Alkohol bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch den chemischen Stoff Äthylalkohol mit der Formel C2H5OH, der durch Vergärung von Zucker aus unterschiedlichen Grundstoffen gewonnen wird und berauschende Wirkung hat. Alkohol zählt zu den Suchtmitteln, deren Erwerb, Besitz und Handel legal sind. Der Genuss von alkoholischen Getränken ist fester Bestandteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens und scheint zu vielen Anlässen beinahe obligatorisch. Durch die berauschende Wirkung werden soziale Kontakte sowie Kommunikationen erleichtert und die Entspannung gefördert. Alkohol ist bereits seit Jahrtausenden bekannt und wurde bis in das 19.Jahrhundert als Lebenselixier und Heilmittel geschätzt. Seit dem hat sich das Produktions- und Konsumverhalten mit Einführung der industriellen Herstellung und dem Überangebot nach dem Zweiten Weltkrieg dramatisch verändert (Stat. Bundesamt 2007, S.278). Die Kehrseite des Alkoholkonsums ist ein hohes Potential an Gesundheits- und Suchtgefährdung. Das individuelle Risiko alkoholbedingt zu erkranken, steigt mit der Menge des aufgenommenen Alkohols. Aus diesem Grund werden durch verschiedene Organisationen Konsumklassen definiert. Da es keinen risikofreien Alkoholkonsum gibt, wird ein risikoarmer Konsum reinen Alkohols für Männer bis 30g und für Frauen bis 20g pro Tag angegeben. Ein riskanter Konsum besteht bei Männern mit 30g bis 60g und bei Frauen mit 20g bis 40g pro Tag. Darüber hinaus konsumierte Mengen reinen Alkohols täglich werden als gefährlicher Konsum eingestuft (DHS 2003, S.14).
Legt man die aktuellen Statistiken zugrunde ist ein konstant rückläufiger Alkoholkonsum der Bevölkerung in Deutschland zu verzeichnen, der sich aber auf weiterhin hohem Niveau befindet. In den letzten Jahren wurde jedoch ein Besorgnis erregender Trend hin zu riskanten Konsumpraktiken mit episodisch starkem Konsum bei Kindern und Jugendlichen beobachtet und unter der Bezeichnung „Binge Drinking“ öffentlich bekannt. Wenn von Alkoholmissbrauch geredet wird, so sind wir es inzwischen gewöhnt, fast ausschließlich über Jugendliche zu sprechen. Flatrate-Partys und Komatrinken, Exzesse in der Öffentlichkeit und Alkoholvergiftungen in der Notaufnahme sind mittlerweile in den Medien allgegenwärtig. Ausgangspunkt ist das tragische Beispiel des 16-jährigen Lukas aus Berlin. Er starb auf Grund einer Alkoholintoxikation mit 4,8‰ nach 45 Tequila im März 2007.[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Epidemiologische Daten
3. Erscheinungsformen alkoholbezogener Störungen
3.1 Akute Alkoholintoxikation und Binge Drinking
3.1.1 Definitionen
3.1.2 Symptome
3.2 Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit
3.2.1 Definition
3.2.2 Subtypen und Verlauf
4. Motive und Folgen des Binge Drinking
5. Moderne Präventionsmaßnahmen und Interventionen
5.1 Verhaltensprävention
5.2 Verhältnisprävention
6. Diskussion
7. Abkürzungsverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
9. Literaturverzeichnis
10. Erklärung
1. Einleitung
Alkohol bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch den chemischen Stoff Äthylalkohol mit der Formel C2H5OH, der durch Vergärung von Zucker aus unterschiedlichen Grundstoffen gewonnen wird und berauschende Wirkung hat. Alkohol zählt zu den Suchtmitteln, deren Erwerb, Besitz und Handel legal sind. Der Genuss von alkoholischen Getränken ist fester Bestandteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens und scheint zu vielen Anlässen beinahe obligatorisch. Durch die berauschende Wirkung werden soziale Kontakte sowie Kommunikationen erleichtert und die Entspannung gefördert. Alkohol ist bereits seit Jahrtausenden bekannt und wurde bis in das 19.Jahrhundert als Lebenselixier und Heilmittel geschätzt. Seit dem hat sich das Produktions- und Konsumverhalten mit Einführung der industriellen Herstellung und dem Überangebot nach dem Zweiten Weltkrieg dramatisch verändert (Stat. Bundesamt 2007, S.278). Die Kehrseite des Alkoholkonsums ist ein hohes Potential an Gesundheits- und Suchtgefährdung. Das individuelle Risiko alkoholbedingt zu erkranken, steigt mit der Menge des aufgenommenen Alkohols. Aus diesem Grund werden durch verschiedene Organisationen Konsumklassen definiert. Da es keinen risikofreien Alkoholkonsum gibt, wird ein risikoarmer Konsum reinen Alkohols für Männer bis 30g und für Frauen bis 20g pro Tag angegeben. Ein riskanter Konsum besteht bei Männern mit 30g bis 60g und bei Frauen mit 20g bis 40g pro Tag. Darüber hinaus konsumierte Mengen reinen Alkohols täglich werden als gefährlicher Konsum eingestuft (DHS 2003, S.14).
Legt man die aktuellen Statistiken zugrunde ist ein konstant rückläufiger Alkoholkonsum der Bevölkerung in Deutschland zu verzeichnen, der sich aber auf weiterhin hohem Niveau befindet. In den letzten Jahren wurde jedoch ein Besorgnis erregender Trend hin zu riskanten Konsumpraktiken mit episodisch starkem Konsum bei Kindern und Jugendlichen beobachtet und unter der Bezeichnung „Binge Drinking“ öffentlich bekannt. Wenn von Alkoholmissbrauch geredet wird, so sind wir es inzwischen gewöhnt, fast ausschließlich über Jugendliche zu sprechen. Flatrate-Partys und Komatrinken, Exzesse in der Öffentlichkeit und Alkoholvergiftungen in der Notaufnahme sind mittlerweile in den Medien allgegenwärtig. Ausgangspunkt ist das tragische Beispiel des 16-jährigen Lukas aus Berlin. Er starb auf Grund einer Alkoholintoxikation mit 4,8‰ nach 45 Tequila im März 2007. Inzwischen liegt das Durchschnittsalter für den ersten Alkoholkonsum in Deutschland bei erschreckend frühen 13,2 Jahren (DHS 2009b, S.1). Hierbei stellt sich die Frage nach der Motivation des Rauschtrinkens bei Kindern und Jugendlichen. Ist es eine Mutprobe, der Druck innerhalb der Peergruppe oder wie bei Lukas eine Wette mit unberechenbarem Ausgang? Der Konsum von Alkohol gehört seit ewigen Zeiten zur Identitätsarbeit jugendlicher Lebenswelten dazu. Ist die aktuelle Überrepräsentation jugendlichen Rauschtrinkens in den Medien nur durch sensationsorientierte Berichterstattung bedingt oder entspricht es den tatsächlichen Zahlen?
Bei der ausschließlichen Aufmerksamkeit für den Alkoholmissbrauch der Minderjährigen darf man den Blick für die Realität nicht verlieren. Der meiste Alkohol wird immer noch von Erwachsenen konsumiert, 72% der stationär aufgenommen Alkoholintoxikationen 2007 waren Erwachsene (Drogenbeauftragte 2008, S.104) und die 1,2 Millionen Alkoholabhängigen in Deutschland (DHS 2009a, S.3) sind beinahe alle älter als 18 Jahre. Ist die Jugend nur ein Spiegelbild der Erwachsenengeneration?
Negative Folgen des Alkohols sind vielfältige somatische und psychische Erkrankungen sowie Störungen des psychosozialen Lebensbereichs der Konsumenten und ihrer Angehörigen. Die Folgeschäden sind auch für die Gesellschaft spürbar. Infolge Behandlung und Arbeitsausfall alkoholbedingter Störungen entstehen hohe gesellschaftliche Kosten. Hinzu kommen die starken sozialen Belastungen durch Unfälle, Tod, Kriminalität oder sozialen Abstieg der Betroffenen und ihren Angehörigen.
Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit – inzwischen eine Volkskrankheit? Denn beinahe jeder Erwachsene trinkt Alkohol aber wann beginnt der Übergang vom sozialen Trinken zum Alkoholismus? Stellt Alkoholismus generell ein soziales Problem dar?
Um Antworten auf die gestellten Fragen zu erhalten, wurde die nachfolgende Arbeit zum Thema Alkohol angefertigt. Auf Grund der aktuellen Jugendproblematik und des eingeschränkten Umfanges der Arbeit habe ich versucht, mein Hauptaugenmerk auf
das riskante jugendliche Konsumverhalten zu richten.
2. Epidemiologische Daten
Deutschland liegt mit einem pro-Kopf-Verbrauch von 9,9l reinem Alkohol im Jahr 2007 im internationalen Vergleich mit an vorderster Stelle. Insgesamt bedeutet das einen pro-Kopf-Verbrauch von 141,6l Alkohol. Während im Jahr 1990 ein Spitzenverbrauch von 12,1l reinem Alkohol pro Kopf erreicht wurde, zeichnet sich ein rückläufiger Trend ab (DHS 2009a, S.1). Betrachtet man die Statistik näher, betreiben anhand der Schätzzahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) 2006 etwa 14,85 Millionen Menschen in Deutschland einen riskanten Alkoholkonsum. Die Kriterien eines Missbrauchs erfüllen etwa 1,9 Millionen und in der Abhängigkeit befinden sich weitere 1,2 Millionen Männer und Frauen (ebd.: S.3). Der Anteil Jugendlicher mit einem mindestens riskanten Alkoholkonsum wird in der Drogenaffinitätsstudie 2008 mit 8,2% benannt. Die dabei zugrunde gelegten Alkoholmengen pro Tag entsprechen den definierten Grenzwerten bei Erwachsenen (BZgA 2008, S.6). Erschreckend sind auch die Angaben der Lebenszeitprävalenz für jeglichen Alkoholkonsum bei 15- bis 16-Jährigen SchülerInnen von 95,8% sowie der 12-Monats-Prävalenz von 93,3% in der Europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen 2007 (ESPAD) (Kraus 2008, S.61). Erstmals eine rückläufige Tendenz zeigt sich bei dem regelmäßigen (mindestens einmal pro Woche) Konsum von Alkohol der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren auf 17,4% im Jahr 2008, gegenüber 21,6% im Jahr 2007 (BZgA 2008, S.4). Dennoch ist der wöchentliche Pro-Kopf-Konsum an Alkohol in dieser Altersgruppe von 34,1g in 2005 auf 50,4g in 2007 gestiegen. Ein durchschnittlicher, männlicher 16- bis 17-Jähriger konsumiert 2007 etwa 154g reinen Alkohol pro Woche, was ungefähr elf Gläsern Bier (0,3l) oder zweieinhalb Flaschen Wein entspricht. 2005 waren es noch 107g pro Woche (BZgA 2007, S.15f.). Die problematischen Konsummuster in Form des exzessiven Trinkens (so genanntes Rauschtrinken) bleiben auf besorgniserregend hohem Niveau. In der Drogenaffinitätsstudie 2008 geben 20,4% der 12- bis 25-Jährigen an, in den letzten 30 Tagen fünf oder mehr Gläser Alkohol bei einer Gelegenheit konsumiert zu haben (BZgA 2008, S.5). Legt man die Daten der ESPAD Studie zu Grunde ergeben sich weit höhere Zahlen – hier haben 58,7% im Jahr 2007 mindestens einmal Binge Drinking in den letzten 30 Tagen betrieben. Im Vergleich zu 2003 zeigt sich eine Verschiebung hin zu einer höheren Frequenz von Trinkereignissen pro Monat. 68,3% der Jugendlichen waren zudem schon mindestens einmal betrunken (Kraus 2008, S.68f.). Damit liegen deutsche Jugendliche im europäischen Vergleich des „binge drinking“ gemeinsam mit dänischen und niederländischen Jugendlichen an der Spitze. In der ESPAD Studie haben etwa die Hälfte der befragten Jugendlichen bereits im Alter von 12 Jahren erste Erfahrungen mit Alkohol gesammelt. Das durchschnittliche Einstiegsalter wurde bei den Befragten mit 12,7 Jahren angegeben. Erste Trunkenheitserlebnisse berichten 50% der Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 15 Jahren (ebd.: S.70). Ähnliche Ergebnisse lieferte die WHO Studie „Health Behaviour in Schoolaged Children“ bei der Befragung von Schülern im Alter zwischen 11 und 15 Jahren im Jahr 2006. Das Durchschnittsalter des Erstkonsums wurde hier mit 13,2 Jahren angegeben. Zudem berichten 14,4% von regelmäßigem Alkoholkonsum (Lindenmeyer 2008, S.6). Differenziert man die Ergebnisse nach Geschlecht, zeigt sich eine parallele Entwicklung des Alkoholkonsums zwischen Jungen und Mädchen über die Jahre hinweg, jedoch auf unterschiedlichem Niveau. In dem Drogen- und Suchtbericht zeigen sich im Jahr 2008 für den regelmäßigen Alkoholgebrauch (21,8% gegenüber 12,8%) sowie für das Rauschtrinken in den letzten 30 Tagen (23% gegenüber 17,7%) deutlich höhere Prävalenzen bei den Jungen im Vergleich zu den Mädchen (Drogenbeauftragte 2009, S.39). Graphisch ist das Binge Trinken von Jugendlichen der letzten 30 Tage im Vergleich der letzten Jahre sowie nach Geschlecht differenziert in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Binge Trinken im Alter von 12 bis 17 Jahren
Quelle: Drogenbeauftragte 2009, S.39
Im Vergleich der Alkoholprävalenzen von 2003 und 2007 zwischen den beteiligten Bundesländern lassen sich deutliche Unterschiede feststellen. Für mich sehr überraschend ist die niedrige Quote der 30-Tage-Prävalenz von 67,7% und dem Anteil mindestens riskanter jugendlicher Konsumenten der letzten sieben Tage von 2,6% in Berlin. Vergleichsweise hoch erscheinen dagegen die 30-Tage-Prävalenz von 85% sowie der Anteil riskanter Konsumenten von 6,7% in Brandenburg. Während die anderen Bundesländer dem allgemein rückläufigen Trend des Alkoholkonsums folgen, lassen sich in Brandenburg (+5,8%) und Thüringen (+4,9%) sogar steigende Prävalenzen des Binge Drinking bei Jugendlichen zwischen 2003 und 2007 feststellen (Kraus 2008, S. 74ff.). In Abbildung 2 ist die Verteilung der Konsumklassen in den letzten sieben Tagen nach Bundesländern im Jahr 2007 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Konsumklassen nach Bundesland in den letzten sieben Tagen im Jahr 2007
Quelle: Kraus et al. 2008, S.74ff.
Nach aktuellen Berichten der Bundesdrogenbeauftragten hat sich die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 20 Jahre, die aufgrund einer Alkoholintoxikation stationär behandelt wurden, von 9.500 im Jahre 2000 auf 23.165 im Jahre 2007 mehr als verdoppelt. Etwa 3.779 der PatientInnen waren zwischen 10 und 15 Jahren alt. Erstmals wurden 2007 mehr Mädchen als Jungen mit einer Alkoholvergiftung aufgenommen (Drogenbeauftragte 2009, S.12). In der Gesamtheit aller Altersgruppen steht die Diagnose „psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ an dritter Stelle der Gründe für eine vollstationäre Behandlung im Jahr 2006 (Stat. Bundesamt 2008). Anhand der Todesursachenstatistik starben im Jahr 2005 16.329 Personen an alkoholbedingten Erkrankungen, was rund 2% aller Sterbefälle sind (Stat. Bundesamt 2007, S.281ff.). Die Analyse der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen welche alle alkoholbezogenen Gesundheitsstörungen und Sterbefälle einbezieht, geht sogar von 73.714 Todesfällen jährlich durch Alkoholkonsum aus. Der Anteil an allen Sterbefällen bei Personen im Alter von 35 bis 65 Jahren – die auf Alkohol zurückzuführen sind – beträgt bei Männern 25% und bei Frauen 13% (DHS 2009a, S.4). Im Jahr 2008 sind 48.226 Unfälle, mit mindestens einem alkoholisierten Beteiligten, polizeilich erfasst worden. Bei 19.603 Verkehrsunfällen entstand Personenschaden, wobei 523 Personen starben und 6.981 schwer verletzt überlebten. Insgesamt zeigt sich jedoch ein kontinuierlicher Rückgang der Alkoholunfälle mit Personenschaden, seit 1975 um insgesamt 62% (Stat. Bundesamt 2009, S.4). Unterscheidet man die Unfälle nach Altersgruppen ergibt sich ein recht homogenes Bild. 25% der alkoholisierten Beteiligten waren 18 bis 24 Jahre alt, 21% 25 bis 34 Jahre, 20% zwischen 35 und 44 Jahren und 30% mindestens 45 Jahre alt (ebd.: S.9). Der Anteil unter Alkoholeinfluss verübter Straftaten steigt dagegen kontinuierlich an. Im Jahr 2006 wurden vom Bundeskriminalamt etwa 350.000 Fälle gemeldet. Dies entspricht etwa 10% aller aufgeklärten, unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten. Dabei sind insbesondere Tötungsdelikte mit dem Einfluss von Alkohol verbunden. Auf Grund der Aufklärungsquote von 55,4% im Jahr 2006 sowie einem vermutlich großen Teil nicht angezeigter Straftaten, lässt sich eine weit höhere Zahl vermuten (Robert-
Koch-Institut 2008, S.17).
3. Erscheinungsformen alkoholbezogener Störungen
Die im allgemeinen Sprachgebrauch als Alkoholismus bezeichnete Erkrankung hat viele Facetten und Ausprägungen. In den letzten Jahren hat sich allerdings der Begriff der Alkoholabhängigkeit auf Grund seiner schärferen Definition durchgesetzt. Nachfolgend möchte ich kurz die wichtigsten Erscheinungsformen alkoholbedingter Störungen darstellen, zu denen auch die Frühformen des schädlichen Gebrauches zählen. Auf dem Weg in eine Abhängigkeit bestehen oftmals fließende Übergänge weshalb eine Zuordnung zum jeweiligen Krankheitsstadium anhand bestimmter Kriterien für weitere Interventionen und Therapie notwendig sind. Klare Unterscheidungen der einzelnen Begriffe werden in der Medizin anhand der Diagnosesysteme ICD-10 (International Classifikation of Disease) oder DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) vorgenommen.
3.1 Akute Alkoholintoxikation und Binge Drinking
Die erste Episode einer Alkoholintoxikation tritt häufig im Jugendalter auf. Legt man die oben genannten Statistiken zu Grunde, verschiebt sich das Alter jedoch zunehmend nach unten mit dokumentierten Fällen ab dem zehnten Lebensjahr.
3.1.1 Definitionen
Nach diagnostischen Kriterien liegt eine Intoxikation vor, wenn sich ein reversibles substanzspezifisches Syndrom entwickelt, welches auf die vorherige Einnahme der Substanz zurückzuführen ist. Weitere Kriterien sind klinisch bedeutsame, unangepasste psychische- oder Verhaltensveränderungen, die sich während oder kurz nach dem Konsum von Alkohol entwickeln (Saß 2003, S. 240f. und 255f.).
Wenn der Begriff Binge Drinking gebraucht wird, beschreibt dies zumeist die Aufnahme einer großen Menge Alkohol in einer relativ kurzen Zeit. Das Wort kommt aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch und kann mit Rauschtrinken, Besäufnis oder wie vorwiegend in den Medien mit Komasaufen übersetzt werden. Es gibt für diesen Begriff keine einheitliche Definition. Im deutschsprachigen Raum beschreibt Binge-Drinking den Konsum von mindestens vier (bei Mädchen) oder fünf (bei Jungen) Standardeinheiten Alkohol (10g) zu einer Gelegenheit. Die Beschreibung durch die World Health Organisation (WHO) beinhaltet zusätzlich als wesentliches Kriterium die Absicht sich zu betrinken und in Amerika wird ein Zeitfenster von zwei Stunden sowie das Erreichen einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 0,8‰ mit eingebracht (DHS 2009b, S.2).
Die Begriffe des Binge Drinking – als Beschreibung eines Trinkverhaltens – und der Alkoholintoxikation – als körperliche Reaktion auf hohen Alkoholkonsum – stehen in engem Zusammenhang miteinander und sind doch nicht gleichzusetzen. Die nachfolgend beschriebenen Symptome gelten allerdings für beide Konsummuster und manifestieren sich nach der erreichten BAK.
3.1.2 Symptome
Die alkoholische Belastung einer Person wird über die BAK bestimmt. Etwa ein bis zwei Stunden nach Konsum wird der Maximalwert erreicht. Das Ausmaß der Symptomatik ist dabei nicht nur von der BAK alleine, sondern auch von vielen individuellen Faktoren abhängig. Dazu zählen insbesondere die konstitutionelle Beschaffenheit, das Geschlecht, die Alkoholgewöhnung sowie situative Einflüsse (Übermüdung, Erschöpfung, Nahrungsaufnahme) (DHS 2003, S.53). Anhand der BAK können sogenannte Rauschzustände in unterschiedliche Stufen eingeteilt werden:
Ab einer BAK von 0,5 bis 1,0‰ spricht man von einem leichten Rauschzustand. Symptome wie Gesprächigkeit, ein Gefühl des Wohlbefindens und eine heitere Stimmung sind vermutlich die Gründe des rezidivierenden Alkoholkonsums der mehrheitlichen Bevölkerung. Aber auch in diesem Stadium kommt es bereits zu Gang- und Standunsicherheiten, Koordinationsstörungen und verwaschener Sprache. Es setzt eine Enthemmung mit herabgesetzter Kritikfähigkeit und Selbstkontrolle ein (ebd.).
Bei mittelgradigen Rauschzuständen mit einer BAK von 1,5 bis 2,0‰ treten die psychischen Auffälligkeiten noch deutlicher hervor. Zunehmende affektive Enthemmungen, unangemessenes Sexualverhalten und Euphorie wechseln rasch mit Gereiztheit und Aggressivität. Die Beeinträchtigung des Urteilsvermögens und die motorischen Störungen verstärken sich (ebd.).
Eine BAK mit über 2,0‰ entspricht bereits einem schweren Rauschzustand. Personen, die keine Alkoholtoleranz entwickelt haben, erfahren eine zunehmende Bewusstseinsstörung. Sedierung, aber auch Angst und Erregung, werden begleitet von vielfältigen neurologischen Symptomen (Schwindel, Gleichgewichts- und Sprachstörungen). Es entsteht eine erhöhte Hauttemperatur bei erniedrigter Körperkerntemperatur mit daraus resultierendem Blutdruckabfall (ebd.).
Ein komatöser Zustand wird meist bei einer BAK von über 4,0‰ erreicht, je nach Konstitution auch eher. Durch die Hemmung des Atemzentrums oder auch Aspiration von Erbrochenem kann der Tod ausgelöst werden. Bei einer BAK von 5,0‰ liegt die Letalität bei etwa 50% (ebd.).
Die Dauer einer Intoxikation wird von der aufgenommenen Alkoholmenge, dem Zeitraum der Zuführung sowie individuellen Einflüssen bestimmt. Besonders gefährlich stellt sich daher das Binge Drinking Jugendlicher dar, die innerhalb kurzer Zeit den Körper mit großen Mengen Alkohol durch hochprozentige Spirituosen belasten. Der angetrunkene Zustand mit Schutzmechanismen wie Übelkeit, Erbrechen oder Müdigkeit wird dabei übergangen und es kommt meist plötzlich zur Entstehung einer Alkoholvergiftung mit Koma.
Alkohol wird zum überwiegenden Teil in der Leber durch die Alkoholdehydrogenase abgebaut. Dieses Enzym folgt einer Sättigungskinetik, weshalb die Alkoholeliminationsrate konstant bleibt. Im Mittel liegt diese bei 0,15‰ pro Stunde (ebd.: S.22). Die Behandlung der akuten Alkoholintoxikation besteht daher in der Regel aus symptomatischen Maßnahmen um sie abklingen zu lassen, aber auch intensivmedizinische Therapien können bei hohem Alkoholgehalt notwendig werden.
3.2 Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit
Die Alkoholabhängigkeit beginnt zumeist in den 20er und mittleren 30er Lebensjahren. Auf Grund des zunehmend herabgesetzten Einstiegsalters verschieben sich allerdings auch diese Jahresangaben nach unten. Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol weisen oft einen variablen Verlauf über Jahre bis Jahrzehnte auf, der von Perioden der Remission und des Rückfalls gekennzeichnet ist (Saß 2003, S.262). Die Merkmale eines Abhängigkeitssyndroms treten bei einem Rückfall nach Abstinenz wesentlich schneller auf als bei Nichtabhängigen.
3.2.1 Definitionen
Die Diagnosestellung eines Alkoholmissbrauchs gestaltet sich ein wenig schwieriger. Zwischen Missbrauch und Abhängigkeit findet man nicht selten einen fließenden Übergang. Die Diagnose Alkoholmissbrauch sollte deshalb nur gestellt werden, wenn eine Abhängigkeit ausgeschlossen werden kann. Im Vordergrund der diagnostischen Kriterien steht hierbei das Auftreten schädlicher Konsequenzen nach wiederholtem Alkoholkonsum. In einem Zeitraum von 12 Monaten müssen alkoholbedingte Beeinträchtigungen oder Leiden rezidivierend auftreten oder durchgehend vorhanden gewesen sein, um die Kriterien eines Missbrauchs zu erfüllen. Dies beinhaltet u.a. wiederholtes Versagen bei wichtigen Verpflichtungen, wiederholter Alkoholkonsum auch in Situationen mit potentieller körperlicher Gefährdung oder immer wieder auftretende soziale und zwischenmenschliche Probleme (ebd.: S.255).
Im Klinischen Wörterbuch Pschyrembel wird Abhängigkeit definiert als: „Bezeichnung für verschiedene Formen des Angewiesen seins auf bestimmte Substanzen oder Verhaltensweisen“ (Hildebrandt 2002).
Nach diagnostischen Kriterien ist die Alkoholabhängigkeit geprägt durch ein charakteristisches Muster an verhaltensbezogenen und physiologischen Symptomen, die ein Fortsetzen des Alkoholkonsums trotz einschneidender alkoholinduzierter Probleme, bedingen (Saß 2003, S.233).
Für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit wurden spezifische Kriterien nach ICD-10 festgelegt, wobei mindestens drei der nachfolgenden Punkte innerhalb von 12 Monaten gleichzeitig erfüllt werden müssen:
- Psychische Abhängigkeit mit einem übermächtigen oder zwanghaften Wunsch Alkohol zu konsumieren.
- Pathologische Einnahmemuster in Bezug auf Menge und Zeitdauer sowie verminderte Kontrollfähigkeit über Beginn und Beendigung des Konsums.
- Physische Abhängigkeit mit Entwicklung körperlicher, substanzspezifischer Entzugssymptome nach beendetem oder reduziertem Konsum sowie die weitere Aufnahme um den Entzug zu mildern oder zu vermeiden.
- Toleranzentwicklung mit notwendiger Dosissteigerung um dieselbe Wirkung zu erreichen (Alkoholiker konsumieren täglich so hohe Dosen, die bei fehlender Toleranzentwicklung zum Tode führen können).
- Vorher bestehende Interessen und Vergnügen werden zu Gunsten des Alkoholkonsums vernachlässigt. Es wird vermehrt Zeit benötigt um den Alkohol zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
- Anhaltender Alkoholkonsum trotz des Bewusstseins über Art und Ausmaß sowie bereits vorhandener schädlicher Folgen, wie z.B. Leberschädigungen.
(DHS 2003, S.54f.)
3.2.2 Subtypen und Verlauf
Die bekannteste typologische Einteilung der Alkoholabhängigkeit stammt von Jellinek und ist auch heute noch weit verbreitet. In der Abbildung 3 werden die fünf Typen kurz mit ihren Charakteristika dargestellt. Klinisch relevant erscheint dabei der Gamma-Typ mit dem Vollbild einer Alkoholabhängigkeit. Aber auch der Delta-Typ als Spiegeltrinker und der Epsilon-Typ erfüllen Merkmale der Abhängigkeit (ebd.: S.40).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Typologie nach Jellinek
Quelle: DHS 2003, S. 40
Der Übergang von kontrolliertem zu unkontrolliertem Alkoholkonsum ist in der Regel unbemerkt und als kontinuierlicher Prozess zu verstehen. Die wiederholte Aufnahme von Alkohol wird sicher durch die erreichten angenehmen und euphorischen Zustände motiviert. Auf Grund dieser Eigenschaften wird der Alkohol immer häufiger zur Angst- und Frustrationsbewältigung eingesetzt. Im von Jellinek entwickelten Phasenmodell entspricht das der voralkoholischen Phase ohne Krankheitswert. Diese kann einen Zeitraum von Monaten bis zwei Jahre einnehmen. Daran schließt sich die Prodromal- oder Anfangsphase an mit einem zeitlichen Rahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren. Gekennzeichnet ist dieser Abschnitt von „Filmrissen“ sowie verborgenem Konsum und Beschaffung des Alkohols. Ein Kontrollverlust und soziale Ausgrenzung folgen in der kritischen Phase. Die letzte Station des Modells ist die chronische Phase. Geprägt wird sie von tagelangen Rauschzuständen, bereits morgendlichem Konsum zur Vermeidung von Entzugssymptomen und körperlichem Verfall mit Alkoholintoleranz - auch als Toleranzbruch bezeichnet. In der Realität werden allerdings eher fluktuierende Verläufe mit wechselnden Phasen und Schweregraden beobachtet. Es gibt auch bei alkoholabhängigen Personen abstinente Phasen, die freiwillig oder unfreiwillig entstehen und von unterschiedlicher Dauer sind. Die progrediente Entwicklung vom anfänglich exzessiven Trinken bis zur Abhängigkeit ist jedoch nachvollziehbar. Eine graphische Darstellung der Entwicklung von Abhängigkeit mit Bezug zum Alter und Geschlecht wird in Abbildung 4 dargestellt (ebd.: S.38ff.).
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- Citar trabajo
- Bachelor Kai Noack (Autor), 2010, Alkoholismus – Eine Krankheit mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146265
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