerInnen über bereits bestehende Kontakte gewonnen wurde. Ausschlaggebend war zudem die Interviewbereitschaft der MitarbeiterInnen der besonderen Wohnform. Darüber hinaus kann nicht sichergestellt werden, dass die Zusammensetzung der Stichprobe der Zusammensetzung der Grundgesamtheit entspricht. Oftmals liegen keine entsprechenden Informationen über ausschlaggebende soziodemografische Aspekte der Grundgesamtheit vor (Helfferich 2011: 172). Dies gilt auch für die Grundgesamtheit aller MitarbeiterInnen der Eingliederungshilfe und der besonderen Wohnform. Keineswegs muss jede qualitative Forschung verallgemeinert werden, sodass diese Arbeit keinen Anspruch auf Repräsentativität erhebt, sondern das Ziel verfolgt, den Übergang von Machtausnutzung zu Gewalt sowie den Einfluss auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten zu beleuchten (Kuckartz & Rädiker 2022: 253).
6. Ergebnisdarstellung
Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt, die auf dem Kategoriensystem basiert, das in Tabelle 4 dargestellt ist. Die Codierung der Interviews führte dabei zur Identifizierung verschiedener Haupt- und Subkategorien. Nachfolgend werden die Hauptkategorien und die wichtigsten Subkategorien beschrieben sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt.
6.1 Machtverständnis
Nach mehrheitlicher Wahrnehmung und Einschätzung der InterviewpartnerInnen beginnt Macht, sobald über eine Person selbst, ihr Leben und ihre (Lebens-)Entscheidungen bestimmt wird (Interview 3, Pos. 5; Interview 4, Pos. 7; Interview 5, Pos. 5; Interview 6, Pos. 7; Interview 7, Pos. 7). Macht scheint omnipräsent und sehr weit gefächert zu sein, da diese schon bei kleinen, alltäglichen Aspekten beginnt, diese jedoch auch überschreiten können (Interview 3, Pos. 7; Interview 6, Pos. 9; Interview 7, Pos. 7). Dabei ist einer Interviewpartnerin zufolge Macht immer gegeben, wenn Leistungsberechtigte sehr hilfsbedürftig sind (Interview 3, Pos. 15). Alltägliche Situationen wie die Einnahme von Mahlzeiten, die Durchführung der Körperhygiene, die Teilnahme an Veranstaltungen jeglicher Art oder auch das Verlassen des Hauses und das Aufsuchen verschiedener Orte werden durch Macht bestimmt (Interview 3, Pos. 7 & 11; Interview 2, Pos. 5; Interview 5, Pos. 9). Dies wird dadurch beeinflusst, dass die Wünsche der Leistungsberechtigten nicht wahrgenommen oder nicht umgesetzt werden, wenn diese nicht den Vorstellungen der MitarbeiterInnen entsprechen (Interview 3, Pos. 7). Von besonderer Bedeutung ist, dass eine Interviewpartnerin betont, dass die Leistungsberechtigten auf die Assistenz der MitarbeiterInnen angewiesen sind und sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. An diesen Aspekt anknüpfend, betont eine andere Interviewpartnerin, dass Macht entstehen kann, wenn man sich nicht in der Rolle der Assistenz sieht. Dies kann zur Folge haben, dass das Leben der Leistungsberechtigten in den dargestellten Bereichen gesteuert wird, obwohl nur eine Assistenz vorgesehen ist (Interview 1, Pos. 7; Interview 3, Pos. 7). Ein Interviewpartner unterscheidet Macht einerseits in strukturelle Macht und andererseits wird eine zweite Form von Macht benannt, welche auf der zwischenmenschlichen Ebene stattfindet. Hier führt der Interviewpartner folgendes an:
„[…] Macht ist auch noch zwischenmenschlich ganz extrem. Ja irgendwann letztens, also vor ein paar Jahren, ist mir aufgefallen, dass ich mit meinen 20/21 Jahren dazu in der Lage bin, dem Bewohner, der Mitte 70 ist, die Entscheidung zu nehmen oder zu geben, ob er halt Körperhygiene betreiben kann in Form von Baden ne. […]“ (Interview 2, Pos. 5).
Der Interviewpartner betont, dass diese Form der Macht auch an die strukturelle Macht gekoppelt ist. Strukturelle Macht besteht seiner Meinung nach dadurch, dass durch die Begleitung der Menschen im Alltag diese in eine Struktur integriert werden, die als „unsere Struktur“ bezeichnet wird. Der Interviewpartner bezeichnet beschreibt seine Rolle in diesem Zusammenhang als „[…] Zwischenmann zwischen Struktur, also Tagesstruktur und halt zwischen den Bewohnern […]“ (Interview 2, Pos. 5). Auch eine andere Interviewpartnerin knüpft an den strukturellen Aspekt von Macht an und setzt dies mit der Rolle der einzelnen Individuen in Zusammenhang. Dabei wird hervorgehoben, dass besonders die individuelle Auslegung und der eigene Umgang essenziell sind (Interview 1, Pos. 7). Ein Interviewpartner schlägt in seinem Verständnis von Macht die Brücke zum Thema Gewalt und thematisiert den Zusammenhang und den Übergang von Macht zu Gewalt wie folgt: „Das sind schon so ganz kleine Sachen, ganz alltägliche Dinge, wo es um Machtausübung geht und bis hin zu ja wirklich sexualisierten Übergriffen oder Gewalt […]“ (Interview 6, Pos. 7).
6.2 Gewaltverständnis
Gewalt wird als schwieriger Begriff beschrieben, welcher einen behutsamen Umgang erfordert. Zudem wird mit Gewalt assoziiert, dass durch diese etwas bewirkt werden soll (Interview 5, Pos. 23 & 33). Der Beginn von Gewalt kann sehr schnell, alltäglich und in jedem erdenklichen Bereich in der besonderen Wohnform erfolgen (Interview 4, Pos. 29 & 33; Interview 5, Pos. 23). In diesem Zusammenhang führt einer der beiden Interviewpartner den folgenden Satz an: „Man sagt ja nicht umsonst, dass man gerade in der Pflege immer mit einem Bein im Gefängnis steht“ (Interview 5, Pos. 23). Die Analyse zeigt, dass Gewalt für die InterviewpartnerInnen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnt. Für eine Interviewpartnerin beginnt Gewalt, wenn Einvernehmlichkeit aufhört, auch wenn eine positive Absicht hinter der Handlung steckt (Interview 3, Pos. 29). Dahingegen beginnt für einen Interviewpartner Gewalt dann, wenn bewusste und aktive Grenzüberschreitungen stattfinden (Interview 6, Pos. 27).
Aus dem Codierprozess geht hervor, dass die zweite Kategorie „Gewaltform(en)“ in allen sieben Interviews Beachtung findet. Alle InterviewpartnerInnen benannten übereinstimmend die psychische Gewalt als eine ihnen bekannte Gewaltform. In diesem Zusammenhang wurden teilweise Beispiele wie Beleidigungen, lautes Sprechen und emotionale Angriffe angeführt (Interview 2, Pos. 33; Interview 3, Pos. 29; Interview 4, Pos. 29). Beispielhaft für verbale Ausfällen wurde „[…] ‚ach du Dumpfbacke‘ […]“ und „[…] ‚du dummes Arschloch‘ […]“ genannt (Interview 3, Pos. 29; Interview 7, Pos. 39). Anknüpfend an die Thematisierung von verbalen Entgleisungen wurde von einer Interviewpartnerin sehr treffend formuliert, dass es sich bei Äußerungen wie „ach du Dumpfbacke“ keineswegs um pädagogische und schöne Sprache handelt, welche in einem beruflichen und fachlichen Kontext angemessen ist (Interview 3, Pos. 29). Zudem wird angeführt, weshalb es im Kontext der besonderen Wohnform zu psychischer Gewalt durch verbale Äußerungen kommen kann: „Das sind so Formen, die sehe ich ganz, ganz häufig, dass dann auch gesagt wird ‚jetzt komm mal her‘ und ‘jetzt mach mal‘, vielleicht auch, weil wir oft vergessen, dass wir nicht Zuhause sind bei unserer Familie.“ (Interview 3, Pos. 29). Nach der psychischen Gewalt wird auf die Frage nach den bekannten Gewaltformen von fünf der InterviewpartnerInnen die physische Gewalt genannt. Neben den klassischen Aspekten der physischen Gewalt, wie Schlagen und Treten, werden auch das harte Anfassen oder nicht passend temperiertes Wasser während der Körperhygiene als bekannte Erscheinungsformen benannt (Interview 2, Pos. 33; Interview 6, Pos. 29). Die sexualisierte Gewalt wird in dieser Subkategorie von drei Befragten benannt (Interview 4, Pos. 29; Interview 6, Pos. 29; Interview 7, Pos. 39). Dabei thematisiert ein Intervierwpartner, dass für ihn sexualisierte Gewalt dann beginnt, wenn „[…] ich irgendwie bewusst irgendwie Bewohner, weiß ich nicht, länger nackt im Bett liegen lasse oder die anfasse.“ (Interview 6, Pos. 29).
Freiheitsentziehende Maßnahmen werden in diesem Kontext besonders durch ein konkretes Beispiel innerhalb der besonderen Wohnform verdeutlicht. Gegenwärtig zeigt die Analyse, dass freiheitsentziehende Maßnahmen ausschließlich im Zusammenhang mit dem Hilfsmittel „Rollstuhl“ angeführt wurden. Während zwei der drei InterviewpartnerInnen hierbei das Wegschieben des Rollstuhls hervorbrachten, thematisierte ein Interviewpartner das Feststellen der Bremsen am Rollstuhl. Übereinstimmend haben alle drei InterviewpartnerInnen fehlende oder mangelhafte Kommunikation alsausschlaggebenden Faktor, zur Entstehung von freiheitsentziehenden Maßnahmen benannt (Interview 3, Pos. 29; Interview 4, Pos. 29; Interview 5, Pos. 23). Dabei wurde angeführt, dass das Feststellen der Bremsen teils als Sicherheitsfaktor durchgeführt wird bzw. werden muss, jedoch ohne die Zustimmung der/des Leistungsberechtigten eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt, obgleich diese Maßnahme keine negative Intention hat (Interview 5, Pos. 23).
Aktive Vernachlässigung wurde von zwei Interviewpartnern erwähnt. Während ein Interviewpartner die Vernachlässigung durch das bewusste Unterlassen von Hilfe thematisiert, führt ein anderer Interviewpartner Vernachlässigung im Zusammenhang mit der Körperhygiene an (Interview 2, Pos. 33; Interview 6, Pos. 29). Dabei wird dies in den Kontext mit existierenden Strukturen gesetzt, welche eine Umsetzung der gewünschten Körperhygiene nicht erlauben (Interview 2, Pos. 33). Anknüpfend an diese Erwähnung der Strukturen zeigt die Analyse, dass eine weitere Interviewpartnerin die strukturelle Gewalt klar im Zusammenhang mit der Frage nach den bekannten Gewaltformen benennt: „Gewalt fängt ja im Prinzip schon bei struktureller Gewalt, wo wir gerade auch schon ganz viel drüber gesprochen haben, an.“ (Interview 1, Pos. 39).
Als weitere bekannte Gewaltformen wurden das Überschreiten und nicht respektieren von Grenzen sowie die räumliche Gewalt benannt. Ersteres scheint eindeutig und kann je nach Auslegung der Grenzen und der durchgeführten Handlungen auch den vorherigen Gewaltformen zugeordnet werden oder geht mit diesen einher (Interview 2, Pos. 33 Interview 6, Pos. 27). Die räumliche Gewalt wird vom Interviewpartner dadurch beschrieben, dass Türen verschlossen und als Gewaltmittel genutzt werden. Dadurch ist es den Leistungsberechtigten nicht möglich, einen Stauraum zu betreten, in dem sich ein Kopierer befindet (Interview 2, Pos. 33).
6.3 Erfahrungsberichte
Erfahrungen im Bereich der Macht- und Gewaltausübung wurden von den MitarbeiterInnen teils sehr umfassend und detailliert dargelegt. Die Analyse zeigt auf, dass Macht verschiedene Lebensbereiche betrifft. Insbesondere der Tagesablauf, die Freizeitgestaltung, die Ernährung und Mahlzeiten, die Körperhygiene, die medizinische Versorgung und andere Alltagssituationen werden beeinflusst. Macht in der Assistenz zeigt sich dabei unterschiedlich und auch die Hintergründe dieser sind facettenreich und können sowohl eine positive als auch negative Intention haben.
Die zunächst positive Intention der Macht zeigt sich in einer Situation, in der ein Mitarbeiter einen Leistungsberechtigten zum gemeinsamen Kaffee trinken und damit der Teilhabe am Gruppengeschehen überzeugen wollte. Im Verlauf der Situation wurde diese Macht durch die Aussage: „[…] ‚so wenn du mit an den Tisch kommst, dann kriegst du eine Tafel Schokolade‘ […]“ zum Ausdruck gebracht (Interview 5, Pos. 9). Darüber hinaus werden Zwang und Überredung eingesetzt, um Leistungsberechtigte als Gruppe am Tisch zusammenzubringen (Interview 5, Pos. 9). Der Tagesablauf wird maßgeblich beeinflusst, indem Strukturen vorgegeben werden. Diese können zum einen durch die Einrichtung, also institutionellen Ursprungs sein. Zum anderen können aber auch MitarbeiterInnen weitere Strukturen hervorbringen oder die existierenden maßgeblich verändern und/oder ausnutzen (Interview 1, Pos. 13, 15 & 31; Interview 2, Pos. 5 & 19; Interview 5, Pos. 9). Beispiele für eine solche Veränderung der Strukturen sind eine Veränderung in der Pflege, dass die Alltagsroutine verändert wird und z. B. die eigentliche Abendpflege bereits im Nachmittagsbereich durchgeführt wird (Interview 1, Pos. 15; Interview 2, Pos. 5). Die Entscheidung, ob die Körperhygiene z. B. in Form von Baden möglich ist, liegt laut einem Interviewpartner in erster Linie in der eigenen Entscheidungsgewalt und hängt im nächsten Schritt von strukturellen Faktoren ab. Im Gegensatz dazu betont ein anderer Interviewpartner, dass ausschließlich strukturelle Faktoren wie die personellen und zeitlichen Ressourcen für diese Entscheidung ausschlaggebend sind (Interview 2, Pos. 5; Interview 5, Pos. 9). Diese unterschiedliche Wahrnehmung in welcher Reihenfolge und wie Entscheidungen getroffen werden steht dabei in engem Zusammenhang mit Macht. Insbesondere die folgende Aussage des Interviewpartners untermauert dies: „Also allein, ich bin da damals mit 19 auf dieser Wohngruppe rumgerannt, ganz fröhlich und ich konnte halt entscheiden, wann wer sich wie verhält.“ (Interview 2, Pos. 23)
Neben der Hygiene kann auch auf die medizinische Versorgung der Leistungsberechtigten durch Macht beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang wird in einem Interview thematisiert, dass es in der eigenen Entscheidungsgewalt, bzw. während der Ausbildung in Absprache mit MitarbeiterInnen liegt, ob Leistungsberechtigte Bedarfsmedikation erhalten oder nicht (Interview 2, Pos. 23). Aber auch weitere alltägliche Situationen wie die Entscheidung, was morgens angezogen wird, können durch Macht beeinflusst werden, wenn diese Entscheidung am Vorabend durch MitarbeiterInnen getroffen wird (Interview 5, Pos. 5).
Sowohl auf den Tagesablauf als auch auf die Freizeitgestaltung wird Einfluss genommen, wenn Leistungsberechtigte daran gehindert werden, einen Ortswechsel vorzunehmen oder die Teilnahme an etwas untersagt wird (Interview 1, Pos. 15; Interview 3, Pos. 7 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13; Interview 7, Pos. 11). Die Gründe hierfür sind sehr vielseitig und reichen von klassischem Zeit- und Personalmangel, über die Ausnutzung der Machtposition, da zuvor Streitigkeiten im Raum standen, bis hin zu schlichtweg fehlender Lust seitens der MitarbeiterInnen (Interview 1, Pos. 15; Interview 3, Pos. 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13). Dabei hebt ein Interviewpartner hervor, dass das Umsetzen des Besuchs eines Einkaufszentrums erst nach etwa zweieinhalb Monaten möglich war. Zudem betont der Interviewpartner, dass die Freizeitgestaltung der Leistungsberechtigten durch die personelle Situation stark eingeschränkt und oft davon abhängig ist, dass MitarbeiterInnen früher kommen oder länger bleiben und somit selbst auf Freizeit verzichten (Interview 5, Pos. 9). Hinzukommt, dass Taschengeldregelungen vorliegen, welche es nicht immer zu jeder Zeit ermöglichen, an das eigene Geld zu kommen und damit die Freizeit zu gestalten (Interview 7, Pos. 11). Über die alltägliche Freizeitgestaltung hinaus gehen Urlaube, welche für Leistungsberechtigte jedoch nur dann stattfinden können, wenn sich genug MitarbeiterInnen zur Begleitung und Assistenz einer solchen Freizeit anbieten. Ist dies nicht der Fall, kann folglich kein Urlaub für die Leistungsberechtigten stattfinden (Interview 5, Pos. 9).
Der Bereich Essen und Mahlzeiten ist laut den InterviewpartnerInnen stark von Machtstrukturen geprägt. Dies beginnt bereits damit, dass die MitarbeiterInnen die Einkäufe für die einzelnen Wohngruppen tätigen und dadurch maßgeblich entscheiden, was die Leistungsberechtigten in den nächsten Tagen essen können bzw. essen müssen. Dabei fehlen teilweise die Vielfalt und der Einfluss der Leistungsberechtigten, da diese überwiegend nicht beim Einkauf dabei sind, auch wenn den MitarbeiterInnen bekannt ist was auf der Wohngruppe gerne gegessen wird (Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9). Der Einfluss auf das Essen der Leistungsberechtigten geht zudem über die Einkäufe hinaus. Es zeigt sich, dass versucht wird, sowohl einen Einfluss auf die Art der Lebensmittel als auch auf die Menge zu nehmen. Lebensmittel, wie Bonbons oder Joghurt, werden dabei als kritisch angesehen und es wird versucht, diese zu verbieten (Interviews 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 17). Ebenso zeigt sich, dass überlegt wird, ob die jeweilige Person noch weiter essen darf oder ob die Menge bereits als ausreichend angesehen wird (Interview 6, Pos. 7). Eine MitarbeiterIn betont, dass dies keineswegs rechtens ist und lediglich eine Ernährungsberatung erfolgen darf (Interview 3, Pos. 17). Ein Interviewpartner erläutert reflektiert eine Situation, in welcher er selbst Macht, ohne zunächst bewusste und böse Absicht, ausgeübt hat:
„(..) Ich persönlich hatte letztens diesen, so einen Moment, wo mir aufgefallen ist, ich stand morgens im Frühdienst in der Küche und habe den Frühstücksteller für einen Bewohner fertig gemacht, so ich habe ihm Wurst und Käse schon auf den Teller gelegt und vier Scheiben Brot rausgelegt. Vier Scheiben Brot, weil er immer vier Scheiben Brot isst. Und da ist mir dann so durch den Kopf gegangen eigentlich das, was ich gerade mache, ist ja eine Form der Macht, weil ich ihn nicht gefragt habe, welche Wurst, welcher Käse er haben möchte und wie viel jeweils, sondern ich habe einfach losgelegt, weil ich weiß, dass dieser Mensch alles mag.“ (Interview 5, Pos. 9).
Die privaten Räumlichkeiten der Leistungsberechtigten stellen einen weiteren Bereich dar, in dem Macht in Form von Sanktionen ausgeübt wird. Zwei verschiedene Arten werden dabei von den MitarbeiterInnen als Sanktion genutzt. Zum einen wird den Leistungsberechtigten der Zugang zu den eigenen Räumlichkeiten und damit auch die Privatsphäre verwehrt (Interview 3, Pos. 17; Interview 5, Pos. 9 & 13). Zum anderen wird das Schicken in private Räumlichkeiten als Möglichkeit der Sanktion genutzt (Interview 1, Pos. 29; Interview 2, Pos. 7 & 39; Interview 3, Pos. 17). Genutzt wird dies z. B. durch Sätze wie „[…] ‚du gehst jetzt in dein Zimmer‘ […]“ (Interview 3, Pos. 17). In diesem Zusammenhang thematisiert ein Interviewpartner, dass dieser eine Leistungsberechtige auf ihr Zimmer geschickt und diese Möglichkeit „[…] aufgrund meiner Macht, meiner Beziehungsebene, der Asymmetrie […]“ genutzt hat (Interview 2, Pos. 7). Zudem betont er im weiteren Verlauf des Interviews, dass er dies als Konsequenz genutzt hat „[…] nach dem Motto ‚Denkt doch mal drüber nach‘ […]“ (Interview 2, Pos. 39). In einer Einrichtung der besonderen Wohnform zeigte sich Macht auch dadurch, dass die Gruppenräume gegen den Willen der Leistungsberechtigten umstrukturiert wurden. Dies wurde auch nach Kritik der Leistungsberechtigten nicht geändert (Interview 1, Pos. 25). Machtstrukturen in Einrichtungen der besonderen Wohnform können jedoch auch zum Eigen- und Fremdschutz richterlich angeordnet sein. Dabei ist es möglich, dass Türen verschlossen werden und bei jeder Person überprüft werden muss, ob sie die Wohneinrichtung wirklich verlassen darf. Hierdurch wird auf jede Person Einfluss genommen, da diese auf MitarbeiterInnen angewiesen sind, um das Haus verlassen zu können (Interview 7, Pos. 9 & 11).
Gewalterfahrungen teilten die InterviewpartnerInnen im Bereich der direkten und strukturellen Gewalt mit. Bei der direkten Gewalt zeigt sich, dass insbesondere Gewalterfahrungen mit psychischer Gewalt, gefolgt von der Einschränkung des eigenen Willens, physischer Gewalt, Vernachlässigung sowie sexualisierter Gewalt und freiheitsentziehenden Maßnahmen thematisiert wurden.
Psychische Gewalt wird von den InterviewpartnerInnen am meisten dargestellt und durch verschiedene Situationen untermauert. Es zeigt sich, dass diese direkt beschrieben und mit Beispielen veranschaulicht wird, aber auch andere Gewaltformen psychische Gewalt mit sich bringen können. Besonders häufig wird psychische Gewalt durch Bevormundung und verbale Äußerungen sowie im Bereich der Kommunikation ausgeübt. Bei der Kommunikation zeigt sich, dass unterschiedliche Aspekte den InterviewpartnerInnen negativ auffallen. Die Art und Weise der Kommunikation durch den Tonfall sowie lautes Sprechen bis hin zum Anschreien ist allgegenwärtig und kann mit Respektlosigkeit einhergehen (Interview 1, Pos. 47 & 49; Interview 3, Pos. 15; Interview 4, Pos. 9, 29, 33 & 35; Interview 5, Pos. 25; Interview 6, Pos. 29). In diesem Zusammenhang sticht besonders die Aussage einer Interviewpartnerin hervor, welche die Atmosphäre in der Einrichtung durch die Kommunikation wie folgt beschreibt: „Es gibt auch Teilbereiche, wo ich das Gefühl habe, ich bin in einem Kinder- und Jugendheim von vor 50 Jahren, wenn ich reinkomme und Kommunikation mitbekomme, da ist Sprache ja schon einfach, da merkt man schon, wer hier eigentlich das Sagen hat.“ (Interview 3, Pos. 15). Zum anderen kann sich psychische Gewalt durch Kommunikation in Form von verbalen Ausfällen zeigen, welche tagtäglich auftreten (Interview 3, Pos. 29 & 35). Neben dem Benennen, des Anschnauzens und abwertenden Äußerungen in Dienstbesprechungen über Leistungsberechtigte, wurden auch Beispiele von verbalen Ausfällen bzw. Beleidigungen angeführt (Interview 2, Pos. 37; Interview 3, Pos. 29 & 35). „[…] ‚ach du Dumpfbacke‘ […]“ und „[…] ‚du Kinderficker‘ […]“ wurden dabei Leistungsberechtigten gegenüber geäußert (Interview 3, Pos. 29 & 35). Während das erste Beispiel als unschöne, nicht pädagogische Sprache angeführt wird, hat die zweite Äußerung einen tiefliegenden Hintergrund, da sie gegenüber einem Leistungsberechtigten geäußert wurde, der eine pädophile Neigung hat (Interview 3, Pos. 29 & 35). Kommunikation kann auch dazu genutzt werden, Leistungsberechtigte in der Öffentlichkeit bloßzustellen, was ebenfalls eine Form der psychischen Gewalt darstellt. Die nachfolgend dargelegte Situation verdeutlicht zum einen das Bloßstellen in der Öffentlichkeit. Zum anderen wird angeführt, dass dies weitreichende Auswirkungen für die Leistungsberechtigten haben, kann:
„[…] es gibt einfach einen Bewohner, der dazu neigt, ja er ist ja Kleptomane und da wird dann immer gesagt ‚aber nicht klauen‘. Wir sind auf einem an einem Trödelmarkt und ich glaube ein Mensch mit einer offensichtlichen Behinderung hat es in so einer Gesellschaft schon schwer genug und wenn dann gesagt wird ‚aber jetzt nicht klauen‘ dann denke ich mir man tut dem Menschen massiv unrecht […]“ (Interview 3, Pos. 35)
Weitreichende Auswirkungen auf einen Leistungsberechtigten hatte ebenfalls eine weitere Situation des Bloßstellens. Der Erzählung der Interviewpartnerin zufolge wurde sich über einen Leistungsberechtigten lustig gemacht und dieser nachgeäfft, da er den Namen eines seiner Medikamente nicht aussprechen konnte. Zudem wurde bei der Einnahme des Medikaments Druck auf den Leistungsberechtigten ausgeübt. Infolgedessen äußerte der Leistungsberechtigte folgenden Satz „[…] ‚ich schmeiße mich irgendwann aus dem Fenster‘.“ (Interview 3, Pos. 35). Ebenso hatte die Ausübung von Hilfsverweigerung die Konsequenz, dass dies für die Leistungsberechtigten psychisch unangenehm war und daher mit psychischer Gewalt einherging (Interview 1, Pos. 29, 41 & 47). Auch das nicht wahrnehmen der Bedürfnisse der Leistungsberechtigten kann zu Gewalt führen (Interview 3, Pos. 11 & 55; Interview 6, Pos. 15 & 29).
Ein weiterer wesentlicher Bereich der psychischen Gewalt in der besonderen Wohnform ist die Bevormundung, welche sich in allen Lebensbereichen der Leistungsberechtigten zeigt (Interview 1, Pos. 25, 41, 47 & 49; Interview 2, Pos. 5; Interview 5, Pos. 5 & 9; Interview 3, Pos. 11 & 17; Interview 6, Pos. 7; Interview 7, Pos. 11). Die Bevormundung stellt dabei eine Form der psychischen Gewalt sowie eine Einschränkung des eigenen Willens dar. Im Folgenden wird die Bevormundung im Rahmen der Einschränkung des eignen Willen thematisiert. Aus der Analyse geht hervor, dass Bevormundung in der besonderen Wohnform von großer Relevanz ist und bereits in Alltagssituationen beginnt. Beispiele hierfür sind das unaufgeforderte Wecken, das Festlegen der Kleidung für den nächsten Tag, aber auch das Bestimmen, wann und wie die Körperhygiene durchgeführt werden kann. Auch das Bestimmen von Lebensmitteln und Mahlzeiten kann der Bevormundung zugeordnet werden (Interview 1, Pos. 25 & 41; Interview 2, Pos. 5; Interview 3, Pos. 7 & 11; Interview 5, Pos. 5 & 9; Interview 6, Pos. 7). Letzteres zeigt sich zum einen durch Einkäufe, welche von den MitarbeiterInnen ohne die Leistungsberechtigten getätigt werden, wodurch diese keinen direkten Einfluss auf die Lebensmittel nehmen können und auch die Vielfalt eingeschränkt sein kann (Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9). Zum anderen zeigt sich bei Mahlzeiten, dass sowohl die Menge der Nahrung als auch die Lebensmittel bestimmt werden (Interview 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 17; Interview 4, Pos. 29; Interview 5, Pos. 9 & 33; Interview 6, Pos. 7). Zeitmangel kann dazu führen, dass das Essen der Leistungsberechtigten vorbereitet wird, hierbei jedoch auch die Präferenzen der Leistungsberechtigten berücksichtigt werden. Es ist jedoch auch möglich, dass versucht wird, gewisse Lebensmittel, aufgrund von Übergewicht oder Diabetes, zu verbieten (Interview 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 17; Interview 5, Pos. 9).
Nach Meinung der InterviewpartnerInnen kommt es zu einem starken Einfluss auf die Alltags- und Freizeitgestaltung der Leistungsberechtigten innerhalb der besonderen Wohnform und damit zu einer Beeinflussung des eigenen Willens, aber auch zu einer Bevormundung. Dabei spielen sowohl strukturelle Faktoren wie Zeit- und Personalmangel, aber auch die Launen der MitarbeiterInnen eine Rolle. Infolgedessen ist es den Leistungsberechtigten oft nicht möglich, dem Wunsch nach Einkaufen oder generell dem Rauszugehen nachzukommen, wenn dieser auftritt (Interview 1, Pos. 15 & 47; Interview 3, Pos. 7 & 17; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13). Zudem wird der Alltag bestimmt, in dem MitarbeiterInnen die Tagestruktur festlegen und es infolgedessen zu einer Bevormundung kommen kann (Interview 1, Pos. 13; Interview 2, Pos. 5 & 19). Über den Alltag und die alltägliche Freizeitgestaltung hinaus wird auch die Urlaubsplanung und -durchführung bevormundet und der Wille eingeschränkt, wenn nicht genügend MitarbeiterInnen diese begleiten (Interview 5, Pos. 9). Ebenso wird der Wille eingeschränkt, wenn Leistungsberechtigte nicht an ihr Geld kommen, da die Taschengeldkasse nur zu bestimmten Uhrzeiten zur Verfügung steht (Interview 7, Pos. 11).
Mit der Einschränkung des eigenen Willens geht zudem einher, dass MitarbeiterInnen bestimmen, ob Leistungsberechtigte u.a. als Konsequenz ihr Zimmer aufsuchen müssen oder dies nicht dürfen (Interview 1, Pos. 47; Interview 2, Pos. 7, 29 & 35; Interview 3, Pos. 17; Interview 5, Pos. 13). Sätze wie „[…] ‚jetzt komm mal her‘ und ‚jetzt mach mal‘ […]“ oder Situationen, in denen Leistungsberechtigte selbstbestimmt aufstehen und eine Situation verlassen wollen, dies aber von MitarbeiterInnen verhindert wird, stellen eindeutige Beispiele für die Einschränkung des eigenen Willens dar (Interview 3, Pos. 29 & 35; Interview 5, Pos. 25). Ebenso kann beim unerlaubten Feststellen der Bremsen oder Schieben des Rollstuhls eine Einschränkung des eigenen Willens sowie Bevormundung einhergehen (Interview 5, Pos. 23; Interview 4, Pos. 29; Interview 3, Pos. 29). Prägnant ist die Aussage eines Interviewpartners, welcher in der Wohnform selbst eine Einschränkung des eigenen Willens sieht:
„Ja, es ist ja so, die Abhängigkeiten (Baulärm) bei diesem Personenkreis ist ja so stark, dass die in der Regel das sagen, was sie erwarten, was sie erwarten. Also, dieses Thema der Erwartungserwartungen ist bei Leuten, die stationär untergebracht sind, immer zu berücksichtigen. Sie haben hier keinen freien Willen, ne.“ (Interview 4, Pos. 33).
Darüber hinaus wird deutlich, dass Gesagtes von den Leistungsberechtigten oft der Erwartungshaltung der MitarbeiterInnen entspricht. Hierdurch kann es sein, dass der eigene Wille der Leistungsberechtigten maßgeblich beeinflusst wird und dies auch dazu führen kann, dass kein eigener Wille mehr existiert (Interview 4, Pos. 33).
Erfahrungen mit physischer Gewalt wurden von drei InterviewpartnerInnen berichtet. Während ein Interviewpartner vom Vorwurf erzählte, eine Mitarbeiterin habe einen Bewohner geschlagen, gingen die anderen InterviewpartnerInnen genauer ins Detail (Interview 6, Pos. 33). Physische Gewalt wurde demnach mehrfach und in unterschiedlichen Situationen erlebt, beobachtet oder an die InterviewpartnerInnen herangetragen. Dabei wurde physische Gewalt sowohl mit Gegenständen als auch ohne diese durchgeführt. Beispiele für physische Gewalt sind demnach das Wasser ins Gesicht kippen, Löffel Senf gegen den Willen in den Mund stecken, Salat über den Kopf kippen sowie mit Schlappen nach Leistungsberechtigten werfen (Interview 3, Pos. 35; Interview 5, Pos. 25). Gewalt ohne die Nutzung von zusätzlichen Gegenständen wurde in verschiedenen Situationen beobachtet. Diese Art der physischen Gewalt beginnt beim festen/härteren Anfassen der Leistungsberechtigten (Interview 3, Pos. 47; Interview 6, Pos. 7 & 29). Beobachtet bzw. an die InterviewpartnerInnen herangetragen wurde, dass ein Bewohner in den Sessel zurückgedrückt und eine Bewohnerin am Arm an den Tisch zurückgezogen wurde. Hintergrund war jeweils, dass der/die Leistungsberechtigte selbstbestimmt eine Situation des Gruppengeschehens verlassen wollte (Interview 3, Pos. 35; Interview 5, Pos. 25). Ebenso berichten beide InterviewpartnerInnen von Situationen, in denen Leistungsberechtigten auf die Hände geschlagen wurde, weil diese nicht so gehandelt haben, wie die MitarbeiterInnen dies wollten (Interview 3, Pos. 25; Interview 5, Pos. 25 & 29). Darüber hinaus wurde berichtet, dass Leistungsberechtigte zum Teil mehr als einmal geohrfeigt wurden (Interview 3, Pos. 35; Interview 5, Pos. 25). Dabei wurde hervorgehoben, dass diese Gewaltvorfälle meist von denselben MitarbeiterInnen durchgeführt wurden und sich deshalb teilweise wiederholten (Interview 3, Pos. 39; Interview 5, Pos. 25). Obwohl das Schlagen am präsentesten erscheint, wurde auch von einer Situation berichtet, in der einer Leistungsberechtigten von einem Mitarbeiter die Beine weggezogen wurden. Infolgedessen ist diese gefallen und der Mitarbeiter zog die Leistungsberechtigte hinter sich her (Interview 3, Pos. 35). Aber auch die Wassertemperatur in der Pflege kann zu physischer Gewalt führen, wenn diese zu kalt oder zu warm eingestellt wird (Interview 6, Pos. 7 & 29).
Vernachlässigung in der Assistenz wurde von drei InterviewpartnerInnen erläutert und zeigt sich in unterschiedlichen Situationen. Zum einen kann Vernachlässigung im Bereich der Hygiene stattfinden, wenn Leistungsberechtigte bei der Körperhygiene und dem Toilettengang nicht assistiert und für diese entschieden wird, dass dies nicht notwendig ist (Interview 2, Pos. 5; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 33). Zum anderen kann sich Vernachlässigung darin äußern, dass den Leistungsberechtigten nicht ausreichend zu essen gegeben wird (Interview 6, Pos. 33). Vernachlässigung kann auch dann vorliegen, wenn Hilfe verweigert wird, obwohl sie offensichtlich benötigt wird oder erbeten wird. Aber auch das Nichtbeachten von Bedürfnissen oder das Ignorieren dieser ist Bestandteil der Vernachlässigung (Interview 1, Pos. 41 & 47; Interview 3, Pos. 11 & 55; Interview 6, Pos. 33). Eine Interviewpartnerin schilderte in diesem Zusammenhang „[…] das Krasseste, was ich erfahren habe, war halt, wie gesagt, diese Situation, wo der Herr sich aus dem Rollstuhl geworfen hat und dem da Hilfe verwehrt worden ist […]“ (Interview 1, Pos. 41). Ausschlaggebend für das Verweigern der Hilfe war die Anweisung durch die vorgesetzte Person, sodass nicht nur diese, sondern auch weitere MitarbeiterInnen dem Leistungsberechtigten Hilfe verweigerten, wenn es zu dieser Situation kam. Zudem wurde im Rahmen dessen präsent, dass aktiv und wiederholend gehandelt wurde (Interview 1, Pos. 29, 41, 47 & 49).
Situationen, in welchen in der Assistenz freiheitsentziehende Maßnahmen genutzt werden, wurden kaum thematisiert. Lediglich ein Interviewpartner spricht explizit von Freiheitsentzug und führt dabei das Feststellen der Bremsen am Rollstuhl ohne Einverständnis der Leistungsberechtigten an (Interview 5, Pos. 23). Weitere Situationen, die mit Freiheitsentzug einhergehen können, sind Situationen, in denen die Leistungsberechtigten in ihr Zimmer geschickt werden oder z. B. von MitarbeiterInnen in den Sessel oder auf den Stuhl gedrückt wurden (Interview 1, Pos. 47; Interview 2, Pos. 39; Interview 3, Pos. 17 & 35; Interview 5, Pos. 25).
Sexualisierte Gewalt wird einerseits durch eine erlebte Erfahrung thematisiert. Andererseits führte ein Interviewpartner an, was für ihn im Alltag der Assistenz in Bezug auf sexualisierte Gewalt vorstellbar ist. Vorstellbar ist dementsprechend, dass Leistungsberechtigte länger unbekleidet im Bett liegen gelassen werden oder sogar angefasst werden könnten (Interview 6, Pos. 29). Der andere Interviewpartner thematisiert hingegen, dass es in seiner Einrichtung bereits zu sexuellen Übergriffen durch einen Mitarbeiter gegenüber einem/einer Leistungsberechtigten gekommen ist, welche strafrechtlich verfolgt und gerichtlich verurteilt wurden (Interview 4, Pos. 35).
Strukturelle Gewalt in der besonderen Wohnform wird als ständig erlebte Form der Gewalt bezeichnet, welche oft mit weiteren Handlungen einhergeht (Interview 1, Pos. 31; Interview 2, Pos. 5; Interview 4, Pos. 25). Insbesondere Situationen, in denen strukturelle Gewalt aufgrund von Personalmangel und vorgegebenen Tagesstrukturen präsent wird, wurden von den InterviewpartnerInnen thematisiert. Strukturelle Gewalt zeigt sich ebenfalls durch vorgegebene Vorschriften, die bereits beim Betreten der Einrichtung zu Unwohlsein und dem Gefühl der Einengung führen können (Interview 4, Pos. 33). Vorgegebene Tagestrukturen zeigen sich dabei in unterschiedlichen Situationen. Während davon berichtet wird, dass Leistungsberechtigte ungefragt morgens um 6 Uhr geweckt werden, ist eine weitere vorgegebene Tagesstruktur, dass das Abendessen um 18 Uhr stattfindet (Interview 1, Pos. 41 & 47; Interview 2, Pos. 5). Betont wird, dass diese Strukturen durch die MitarbeiterInnen vorgegeben werden und die Leistungsberechtigten in diese eingefügt werden (Interview 1, Pos. 13; Interview 2, Pos. 5). Maßgeblich beeinflusst wird hierdurch die eigene Vorstellung und der Tagesablaufs (Interview 1, Pos. 41).
Personalmangel geht oft mit Zeitmangel einher und kann zum einen die Körperhygiene der Leistungsberechtigten beeinflussen. Dabei ist es möglich, dass diese nicht stattfinden kann oder vorgezogen werden muss und dadurch die Freizeitgestaltung in den Hintergrund tritt (Interview 1, Pos. 15; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 5, Pos. 9). Zum anderen kann der Personalmangel dazu führen, dass die Tages- und Freizeitgestaltung der Leistungsberechtigten nicht wie gewünscht stattfinden kann. Oftmals lässt die personelle Situation es nicht zu, dass Freizeitaktivitäten oder einfache Einkäufe durchgeführt werden können (Interview 1, Pos. 15; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9). Ein Interviewpartner betont, dass die personelle Situation insbesondere dann einen Einfluss hat, wenn Fachkräfte die Assistenz übernehmen sollen und nicht ausreichend Fachkräfte im Haus sind. Der Aussage des Interviewpartners zufolge wird sich hier jedoch oft hinter Bestimmungen versteckt, die mit Lösungen, wie u.a. Telefonkontakt zur Fachkraft, einfach behoben werden können (Interview 4, Pos. 43).
6.4 Einfluss auf die Selbstbestimmung
Macht und Gewalt können einen großen Einfluss und enorme Auswirkungen auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten haben (Interview 5, Pos. 17; Interview 6, Pos. 21). Macht und Selbstbestimmung stehen in einem Widerspruch, denn sobald Macht und Gewalt ausgeübt werden, ist es nicht möglich, Selbstbestimmung komplett auszuleben (Interview 2, Pos. 25; Interview 3, Pos. 23; Interview 5, Pos. 17). Durch existierende Machtstrukturen und strukturelle Bedingungen wird das Leben der Leistungsberechtigten maßgeblich eingeschränkt. Diese Einschränkung erfolgt dadurch, dass sich die Leistungsberechtigten den Strukturen unterordnen müssen und Selbstbestimmung sowie Selbstständigkeit nur noch im Rahmen dieser möglich sind (Interview1, Pos. 31; Interview 2, Pos. 25; Interview 5, Pos. 17). Auch das vorhandene „Kästchendenken“ behindert die Selbstbestimmung, da die Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform dadurch keine Freiheit haben (Interview 4, Pos. 21-23).
Macht kann zur Folge haben, das mit den Meinungen, Wünschen, Bedürfnissen und Gedanken der Leistungsberechtigten anders umgegangen wird. Dabei ist es möglich, dass diese abgesprochen, nicht wahrgenommen, zugelassen oder verstärkt werden (Interview 5, Pos 17; Interview 6, Pos. 21). Durch die Machtausnutzung ist es möglich, dass sich die Leistungsberechtigten verändern. Diese Veränderungen können daraus resultieren, dass wahrgenommen wird, dass Entscheidungen nicht selbst getroffen werden können (Interview 7, Pos. 27).
Die Auswirkungen von Gewalt auf die Selbstbestimmung gehen über die der Macht hinaus. Neben massiver Einschüchterung kann Gewalt dazu führen, dass Leistungsberechtigte traumatisiert werden (Interview 3, Pos. 43; Interview 5, Pos. 33). Ebenso kann es zu einer Veränderung der Leistungsberechtigten durch Macht- und Gewalterfahrungen kommen (Interview 3, Pos. 43; Interview 7, Pos. 29). Veränderungen können sich dadurch zeigen, dass sich die Leistungsberechtigten anpassen oder Gewalterfahrungen normalisieren (Interview 3, Pos. 43; Interview 5, Pos. 33). Das Normalisieren von Gewalterfahrungen wird damit begründet, dass Leistungsberechtigte, welche mehrfach verbale und/oder physische Gewalt erfahren, sich daran gewöhnen, um damit leben zu können (Interview 3, Pos. 43). In diesem Zusammenhang hebt ein Teil der InterviewpartnerInnen hervor, dass diese Menschen assistieren, welche kognitive Einschränkungen aufweisen (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 33; Interview 6, Pos. 11). Zum einen können die kognitiven Einschränkungen einen Grund darstellen, dass Macht- und Gewaltausnutzung in der Assistenz stattfindet. Dabei werden die kognitiven Einschränkungen ausgenutzt, um den eigenen Willen und nicht den der Leistungsberechtigten durchzusetzen (Interview 5, Pos. 33). Ebenfalls ist es möglich, dass aufgrund der kognitiven Einschränkungen die Leistungsberechtigten in Situationen nicht einbezogen werden (Interview 4, Pos. 9). Zum anderen wird angeführt, dass sprachliche Barrieren es erschweren, die Menschen zu begleiten und insbesondere erlebte Macht- und Gewalterfahrungen mit diesen aufzuarbeiten (Interview 3, Pos. 43). Des Weiteren wird angeführt, dass Einfluss auf die Selbstbestimmung genommen wird, indem sich MitarbeiterInnen, einem Interviewpartner zufolge, hinter Bestimmung verstecken. Angeführt wird in dem Zusammenhang jedoch, dass es den MitarbeiterInnen möglich wäre, die Bestimmung zu umgehen und somit den Leistungsberechtigten ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dennoch werden die Leistungsberechtigten oft vertröstet und auf die Bestimmungen verwiesen. Dieser Zustand wird von dem Interviewpartner als „zermürbend“ beschrieben (Interview 4, Pos. 43). Auswirkungen auf die Selbstbestimmung haben neben direkter Macht und Gewalt auch das negative Verändern der Grundhaltung von MitarbeiterInnen. Dies hatte zur Folge, dass der Dialog mit den Leistungsberechtigten weniger gesucht und darüber hinaus auch weniger ermöglicht wurde. Als Folge dessen mussten sich die Leistungsberechtigen der Institution mehr unterordnen, sodass die Selbstbestimmung durch diese Veränderung gelitten hat (Interview 1, Pos. 53). Dauerhaft können Macht und insbesondere Gewalt dazu führen, dass die Leistungsberechtigten nicht mehr selbstbestimmt leben, sondern sich fremdbestimmen lassen (Interview 6, Pos. 43). Eine Interviewpartnerin thematisiert in diesem Zusammenhang folgendes: „Also da ist, müsste ich stark überlegen, um zu gucken, wer bei uns auf der Arbeit, also die Menschen, die ich begleite, wer wirklich selbstbestimmt lebt und ich kann dir sagen keiner.“ (Interview 3, Pos. 23).
Entgegen den negativen Auswirkungen argumentiert ein Interviewpartner für einen positiven Einfluss auf das Empowerment der Leistungsberechtigten, sowohl durch Macht als auch durch Strukturen:
„Empowermenttechnisch würde ich andersrum dann damit argumentieren, dass es sehr gut möglich ist durch Macht und auch durch Struktur (…) Sodass halt der Bewohner, die Bewohnerin strukturiert, aber auch eben effektiv Skills erlernen kann, um halt selbst ermächtigt zu handeln und halt auch den Alltag zu bestreiten“ (Interview 2, Pos. 25).
Sofern Leistungsberechtigte Macht und Gewalt ausüben, gehen zwei InterviewpartnerInnen ebenfalls von einem positiven Einfluss auf die Selbstbestimmung aus. Infolge der Macht- und Gewaltausübungen können die Leistungsberechtigten zum einen Selbstständigkeit erfahren, obwohl Gewalt nicht als Lösung für Selbstständigkeit dienen sollte. Zum anderen können mittels Macht und Gewalt Ziele wie bspw. der Erhalt von Gütern erreicht werden (Interview 2, Pos. 45; Interview 7, Pos. 59).
6.5 Umgang, Konsequenzen, Prävention und Intervention
Der Umgang sowohl mit Machtmissbrauch als auch mit Gewalt hängt von verschiedenen Faktoren ab. In erster Linie zeigt sich, dass die Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Courage anderer MitarbeiterInnen den Umgang mit erlebten, beobachteten oder herangetragenen Situationen beeinflussen können. Dabei können diese Faktoren einerseits eine gegenseitige Regulierung in entsprechenden Situationen ermöglichen (Interview 4, Pos. 41). Andererseits kann das Meldeverhalten der MitarbeiterInnen durch diese und weitere Aspekte beeinflusst werden. Dabei kann eine entsprechende Haltung dazu beitragen, dass Macht und Gewalt nicht akzeptiert werden. So kann eine schlechte Einstellung dazu führen, dass Macht akzeptiert und geleugnet wird und es schwieriger wird, diese anzusprechen (Interview 1, Pos. 21; Interview 3, Pos. 15). Ebenso können Unsicherheit oder Angst durch die „[…] machthabende und gewaltvolle Art und Weise […]“ entsprechender MitarbeiterInnen dazu führen, dass Vorfälle nicht gemeldet werden (Interview 1, Pos. 25; Interview 5, Pos. 25). Die Thematisierung der Problematik hat laut den InterviewpartnerInnen einen positiven Einfluss, da den Leistungsberechtigten aus den Situationen geholfen werden kann und sich diese zudem oft nicht wiederholen (Interview 1, Pos. 47; Interview 4, Pos. 37). Darüber hinaus kann eine entsprechende Dokumentation den Umgang erleichtern und die Einleitung von Maßnahmen ermöglichen. Eine unzureichende oder fehlende Dokumentation kann den Umgang auch erschweren, insbesondere wenn die Vorfälle nicht selbst gesehen werden können und somit Beweise fehlen (Interview 1, Pos. 33 & 49; Interview 5, Pos. 13; Interview 7, Pos. 21). Ebenso wird der Umgang erschwert, wenn es sich um unbewusste, ausschließlich auf Dummheit beruhende Machtausnutzung handelt (Interview 4, Pos. 19). Als problematisch wird zudem angesehen, dass Machtmissbrauch häufig in sogenannten „[…] eins zu eins Situationen […]“, wie in der Pflege, stattfindet, wodurch das Erkennen, der Umgang und das Sanktionieren solcher Situationen erschwert wird (Interview 4, Pos. 19). Im Rahmen dieser Frage wird von einer interviewten Person darauf hingewiesen, dass der Umgang mit Machtmissbrauch sehr unterschiedlich ist, da die MitarbeiterInnen sehr verschieden sind und die Kernproblematik in der Persönlichkeit und deren Auslebung liegt (Interview 6, Pos. 15). Teilweise wurde der Umgang durch die Heimleitungen als unzureichend empfunden, sodass in zweiter Instanz die Vorfälle dem jeweiligen Vorstand, Betriebsrat oder den GeschäftsführerInnen gemeldet wurden. Dieser Umgang wurde auch dann gewählt, wenn die Vorfälle von der Heimleitung ausgingen (Interview 1, Pos. 29; Interview 5, Pos. 25 & 29).
Während ein Teil der InterviewpartnerInnen eine Anzeige als Möglichkeit des Umgangs nennt, thematisiert ein Interviewpartner explizit, dass er, sobald er von Gewalttaten erfährt, diese sofort anzeigen muss. Diese klare Haltung wird wie folgt untermauert: „Also zeige ich diesen Mitarbeiter an. (..) Da fackle ich gar nicht lange, ich rede da nicht um den heißen Brei, das ist dann so. Das muss das Gericht entscheiden, ne.“ (Interview 4, Pos. 35).
Dabei wird betont, dass es nicht mehr Aufgabe der Einrichtung ist, den Wahrheitsgehalt der Gewaltausübung aufzuklären und zu hinterfragen, sondern hierfür die existierende strafrechtliche Instanz wesentlich ist, um eine entsprechende Konsequenz zu finden (Interview 4, Pos. 35). Ein wichtiger Aspekt, der in den Einrichtungen, unabhängig von möglichen strafrechtlichen Konsequenzen unterschiedlich gehandhabt wird, stellen auch die resultierenden Konsequenzen dar. Dies hat zur Folge, dass die Konsequenzen sehr vielfältig sind. Einerseits können MitarbeiterInnen, die Vorfälle melden und damit den richtigen Umgang wählen, mit Konsequenzen wie „Bossing“ oder dem „verbrannt sein“ konfrontiert sein (Interview 1, Pos. 29 & 51; Interview 3, Pos. 35). Andererseits hat das Verhalten der TäterInnen sowohl für sie selbst als auch für die Opfer Konsequenzen. Die Folgen für die Opfer scheinen vor allem psychischer Natur zu sein (Interview 1, Pos. 47). Das Spektrum der Konsequenzen für die TäterInnen ist dahingegen umfassender und unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um Macht- oder Gewaltausübung handelt. Im Vergleich zu den Konsequenzen bei Gewaltausübung wurden bei Machtmissbrauch deutlich weniger Sanktionen thematisiert. Konsequenzen bei Machtmissbrauch können Gespräche über die Vorfälle und die Suche nach Lösungen umfassen (Interview 5, Pos. 15; Interview 7, Pos. 23). Häufig gibt es jedoch auch keine Konsequenzen, da Machtstrukturen nicht als solche wahrgenommen werden (Interview 1, Pos. 25). Vorhandene Konsequenzen können jedoch auch zur Folge haben, dass der Wunsch nach mehr Sanktionen entsteht (Interview 5, Pos. 15). Demgegenüber wird laut einer anderen Interviewpartnerin Macht schneller sanktioniert als Gewalt. Ausschlaggebend dafür sei, dass Gewalt „[…] so ein Thema ist, wo man nicht dran möchte. Sobald es um Gewalt ist, das ist die Begleitung mehr als stiefmütterlich […]“ (Interview 3, Pos. 21). Obwohl die Interviewpartnerin dies so wahrnimmt, werden im Zusammenhang mit Gewalthandlungen mehr Konsequenzen benannt. Dazu zählen Gespräche, Abmahnungen, Kündigungen und Anzeigen. Es wird deutlich, dass die Konsequenzen vor allem im arbeitsrechtlichen und nicht im strafrechtlichen Bereich liegen. Dabei können in erster Instanz unterschiedliche Gespräche mit der Heimleitung und mit den GeschäftsführerInnen erfolgen (Interview 3, Pos. 39; Interview 6, Pos. 17; Interview 7, Pos. 49). MitarbeiterInnen wurden dabei teilweise mehrfach aufgrund ihres Verhaltens abgemahnt (Interview 3, Pos. 39; Interview 4, Pos. 37). Es ist besonders auffällig, dass Abmahnungen teilweise nicht in die Personalakte aufgenommen werden. Dies lässt Zweifel an der Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit der Sanktionen aufkommen:
„[…] wurde vermeintlich abgemahnt, wobei hinterher rauskam, wir haben ja auch unsere Connections, es gab gar keine Abmahnung. Das Schlimme, was daran ist, ist so ich könnte jetzt erzählen, was ich wollte und sagen ‚die machen das schon Jahre lang‘, aber haben nichts in ihrer Personalakte stehen. Also ist das de facto nicht passiert und das finde ich ganz, ganz krass und hat mich auch tief schockiert. Und mich ja auch an dem System zweifeln lassen oder immer noch. […]“ (Interview 3, Pos. 39).
In zwei der Einrichtungen kam es aufgrund von Gewaltvorfällen zu Kündigungen. Während dies in der einen Einrichtung ein langwieriger Prozess war, geschah dies in der anderen ohne große Überlegung (Interview 1, Pos. 29; Interview 4, Pos. 39). In beiden Situationen war die Frage der strafrechtlichen Verfolgung präsent, jedoch wurde nur in der zweiten Einrichtung davon Gebrauch gemacht und der Mitarbeiter schließlich vom Gericht schuldig gesprochen (Interview 1, Pos. 49; Interview 4, Pos. 37). Eine Interviewpartnerin mit erheblichen Gewalterfahrungen gab hingegen an, dass sie noch nie eine Kündigung von MitarbeiterInnen aufgrund körperlicher Übergriffe erlebt habe. Auch ein weiterer Interviewpartner thematisierte, dass Kündigungen der entsprechenden MitarbeiterInnen nicht als Konsequenz herangezogen wurden (Interview 3, Pos. 21; Interview 5, Pos. 31). Es zeigt sich, dass von der Strafverfolgung kaum Gebrauch gemacht wird. Als Gründe dafür wurden die eigene Unsicherheit, fehlende Beweise und die Wahrnehmung, dass die Vorfälle nicht schwerwiegend genug waren, genannt (Interview 1, Pos. 49; Interview 2, Pos. 41; Interview 7, Pos. 54). Oft wurden die internen Konsequenzen der Einrichtungen nicht konsequent umgesetzt oder waren für die InterviewpartnerInnen nicht ausreichend genug. Dies hatte zur Folge, dass aufgrund mangelnder Beweise zur Strafverfolgung der Vorstand, der Betriebsrat oder die GeschäftsführerInnen als letzte Instanz eingeschaltet wurden (Interview 1, Pos. 29; Interview 3, Pos. 39; Interview 5, Pos. 25 & 29). Im folgenden Interviewausschnitt wird deutlich, dass zwar diese Instanzen eingeschaltet wurden, es aber keine klare Linie und Konsequenz gab:
„Diese Menschen müssten meiner Meinung nach fristlos gekündigt werden und sollten in diesem Bereich auch keinen Job mehr finden. Und da hätten wir auf jeden Fall mindestens drei Kandidaten im Haus, die, wenn ich was zu sagen hätte, wenn ich eine Leitungsposition hätte, hätte ich diese Menschen schon mehrfach kündigen können oder hätte sie diese schon mehrfach gekündigt. Und das würde ich mir wünschen, dass einfach ja bei gerade bei Gewaltsituationen viel härter durchgegriffen wird.“ (Interview 5, Pos. 31).
Aus den Interviews geht hervor, dass unterschiedliche Maßnahmen zur Prävention und Intervention existieren. Thematisiert wurden hier Gewaltschutzkonzepte, Fortbildungen/Schulungen, Teamsitzungen, Supervision und weitere Konzepte wie u.a. zur Stärkung des Empowerments. Das Gewaltschutzkonzept der jeweiligen Einrichtung stellt eine wichtige Präventions- und Interventionsmaßnahme dar. Alle InterviewpartnerInnen gaben übereinstimmend an, dass es ein solches Konzept in der Einrichtung vorhanden ist. Ob und wie damit umgegangen wird, variiert jedoch stark. Vier der sieben InterviewpartnerInnen gaben an, dass ihnen das Gewaltschutzkonzept nicht bekannt ist (Interview 1, Pos. 59; Interview 2, Pos. 57; Interview 3, Pos. 27 & 49; Interview 5, Pos. 21). Die Gründe dafür liegen einerseits in der Verantwortung der Einrichtungen und andererseits in der Verantwortung der MitarbeiterInnen. In einigen Einrichtungen wird weder das Gewaltschutzkonzept erläutert noch die MitarbeiterInnen darüber aufgeklärt, wo es zu finden ist. Wenn bekannt ist, wo das Konzept zu finden ist, befindet es sich in der Regel im Qualitätsmanagementhandbuch. An dieser Stelle kann auch auf die Verantwortung der MitarbeiterInnen hingewiesen werden. Allerdings fehlt den MitarbeiterInnen oft die Zeit, um die Inhalte des Gewaltschutzkonzepts vollständig zu lesen und zu bearbeiten(Interview 1, Pos. 59-61; Interview 2, Pos. 57; Interview 3, Pos. 49; Interview 5, Pos. 37). Zwei der vier InterviewpartnerInnen gaben an, dass das Gewaltschutzkonzept ihrer Einrichtung vom Landesverband stark kritisiert wurde und als nicht rechtskonform eingestuft wurde. Infolgedessen war eine Evaluation des Konzepts notwendig (Interview 3, Pos. 27 & 49; Interview 5, Pos. 37). Die Kritik am Gewaltschutzkonzept basierte auf einem wahrgenommenen Ungleichgewicht im strafrechtlichen Rahmen. Während Leistungsberechtigte bei Gewalt untereinander zur Strafverfolgung ermutigt und unterstützt werden sollten, wurde in Bezug auf Gewalt durch MitarbeiterInnen auf eine interne Klärung verwiesen (Interview 3, Pos. 27). Die evaluierte Version des Gewaltschutzkonzeptes war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht bekannt (Interview 3, Pos. 27 & 49; Interview 5, Pos. 37). Den übrigen drei InterviewpartnerInnen ist das Gewaltschutzkonzept der Einrichtung bekannt (Interview 4, Pos. 48-51; Interview 6, Pos. 49; Interview 7, Pos. 63). Zwei von ihnen haben eine leitende Position und sind teilweise am Gewaltschutzkonzept beteiligt und für den Umgang sowie die Umsetzung mitverantwortlich. In beiden Einrichtungen ist es Standard, dass das Gewaltschutzkonzept zu Beginn der Anstellung der MitarbeiterInnen gelesen und unterschrieben wird. In einer dieser Einrichtungen wiederholt sich diese Prozedur alle zwei Jahre, alternativ findet eine Schulung zum Gewaltschutzkonzept statt (Interview 4, Pos. 48-51; Interview 6, Pos. 49). Fortbildungen werden von allen InterviewpartnerInnen thematisiert, wobei die Auslegung dieser unterschiedlich ist. Während in einigen Einrichtungen Fortbildungen alle ein bis zwei Jahre verpflichtend sind, ist teilweise nicht bekannt, ob und in welchen Abständen wiederkehrende Fortbildungen stattfinden (Interview 1, Pos. 61; Interview 2, Pos. 60-63; Interview 3, Pos. 51 & 53; Interview 4, Pos. 53; Interview 5, Pos. 35; Interview 6, Pos. 49; Interview 7, Pos. 64-67).
Weitere Präventions- und Interventionsmaßnahmen stellen Teamsitzungen dar, die zum einen für organisatorische Aspekte genutzt werden können (Interview 1, Pos. 37). Zum anderen besteht die Möglichkeit, bestimmte Themen aufzugreifen und das Konzept der Supervision in Anspruch zu nehmen. Supervision wurde bisher nur in drei der Einrichtungen konkret in Anspruch genommen. In einer Einrichtung wurde sie nach einem Vorfall dem betroffenen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt (Interview 6, Pos. 23; Interview 2, Pos. 63; Interview 3, Pos. 39; Interview 7, Pos. 21). Darüber hinaus werden die Umsetzung von Konzepten, wie z. B. zur Stärkung von Empowerment, sowie die Dokumentation von Vorfällen als wichtige Präventions- und Interventionsmaßnahme genannt (Interview 1, Pos. 33; Interview 2, Pos. 29).
Der Wunsch nach Fortbildungen, Supervision und entsprechend geschultem und gebildetem Personal ist allgegenwärtig. Eine entsprechende Bildung und Aufklärung sollten das Wissen über die Phänomene Macht und Gewalt, wie sie sich in der Praxis manifestieren und wie präventiv und intervenierend mit ihnen umgegangen werden kann, beinhalten. Aber auch das Wissen über die eigene Rolle und die „Compliance in der Pflegeassistenz“ sowie über die Pflichten und Rechte der Leistungsberechtigten ist unerlässlich (Interview 1, Pos. 63; Interview 2, Pos. 65; Interview 3, Pos. 13 & 47; Interview 7, Pos. 69). Anknüpfend an die Bildung wurde die sogenannte Haltungsarbeit als weiterer wichtiger Aspekt deutlich. Gefordert wird in diesem Zusammenhang eine entsprechende Haltung der MitarbeiterInnen, die eine Nulltoleranzgrenze gegenüber Macht und Gewalt beinhaltet, aber auch die Leistungsberechtigten auf Augenhöhe sieht und ihnen entsprechenden Respekt entgegenbringt (Interview 2, Pos. 27; Interview 3, Pos. 13, 45 & 47; Interview 1, Pos. 33 & 63). Die Analyse verdeutlicht, dass die Kommunikation als wesentlicher Aspekt thematisiert wurde. Hierbei kann das Etablieren von Kommunikationsstrukturen zwischen den MitarbeiterInnen, den Verantwortlichen sowie den Leistungsberechtigten beitragen (Interview 4, Pos. 25). Als Beispiel wären an dieser Stelle entsprechende Teamsitzungen zu nennen, die Raum für Kommunikation aber auch gemeinsame Reflexion ermöglichen (Interview 1, Pos. 37; Interview 3, Pos. 47; Interview 6, Pos. 23). Aber auch das offene, sofortige und ehrliche Ansprechen im informellen Rahmen zwischen den MitarbeiterInnen sollte zunehmend an Raum gewinnen. Dazu bedarf es auch einer entsprechenden Achtsamkeit und eines Miteinanders unter den MitarbeiterInnen (Interview 4, Pos. 41; Interview 6, Pos. 41). Auch die Kombination von ausreichend Zeit und Personal scheint für eine zufriedenstellende Kommunikation zielführend zu sein. Einen wesentlichen Einfluss auf die zur Verfügung stehende Zeit können die personellen Ressourcen haben, da mehr Personal eine individuellere Betreuung der Leistungsberechtigten ermöglichen kann. In der Folge können die Wünsche und Bedürfnisse der Leistungsberechtigten besser wahrgenommen und begleitet werden (Interview 1, Pos. 47 & 49; Interview 5, Pos. 19, 23 & 35). Dies sind jedoch Faktoren, die nicht in der Hand der MitarbeiterInnen liegen. Dazu gehört auch der Wunsch nach mehr und besserer Dokumentation sowie nach (externer) Kontrolle (Interview 1, Pos. 33; Interview 3, Pos. 25 & 47). In Bezug auf die Leistungsberechtigten wird der Wunsch geäußert, mehr Bewohnerbeiräten einzurichten, bestehende neu zu strukturieren und die Selbstvertretung der Leistungsberechtigten zu stärken (Interview 1, Pos. 55; Interview 3, Pos. 47). Über Präventions- und Interventionsmaßnahmen hinaus besteht der Wunsch, dass dem Thema Macht und Gewalt in der besonderen Wohnform mehr mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei wird die Kommunikation über und die Öffnung sowie Sensibilisierung für das Thema gewünscht (Interview 3, Pos. 25, 45 & 57; Interview 7, Pos. 69). In letzter Konsequenz wird auch die Abkehr von starren stationären Wohnsystemen und eine zunehmende Ambulantisierung gewünscht, da viele der Macht- und Gewaltstrukturen aus dem System hervorgehen bzw. von diesem beeinflusst werden (Interview 4, Pos. 25, 45 & 50).
7. Zusammenführung der Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der qualitativen Interviews im Hinblick auf die Forschungsfrage mit dem theoretischen Rahmen verknüpft. Dazu wird der in Kapitel 4 vorgestellte theoretische Rahmen Macht, Gewalt und Selbstbestimmung herangezogen und die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevanten Aspekte herausgearbeitet.
7.1 Der Grad zwischen der Ausübung von Macht und Gewalt
Die Analyse zeigt, dass Machtmissbrauch und Gewaltvorfälle in der Assistenz in der besonderen Wohnform allgegenwärtig sind und keine Seltenheit darstellen. Die zunächst als neutral angesehene und normativ konnotierte Machtbeziehung zwischen den MitarbeiterInnen und den Leistungsberechtigten schlägt zunehmend in Machtmissbrauch um (Staudhammer 2018: 4 & 15). Dabei zeigt sich ein ebenfalls bestehendes Abhängigkeitsverhältnis auf Seiten der Leistungsberechtigten, das häufig durch die kognitiven Ressourcen beeinflusst wird (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 11; Seifert 2016: 65; Billen 2014: 102; Römisch 2019b: 133).
Zur Beurteilung, wie schmal der Grad zwischen Machtmissbrauch und Gewaltausübung ist, stellt sich zunächst die Frage, welches Verständnis die InterviewpartnerInnen von Macht und Gewalt haben. Es zeigt sich, dass ein Großteil der InterviewpartnerInnen ein Macht- und Gewaltverständnis verinnerlicht oder eine Vorstellung davon hat. In diesem Zusammenhang war es für die InterviewpartnerInnen deutlich einfacher, die Bedeutung von Macht für sie darzustellen. Das mehrheitlich geäußerte Machtverständnis entspricht in seinen Grundzügen der hier zugrunde gelegten Machtdefinition nach Raven. Demnach ist den InterviewpartnerInnen bewusst, dass Macht anfängt, sobald Einfluss auf eine Person ausgeübt wird (Interview 3, Pos. 5; Interview 4, Pos. 7; Interview 5, Pos. 5; Interview 6, Pos. 7; Interview 7, Pos. 7; French & Raven 1959: 260). Schwieriger war es für die InterviewpartnerInnen hingegen, ihr eigenes Verständnis von Gewalt zu formulieren, sodass nicht direkt erwähnt wird, dass Gewalt das Zufügen von Schaden oder Verletzung bedeutet (Interview 3, Pos. 29; Interview 4, Pos. 33; Interview 5, Pos. 23 & 33; Interview 6, Pos. 27; Galtung 1998: 17). Dennoch wird betont, dass dann Gewalt beginnt, wenn das Einvernehmen nicht mehr gegeben ist oder eine Grenze aktiv und bewusst überschritten wird (Interview 3, Pos. 29; Interview 6, Pos. 27). Die Schwierigkeiten bei der Darstellung des Macht- und Gewaltverständnis zeigten sich darin, dass es den InterviewpartnerInnen schwer fiel, Machtmissbrauch als solchen zu beschreiben und nicht direkt Gewaltsituationen zu benennen. Deutlich einfacher fiel es den InterviewpartnerInnen, die ihnen bekannten Gewaltformen zu benennen. Psychische, physische und sexualisierte Gewalt, freiheitsentziehende Maßnahmen und aktive Vernachlässigung wurden in diesem Zusammenhang explizit genannt bzw. mit Beispielen belegt. Diese Gewaltformen entsprechen der direkten Gewalt (Interview 2, Pos. 33; Interview 3, Pos. 29; Interview 4, Pos. 29; Interview 5, Pos. 23; Interview 6, Pos. 29; Interview 7, Pos. 39; Schünemann 2020: 115; Hirsch 2018: 6; Hirsch 2016: 106; Lux et al. 2023a: o.S). Ebenso wurde die strukturelle Gewalt als eine bekannte Gewaltform angesprochen (Interview 1, Pos. 39; Interview 2, Pos. 33). Die Thematisierung der räumlichen Gewalt sowie die Benennung der Grenzüberschreitung bzw. -missachtung als bekannte Gewaltform entspricht nicht den Gewaltformen nach Galtung. Während die räumliche Gewalt im Folgenden nicht thematisiert wird, kann die Überschreitung bzw. Missachtung von Grenzen immer mit den verschiedenen Gewaltformen einhergehen (Interview 2, Pos. 33; Interview 6, Pos. 27; Galtung 1998: 81 & 343).
Mit Hilfe der Machtbasentheorie kann der Übergang von neutraler Macht zu Machtmissbrauch beschrieben werden. Viele der Situationen des Machtmissbrauchs gehen mit Gewalthandlungen einher. Im Folgenden werden die Situationen des Machtmissbrauchs auf den theoretischen Rahmen bezogen und mit den Gewalthandlungen in Beziehung gesetzt. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass der Übergang von Macht zu Gewalt in der Regel schleichend erfolgt. Die Erfahrungsberichte der InterviewpartnerInnen zeigen auf, dass Macht in der Assistenz bereits bei alltäglichen Handlungen beginnt und sich wie ein roter Faden durch die unterschiedlichen Lebensbereiche der Leistungsberechtigten zieht. Insbesondere die Legitimationsmacht ist von großer Bedeutung, da ihr ein legitimes Recht zugrunde liegt, bestimmte Verhaltensweise vorzuschreiben (French & Raven 1959: 263 f.). In diesem Zusammenhang kann die Legitimationsmacht durch Position mit den existierenden Machtbeziehungen in der besonderen Wohnform in Verbindung gesetzt werden (Raven et al. 1998: 310 f.; Staudhammer 2018: 4, 15 & 25). Nachfolgend werden die in Kapitel 6.3 dargestellten Erfahrungsberichte den verschiedenen Machttypen zugeordnet und diese mit den jeweiligen Gewaltformen verknüpft. Die meisten Erfahrungsberichte lassen sich der Legitimationsmacht, Expertenmacht und der Macht durch Belohnung zuordnen. Die Macht durch Belohnung tritt nur in einer einzigen Situation in Erscheinung.
Die Situation der Macht durch Belohnung verfolgte die Absicht, einen Leistungsberechtigten zur Teilnahme und damit zur Teilhabe am Gruppengeschehen zu bewegen. Bei der Belohnung wurde auf Schokolade als unpersönliches Machtmittel zurückgegriffen (French & Raven 1959: 263; Erchul et al. 2001: 4 f.; Interview 5, Pos. 9). Obwohl angenommen werden kann, dass die Absicht der Situation positiv ist, kann dies einerseits nicht eindeutig beurteilt werden. Dennoch führt diese Situation zu einer Einschränkung des eigenen Willens, da der Leistungsberechtigte zuvor kommuniziert hat, dass er nicht am Gruppengeschehen teilhaben möchte. Damit stellte der Mitarbeiter seinen Willen über den des Leistungsberechtigten (Interview 5, Pos. 9; Staudhammer 2018: 9; ZQP 2022: 5).
Macht durch Zwang zeigt sich in verschiedenen Situationen, in denen Sanktionen auf unpersönlicher Ebene im Vordergrund stehen (Raven et al. 1998: 308; Erchul et al. 2001: 4 f.). Die Sanktionen von MitarbeiterInnen, Leistungsberechtigte in ihr Zimmer zu schicken, können der Macht durch Zwang zugeordnet werden. Umgekehrt zeigt sich Macht durch Zwang auch darin, dass den Leistungsberechtigten verboten wird, ihre privaten Räumlichkeiten aufzusuchen. Die Situationen gehen einerseits mit einer Einschränkung des eigenen Willens und andererseits mit dem Freiheitsentzug einher (Interview 1, Pos. 29 & 47; Interview 2, Pos. 7 & 39; Interview 3, Pos. 17; Interview 5, Pos. 9 & 13; Lux et al. 2023b: o.S.; Staudhammer 2018: 9; ZQP 2022: 5). Sanktionen wurden auch verhängt, wenn die Leistungsberechtigten selbst Situationen verlassen wollten und von den MitarbeiterInnen daran gehindert wurden, indem sie auf den Stuhl oder in den Sessel gedrückt wurden. Diese Situationen können nicht nur den Machtmissbrauch durch Zwang beinhalten, sondern auch mit verschiedenen Formen von Gewalt einhergehen. Dazu gehören physische und psychische Gewalt, die Einschränkung des eigenen Willens und freiheitsentziehende Maßnahmen (ZQP 2022: 5; Interview 3, Pos. 35; Interview 5, Pos. 25; Schünemann 2020: 115 & 121; Lux et al. 2023a: o.S.; Hirsch 2012: 20; Lux et al. 2023b: o.S.; Staudhammer 2018: 9). Macht durch Zwang zeigt sich auch, wenn die Leistungsberechtigten aufgrund von Streitigkeiten o. ä. ihrer Freizeitgestaltung nicht nachgehen können und dadurch der Wille der Leistungsberechtigten eingeschränkt wird (Interview 6, Pos. 13). Schließlich zeigt sich die Macht durch Zwang ebenso wie die Macht durch Belohnung in Situationen, in denen die MitarbeiterInnen die Leistungsberechtigten zur Teilnahme am Gruppengeschehen überreden. Auch hier kommt es zu einer Einschränkung des eigenen Willens (Interview 5, Pos. 9).
Obwohl die Legitimationsmacht vier verschiedene Kategorien umfasst, kann in den Interviews nur die Legitimationsmacht durch Position identifiziert werden. Dabei kann die Legitimationsmacht durch Position zudem mit den existierenden Machtverhältnissen in Verbindung gesetzt werden, da die MitarbeiterInnen durch das Arbeitsverhältnis automatisch über eine entsprechende Position verfügen. Diese Position wird von den Leistungsberechtigten hingenommen, akzeptiert und nicht hinterfragt, da diese durch ihre Einschränkungen auf die Assistenz der MitarbeiterInnen angewiesen sind. So kann einerseits in der Rolle der MitarbeiterInnen ein legitimes Recht gesehen werden, den Leistungsberechtigten Verhaltensweisen vorzuschreiben. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass den Leistungsberechtigten nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch die Art und Weise der Gestaltung verschiedener Lebensbereiche vorgegeben werden. Andererseits ist es möglich, dass die Leitungsberechtigten aufgrund ihrer kognitiven Ressourcen die Position der MitarbeiterInnen nicht in Frage stellen. Gleichzeitig ist es möglich, dass die MitarbeiterInnen die Einschränkung der kognitiven Ressourcen der Leistungsberechtigten zum Machtmissbrauch ausnutzen (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 11; Raven et al. 1998: 310 f.; Seifert 2016: 65; Billen 2014: 102; Römisch 2019b: 133). Die Legitimationsmacht durch Position zeigt sich in allen Bereichen der Assistenz der besonderen Wohnform und beginnt bereits in kleinen Situationen des alltäglichen Lebens. Es zeigt sich, dass bereits die Festlegung der Kleidung der Leistungsberechtigten für den nächsten Tag der Legitimationsmacht durch Position zugeschrieben werden kann. Die Auswirkungen dieser Situation zeigen sich im Bereich der Einschränkung des eigenen Willens und der Bevormundung (Interview 5, Pos. 5; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S).
Der Legitimationsmacht durch Position können die Situationen zugeordnet werden, welche beinhalten, dass die MitarbeiterInnen die Struktur und den Tagesablauf vorgeben (Interview 1, Pos. 13; Interview 2, Pos. 5 & 19). Auf eine Zuordnung zur Expertenmacht wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, da diese ein entsprechendes (Fach-)Wissen voraussetzt. Da die Intention der Eingliederungshilfe nicht die Anpassung der Leistungsberechtigten an eine Struktur ist, wird von der Vorstellung Abstand genommen, dass solche Machtsituationen durch entsprechendes Wissen entstehen. Vielmehr scheint es möglich, dass die MitarbeiterInnen ihre eigene Position und Rolle falsch interpretieren und den Aufgabenbereich der Assistenz verfehlen (§ 90 SGB IX; Interview 1, Pos. 7; Interview 2, Pos. 5; Interview 3, Pos. 15 & 29, 45; Interview 5, Pos. 5; Interview 6, Pos. 15). Dabei kann das Vorgeben von Strukturen durch die MitarbeiterInnen zu einer Einschränkung des eigenen Willens und insbesondere auch einer Bevormundung führen, welche zudem auch eine Ausprägung der psychischen Gewalt darstellt (Interview 1, Pos. 13; Interview 2, Pos. 5 & 19; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S).
Auch auf die Freizeitgestaltung der Leistungsberechtigten hat die Legitimationsmacht durch Position einen großen Einfluss. Dabei nutzen die MitarbeiterInnen ihre Position, mit dem Wissen, dass die Leistungsberechtigten auf sie angewiesen sind, aus. Infolgedessen wird der Wille der MitarbeiterInnen über den der Leistungsberechtigten gestellt (Interview 1, Pos. 15; Interview 3, Pos. 7 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9). Diese Abhängigkeit wird dadurch unterstrichen, dass ein Interviewpartner thematisiert, dass MitarbeiterInnen auf ihre Freizeit verzichten, um den Leistungsberechtigten die gewünschte Freizeitgestaltung, wie z. B. den Besuch eines Einkaufszentrums, zu ermöglichen. Diese Art des Machtmissbrauchs führt zu einer erheblichen Einschränkung des eigenen Willens der Leistungsberechtigten, da sie nicht der gewünschten Freizeitgestaltung nachgehen können. Teilweise vergehen Wochen, bis die gewünschten Aktivitäten stattfinden können (Interview 5, Pos. 9; Staudhammer 2018: 9; ZQP 2022: 5;). Ebenfalls zur Einschränkung des eigenen Willens und zur Bevormundung führen sog. Taschengeldregelungen, welche die MitarbeiterInnen durch ihre Position durchsetzen können. Diese können einen Einfluss auf die Freizeitgestaltung haben, da die Leistungsberechtigten nur zu bestimmten Zeiten einen Zugriff auf ihr Geld haben. Dennoch handelt es sich hier um einen abgesprochenen Machtmissbrauch, sodass ferner davon ausgegangen werden kann, dass die Bevormundung aufgrund der Einschränkungen der Leistungsberechtigten angeordnet ist (Interview 7, Pos. 11; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9). Über die alltägliche Freizeitgestaltung hinaus geht die Urlaubsplanung und -durchführung der Leistungsberechtigten, welche maßgeblich von den MitarbeiterInnen abhängt. In diesem Zusammenhang kann die Position der MitarbeiterInnen die Urlaubsplanung erheblich beeinflussen. Einerseits kann dies durch das Bereiterklären der Begleitung realisiert werden, andererseits können die MitarbeiterInnen jedoch auch verhindern, dass es zu Urlauben kommt. Auf Dauer kann dies zu einer Einschränkung des eigenen Willens und zu einer Bevormundung der Leistungsberechtigten führen (Interview 5, Pos. 9; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S.).
Im Bereich der Pflegeassistenz zeigt sich die Legitimationsmacht durch Position deutlich, wenn die MitarbeiterInnen festlegen, wann und wie die Leistungsberechtigten der Körperhygiene nachgehen können. Während diese zum einen durch strukturelle Faktoren beeinflusst wird, nimmt zum anderen die Lust und die willkürliche Umstrukturierung der MitarbeiterInnen einen Einfluss. Dieser Machtmissbrauch kann mit psychischer Gewalt, aktiver Vernachlässigung und Einschränkung des eigenen Willens einhergehen (Interview 1, Pos. 15; Interview 2, Pos. 5; Interview 5, Pos. 9; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S; Schünemann 2020: 122 f. & 126). Dabei kann keinesfalls davon gesprochen werden, dass eine entsprechende Expertise zu diesem Machtmissbrauch führt, sodass ein Zusammenhang mit der Expertenmacht durch die Schilderungen der InterviewpartnerInnen ausgeschlossen werden kann.
In einer Einrichtung wurde die Legitimationsmacht durch Position deutlich, indem die Gruppenräume gegen den Willen der Leistungsberechtigten umstrukturiert wurden. Folglich wurde den Leistungsberechtigten vorgeschrieben, in welcher Umgebung sie zu leben haben. Dem Wunsch der Leistungsberechtigten, die Gruppenräume wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, wurde entgegnet, dass sie sich an die Veränderungen anpassen müssen. Dies zeigt, dass die Teamleitung ihre Vorstellungen über die der Leistungsberechtigten stellt und ihre Position ausnutzt, was zu einer Einschränkung des eigenen Willens führt (Interview 1, Pos. 25; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9).
Die Sanktionen, ob das Zimmer aufgesucht werden muss oder dies nicht aufgesucht werden darf, stellen nicht nur Aspekte der Macht durch Zwang dar. All diese Situationen können auch der Legitimationsmacht durch Position zugeschrieben werden, da die MitarbeiterInnen den Leistungsberechtigten eine bestimmte Verhaltensweise aufzeigen und deren Umsetzung erwarten. Dabei gehen diese Situationen mit den bereits genannten Gewaltformen der Einschränkung des eigenen Willens und freiheitsentziehenden Maßnahmen einher (Interview 1, Pos. 29 & 47; Interview 2, Pos. 7 & 39; Interview 3, Pos. 17; Interview 5, Pos. 9 & 13; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9 f.; Lux et al. 2023b: o.S.).
Ein weiterer Lebensbereich, in dem sich die Legitimationsmacht durch Position zeigt, ist der Bereich der Lebensmittel und Mahlzeiten. Dabei ist es möglich, dass diese Art von Macht auch mit Expertenmacht einhergeht (Interview 3, Pos. 17; Interview 4, Pos. 29; Interview 6, Pos. 7). Auf diese Situationen wird hier nicht eingegangen, sondern sie werden im Zusammenhang mit der Expertenmacht ausführlicher dargestellt und es wird aufgezeigt, zu welcher Gewalt sie führen. Die Situationen, denen nur die Legitimationsmacht durch Position zugeordnet werden kann, haben gemeinsam, dass die MitarbeiterInnen den Leistungsberechtigten vorschreiben, was diese essen bzw. frühstücken sollen (Interview 4, Pos. 29; Interview 5, Pos. 9). Dabei wird von einem Interviewpartner reflektiert, dass diese Machtausübung von ihm ausging. Auch wenn dieser betont, dass hinter der Machtausübung keine negativen Absichten stehen und er die Vorlieben des Leistungsberechtigten beim Frühstück berücksichtigt, handelt es sich hierbei um eine Machtausübung. Dies führt zu einer Einschränkung des Willens und zur Bevormundung des Leistungsberechtigten, da er beim Frühstück keine Wahlmöglichkeiten hat (Interview 5, Pos. 9; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S).
Ebenfalls wird der Wille der Leitungsberechtigten durch diese Art der Legitimationsmacht eingeschränkt, wenn die MitarbeiterInnen die Einkäufe für die Wohngruppen innerhalb der Einrichtungen durchführen. Dabei ist es den MitarbeiterInnen durch ihre Position möglich zu entscheiden, wann die Einkäufe durchgeführt werden und ob ein Leistungsberechtigter diese begleiten darf. Es zeigt sich, dass in der Realität die Einkäufe allein von den MitarbeiterInnen durchgeführt werden, während die Leistungsberechtigten meist ihrer Arbeit nachgehen (Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9). Keiner der beiden InterviewpartnerInnen thematisierte in diesem Zusammenhang, dass strukturelle Aspekte zu diesen Situationen führen. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass sich die MitarbeiterInnen für diese Option entscheiden, damit es schneller und einfacher funktioniert. Diese Entscheidung führt jedoch zu einer Bevormundung und Einschränkung des Willens der Leistungsberechtigen, diese nicht entscheiden können, welche Lebensmittel für die nächsten Tage zur Verfügung stehen. Obwohl die MitarbeiterInnen zum Teil auf die Vorlieben der Leistungsberechtigten achten, ist es möglich, dass sich diese spontan ändern oder den Leistungsberechtigten die Abwechslung fehlt (Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S). Während die bisherigen Zuordnungen zur Legitimationsmacht durch Position alle auf den individuellen Vorstellungen oder der Durchsetzung des Willens der MitarbeiterInnen beruhen, kann diese Art der Macht auch auf richterlichen Auflagen beruhen. Auch wenn es sich hierbei um eine legale Machtausübung handelt, können die MitarbeiterInnen, aufgrund ihrer Position, diese richterlichen Auflagen durchsetzen (Interview 7, Pos. 9 & 11; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9; Lux et al. 2023a: o.S; Lux et al. 2023b: o.S.).
Die unterschiedlichen Beispiele zeigen, dass die Position der MitarbeiterInnen dazu führen kann, dass Macht ausgeübt wird, aber auch Gewalt auftritt. In diesem Zusammenhang ist die folgende Aussage eines Interviewpartners näher zu beleuchten: „Also allein, ich bin da damals mit 19 auf dieser Wohngruppe rumgerannt, ganz fröhlich und ich konnte halt entscheiden, wann wer sich wie verhält.“ (Interview 2, Pos. 23). Diese Aussage unterstreicht die Macht durch Position in der besonderen Wohnform, denn der Interviewpartner sieht sich selbst in der Position über die Leistungsberechtigten zu entscheiden. Dies entspricht in keiner Weise dem Anspruch der Eingliederungshilfe an eine Assistenz, die die Leistungsberechtigten zu einem selbstbestimmten, gleichberechtigten und teilhabeorientierten Leben führen soll (90 SGB IX; § 113 Abs. 1 SGB IX). Des Weiteren macht dieser Interviewpartner mit der Aussage
„Ich konnte auch entscheiden, aufgrund von meiner Einschätzung, natürlich da dann auch immer in der Ausbildung gekoppelt an einen anderen Mitarbeiter kriegt diese Bewohnerin jetzt eine Bedarfstablette, um halt eben sich zu beruhigen oder halt nicht.“ (Interview 2, Pos. 23)
deutlich, dass er in der Position ist, solche Entscheidungen zu treffen. Auch dies kann mit der Expertenmacht zusammenhängen, da davon ausgegangen werden kann, dass die Verabreichung von Medikamenten an spezifisches Fachwissen und die Kenntnis über ärztliche Anordnungen gekoppelt ist. Anhand dieser Aussage kann nicht beurteilt werden, ob hier eine Veränderung der kognitiven Strukturen angestrebt wird. Ebenfalls kann nicht beurteilt werden, ob diese Situation zu Gewalt geführt hat. Dennoch wäre es möglich, dass physische Gewalt, freiheitsentziehende Maßnahmen oder die Einschränkung des eigenen Willens einhergingen (Schünemann 2020: 115; Lux et al. 2023b: o.S.; Staudhammer 2018; 9).
Die Legitimationsmacht durch Position steht nicht nur mit der direkten Gewalt, sondern auch mit der strukturellen Gewalt in einem engen Zusammenhang. Dabei ist es möglich, dass die MitarbeiterInnen aufgrund von Zeit- und Personalmangel ihre Position ausnutzen, um Situationen nach ihrem Willen zu gestalten. Dazu gehören die beschriebenen Situationen der Freizeitgestaltung und die Festlegen der Rahmenbedingungen für die Körperhygiene. Zudem nutzen die MitarbeiterInnen ihre Position, um die Leistungsberechtigten in entsprechende Strukturen einzubinden, die zum Teil durch die MitarbeiterInnen geschaffen werden (Interview 1, Pos. 13 & 15; Interview 2, Pos. 5 & 19; Interview 5, Pos. 9; Schünemann 2020: 128 f.; Staudhammer 2018: 119).
Darüber hinaus können weitere Situationen und Erfahrungen, die der Legitimationsmacht zugeordnet werden, auch der Expertenmacht zugeordnet werden. Bei der Expertenmacht stehen besondere (Fach-)Kenntnisse im Vordergrund, die von den Leistungsberechtigten wahrgenommen werden und denen Vertrauen entgegengebracht wird. Die Bewertung des (Fach-)Wissens erfolgt anhand allgemein gültiger Standards (French & Raven 1959: 263 & 267 f.; Staudhammer 2018: 20). In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass die Leistungsberechtigten durch das Arbeitsverhältnis der MitarbeiterInnen annehmen, dass diese über ein entsprechendes Fachwissen verfügen. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass die eingeschränkten kognitiven Ressourcen der Leistungsberechtigten keine allumfassende Einschätzung ermöglichen und diese automatisch davon ausgehen, dass die MitarbeiterInnen ein entsprechendes Wissen mitbringen. Ziel dieser Macht ist es, die kognitiven Strukturen der Leistungsberechtigten zu verändern (French & Raven 1959: 263 & 267 f.). Diese angestrebte Veränderung und damit die Ausübung von Expertenmacht zeigt sich in verschiedenen Situationen, insbesondere im Bereich der Ernährung. Die Einflussnahme zeigt sich in der Beeinflussung, welche Lebensmittel und in welcher Menge diese verzehrt werden dürfen. Dabei führt zu einer Einschränkung des eigenen Willens (Interview 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 17; Interview 6, Pos. 7; ZQP 2022: 5; Staudhammer 2018: 9). Die Menge wird dadurch beeinflusst, dass z. B. einem Leistungsberechtigten die vierte Scheibe Brot verweigert wird (Interview 6, Pos. 7). Der Einfluss auf die Art der Lebensmittel bezieht sich in den dargestellten Situationen ausschließlich auf zuckerhaltige Lebensmittel. Während eine Interviewpartnerin von einer Situation berichtet, in der versucht wurde, der leistungsberechtigten Person den Kauf und Verzehr von Bonbons zu verbieten, berichtet eine andere Interviewpartnerin von der Verweigerung von Joghurt. Beide Interviewpartnerinnen haben angeführt, dass die MitarbeiterInnen auf diese Verbote zurückgegriffen haben oder dies wollten aufgrund von Übergewicht oder Diabetes der Leistungsberechtigten. (Interview 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 17). Es kann davon ausgegangen werden, dass die MitarbeiterInnen aufgrund ihres Wissens über die Erkrankungen und den idealtypischen Umgang damit versuchen einen Einfluss auszuüben, der möglicherweise auch die kognitive Struktur der Leistungsberechtigten dahingehend verändert, dass diese Lebensmittel und/oder die Menge als nicht gut wahrgenommen werden. Ein Verbot von Lebensmitteln ist im Rahmen der Assistenz nicht zulässig, da lediglich eine Ernährungsberatung erfolgen kann (Interview 3, Pos. 17).
Über die Situationen im Bereich der Lebensmittel und Mahlzeiten hinaus zeigt sich die Expertenmacht in einer weiteren Situation, die als besonders prägnant bezeichnet werden kann, da sie mit weitreichenden Auswirkungen für den Leistungsberechtigten verbunden war. Es handelt sich dabei um die Medikamenteneinnahme eines Leistungsberechtigten. Durch das Wissen der MitarbeiterInnen über die richtige Einnahme der Medikamente wurde so viel Druck bei der Einnahme ausgeübt, dass diese zu psychischer Gewalt beim Leistungsberechtigten führte. Dies ging so weit, dass der Leistungsberechtigte "[...] gesagt hat ‚ich schmeiße mich irgendwann aus dem Fenster‘.“ (Interview 3, Pos. 35; Lux et al. 2023a: o.S; Staudhammer 2018: 8). Es ist dadurch möglich, dass sich die kognitiven Strukturen des Leistungsempfängers durch negative Assoziationen mit der Medikamenteneinnahme verändern. Diese Situation zeigt, dass der Machtmissbrauch in der Assistenz von Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben kann.
Abschließend zeigt sich, dass die thematisierten Erfahrungsberichte der InterviewpartnerInnen unterschiedlichen Machttypen zugeordnet werden können. Im Rahmen dieser Analyse können nicht alle Machttypen nach French und Raven auf die Erfahrungsberichte der InterviewpartnerInnen bezogen werden. Es wird deutlich, dass die Machtbasen den MitarbeiterInnen den Machtmissbrauch erleichtern. Zum einen verfügen die MitarbeiterInnen durch die Arbeitsverhältnisse über ein entsprechendes Wissen und eine entsprechende Position. Zum anderen ist es den MitarbeiterInnen möglich, Belohnungen und Zwang in der Assistenz einzusetzen. Dabei zeigt sich, dass insbesondere die kognitiven Ressourcen der Leistungsberechtigten einen Machtmissbrauch erleichtern (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 11). Während somit also die Macht durch Belohnung, Macht durch Zwang, Legitimationsmacht und Expertenmacht aufgezeigt werden konnten, konnten die Identifikationsmacht und Informationsmacht aus verschiedenen Gründen nicht beleuchtet werden. Charakteristisch für die Identifikationsmacht ist, dass sie auf dem Charisma der machtausübenden Person und der Identifikation der untergebenen Person beruht. Zudem gilt für diese Macht: Je größer die Identifikation, desto größer die Identifikationsmacht (French & Raven 1959: 266 f.). Eine mögliche Identifikation seitens der Leistungsberechtigten kann nicht beurteilt werden, da diese nicht befragt wurden. Zudem liegt in diesem Zusammenhang keine Einschätzung der InterviewpartnerInnen vor, ob und in welchem Ausmaß eine Identifikation vorliegt. Obwohl die Informationsmacht eine separate Klassifikation der Expertenmacht darstellt, zeigt sich im Rahmen dieser Analyse, dass Macht nicht personenunabhängig auftritt und daher die Informationsmacht in diesem Kontext nicht relevant ist. Dabei zeigt sich, dass nicht nur die vermittelten Informationen von Relevanz sind, sondern auch die Eigenschaften, Wünsche und Bedürfnisse der MitarbeiterInnen und der Leistungsberechtigten ausschlaggebend für die Ausübung sind (Interview 1, Pos. 15, 25, 41, 47 & 49; Interview 2, Pos. 5, 19, & 23; Interview 3, Pos. 7, 11, 15, 17 & 55; Interview 4, Pos. 9, 29, 33, 35 & 43; Interview 5, Pos. 9, 17, 23, 25 & 35; Interview 6, Pos. 7, 13, 15, 21, 29 & 33; Interview 7, 11, 17 & 55; Raven et al. 1998: 308; Raven 1993: 235). Auch wenn die Expertenmacht verschiedenen Situationen zugeordnet wurde und davon ausgegangen wurde, dass diese Situationen auf (Fach-)Wissen basieren müssen, muss auch hier eine Einschränkung thematisiert werden. Eine Beurteilung der Wahrnehmung und des Vertrauens der Leistungsberechtigten in das (Fach-)Wissen kann in dieser Masterarbeit nicht erfolgen, da hierfür eine Befragung der Leistungsberechtigten relevant gewesen wäre. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die MitarbeiterInnen in den Einrichtungen, aufgrund ihres beruflichen Werdegangs, sowohl über theoretisches als auch praktisches Wissen verfügen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen, dass die Leistungsberechtigten oft nur über eingeschränkte kognitive Ressourcen verfügen, wodurch eine umfassende Einschätzung des (Fach-)Wissens nicht gewährleistet werden kann (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 11). In verschiedenen Erfahrungsberichten der InterviewpartnerInnen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass MitarbeiterInnen aufgrund von entsprechendem (Fach-)Wissen, bzw. der eigenen Wahrnehmung, dieses zu haben, versucht haben, Situationen zu beeinflussen. Zudem ist die Beurteilung des Übergangs von Macht durch Belohnung zu Gewalt sehr eingeschränkt, da nur ein Interviewpartner von einer Situation berichtet, die dieser Machtarten zugeordnet werden kann (Interview 5, Pos. 9). Die Analyse zeigt, dass die dargestellten Situationen der Machtausnutzung alle zu direkter Gewalt führen. Während insbesondere die Einschränkung des eigenen Willens und psychische Gewalt, oft in Form von Bevormundung, resultieren, treten physische Gewalt und Vernachlässigung seltener auf. Strukturelle Gewalt hingegen kann in dieser Analyse nur mit der Legitimationsmacht durch Position in Verbindung gebracht werden. Durch diese Analyse wurde deutlich, dass ein Großteil der Gewalterfahrungen nicht auf Macht zurückgeführt werden kann. Wenngleich diese Gewalterfahrungen einen Einfluss auf die Leistungsberechtigten haben, konnte ihnen keine Ressource zur Machtausübung zugeordnet werden. Hintergrund kann hier sein, dass die Rahmenbedingungen der Gewalthandlungen nicht thematisiert wurden und somit ein Teil der Informationen zur Analyse fehlt. Darüber hinaus ist es möglich, dass Gewalt, durch Aspekte wie individuelle Faktoren, Überforderung oder allgemein problematisches Verhalten, verursacht wird, welche unabhängig vom Machtmissbrauch sein können (ZQP 2015: 23).
Wenngleich nicht alle Gewaltsituationen auf vorangegangenen Machtmissbrauch zurückgeführt werden können, dürfen sie nicht außer Acht gelassen werden. Die in Kapitel 6.3 thematisierten Gewalthandlungen verdeutlichen, dass Gewalt in der Assistenz von Leistungsberechtigten in Einrichtungen der besonderen Wohnform allgegenwärtig ist und sich in vielen Bereichen und Situationen zeigt. Die Analyse zeigt, dass insbesondere die direkte Gewalt präsent ist, da mit Ausnahme der finanziellen Gewalt und der passiven Vernachlässigung alle anderen Gewaltformen thematisiert wurden. Ebenso zeigt die Analyse, dass strukturelle Gewalt nach wie vor einen großen Einfluss auf das Leben der Leistungsberechtigten hat. Einerseits beeinflussen bestehende Strukturen, aber auch von den MitarbeiterInnen geschaffene Strukturen das Leben der Leistungsberechtigten. Andererseits ist insbesondere der Personal- und Zeitmangel in den einzelnen Einrichtungen Grundlage von Gewalthandlungen durch die MitarbeiterInnen. Der Einfluss erfolgt auf den Alltag, die Tagesstruktur, die Freizeitgestaltung und die Körperhygiene der Leistungsberechtigten (Interview 1, Pos. 13-15, 31, 41 & 47; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 4, Pos. 25, 33 & 43; Interview 5, Pos. 9). Die Erfahrungsberichte der InterviewpartnerInnen spiegeln dabei bereits bekannte Beispiele von struktureller Gewalt wider (Schünemann 2020: 128 f.; Hirsch 2012: 20; Staudhammer 2018: 11). Die dargestellten Situationen struktureller Gewalt zeigen, dass diese zumeist weitere Formen direkter Gewalt nach sich ziehen. Dies entspricht dem von Galtung thematisierten Zusammenhang zwischen direkter und struktureller Gewalt, dass sich beide Gewaltformen gegenseitig beeinflussen können (Galtung 1998: 82 & 348). Dabei kann im Rahmen dieser Analyse nur ein Einfluss von der strukturellen auf die direkte Gewalt aufgezeigt werden. Insbesondere Zeit- und Personalmangel führen dazu, dass die Leistungsberechtigten bevormundet werden und ihr Wille eingeschränkt wird (Interview 1, Pos. 15; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 11; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9).
7.2 Der Einfluss von Macht und Gewaltauf dieSelbstbestimmung
Der Einfluss von Macht und Gewalt auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten ist in der besonderen Wohnform ein alltägliches Phänomen. Das Leben selbstständig zu gestalten, unabhängig zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln, wie es die Definition von Selbstbestimmung vorsieht, ist den Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform nicht möglich. Der im theoretischen Rahmen angesprochene Aspekt, dass Menschen mit Behinderungen häufig die Fähigkeit abgesprochen wird, für sich selbst zu sorgen, trifft auf die Leistungsberechtigten zu (Waldschmidt 2003: 15). Deutlich wird dies daran, dass bereits alltägliche Lebensbereiche und Entscheidungen der Leistungsberechtigten maßgeblich beeinflusst werden. Beispiele dafür sind das unerwünschte Wecken, das Bestimmen der Kleidung, der Lebensmittel und der Mahlzeiten sowie des Zeitpunkts und der Art der Körperpflege. Auch im Rahmen der Freizeitgestaltung wird den Leistungsberechtigten die Selbstbestimmung abgesprochen. Einfache Entscheidungen und Wünsche, wie das Aufsuchen eines Einkaufszentrums oder die Urlaubsplanung, werden maßgeblich von den MitarbeiterInnen bestimmt (Interview 1, Pos. 15, 25 & 41; Interview 2, Pos. 5; Interview 3, Pos. 7, 11 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 5 & 9; Interview 6, Pos. 7 & 13; Interview 7, Pos. 11).
Die Selbstbestimmung umfasst die vier Prinzipien Freiheit, Autorität, Autonomie und Verantwortung (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Im Rahmen dieser Auswertung ist es möglich, die Prinzipien in eingeschränktem Umfang auf die Erfahrungsberichte zu beziehen. Aus den Forschungsergebnissen geht hervor, dass es den Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform erheblich an Freiheit fehlt. Die Freiheit, das Leben mit Unterstützung individuell und einzigartig zu planen und zu gestalten, wird den Leistungsberechtigten in vielen Bereichen verwehrt (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Dies zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der Leistungsberechtigten, da sowohl der Alltag als auch besondere Ereignisse maßgeblich beeinflusst werden. Ein Interviewpartner benennt wie folgt, dass Machtstrukturen die Freiheit einschränken: „Sie behindern das, einfach weil sie, (..) dieses Kästchendenken, dieses, ich sage mal jetzt richtig verstanden, kann man das auch Freiheit nennen, davon werden sie in diesen Einrichtungen bewahrt (lachen).“ (Interview 4, Pos. 23). In verschiedenen Situationen wird zudem deutlich, dass die Freiheit der Leistungsberechtigten eingeschränkt ist. Oft müssen sie ihr Leben den strukturellen Gegebenheiten und Vorstellungen der MitarbeiterInnen anpassen (Interview 1, Pos. 13-15, 41 & 47; Interview 2, Pos. 5, 19 & 33; Interview 3, Pos. 7 & 17; Interview 4, Pos. 33; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13; Interview 7, Pos. 11). Das Prinzip der Freiheit steht in engem Zusammenhang mit den Werten der Selbstbestimmung. Daher wird hier auf eine detaillierte Darstellung der Einschränkung der Freizeit verzichtet und diese stattdessen bei der Darstellung der Einschränkung der Werte thematisiert.
Die anderen drei Prinzipien sind im Rahmen dieser Analyse deutlich schwieriger zu beurteilen. Beim Prinzip der Autorität ist davon auszugehen, dass dieses nur eingeschränkt ausgeübt werden kann. Ein Hinweis darauf gibt die Aussage eines Interviewpartners, dass es eine Taschengeldregelung gibt, die mehr oder weniger einer Bank entspricht. Demnach ist eine Auszahlung des Geldes nicht jederzeit möglich. Obwohl die Leistungsberechtigten über diese Regelung informiert sind, kann dies die Autorität einschränken, da die Leistungsberechtigten nicht jederzeit eigenverantwortlich über das Geld verfügen und ausgeben können (Interview 7, Pos. 11; Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Autonomie meint den eigenverantwortlichen Umgang mit den eigenen Ressourcen und dem Personal, das die Leistungsberechtigten bei der gesellschaftlichen Integration unterstützt (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Situationen, die Rückschlüsse auf den Umgang mit den eigenen Ressourcen und dem Personal aus Sicht der Leistungsberechtigten zulassen, wurden von keinem/r InterviewpartnerIn erwähnt.
Das letzte Prinzip der Selbstbestimmung stellt die Verantwortung, eine anerkannte Rolle einzunehmen, dar. Die anerkannte Rolle kann sehr vielfältig definiert werden und umfasst u.a. die persönliche Entwicklung (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Die persönliche Entwicklung ist in der besonderen Wohnform nur eingeschränkt möglich. Dies hat zur Folge, dass sich die Leistungsberechtigten nur in Anpassung an die strukturellen Gegebenheiten (weiter-)entwickeln können. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die persönliche Entwicklung in allen Lebensbereichen eingeschränkt ist. Darüber hinaus sind die Leistungsberechtigten oft auf die Unterstützung der MitarbeiterInnen angewiesen, wenn sie ihre Entwicklung voranbringen möchten. Dies verdeutlicht, dass eine eigenständige, individuelle und unabhängige Entwicklung nicht möglich ist (Interview 3, Pos. 7 & 43; Interview 4, Pos. 9 & 13; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 11).
Neben den Prinzipien wurden die Werte Respekt, Wahlmöglichkeiten, Eigentümerschaft, Unterstützung und Möglichkeiten zur Unterstützung der Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten hervorgebracht (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Aus der Analyse meiner Forschungsergebnisse geht hervor, dass diese Werte von den Leistungsberechtigten innerhalb der besonderen Wohnform zum Teil nicht oder nur in geringem Maße gelebt werden können. Wie diese beeinflusst bzw. verhindert werden, ist unterschiedlich. Nachfolgend wird dargelegt, wie die Erfahrungsberichte der InterviewpartnerInnen im Zusammenhang mit diesen Werten stehen.
Es wird deutlich, dass der Wert des Respekts in den Einrichtungen der besonderen Wohnform häufig eine untergeordnete Rolle spielt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der Respekt vor den Leistungsberechtigten und ihren Wünschen und Bedürfnissen teilweise nicht gewahrt wird. Dies beginnt bereits damit, dass mit den Leistungsberechtigten nicht freundlich gesprochen, sondern diese häufig angeschrien werden. Auch die Atmosphäre in den Einrichtungen, die durch die Art und Weise der Kommunikation geprägt wird, ist weit davon entfernt, respektvoll und freundlich zu sein (Interview 1, Pos. 47-49; Interview 3, Pos. 15; Interview 4, Pos. 9, 29 & 33-35; Interview 5, Pos. 25; Interview 6, Pos. 29; Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Neben der Art und Weise der Kommunikation entspricht auch der Inhalt des Gesagten nicht einem respektvollen und freundlichen Umgang. Besonders prägnant sind hier die zitierten Beleidigungen gegenüber zwei Leistungsberechtigten: „[…] ‚ach du Dumpfbacke‘ […]“ und „[…] ‚du Kinderficker‘ […]“ (Interview 3, Pos. 29 & 35). Letztere Äußerung wurde in der Öffentlichkeit getätigt, sodass neben der Respektlosigkeit gegenüber dem Leistungsberechtigten dieser auch in der Öffentlichkeit bloßgestellt wurde (Interview 3, Pos. 35). Ebenso kann der Aspekt des Erkennens, Sehens und Wertschätzens der Stärken, Fähigkeiten und individuellen Werte einer Person, welcher dem Wert Respekt zuzuordnen ist, auf die Erfahrungsberichte bezogen werden (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Übereinstimmend erwähnen die InterviewpartnerInnen, dass die Meinungen, Wünsche, Gedanken und Bedürfnisse der Leistungsberechtigten nicht beachtet werden. Dabei zeigt sich, dass Bereiche des alltäglichen Lebens wie die Körperhygiene oder Mahlzeiten, aber auch die Freizeitgestaltung beeinflusst werden (Interview 1, Pos. 15, 25, 41 & 47-49; Interview 2, Pos. 5, 19, & 23; Interview 3, Pos. 7, 11, 15-17 & 55; Interview 4, Pos. 9, 29, 33-35, 43 & 55; Interview 5, Pos. 9, 17, 23-25 & 35; Interview 6, Pos. 7, 13-15, 21, 29 & 33; Interview 7, Pos. 11, 17, 43 & 55). Dies geht teilweise so weit, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Leistungsberechtigten abgesprochen, nicht zugelassen oder gefördert werden (Interview 5, Pos. 17; Interview 6, Pos. 21). Dabei gilt es genau an diese Aspekte anzuknüpfen und zunehmend den Respekt vor und im Umgang mit Leistungsberechtigten zu etablieren (Interview 1, Pos. 29 & 65; Interview 3, Pos. 47).
Der Wert der Wahlmöglichkeiten umfasst die Möglichkeit der Wahlfreiheit im Leben der Leistungsberechtigten, welche ihnen jedoch kaum bis gar nicht möglich ist (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Dies zeigt sich insbesondere im Alltag. Da die MitarbeiterInnen die Gruppeneinkäufe zumeist allein durchführen, haben die Leistungsberechtigten einerseits kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Lebensmittel. Andererseits sind die Wahlmöglichkeiten der Leistungsberechtigten während der Mahlzeit auf die von den MitarbeiterInnen bestimmte Auswahl beschränkt (Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9). Neben den von den MitarbeiterInnen geschaffenen Situationen können auch strukturelle Gegebenheiten dazu führen, dass die Leistungsberechtigten kaum bis keine Wahlmöglichkeiten haben. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Körperhygiene und Freizeitgestaltung, da es den Leistungsberechtigten oft nicht möglich ist diese ohne Assistenz durchzuführen. Durch personelle und/oder zeitliche Ressourcen sowie eigene Vorstellungen bestimmen die MitarbeiterInnen den Zeitpunkt und die Art der Körperhygiene sowie die Freizeitgestaltung. Dies kann dazu führen, dass einer oder beide Aspekte den Leistungsberechtigten verwehrt werden (Interview 1, Pos. 15 & 47; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 7, 11 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13; Interview 7, Pos. 11). Dabei wurde thematisiert, dass es zum Teil auch gar nicht möglich ist, bei der Freizeitgestaltung der Leistungsberechtigten spontan zu assistieren und dies teils über Wochen oder Monate hinweg geplant werden muss (Interview 5, Pos. 9). Damit wird deutlich, dass die Leistungsberechtigten hier keine wirkliche Wahlfreiheit haben und nicht aus dem gleichen Spektrum an Lebensstilen und Freizeitaktivitäten wählen können wie Menschen ohne Behinderungen (Interview 1, Pos. 15 & 47; Interview 3, Pos. 7, 11 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13; Interview 7, Pos. 11).
Der Wert der Eigentümerschaft umfasst die Vorstellung, dass die Leistungsberechtigten die totale und endgültige Autorität erlangen. Dies bedeutet, dass sie Besitz über ihr eigenes Leben erlangen und Entscheidungen eigenständig treffen (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Die endgültige und totale Autorität erlangen die wenigsten Leistungsberechtigten. Eine Interviewpartnerin betont, dass in ihrer Einrichtung niemand selbstbestimmt lebt (Interview 3, Pos. 23). Die Analyse konnte zudem zeigen, dass die Erfahrungen der InterviewpartnerInnen verdeutlichen, dass Entscheidungen oft nicht allein von den Leistungsberechtigten getroffen werden. Der Einfluss der MitarbeiterInnen geht über die Assistenz und Unterstützung hinaus. Dies beginnt bei den beschriebenen Alltagssituationen, wie z. B. der Bestimmung der Mahlzeiten, der Körperhygiene oder der Freizeitgestaltung bis hin zu besonderen Ereignissen, wie z. B. Urlaub (Interview 1, Pos. 25; Interview 2, Pos. 5; Interview 3, Pos. 7, 11 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 7 & 13; Interview 7, Pos. 11). In vielen Situationen haben die Leistungsberechtigten nicht das letzte Wort, und wenn sie dies haben und versuchen umzusetzen, zeigt sich, dass sie dafür mit Macht und Gewalt bestraft werden. Hintergrund war jeweils, dass die MitarbeiterInnen ihre Vorstellungen und ihren Willen über den der Leistungsberechtigten stellten (Interview 3, Pos. 29 & 35; Interview 5, Pos. 9 & 25).
Die Unterstützung bei wichtigen Entscheidungen oder Schritten durch das Unterstützungsnetzwerk wird als Schlüssel zur Selbstbestimmung bezeichnet (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). In den Interviews lag der Fokus auf den MitarbeiterInnen der besonderen Wohnform, weshalb nicht beurteilt werden kann, inwieweit dieser Wert der Selbstbestimmung den Leistungsberechtigten zur Verfügung steht und genutzt wird. Zudem wurde das Unterstützungsnetzwerk der einzelnen Leistungsberechtigten von den MitarbeiterInnen nicht thematisiert. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass für einen Großteil der Leistungsberechtigten die MitarbeiterInnen zum Unterstützungsnetzwerk gehören. Zum einen, weil ihnen ein Vertrauensvorschuss gewährt wird, zum anderen, da die Leistungsberechtigten von der Hilfe, Unterstützung und Assistenz der MitarbeiterInnen abhängig sind und immer mit diesen in Kontakt stehen. Dabei gilt es, diesen Vertrauensvorschuss im Alltag u.a. durch Achtsamkeit, Respekt und Empathie aufrechtzuerhalten (Staudhammer 2018: 20 & 25; Billen 2014: 102; Römisch 2019b: 133). Obwohl eine Vielzahl der berichteten Situationen negativ ist, gilt es zu erwähnen, dass ein Großteil der MitarbeiterInnen auch darauf bedacht ist, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und zu pflegen. Dabei kann die Beziehung erhalten und vertieft werden, wenn die Wünsche und Bedürfnisse der Leistungsberechtigten wahrgenommen, ernst genommen und erfüllt werden. Inwiefern dies in der Praxis geschieht, kann anhand der Interviews nicht umfassend beurteilt werden. Dennoch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass MitarbeiterInnen eine gute Beziehung aufrechterhalten, indem sie auf ihre eigene Freizeit verzichten, um die Wünsche der Leistungsberechtigten zu erfüllen (Interview 5, Pos. 9). Darüber hinaus ist hierfür eine entsprechende Haltung, das Wissen um die Rechte der Leistungsberechtigten, das Erkennen, Respektieren und Wahrnehmen ihrer Bedürfnisse und der Verzicht auf eine macht- und gewaltvolle Assistenz gefordert (Interview 1, Pos. 33 & 63; Interview 2, Pos. 27 & 65; Interview 3, Pos. 11-13, 45-47 & 55-57; Interview 6, Pos. 15, 21 & 29; Interview 7, Pos. 69). Darüber hinaus ist es auch möglich, dass die MitarbeiterInnen zum Unterstützungsnetzwerk gehören, obwohl die Beziehung nicht als vertrauensvoll angesehen werden kann. Hintergrund kann sein, dass die Leistungsberechtigten aufgrund ihrer eingeschränkten kognitiven Ressourcen Macht und Gewalt nicht als solche wahrnehmen und zudem auf die Unterstützung angewiesen sind (Interview 1, Pos. 7, 15 & 47; Interview 2, Pos. 5, 25 & 33; Interview 3, Pos. 7, 11, 17, 23, 43 & 57; Interview 4, Pos. 9, 13, 21-23, 33 & 43; Interview 5, Pos. 9, 17, 25, 31 & 33; Interview 6, Pos. 11-13 & 21). Eine umfassende Betrachtung dieses Aspekts kann jedoch nur erfolgen, wenn dieser ausdrücklich behandelt wird und/oder die Leistungsberechtigten entsprechend befragt werden.
Die unterschiedlichen Möglichkeiten des Lebens können von den Leistungsberechtigten nur eingeschränkt und in Absprache mit den MitarbeiterInnen entdeckt werden, sodass auch die persönliche Entwicklung nur eingeschränkt möglich ist (Kennedy & Lewin 2004: o.S.). Dabei ist es den Leistungsberechtigten insbesondere in ihrer Freizeit nicht möglich, alle Möglichkeiten des Lebens auszuschöpfen und diese zu entdecken, da immer die Assistenz von MitarbeiterInnen erforderlich ist. Diese hängt, wie bereits mehrfach deutlich wurde, insbesondere von zeitlichen und personellen Ressourcen, aber auch von der Lust und Bereitschaft der MitarbeiterInnen ab (Interview 1, Pos. 15 & 47; Interview 3, Pos. 7 & 17; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13).
Im Gegensatz zum Prinzip der Selbstbestimmung wird eine starke Fremdbestimmung der Leistungsberechtigten festgestellt. Alle Bereiche des theoretischen Rahmens der Fremdbestimmung wurden in den Erfahrungsberichten der InterviewpartnerInnen deutlich. Insbesondere die strukturellen Rahmenbedingungen der Einrichtungen und die Ausführung bzw. Auslebung dieser durch die MitarbeiterInnen führen dazu, dass die Leistungsberechtigten fremdbestimmt sind. Während die InterviewpartnerInnen keine Erfahrungen im Bereich der Hausordnungen thematisieren, nehmen die Bereiche der Institutionen und des Sachzwangs einen besonderen Stellenwert ein.
Der Sachzwang zeigt sich vor allem in festgelegten Zeiten und Umfang der Körperhygiene. Oft sind die Leistungsberechtigten auf die Assistenz angewiesen, sodass sie sich über diese Festlegungen nicht hinwegsetzen können. Die Gründe hierfür sind zum einen Zeit- und Personalmangel, sodass diese Ressourcen Einfluss darauf nehmen können, ob und wie die Leistungsberechtigten der Körperhygiene nachgehen können. Zum anderen hat der Wille der MitarbeiterInnen einen Einfluss, sodass es zu Situationen kommen kann, in denen sich Leistungsberechtigte entscheiden müssen, ob sie sich der Körperhygiene oder Freizeitgestaltung widmen möchten (Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528; Interview 1, Pos. 15; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 11; Interview 5, Pos. 9).
Die Fremdbestimmung durch Institutionen zeigt sich darin, dass institutionelle Strukturen vorherrschen und sich an diese angepasst werden muss oder diese das alltägliche Leben bestimmen. Zu den institutionellen Strukturen gehört auch die personelle Situation, auf welche die MitarbeiterInnen keinen Einfluss haben. Hier zeigt die Analyse, dass bei Personalmangel die Fremdbestimmung zunimmt und die Selbstbestimmung unterdrückt wird (Interview 1, Pos. 5, 15 & 31; Interview 2, Pos. 5, 25 & 33; Interview 3, Pos. 23; Interview 4, Pos. 33; Interview 5, Pos. 9 & 17; Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528). Fehlende Strukturen konnten im Rahmen dieser Forschung nicht identifiziert werden. Problematisch sind vielmehr die fehlenden Alternativen und behindernden Strukturen in der besonderen Wohnform. Behindernd sind jene Strukturen, die die Selbstbestimmung im Alltag und darüber hinaus beeinflussen und denen sich Leistungsberechtigte unterordnen müssen. Diese können sowohl von den Einrichtungen selbst als auch von den MitarbeiterInnen konstruiert werden (Interview 1, Pos. 13-15, 31, 41 & 47; Interview 2, Pos. 5, 19 & 33; Interview 4, Pos. 25, 33 & 55; Interview 5, Pos. 9). Existierende Strukturen lösen dabei bereits beim Betreten der Einrichtungen ein Gefühl von Unwohlsein aus (Interview 4, Pos. 33).
Der Bereich der Normen, dem gesellschaftliche Verhaltenserwartungen untergeordnet sind, nimmt in den Interviews nur einen geringen Stellenwert ein (Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528). Dieser Bereich der Fremdbestimmung kann auf die Erwartungen innerhalb der Einrichtungen übertragen werden. Dies wird von einem Interviewpartner untermauert, der davon spricht, dass die Leistungsberechtigten in „[…] der Regel das sagen, was sie erwarten, was sie erwarten. Also, dieses Thema der Erwartungserwartungen ist bei Leuten, die stationär untergebracht sind, immer zu berücksichtigen.“ (Interview 4, Pos. 33). Ebenso wird betont, dass die Leistungsberechtigten ihr Verhalten den MitarbeiterInnen anpassen, um deren Regeln, Erwartungen sowie den herrschenden Normen und Werten gerecht zu werden (Interview 2, Pos. 7; Interview 5, Pos. 33). Der eigene Wille und die Selbstbestimmung werden dadurch erheblich eingeschränkt und die Fremdbestimmung zunehmend etabliert, da es schwierig ist, diese gefestigten Gedanken und Verhaltensweisen wieder rückgängig zu machen (Interview 3, Pos. 43; Interview 5, Pos. 25 & 33; Interview 6, Pos. 46; Interview 7, Pos. 27).
Der Bereich der entmündigenden Fachlichkeit hat in der besonderen Wohnform einen hohen Stellenwert. Es wird deutlich, dass die MitarbeiterInnen den Tagesablauf der Leistungsberechtigten planen. Dies beginnt bereits mit dem ungewollten Wecken um 6 Uhr morgens und der Festlegung der Essenszeiten (Interview 1, Pos. 25, 41 & 47; Interview 2, Pos. 5 & 19; Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528). Die MitarbeiterInnen planen nicht nur den Alltag, sondern auch die Freizeit der Leistungsberechtigten, sodass diese entgegen der Selbstbestimmung nur wenig Mitspracherecht haben. Die Freizeitgestaltung wird einerseits durch Situationen wie die Verlagerung der Körperhygiene in den Freizeitbereich, andererseits durch das Abhängigkeitsverhältnis beeinflusst. Insofern wird die Planung der Leistungsberechtigten hinfällig, wenn die MitarbeiterInnen keine Zeit und/oder Lust haben. Zudem bestimmen diese dann die Planung mit (Interview 1, Pos. 15 & 47; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 7, 11 & 17; Interview 4, Pos. 43; Interview 5, Pos. 9; Interview 6, Pos. 13). Die entmündigende Fachlichkeit wird auch deutlich, wenn den Leistungsberechtigten vorgeschrieben wird, was sie zu essen haben. Dabei besteht die Möglichkeit, dass die Art der Lebensmittel verweigert wird bzw. werden soll oder die Menge an Lebensmitteln bestimmt wird (Interviews 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 11 & 17; Interview 4, Pos. 29; Interview 5, Pos. 9 & 33; Interview 6, Pos. 7). Ein Interviewpartner betont, dass die Leistungsberechtigten in „[…] unsere Struktur […]“ eingefügt werden (Interview 2, Pos. 5). Diese Aussage kann mit der entmündigenden Fachlichkeit in Verbindung gebracht werden, da davon ausgegangen wird, dass die vorgegebene Struktur für alle Leistungsberechtigten die richtige ist. Zudem zeigt sich, dass dieser Interviewpartner seine Rolle als Assistenz und die damit verbundene Expertise viel mehr als entmündigende Fachlichkeit versteht und den Fokus eher auf Fremd- statt auf Selbstbestimmung legt. Untermauert wird dies durch die folgende Aussage:
„Ja irgendwann letztens, also vor ein paar Jahren, ist mir aufgefallen, dass ich mit meinen 20/21 Jahren dazu in der Lage, bin dem Bewohner der Mitte 70 ist die Entscheidung zu nehmen oder zu geben, ob er halt Körperhygiene betreiben kann in Form von Baden ne.“ (Interview 2, Pos. 5).
Der Bereich der sozialen Abhängigkeit ist in der Assistenz von Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform allgegenwärtig. Die Leistungsberechtigten befinden sich aufgrund ihrer Einschränkungen in einem Abhängigkeitsverhältnis und sind auf die Assistenz der MitarbeiterInnen angewiesen. Dies hängt von den Ressourcen der Leistungsberechtigten ab, sodass sie nicht immer in allen Lebensbereichen abhängig sind. Dennoch zeigt sich, dass alle Leistungsberechtigten auf eine gewisse Art und Weise auf die MitarbeiterInnen angewiesen sind. Dies hat zur Folge, dass Selbstbestimmung in der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe nicht vollständig und in allen Bereichen möglich ist (Interview 1, Pos. 7; Interview 2, Pos. 25; Interview 3, Pos. 23 & 57; Interview 4, Pos. 21-23 & 33; Interview 5, Pos. 17 & 33; Interview 6, Pos. 21; Drolshagen & Rothenberg 2001: 507 f.; Rothenberg 2001: 528; Staudhammer 2018: 25; Billen 2014: 102; Römisch 2019b: 133).
Die Analyse macht deutlich, dass Macht und Gewalt in der besonderen Wohnform eine große Rolle spielen und sich umfassend auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten auswirken. Die im theoretischen Rahmen beschriebenen Folgen der Fremdbestimmung, dass Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche von den Leistungsberechtigten selbst nicht wahrgenommen, unterdrückt oder nicht zurückhaltend geäußert werden, spiegeln sich in der Äußerung eines Interviewpartners wider. Dabei ist es möglich, dass sich die Leistungsberechtigten nicht trauen, Vorschläge zu machen oder um etwas zu bitten (Interview 5, Pos. 33; Klicker 2001b: 254). Zur Abkehr von der Fremdbestimmung und zur Stärkung der Selbstbestimmung ist es wichtig, dass die Leistungsberechtigten ein Gespür dafür entwickeln, ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen zu erkennen und zu benennen. Bei Bedarf gilt es, die Leistungsberechtigten im Rahmen der Assistenz zu unterstützen (Klicker 2001b: 254). Eine Interviewpartnerin hat aus diesem Grund eine Selbstvertretungsgruppe ins Leben gerufen, um die Leistungsberechtigten in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken. Letztendlich scheiterte der Versuch, diese Gruppe dauerhaft zu etablieren, an der fehlenden flächendeckenden Unterstützung in der Einrichtung (Interview 1, Pos. 15, 31, 47 & 57). Neben dem Versuch, eine solche Selbstvertretungsgruppe zu etablieren, gibt es weitere Präventions- und Interventionsmaßnahmen zum Schutz vor Macht und Gewalt, aber auch zur Stärkung der Selbstbestimmung.
Durch diese Analyse konnte jedoch ein erheblicher Ausbaubedarf festgestellt werden, da es teils wiederholt zu Machtmissbrauch und Gewalt durch dieselben MitarbeiterInnen kam. Es wurde deutlich, dass der Umgang und die Konsequenzen mit Macht und Gewalt in einigen Einrichtungen inkonsequent und ausbaufähig sind (Interview 1, Pos. 25 & 29; Interview 3, Pos. 39; Interview 5, Pos. 15, 25 & 29-31). Der Umgang mit solchen Vorfällen scheint dabei schwierig zu sein. Die Gründe dafür liegen zum einen in der Haltung der MitarbeiterInnen. Dabei zeigt sich, dass einige von ihnen keine entsprechende Haltung aufweisen oder diese innerhalb der Einrichtungen gekippt ist (Interview 1, Pos. 21, 33 & 63; Interview 2, Pos. 27; Interview 3, Pos. 13-15 & 45-47). Zum anderen ist es schwierig Vorfälle zu identifizieren, da diese oft in „[…] eins zu eins Situationen […]“ stattfinden (Interview 4, Pos. 19). Dies hat zur Folge, dass eine entsprechende Dokumentation zur Identifizierung notwendig ist, welche jedoch oft nur unzureichend durchgeführt wird (Interview 1, Pos. 33 & 49; Interview 2, Pos. 29; Interview 3, Pos. 25 & 47; Interview 4, Pos. 19; Interview 5, Pos. 13; Interview 7, Pos. 21). Weitere Problematiken treten beim Identifizieren von Machtmissbrauch auf. Einerseits ist es möglich, dass Macht als solche nicht erkannt wird. Andererseits ist es schwierig, Macht zu identifizieren, wenn sie unbeabsichtigt ist und teils keine böse Absicht verfolgt. Dennoch können diese auch negative Folgen haben, wie die Einschränkung des eigenen Willens (Interview 1, Pos. 25; Interview 3, Pos. 21; Interview 4, Pos. 19; Interview 5, Pos. 9). Auch hier ist der Umgang verbesserungswürdig, sodass der Wunsch nach entsprechend ausgebildetem und geschultem Personal, Bildung, Aufklärung, Fortbildungen und Supervision allgegenwärtig ist. Diese Aspekte können für Macht und Gewalt sensibilisieren, aber auch die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten stärker in den Vordergrund rücken (Interview 1, Pos. 63; Interview 3, Pos. 13 & 47; Interview 7, Pos. 69; Interview 2, Pos. 65). Die Analyse zeigt auch, dass durch eine entsprechende pädagogische, respektvolle und angemessene Kommunikation Vorfälle vermieden und die Selbstbestimmung gestärkt werden können (Interview 1, Pos. 37 & 47-49; Interview 2, Pos. 37; Interview 3, Pos. 15, 29 & 35; Interview 4, Pos. 9, 25, 29 & 33-35; Interview 5, Pos. 23-25; Interview 6, Pos. 29). Ebenso zeigt sich, dass das bekannte Problem des Personalmangels nach wie vor allgegenwärtig ist und die Ausübung von Macht und Gewalt massiv beeinflusst (BMAS 2021a: 14; Interview 1, Pos. 15 & 47-49; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 5, Pos. 9, 19, 23, 35 & 41).
Des Weiteren wird gefordert, dass Konsequenzen deutlicher und effektiver umgesetzt werden, da dies als Ursache für wiederholten Machtmissbrauch und/oder Gewalt identifiziert wurde. Die Strafverfolgung spielt bislang eine untergeordnete Rolle. Lediglich ein Interviewpartner berichtete von einer Strafverfolgung, die sogar zur Verurteilung führte. In einer anderen Einrichtung wurde bis zur Evaluation des Gewaltschutzkonzeptes die Strafverfolgung hingegen nicht thematisiert. Dabei wurde die Strafverfolgung meist aus Unsicherheit, Mangel an Beweisen und der Einschätzung, dass die Vorfälle nicht schwerwiegend genug waren, nicht in Anspruch genommen (Interview 1, Pos. 29 & 49-51; Interview 2, Pos. 41; Interview 3, Pos. 21, 27, 39 & 49; Interview 4, Pos. 35-37; Interview 5, Pos. 15, 25 & 29-31; Interview 7, Pos. 54). Um entsprechende Konsequenzen zu etablieren, ist es einerseits wichtig die MitarbeiterInnen über das Gewaltschutzkonzept und die Phänomene Macht und Gewalt aufzuklären. Die Analyse konnte zeigen, dass über die Hälfte der InterviewpartnerInnen das Gewaltschutzkonzept nicht kennen. Ebenso fehlt eine entsprechende Bildung über Macht- und Gewaltphänomenen, um diese zu erkennen. Andererseits müssen arbeitsrechtliche Konsequenzen konsequent umgesetzt werden und im Zweifelsfall MitarbeiterInnen entlassen werden, insbesondere wenn diese bereits mehrfach durch Machtmissbrauch und Gewalt aufgefallen sind (Interview 1, Pos. 29 & 59-63; Interview 2, Pos. 57 & 65; Interview 3, Pos. 13, 21, 27, 39 & 49; Interview 5, Pos. 21, 25, 31 & 37; Interview 7, Pos. 69). Die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten zu stärken, kann auch durch eine verstärkte Ambulantisierung der besonderen Wohnform erreicht werden. Begründet wird dies damit, dass viele der Macht- und Gewaltvorfälle auf strukturelle Gegebenheiten zurückzuführen sind, welche die MitarbeiterInnen nicht beeinflussen und verändern können (Interview 1, Pos. 31; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 23; Interview 4, Pos. 25, 33, 45 & 50; Interview 5, Pos. 9).
8. Fazit und Ausblick
Die Eingliederungshilfe in Deutschland gewinnt zunehmend an Bedeutung, da die Zahl der Leistungsberechtigten stetig steigt. Auch der Anteil der Leistungsberechtigten, die in Nordrhein-Westfalen in der besonderen Wohnform leben, ist auf einem gleichbleibend hohen Niveau (Statista 2023: o.S.; Statistisches Bundesamt 2023a: o.S.; BAGüS 2023: 13). In den letzten Jahren wurden vermehrt Gewaltdelikte innerhalb der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe öffentlich bekannt und in den Medien diskutiert, jedoch meist als Einzelfälle deklariert (Billen 2014: 95 f).
Ziel dieser Arbeit war es zu beleuchten, inwiefern die neutrale Machtbeziehung zu Machtmissbrauch führt und wann dieser in Gewalt umschlägt. Darüber hinaus wurde untersucht, welchen Einfluss Machtmissbrauch und Gewalt auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten haben. Als Grundlage für die Zielerreichung wurden die wichtigsten Begriffe sowie der theoretische Rahmen definiert, welcher das Konzept der Selbstbestimmung von Kennedy und Lewin, die Machtbasentheorie von French und Raven sowie das Gewaltdreieck nach Galtung umfasst. Zur Beantwortung der Forschungsfrage erwies sich die qualitative Forschung als zielführend. Hierzu wurden sieben Leitfadeninterviews mit MitarbeiterInnen der besonderen Wohnform geführt und mittels der qualitativ strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Alle sieben InterviewpartnerInnen arbeiten in der besonderen Wohnform in Nordrhein-Westfalen, genauer im Ruhrgebiet und im Rheinland. Bei den Trägern der Wohneinrichtungen ergibt sich ein homogenes Bild, da sechs der sieben InterviewpartnerInnen beim gleichen Träger, aber teilweise in verschiedenen Städten tätig sind. Die Geschlechterverteilung zeigt hingegen ein heterogenes Bild, da zwei Frauen und fünf Männer Teil der Stichprobe sind. Das Durchschnittsalter beträgt 37,86 Jahre und die mittlere Beschäftigungsdauer in der aktuellen Einrichtung beträgt 9,86 Jahre (siehe Tabelle 3).
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die anfangs als neutral angesehene Machtbeziehung zwischen den MitarbeiterInnen und den Leistungsberechtigten in der besonderen Wohnform meist in eine negative Machtbeziehung umschlägt. Dies deckt sich mit den von Staudhammer beschriebenen Annahmen. Es wurde deutlich, dass bereits einfache und alltägliche Situationen in der Assistenz von Macht und Gewalt geprägt sind und die notwendige Assistenz in den Hintergrund tritt. Die Analyse zeigt, dass fast alle Situationen von Machtmissbrauch zu Gewalt führen und sich dieser Übergang schleichend vollzieht. Daraus folgt, dass es zu Gewalthandlungen kommt, sobald eine negative Machtbeziehung und damit Machtmissbrauch in der Assistenz der besonderen Wohnform vorliegt. Gewalt in der Assistenz findet dabei sowohl direkt als auch strukturell statt. Die direkte Gewalt tritt dabei durch Gewalthandlungen im Bereich der psychischen, physischen und sexualisierten Gewalt, aktiven Vernachlässigung, freiheitsentziehende Maßnahmen und Einschränkung des eigenen Willens in Erscheinung. Bei der strukturellen Gewalt zeigt sich, dass noch immer die Strukturen innerhalb der besonderen Wohnform ein allgegenwärtiges Problem darstellen. Neben den Strukturen stellen insbesondere Zeit- und Personalmangel ein Problem dar (Interview 1, Pos. 13-15, 25, 29-31, 41 & 47-49; Interview 2, Pos. 5-7, 19, 23 & 35-39; Interview 3, Pos. 7, 11, 15-17, 25, 29, 35, 39 & 55; Interview 4, Pos. 9, 25, 29, 33-35 & 43; Interview 5, Pos. 5, 9, 13, 23-25, 29 & 33; Interview 6, Pos. 7, 13-15, 29 & 33; Interview 7, Pos. 11). Dabei deckt sich dies mit den dargestellten Befunden der Studie des IfeS und den Handlungsempfehlungen des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Die umfassenden Erfahrungen der InterviewpartnerInnen mit Machtmissbrauch und Gewalt zeigen zudem auf, dass Macht und Gewalt einen enormen Einfluss auf die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten haben. Dabei zeigt die Analyse, dass die Leistungsberechtigten innerhalb der besonderen Wohnform fremd- und nicht selbstbestimmt sind und leben. Untermauert werden kann dies dadurch, dass die unterschiedlichen Prinzipien und Werte der Selbstbestimmung maßgeblich eingeschränkt werden. Während eine eindeutige Einschränkung der Werte Freiheit und Verantwortung aufgezeigt werden konnte, kann die Einschränkung der Autonomie und Autorität nicht abschließend beurteilt werden. Dagegen werden die fünf Werte Respekt, Wahlmöglichkeiten, Eigentümerschaft, Unterstützung und Möglichkeiten in allen Lebensbereichen der Leistungsberechtigten eingeschränkt. Während verschiedene Situationen die Werte der Selbstbestimmung nicht ermöglichen, können sie jedoch den verschiedenen Bereichen der Fremdbestimmung zugeordnet werden. Es zeigt sich, dass alle Bereiche der Fremdbestimmung innerhalb der Einrichtungen der besonderen Wohnform präsent sind (Drolshagen & Rothenberg 2001: 503 & 507 f.; Rothenberg 2001: 528; Kennedy & Lewin 2004; o.S.; Interview 1, Pos. 5-7, 13-15, 25, 29-33, 41, 47-49 & 63-65; Interview 2, Pos. 5-7, 19, 23-27, 33 & 65; Interview 3, Pos. 7, 11, 15-17, 23, 29, 35, 43-47, 55 & 57; Interview 4, Pos. 9, 13, 21-25, 29, 33, 35, 43 & 55; Interview 5, Pos. 5, 9, 17, 25, 31 & 33; Interview 6, Pos. 7, 11-15, 21, 29, 33 & 46; Interview 7, Pos. 11, 17, 27, 43, 55 & 69). Folglich zeigt sich, dass die Leistungsberechtigten durch den Machtmissbrauch und Gewalthandlungen der MitarbeiterInnen zunehmend fremdbestimmt leben und es ihnen erschwert wird, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dabei ging hervor, dass die Einschränkung der kognitiven Ressourcen der Leistungsberechtigten Machtmissbrauch begünstigen kann. In diesem Zusammenhang hat die Analyse gezeigt, dass der Umgang mit Macht- und Gewaltstrukturen zunehmend professionalisiert werden muss. Dabei werden insbesondere der Haltungsarbeit, Achtsamkeit, Bildung und Kommunikation eine hohe Relevanz zur Reduktion von Machtmissbrauch und Gewalt sowie zur Stärkung der Selbstbestimmung zugeschrieben. Auch im Hinblick auf die Konsequenzen gilt es, diese auszubauen und eine klare, einheitliche Linie zu verfolgen. Ebenso gilt es, die existierenden Maßnahmen zur Prävention und Intervention zu überarbeiten und auszubauen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die MitarbeiterInnen besser aufzuklären und zu sensibilisieren, mehr Fortbildungen anzubieten, die Supervision zu etablieren und den Leistungsberechtigten mehr Raum zur Selbstvertretung zu geben. Zudem kann der Abbau von Strukturen und der Weg zur Ambulantisierung der Wohnformen dazu führen, dass Macht- und Gewaltausübungen in der besonderen Wohnform in Zukunft einen geringeren Stellenwert einnehmen (Interview 1, Pos. 31; Interview 2, Pos. 5 & 33; Interview 3, Pos. 7, 23 & 43; Interview 4, Pos. 9, 13, 25, 33, 45 & 50; Interview 5, Pos. 9 & 33; Interview 6, Pos. 11).
Die Limitation dieser Studie liegt in der geringen Anzahl von nur sieben Interviews und der Auswahl der InterviewpartnerInnen. Repräsentative Aussagen sind daher nicht möglich, waren aber auch nicht Ziel der Studie. Dennoch ist anzumerken, dass mehr Interviews zu umfassenderen Ergebnissen und vielfältigeren Perspektiven geführt hätten. Auch die Auswahl der InterviewpartnerInnen kann nicht als repräsentativ angesehen werden, da die Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme dazu führten, dass ein Teil der TeilnehmerInnen über bereits bestehende Kontakte gewonnen wurde. Die Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme lassen sich möglicherweise auf die klare Kommunikation des Themas zurückführen, da die Träger eventuell Bedenken hinsichtlich ihres Images hatten, obwohl Anonymität zugesichert wurde. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem zugrundeliegenden Forschungsdesign, da es mithilfe weiterer Methoden, wie einer quantitativen Befragung oder Beobachtungen, möglich gewesen wäre, zusätzliche Einblicke zu gewinnen und die Ergebnisse durch eine Vielzahl von Befragten zu stützen oder zu widerlegen.
Um die Ergebnisse zu validieren und zu erweitern, empfiehlt es sich, weitere Forschungen durchzuführen und eine größere Stichprobe zu verwenden. Darüber hinaus wäre es wichtig, die Perspektive der Leistungsberechtigten innerhalb der besonderen Wohnform zu berücksichtigen. Ebenso wäre eine Kombination verschiedener Methoden sinnvoll, um die Wirkung bestehender Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu überprüfen und zu evaluieren. Darüber hinaus ist eine Sensibilisierung und Enttabuisierung der Themen notwendig, um die Leistungsberechtigten dazu zu befähigen, macht- und gewaltfrei sowie selbstbestimmt zu leben.
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Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022a: 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen leben in Deutschland. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/06/PD22_259_227.html, (aufgerufen am 24.08.2023).
Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022b: Statistik der schwerbehinderten Menschen. Kurzbericht. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Behinderte-Menschen/Publikationen/Downloads-Behinderte-Menschen/sozial-schwerbehinderte-kb-5227101219004.pdf?__blob=publicationFile, (aufgerufen am 25.08.2023).
Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023a: 1 000 525 Personen erhielten 2022 Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Sozialhilfe/eingliederungshilfe.html, (aufgerufen am 02.11.2023).
Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023b: Empfänger von Eingliederungshilfe: Deutschland, Jahre, Geschlecht, Altersgruppe, Leistungsart. https://www-genesis.destatis.de/datenbank/beta/statistic/22161/table/22161-0001, (aufgerufen am 02.11.2023).
Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023c: Empfänger von Eingliederungshilfe: Bundesländer, Jahre, Geschlecht, Altersgruppen. https://www-genesis.destatis.de/datenbank/beta/statistic/22161/table/22161-0010, (aufgerufen am 02.11.2023).
Staudhammer, M., 2018: Prävention von Machtmissbrauch und Gewalt in der Pflege. Berlin: Springer-Verlag GmbH.
Tauchert, N., 2019: Erste Erfahrungen mit dem BTHG aus der Sicht betroffener Menschen. Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit (1): 32-37.
Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen in Nordrhein-Westfalen (ÜAG NRW), o.J.: Freiheitserhaltende und freiheitsentziehende Maßnahmen bei pflegebedürftigen Menschen. https://www.lbbp.nrw.de/system/files/media/document/file/uag_handreichung-zur-thematik-freiheitserhaltende-und-freiheitsentziehende-massnahmen-bei-pflegebedurftigen-menschen.pdf, (aufgerufen am 21.10.2023).
Waldschmidt, A., 2003: Selbstbestimmung als behindertenpolitisches Paradigma – Perspektiven der Disability Studies. Aus Politik und Zeitgeschichte (8): 13-20.
Weber, M., 2002: Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie. 5. Revidierte Auflage, Studienausgabe. Tübingen: Mohr.
Wenzel, A., 2021: Behinderte in Potsdam getötet. Mordprozess bringt schlimme Details zutage. https://www.n-tv.de/panorama/Mordprozess-bringt-schlimme-Details-zutage-article22889629.html, (aufgerufen am 25.08.2023).
Wegener, A., 2023: STAATSANWALT NENNT DAS VERGEHEN „GERINGFÜGIG“ Pfleger fesselt behinderten Johannes (22) ans Bett. Bundestagsabgeordneter spricht von Behindertenfeindlichkeit. https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/essen-pfleger-fesselte-behinderten-ans-bett-verfahren-eingestellt-83278428.bild.html, (aufgerufen am 10.08.2023).
World Health Organization (WHO), 2023: Disability. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/disability-and-health, (aufgerufen am 21.09.2023).
Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), 2015: Gewalt in der Pflege. ZQP-Themenreport. Berlin: Zentrum für Qualität in der Pflege.
Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), 2022: Gewalt vorbeugen. Praxistipps für den Pflegealltag. 5., leicht geänderte Auflage. Berlin: Zentrum für Qualität in der Pflege.
Anhang
Anmerkung der Redaktion: Die Transkripte mussten aus datenschutzrechtlichen Gründen leider entfernt werden.
Anhang 1: Interviewleitfaden
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Anhang 2: Erhebung der Soziodemografischen Daten
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Anhang 3:Offizielles Anschreiben
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dieser E-Mail möchte ich Sie um Ihre Unterstützung für meine Masterarbeit bitten und würde mich über eine Weiterleitung an die MitarbeiterInnen der [### Nennung des Trägers und der Stadt bzw. des Stadtverbundes] freuen.
Ich studiere an der Universität Duisburg-Essen den Master der Soziologie und befinde mich in der Vorbereitung meiner Masterarbeit. Diese soll sich mit dem Themenkomplex der Macht- und Gewaltstrukturen im stationären Wohnen der Eingliederungshilfe beschäftigen. Im Rahmen meiner Masterarbeit sollen voraussichtlich Machtasymmetrien, das Verständnis von Gewalt und der Umgang mit Gewalt thematisiert werden. Ziel meiner Arbeit ist es, Macht- und Gewaltstrukturen im stationären Wohnen der Eingliederungshilfe soziologisch zu betrachten und dieses wichtige Thema empirisch zu untersuchen, um diesem mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Die angestrebte Methode der Masterarbeit sind Interviews, welche empirisch ausgewertet werden. Die Ergebnisse der Interviews werden selbstverständlich ausschließlich anonymisiert verarbeitet und vertraulich behandelt. Rückschlüsse auf Ihre Person sind nicht möglich. Um auch die Anonymität der Wohneinrichtungen zu gewährleisten, wird nicht erfasst, in welchem Wohnhaus die InterviewteilnehmerInnen tätig sind.
Wie lange dauert ein Interview?
Die konkrete Dauer ist noch unklar, da der Interviewleitfaden noch nicht final erstellt wurde und dies auch vom individuellen Redefluss abhängt. Angestrebt ist eine maximale Dauer von 45-60 Minuten.
Wer nimmt teil?
MitarbeiterInnen aus dem stationären Wohnen.
Wo werden diese durchgeführt?
Hier ist einiges an Gestaltungsspielraum möglich. Die Interviews können zum einen Face-to-Face, an einem unabhängigen Orten durchgeführt werden. Zum anderen sind auch Telefoninterviews oder Interviews über Zoom oder Microsoft Teams möglich.
Worum soll es gehen?
Machtasymmetrien
Das Verständnis von Gewalt: u.a. welche Formen von Gewalt gibt es, was wird als Gewalt verstanden?
Umgang mit Gewalt: u.a. Beobachtung von Gewalt während der Arbeit, Sanktion von Gewalt.
Hinweis: Die Themen werden im Laufe der nächsten Wochen genauer spezifiziert und es ist möglich, dass nicht alle aktuell angestrebten Aspekte behandelt werden können.
Was passiert mit den Daten?
Transkribierung und Auswertung im Rahmen meiner Masterarbeit, ohne Rückschlüsse auf einzelne Personen zuzulassen. Es geht nicht darum, individuelle Ergebnisse einer Person zu betrachten, sondern alle Ergebnisse mit soziologischen Theorien in Verbindung zu setzen. Die Daten werden auf einer externen Festplatte gespeichert und sind nur mir zugänglich.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie als InterviewpartnerInnen gewinnen könnte. Die Interviews sollen voraussichtlich im Zeitraum von April bis Juni 2023 stattfinden. Die genaue Terminierung wird im Laufe der nächsten Wochen stattfinden und kann individuell besprochen werden.
Für Fragen und weitere Informationen oder zur Vereinbarung eines Telefontermins stehe ich Ihnen gerne unter den angegebenen E-Mail-Adressen zur Verfügung:
Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Anhang 4: Flyer für das Berufskolleg
[Diese Abbildung ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Anhang 5: Einwilligungserklärung
Einwilligungserklärung
Ich wurde darüber informiert, dass Frau Annalena Krzysanowski als Studentin an der Universität Duisburg-Essen im Rahmen ihrer Masterarbeit des Fachs Soziologie, eine Untersuchung zur Thematik Macht- und Gewaltstrukturen in der besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe durchführt.
Ich erkläre hiermit, dass ich an diesem Interview teilnehmen möchte und damit einverstanden bin, dass das Interview zum Zweck der Transkription aufgezeichnet wird. Nach den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis werden die Aufnahmen und Transkripte für zehn Jahre auf einer externen Festplatte archiviert. Personenbezogene Daten werden nicht zusammen mit den Aufnahmen und Transkripten gespeichert.
Ich wurde darüber informiert, dass die über mich erhobenen Daten ausschließlich anonymisiert verarbeitet werden. Alle Angaben werden vertraulich behandelt. Rückschlüsse auf meine Person, sowie die Einrichtung, in welcher ich tätig bin, sind nicht möglich.
Die gegebenen Informationen werden nur für diese Masterarbeit verwendet und nicht für weitere Zwecke genutzt.
Mir ist bewusst, dass meine Teilnahme an dem Interview freiwillig ist und ich ohne negative Folgen die Teilnahme abbrechen kann. Es steht mir zudem frei, einzelne Fragen des Interviews nicht zu beantworten. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, ohne dass dies einer Begründung bedarf und ohne das mir darauf Nachteile entstehen.
Datum: ___________________ Unterschrift:
__________________________
Name: __________________________________
Vorname: __________________________________
Geburtsdatum: ________________________________ __
Anhang 6: Definitionen der Subkategorien
[Diese Tabelle ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Anhang 7: Kriteriender internen Studiengüte
[Diese Abbildung ist nicht in der Leseprobe enthalten]
Anhang 8: Postskripte
Interview B1:
- sehr nett und aufgeschlossen
- Interview durch Verspätung der Interviewpartnerin später gestartet
- Angenehme und entspannte Atmosphäre
- Interviewpartnerin hat sich sehr viel Zeit genommen
- Unterbrechung durch Zoom, was jedoch nichts an der Interviewsituation geändert hat
- Ausgiebiges Gespräch nach dem eigentlichen Interview
Interview B2:
- sehr nett
- Angenehme und entspannte Atmosphäre
- Zwischending zwischen Zeit nehmen und kurz angebunden sein
Interview B3:
- sehr nett und aufgeschlossen
- Angenehme und entspannte Atmosphäre
- Interviewpartnerin hat sich sehr viel Zeit genommen
- Sehr offenes Gespräch
- Ausgiebiges Gespräch nach dem eigentlichen Interview
Interview B4:
- sehr nett und aufgeschlossen
- Angenehme und entspannte Atmosphäre in den Räumlichkeiten
- Baustelle leider direkt am/im Gebäude
Interview B5:
- sehr nett und aufgeschlossen
- Atmosphäre in dem Café war entspannt und durch eine ruhige und leere Ecke war die Privatsphäre gewährleistet
- Interviewpartner hat sich sehr viel Zeit genommen
- Sehr offenes und entspanntes Gespräch
Interview B6:
- sehr nett
- Chaotische aber ruhige Atmosphäre in den Räumlichkeiten der Einrichtung
- Interviewpartner wirkte sehr kurz angebunden und gestresst
Interview B7:
- sehr nett
- Angenehme und ruhige Atmosphäre in den Räumlichkeiten der Einrichtung
- Einmal durch das Telefon des Interviewpartners unterbrochen
- Interviewpartner wirkte sehr kurz angebunden und gestresst
-
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