Spätestens seit dem 11. September 2001 und den Anschlägen auf das World Trade Center in New York haben Themen der Politisierung von Religion oder der „religiösen Aufladung der Politik“ wieder Hochkonjunktur. Die Lage im Irak-Krieg wird durch die sich intensivierende ethnisch-religiöse Gewalt immer prekärer. Auch weitere Krisenherde auf der Welt, wie zum Beispiel der Nah-Ost Konflikt stehen in Verbindung mit einer neuen Intensität der religiösen Einstellungen. Gerade in Hinblick auf die letzten Entwicklungen der internationalen Politik wir das Thema der religiösen Politisierung zunehmend wichtiger. Vor allem in den USA sowie in den islamischen Ländern konnten fundamentalistische Bewegungen einen kaum erwarteten Machteinfluss gewinnen und sich politisch instrumentalisieren.
Religionen zählen zu den wichtigsten geistigen Antriebs- und Bewegungskräften der Gesellschaft und stehen in vielfältigen Wechselwirkungen mit der Politik. Nachdem „moderne“ Errungenschaften wie Säkularisierung und generell der Fortschrittglauben in weiten Teilen der Welt ihre Attraktivität wieder verloren haben, ist der Einfluss der Religionen auf alle Lebensbereiche wieder gestiegen. Dabei erlangen insbesondere in den islamischen Ländern und in den USA zunehmend fundamentalistische Bewegungen politische Macht und versuchen ihre Ziele expansiv und aggressiv auszubreiten (Woyke 2008: 363). Es kann von einer „Renaissance der Weltreligionen“ gesprochen werden, welche eine Wiedererwachung der Religionen als Akteure der Politik impliziert. Fast schon eine Ausnahme bildet Europa. Hier ist die Prägekraft der religiösen Haltungen auf die politischen Einstellungen in weiten Teilen zurückgegangen und das Prinzip des Laizismus, also die Trennung von Kirche und Staat, hat sich überwiegend durchgesetzt. Bekannt wurde die Idee der „Rückkehr“ der Weltreligionen bereits 1993, als Samuel Huntington in seinem Aufsatz „Clash of Civilizations“ (dt.: Kampf der Kulturen) (Huntington 1993: 22) schien, diese kulturell-religiöse Konfliktdynamik vorhergesehen zu haben. Er diagnostizierte eine neue Epoche der Weltpolitik nach dem Ende des kalten Krieges, die mit einem allgemeinen Aufschwung von Religionen und internationalen politischen Konflikten entlang kultureller, ethnischer und religiöser Bruchlinien einhergehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fundamentalismus
2.1 Der islamische Fundamentalismus
2.2 Der christliche Fundamentalismus
3 Religiöser Fundamentalismus und die Rolle Europas
4 Schlussbetrachtung
1 Einleitung
Spätestens seit dem 11. September 2001 und den Anschlägen auf das World Trade Center in New York haben Themen der Politisierung von Religion oder der „religiösen Aufladung der Politik“ (Spohn 2008: 9) wieder Hochkonjunktur. Die Lage im Irak-Krieg wird durch die sich intensivierende ethnisch-religiöse Gewalt immer prekärer. Auch weitere Krisenherde auf der Welt, wie zum Beispiel der Nah-Ost Konflikt stehen in Verbindung mit einer neuen Intensität der religiösen Einstellungen. Gerade in Hinblick auf die letzten Entwicklungen der internationalen Politik wir das Thema der religiösen Politisierung zunehmend wichtiger. Vor allem in den USA sowie in den islamischen Ländern konnten fundamentalistische Bewegungen einen kaum erwarteten Machteinfluss gewinnen und sich politisch instrumentalisieren.
Religionen zählen zu den wichtigsten geistigen Antriebs- und Bewegungskräften der Gesellschaft und stehen in vielfältigen Wechselwirkungen mit der Politik. Nachdem „moderne“ Errungenschaften wie Säkularisierung und generell der Fortschrittglauben in weiten Teilen der Welt ihre Attraktivität wieder verloren haben, ist der Einfluss der Religionen auf alle Lebensbereiche wieder gestiegen. Dabei erlangen insbesondere in den islamischen Ländern und in den USA zunehmend fundamentalistische Bewegungen politische Macht und versuchen ihre Ziele expansiv und aggressiv auszubreiten (Woyke 2008: 363). Es kann von einer „Renaissance der Weltreligionen“1 gesprochen werden, welche eine Wiedererwachung der Religionen als Akteure der Politik impliziert. Fast schon eine Ausnahme bildet Europa. Hier ist die Prägekraft der religiösen Haltungen auf die politischen Einstellungen in weiten Teilen zurückgegangen und das Prinzip des Laizismus, also die Trennung von Kirche und Staat, hat sich überwiegend durchgesetzt. Bekannt wurde die Idee der „Rückkehr“ der Weltreligionen bereits 1993, als Samuel Huntington in seinem Aufsatz „Clash of Civilizations“ (dt.: Kampf der Kulturen) (Huntington 1993: 22) schien, diese kulturell-religiöse Konfliktdynamik vorhergesehen zu haben. Er diagnostizierte eine neue Epoche der Weltpolitik nach dem Ende des kalten Krieges, die mit einem allgemeinen Aufschwung von Religionen und internationalen politischen Konflikten entlang kultureller, ethnischer und religiöser Bruchlinien einhergehen. Dazu kommt die mit der Globalisierung im Zusammenhang stehende Tendenz des Westens, seine Übermacht „gegen den Rest der Welt auszuspielen“ (Spohn 2008: 10) und somit anti-westliche Reaktionen in anderen Zivilisationen auszulösen. Seine Thesen haben jedoch bekanntermaßen nicht nur positive Kritik ausgelöst und es entstand eine Debatte um die Rede vom Kulturkampf und der Bedeutung der Religionen. Allerdings kann an einer sich zunehmend verbreitenden Mobilisierung von religiös-politischen Bewegungen in den meisten Teilen der Welt kein Zweifel sein. Dabei scheint Europa als beinahe einziger Ort, an dem die Zahl der Kirchenanhänger und Gläubigen zurückgeht, während sich vor allem das Christentum in Lateinamerika, Afrika und Asien zunehmend ausbreitet. Das Phänomen der Revitalisierung und Politisierung der Religion wurde vor allem mit Säkularisierungsthesen sowie mit dem Modernisierungsparadigma2 zu erklären versucht (Woyke 2008: 565 f.). Dazu galt bisher die Annahme, dass Modernisierungsprozesse mit einer Säkularisierung in Form einer strukturellen Differenzierung von Religion und Staat (Laizismus), eines kulturellen Bedeutungsverlusts der von Religion beziehungsweise einer „Individualisierung oder Privatisierung von Religion“ (Spohn 2008: 12) verbunden sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, dass gerade das Erstarken fundamentalistischer Strömungen als unerwartet gesehen und als „Rückkehr“ bezeichnet wurde. In der folgenden Arbeit soll anhand des Hintergrunds der Revitalisierung von Weltreligionen vor allem das Phänomen des Fundamentalismus beschrieben werden, wobei das Hauptaugenmerk auf islamischen und christlichen Fundamentalismus gelegt wird. Des Weiteren wird versucht, die Rolle Europas im Zusammenhang mit dem Wiedererwachen der Weltreligionen und den neuen fundamentalistischen Bewegungen zu beschreiben und einzuordnen.
2 Fundamentalismus
Unter dem Begriff Fundamentalismus versteht man eine Ideologie, dass heißt eine religiöse oder weltanschauliche Strömung mit absoluten Wahrheits- und Überlegenheitsanspruch. Das Ziel des religiösen Fundamentalismus ist die Rückbesinnung auf die Wurzeln der Religionen sowie das strikte Festhalten an religiösen Dogmen, wobei die Interpretationsbedürftigkeit religiöser Quellen verneint wird (Schluchter 2003: 16). Der Begriff Fundamentalismus prägte sich im frühen 20. Jahrhundert in den USA zur Bezeichnung einer Allianz orthodoxer protestantischer Gruppen, die gegen moderne Phänomene wie Bibelkritik und allgemein den Sittenverfall in säkularen Grol3städten kämpften. Aus dem daraus resultierenden mehrbändigen Monumentalwerk ‚The Fundamentals’ leitet sich die heutige Bezeichnung Fundamentalismus ab (Riesebrodt 2001: 11). Es richtete sich gegen die „durch forcierte Industrialisierung eingeleiteten Bewegungen der Liberalität, Mobilität und Pluralität, denen gegenüber die unbedingte Geltung traditioneller Glaubenssätze, heiliger Texte [...] begründungspflichtig werden“ (Alkier/Deuser/Linde 2005: 6). Der mit dem Modernisierungsparadigma zusammenhängende ‚moralische Verfall’ wurde als unerträglich empfunden und durch den unbedingten Geltungsanspruch der Religion eine weltanschaulich-politische Gegenbewegung aktiviert (ebd.).
In den 1980er Jahren folgte schliel3lich die eigentliche Karriere des Begriffs. Nach dem Sturz des Schah von Persien und der unerwarteten Machtübernahme durch den schiitischen Klerus in Teheran, wurde er insbesondere von westlichen Medien verwendet (Trautner 1995: 230). Mittlerweile wird er auch durch konfessionsgebundene (‚Islamismus’) oder konfessionsneutrale Termini beschrieben (‚religiöse Revitalisierung’) (ebd.). Inzwischen wird der Begriff des Fundamentalismus in der öffentlichen Diskussion auf alle Religionen, Weltanschauungen und politische Erlösungsversprechen ausgeweitet, die sich der Modernität mit aller Macht widersetzen. Somit lässt sich Fundamentalismus im Allgemeinen auch definieren wie folgt: „Insbesondere in den USA, in Israel und in vielen islamischen Ländern haben religiöse Einstellungen wieder eine neue Intensität erlangt und Politik wird direkt und rigoros unter simplifizierende religiöse Kategorien subsumiert (Woyke 2008: 363)“. Das religiös und gesellschaftlich Althergebrachte wird „totalisiert“ (Alkier/ Deuser/ Linde 2005: 7) und soll ohne Beachtung seines ursprünglichen Kontextes jetzt erzwungen werden, um es gegen die Moderne auszuspielen. Dazu merkt Riesebrodt an, dass Fundamentalismus keineswegs anti-modernistisch oder einfach nur traditionalistisch sei, sondern einen Prozess der bewussten Erneuerung von Traditionen darstelle, der aus dem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne entstanden und Aspekte beider beinhalten würde (Riesebrodt 2001: 13).
Kennzeichnend für den religiösen Fundamentalismus sind die unfehlbare Auslegung der Bibel, eine neue Rechtsgläubigkeit und ein meist aggressiver Absolutheitsanspruch. Die Errungenschaften der europäischen Moderne sowie die damit einhergehende Unterscheidung zwischen Politik und Religion, zwischen Wissenschaft und der Gewissheit des Glaubens, zwischen Normativität und Beschreibungen, werden schlichtweg ignoriert (Alkier/ Deuser/ Linde 2005: 7). Deuser nimmt vor dem Hintergrund gegenwärtiger Vermischung von Religion, Politik und Säkularität eine Unterscheidung vor zwischen „Tendenziellen Fundamentalismus“ mit einer unbedingten religiösen Geltungsforderung sowie politischen Durchsetzungswillen und einem „Manifesten Fundamentalismus“ (Deuser 2005: 7), der sich wiederum durch „theokratische3 Gewalt“ (ebd.) und die Aufhebung des Rechtsstaats auszeichnet. Obwohl die Fundamentalisten aller Religionen den Anspruch erheben, dass sie die einzig legitimen und wahren Vertreter ihrer Religion seien, repräsentieren sie in der Regel nur eine Minderheit (Six/ Riesebrodt/ Haas 2004: 7). Die Reformanliegen der Fundamentalisten umfassen zum einen die „inhaltliche, gedankliche Vereinheitlichung, die Begründung einer geschlossenen und sehr eng formulierten Gesinnungsgemeinschaft, die auf einen Kanon eingeschworen und damit loyal gegenüber den selbsternannten Autoritäten ist. Zum anderen die Praxis der Lebensgestaltung, die konkrete Vereinheitlichung der Lebensführung und die Kontrolle des praktischen Verstandes der Anhänger“
(ebd.: 8).
Definiert man Fundamentalismus anhand dieser Merkmale, so wird deutlich, dass dieser keinesfalls immer mit politisierter Religion oder gar Gewalt verbunden ist. Zudem ist Fundamentalismus nicht auf das Christentum oder den Islam beschränkt, sondern stellt potenziell ein universales Phänomen dar. Fundamentalismus wird häufig mit „polisierter Religion“ (Six/ Riesebrodt/ Haas 2004: 26) oder gar mit militantem Terrorismus gleichgesetzt, dabei entsprechen nur einige der fundamentalistischen Gruppen diesem Profil. Er kann sich in einer Vielfalt von Formen organisieren wie zum Beispiel als Subkultur, als religiöse Bewegung, als soziale Protestbewegung oder als politische Partei und diese können sich zudem verändern (ebd.: 27). Weiterhin verfolgen Fundamentalisten nicht immer zwangsläufig politische Ziele, sondern versuchen meist vor allem, sich Bedingungen für die uneingeschränkte Ausübung ihrer religiösen
Lebensführung zu schaffen. Kennzeichnend ist außerdem die Mobilisierung religiöser Laien, die zum Lesen heiliger Texte und zur Ausrichtung ihres Lebens nach ethischen und rituellen Vorschriften motiviert werden. Von Bedeutung für die internationalen Beziehungen und die weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre sind schließlich die glaubensmotivierten „Radikalisierungen“ (Spohn 2008: 46), die unter den Bedingungen einer sich intensivierenden Globalisierung stattfinden. Somit gehen die meisten aktuellen Untersuchungen zum glaubensgeleiteten Radikalismus von den religiös-fundamentalistischen Bewegungen der drei Weltreligionen des Judentums, Christentums und Islams aus. Die letzteren beiden sollen im Folgenden insbesondere vor dem Hintergrund des Globalisierungskontexts und gegenwärtiger internationaler Politik etwas genauer betrachtet werden.
2.1 Der islamische Fundamentalismus
Die tägliche Berichterstattung über Attentate und Konflikte, die im Zusammenhang mit dem islamischen Fundamentalismus oder dem ‚Islamismus’ stehen, bietet eine verwirrende Begriffsvielfalt und lässt Differenzierungen und Unterschiede verschwimmen. Beide Begriffe werden häufig synonym gebraucht, während unter Islamismus bisweilen eine weniger stark ausgeprägte Form des islamischen Fundamentalismus verstanden wird. Allerdings bestehen Forschungskontroversen, bei denen unter anderem um die richtige Begriffswahl gerungen wird (Gemein/ Redmer 2005: 12). Generell wird der islamische Fundamentalismus als eine sozialkritische Widerstandsbewegung gegen fortschreitende Globalisierungsprozesse und die damit einhergehende Vormachtstellung der USA begriffen. Sie richtet sich gegen Unmoral, Korruption sowie gegen eine ‚Verwestlichung’ der islamischen Länder und ist gleichzeitig die am weitesten verbreitete Variante des religiösen Fundamentalismus (Schluchter 2003: 45). Um der Gefahr einer Generalisierung zu umgehen, muss auch hier unterschieden werden zwischen legitim oppositionellen Gruppen (`Radikalen des Wortes’) und einer extremen terroristischen Minderheit (‚Radikalen der Tat’), die glaubt, ihre ideologische Überzeugung mit Gewalt durchsetzen zu müssen (Gemein/ Redmer 2005: 13). Fundamentalistische Tendenzen finden sich bereits früh in der islamischen Geschichte, die 1928 gegründete Muslimbrüderschaft4, wird als „Keimzelle des modernen Fundamentalismus“ (Gemein/ Redmer 2005: 23) angesehen. Jedoch kann man von einer politisch bedeutsamen Bewegung erst seit den 1970ern sprechen, als die islamistische Bewegung in der Gesellschaft Fuß fasste (Armstrong 2000: 391). Der fundamentalistisch eingestellte Teil der islamischen Weltbevölkerung wird heute auf 15 bis 25 Prozent geschätzt und liegt damit niedriger als in den USA, für die etwa 30 Prozent angenommen werden (Gemein/ Redmer 2005: 33).
[...]
1 Titel aus der Veranstaltung von Prof. Dr. Karl Hahn „Das politische Bewusstsein der Europäer und die Tragik der europäischen Politik“ 2008/2009, in dessen Rahmen diese Arbeit erstellt wurde.
2 Das Modernisierungsparadigma bedeutet die Annahme von langfristigen Prozessen sozialen und kulturellen Wandels, kapitalistische Entwicklung, politische Demokratisierung, Wertepluralisierung und Individualisierung (Berger 1996: 45)
3 Theokratie bedeutet „Gottesherrschaft“, also eine Herrschaftsform, bei der die Staatsgewalt allein religiös limitiert ist. (Schubert/Klein 2006: 380)
4 Die Muslimbrüderschaft ist der einflussreichsten islamisch-fundamentalistischen Bewegungen im Nahen Osten, sie wurde in Ägypten gegründet und hat sich in andere Länder, einschließlich Syriens und Jordaniens ausgebreitet (Elger/ Stolleis 2001: 209).
- Citar trabajo
- Nina Baumann (Autor), 2009, Die Renaissance der Weltreligionen – religiöser Fundamentalismus im Islam, in den USA und die Rolle Europas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146355
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.