Heinrich Heines Essay Reise von München nach Genua entstand 1828 bereits während seiner Reise nach Italien. Heine reist von München über Innsbruck, Brixen, Trient, Ala, Verona, Brescia, Mailand bis nach Genua. Der Text schließt einerseits an die traditionelle fiktionale und nicht-fiktionale Reiselite-ratur der Zeit an, um andererseits diese wieder aufzubrechen und neu zu ver-binden. Ganz im Sinne von August Wilhelm Schlegels Universalpoesie bleibt Heines Essay immer wieder fragmentarisch. Auf diese Weise erreicht Heine eine neue Offenheit. Er verschiebt den Blickwinkel des erzählenden Ichs, weg vom erlebenden, reisenden Ich, hin zum Ich mit Blick auf Italien selbst. Nicht mehr die persönliche Reiseerfahrung steht im Vordergrund, sondern das Land Italien. Die vorliegende Hausarbeit Heinrich Heines „Reise von München nach Genua“ – Eine Reise von der Tradition zur Utopie legt in einem ersten Schritt Heines Italien-Darstellung, einerseits das Land Italien, andererseits die Stadt Genua, offen. In einem weiteren Schritt soll die Utopie und Poesie in Heines Italienbild auf dieser ersten Etappe seiner Italienreise herausgestellt werden, um zu zeigen, dass Heine die Reiseliteratur seiner Zeit an deren Ende führt und mit denselben Mitteln dieser traditionellen Reiseliteratur einen Blick auf seinen utopischen Standpunkt freilegt und in diesem Sinne zukunftsweisend ist. Mit den Stilmitteln der Romantik, Ironie, Witz und Sarkasmus, verzerrt bis ins Groteske, erreicht Heine eine Flexibilität, die die traditionelle Reiseschilderung übersteigt. Satirisch-ironisch erhebt sich Heine über die Traditionen seiner Zeit und verbindet Fiktionales mit Nicht-Fiktionalem, Reflektionen und Träume, Erlebtes und Erfundenes, Persönliches und Öffentliches. Auf diese Weise nimmt Heine die Position des zeitgenössischen, scharfen Kritikers ein, darum bemüht das Philistertum aufzudecken und zu überwinden, indem er eine neue Anschlussfähigkeit aufzeigt, durchdringt und in der fragmentarischen Darstel-lung stringent ausbaut.
Inhaltsverzeichnis:
I. Einleitung
II. Heines Darstellung Italiens
1. Das Land Italien
2. Die Stadt Genua
III. Utopie und Poesie in Heines Italienbild
1. Italien – Paradies und Heimat der Kunst
2. Romantisierung des Italienbildes
IV. Schluss
V. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Heinrich Heines Essay Reise von München nach Genua entstand 1828 bereits während seiner Reise nach Italien. Heine reist von München über Innsbruck, Brixen, Trient, Ala, Verona, Brescia, Mailand bis nach Genua. Der Text schließt einerseits an die traditionelle fiktionale und nicht-fiktionale Reiseliteratur der Zeit an, um andererseits diese wieder aufzubrechen und neu zu verbinden. Ganz im Sinne von August Wilhelm Schlegels Universalpoesie bleibt Heines Essay immer wieder fragmentarisch. Auf diese Weise erreicht Heine eine neue Offenheit. Er verschiebt den Blickwinkel des erzählenden Ichs, weg vom erlebenden, reisenden Ich, hin zum Ich mit Blick auf Italien selbst. Nicht mehr die persönliche Reiseerfahrung steht im Vordergrund, sondern das Land Italien. Die vorliegende Hausarbeit Heinrich Heines „Reise von München nach Genua“ – Eine Reise von der Tradition zur Utopie legt in einem ersten Schritt Heines Italien-Darstellung, einerseits das Land Italien, andererseits die Stadt Genua, offen. In einem weiteren Schritt soll die Utopie und Poesie in Heines Italienbild auf dieser ersten Etappe seiner Italienreise herausgestellt werden, um zu zeigen, dass Heine die Reiseliteratur seiner Zeit an deren Ende führt und mit denselben Mitteln dieser traditionellen Reiseliteratur einen Blick auf seinen utopischen Standpunkt freilegt und in diesem Sinne zukunftsweisend ist. Mit den Stilmitteln der Romantik, Ironie, Witz und Sarkasmus, verzerrt bis ins Groteske, erreicht Heine eine Flexibilität, die die traditionelle Reiseschilderung übersteigt. Satirisch-ironisch erhebt sich Heine über die Traditionen seiner Zeit und verbindet Fiktionales mit Nicht-Fiktionalem, Reflektionen und Träume, Erlebtes und Erfundenes, Persönliches und Öffentliches. Auf diese Weise nimmt Heine die Position des zeitgenössischen, scharfen Kritikers ein, darum bemüht das Philistertum aufzudecken und zu überwinden, indem er eine neue Anschlussfähigkeit aufzeigt, durchdringt und in der fragmentarischen Darstellung stringent ausbaut.[1]
II. Heines Darstellung Italiens
Die „Reise von München nach Genua“ gliedert sich in 34 Kapitel, die durchnummeriert sind und sie beginnt mit einer Philistersatire, um dann in Kapitel V endlich den Übergang zur Reise zu finden. Der Dichter gesteht, er wolle bald nach Italien reisen und erntet von dem Philister ein Tirily. Dieses Tirily ist eines von vielen Leitmotiven innerhalb des Werks. Sie verbinden einzelne Szenen miteinander und wollen durch Verkürzung und Verdichtung Neues beim Leser wachrufen. Die Wiederaufnahme charakteristischer Sätze, Symbole und Bilder werden oft zu Leitideen erweitert. Auf diese Weise drückt Heine dann seine Kunst- und Weltanschauung aus.[2] Die „Reisebilder“ beziehen sich somit auf die Widersprüche der deutschen Gesellschaft, sie repräsentieren die restaurative Ideologie. Der Charakter der italienischen Politik entzieht sich auf objektiver Seite durch den Mangel an Öffentlichkeit dem Auge des Dichters. Ein subjektiver Mangel ergibt sich durch die fehlenden Sprachkenntnisse Heines. Deutschland tritt nur in seiner negativen Form in Erscheinung, beispielsweise als frostiges Deutschland, das dem schönen Italien gegenübergestellt wird.[3]
„Tirili! Tirili! ich lebe! Ich fühle den süßen Schmerz der Existenz, ich fühle alle Freuden und Qualen der Welt, ich leide für das Heil des ganzen Menschengeschlechts, ich büße dessen Sünden, aber ich genieße sie auch.“[4]
Mit dieser sozialen Tendenz und humanem Engagement tritt der Dichter nun die eigentliche Reise an.
1. Das Land Italien
Heine reist, um zu reisen. Er sucht in Italien nicht, wie Goethe, nach der Herrlichkeit der Antike. So steht für ihn das Gegenwärtige im Vordergrund. Der Dichter nimmt die Position eines vielseitig interessierten Beobachters ein, der sich über möglichst viele Verhältnisse in Italien informieren will. So gilt sein besonderes Interesse den Menschen, weniger den Bauwerken oder den Museen. Er ist nicht auf der Suche nach Objektivität, er sucht den Effekt, den die vermeintliche Objektivität auf ihn hat. Heines Interesse richtet sich auf das gegenwärtige Italien, nicht das Italien der Antike. Das Poetische und Ideologische steht für Heine im Vordergrund. Heines Erlebnisse werden innerhalb des Essays zu Anekdoten. In Szenen der Begegnung wie die der Obstfrau auf dem Marktplatz von Trient, dem Bauern in Ala oder die Harfnerin lässt Heine seinen Gefühlen und Gedanken freien Lauf. Vergänglichkeit und Sterblichkeit nimmt er in Gebäuden wie in Menschen wahr. Heine sieht den ständigen Wechsel im Gegensatz zum Ewigen, das für ihn keine Berechtigung hat. Alles wird einer kritischen Reflexion unterworfen.[5]
Heines Darstellung Italiens ist auf formaler und semantischer Ebene fragmentarisch. Er nutzt verschiedene Wahrnehmungsmodelle und verschiedene Typen des Reiseberichts, die wiederum fragmentarisch benutzt werden, um Neues zu generieren. Heine bedient sich der alten europäischen Denkfigur des Nord-Süd-Gegensatzes, die auf die Antike zurückweist. Binäre Opposition bilden hier Deutschland und Italien, als das Land der Undeutschen. Der Nord-Süd Gegensatz beginnt bereits in Deutschland selbst, wenn Heine zu Beginn seines Essays Berlin und München in eine binäre Opposition stellt. Der Ich-Erzähler steht in einem Streitgespräch einem Berliner gegenüber. Heine bedient sich hier eines traditionellen Klischeebildes. München bildet den Gegenpol zu Berlin und wird als heiter und lebendig dargestellt. Dieser Gegensatz teilt die Identität des Ich-Erzählers, der zweifelsfrei Deutscher ist, doch weder dem Norden, noch dem Süden eindeutig zuzuordnen ist. Die Erzählfigur oszilliert so immer zwischen beiden Polen, dem Norden und dem Süden. Der Erzähler macht somit München zum Südpol der Heimat und zum Nordpol für die Reise nach Italien. Der Erzähler stellt somit das Prinzip des Nord-Süd-Gegensatzes in Frage und offenbart dessen implizite Aporie, der Gegensatz ist immer eine Frage des Standortes und der eigenen Definition. Mit dieser Aporie ist dem Erzähler unmöglich zu entscheiden, ob nun Tirol bereits Italien ist oder nicht. Mit dieser Oszillation am Beispiel Tirols gelingt es Heine zweimal in Italien und damit im Süden anzukommen[6]:
„[…] ein deutscher Schriftsteller war eben dieser Meinung, als er in Südtirol, wo Italien beginnt […]“[7]
„Befangen von solchen Träumen, selbst ein Traum, kam ich nach Italien“[8]
Heine verwischt die Grenzen zwischen Norden und Süden und ist immer auf der Suche nach dem Norden auch im Süden. Er hebt die Statik der Opposition auf, so dass weder Deutschland noch Italien eindeutig zugeordnet werden können, Differenzen werden durch Übereinstimmungen gemildert und machen eine Annäherung möglich. Die Reise geht nach Süden, indem sich der Ich-Erzähler an eine chronologisch geordnete Reihung der einzelnen Reiseorte hält. Mit den Orten wechseln die jeweiligen Figuren, denen das erzählende Ich begegnet. Die Orte treten in den Vordergrund, der durchschrittene Raum findet fast keinerlei Beachtung. Der Erzähler schildert stets die Lage der Orte, die typischen Bauten und wendet sich dann persönlichen Begegnungen zu. Die strukturale Ebene des Essays ist konventional für Reiseberichte, die Originalität spielt sich auf der Inhalts-Ebene ab. Während der Reise verwandelt sich die Landschaft und wird stetig eine südlichere. Die Intention liegt der, der empfindsamen Reise zugrunde. Der Traum der Sehnsucht eines fremden Ortes soll dem Betrachter die Möglichkeit geben sie mit der Realität abzugleichen. Doch auch hier stellt Heine die Gültigkeit der empfindsamen Reise in ihren Landschaftsbildern in Frage. Die subjektive Befindlichkeit des Ichs steht zur Disposition. Die Harmonie zwischen Betrachter und Betrachtetem wird übersteigert dargestellt, die Spiegelfunktion wird durchlässig, der Spiegel reflektiert nicht mehr, er lässt den Blick frei auf die Realität. Dennoch hält der Ich-Erzähler am empfindsamen Reisebericht fest. Zweifel steigen erst mit der Kritik an Goethe auf. Der Ich-Erzähler kann seine Empfindungen nicht einem idealistischen Konzept unterwerfen. Dies macht eine Bindung an die Kindheit des Ich-Erzählers notwendig, die schon in den Eingangskapiteln des Essays eingeführt wurde. Je weiter der Erzähler nach Süden kommt, umso mehr vernachlässigt er den Natur und Landschaftsbezug. Mit abnehmender Bedeutung der Landschaft, steigt das Interesse des Ich-Erzählers an den Städten Italiens, die nun in den Vordergrund rücken und die Reise zu einer Bildungsreise werden lassen. So ist Heines Reiseroute mit der von Goethe bis Verona identisch, um sich dann abzuwenden und nach Genua zu reisen. Die Bildungsreise wird bei Heine zum bloßen Ritual, als er den Ort Brescia beschreibt, jedoch selbst die Zeit mit Essen verbracht hat[9]:
„Von Brescia selbst weiß ich wenig zu erzählen, indem ich die Zeit meines dortigen Aufenthalts dazu benutzte, ein gutes Pranzo einzunehmen.[…] Doch war ich gewissenhaft genug, […] einige Notizen über Brescia vom Cameriere zu erfragen […]“[10]
Die Bildungsreise entgleist somit zu einer Bildungsreise auf Abwegen, weg vom bildungsbürgerlichen Kanon, hin zu einer neuen Betrachtungsweise. Bauwerke bleiben oftmals unbenannt und werden vom Erzähler auf eine sehr banale, ironische Art und Weise beschrieben.
[...]
[1]Vgl. Woltersdorff, Stefan: Articles – Konkurrierende Wahrnehmungsmuster in Heinrich Heines Reisebildern aus Italien. In: Recherches germanique, Strasbourg: Université Marc Bloch 2000, Heft 30, S. 17 – 46
[2] Vgl. Link, Manfred: Der Reisebericht als literarische Kunstform von Goethe bis Heine. Köln: Universität 1963, S. 150-151
[3] Vgl. Allenspach, Peter: Heinrich Heines “Reisebilder”. Kritisch-utopische Struktur und literarische Reflexion. Clausthal 1977, S. 121
[4] Heinrich Heine: Reise von München nach Genua. In: Ders.: Sämtliche Werke. Neue Ausgabe in 4 Bänden. Augsburg: Bechtermünz Verlag 1998. 2. Bd., S. 469
[5] Vgl. Hermand, Jost: Der frühe Heine. Ein Kommentar zu den „Reisebildern“. München: Winkler Verlag 1976, 132-141
[6] Vgl. Woltersdorff: Articles, S. 17 – 21
[7] Heine: Reise von München nach Genua, S. 480
[8] Heine: Reise von München nach Genua, S. 481
[9] Vgl. Woltersdorff: Articles, S. 21-31
[10] Heine: Reise von München nach Genua, S. 502
- Citar trabajo
- Silvia Schmitz-Görtler (Autor), 2010, Heines Reise von München nach Genua, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146387
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