"One of the most curious of the curious anomalies in British public life, defying all logic of democratic and secular politics." So sieht der Politikwissenschaftler John Kingdom das House of Lords. Und in der Tat, betrachtet man die merkwürdig anmutenden Abläufe der Thronrede der Queen und das damit verbundene Schauspiel, darf man sich zu Recht die Frage stellen, ob diese Art des britischen Parlamentarismus noch der heutigen Zeit entspricht. Auf den ersten Blick mag er etwas fremd anmuten, aber es lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Die Frage, ob das Oberhaus noch den heutigen Anforderungen gerecht wird und dies auch so von den Bürgern wahrgenommen wird, steht seit einigen Jahren im Zentrum der politischen Diskussion in Großbritannien. Insbesondere die fehlende Legitimation durch das Volk wird immer wieder als Begründung genannt. Bis vor der Reform setzt sich das Oberhaus aus den Angehörigen des britischen Erbadels, die zudem das Privileg besitzen ihren Sitz weiterzuvererben, den höchsten Richtern und den Erzbischöfen und Bischöfen der anglikanischen Kirche zusammen. Im gesamten rund 1100 Mitglieder, die ohne ausreichende Legitimation ihr „Mandat“ wahrnehmen. Außer dem demokratischen Begründungsdefizit sagt man den Lords nach, nur durch parteipolitische Nähe und dementsprechende Spenden an ihren Oberhaussitz gekommen zu sein, was die Akzeptanz des Hauses in der Bevölkerung zudem beeinträchtigt.
Folgende Hausarbeit soll sich der Frage widmen inwieweit das britische Oberhaus noch zeitgemäß ist. Dabei soll zunächst auf die Geschichte des Hauses und deren Mitglieder eingegangen werden, bevor die heutige Stellung und Aufgabe im britischen Regierungssystem erleuchtet und kritisch hinterfragt wird. Hierzu soll auch ein Vergleich zwischen dem House of Lord und ähnlichen zweiten Kammern in anderen Staaten gezogen werden.
Gliederung
1. Einleitung
2. Überblick über die Geschichte des House of Lords
3. Ausstattung und Organisation
4. Mitglieder und Aufgaben vor der Reform
4.1 Mitglieder
4.2 Aufgaben
5. Reform des House of Lords
5.1 Schritt I der Reform
5.2 Schritt II der Reform
5.3 Supreme Court
6. Vergleich mit den zweiten Kammern weiterer Staaten
6.1 Die japanische Sangiin
6.2 Der spanische Senado
7. Fazit
Bibliographie
1. Einleitung
"One of the most curious of the curious anomalies in British public life, defying all logic of democratic and secular politics." So sieht der Politikwissenschaftler John Kingdom das House of Lords.[1] Und in der Tat, betrachtet man die merkwürdig anmutenden Abläufe der Thronrede der Queen und das damit verbundene Schauspiel, darf man sich zu Recht die Frage stellen, ob diese Art des britischen Parlamentarismus noch der heutigen Zeit entspricht. Auf den ersten Blick mag er etwas fremd anmuten, aber es lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Die Frage, ob das Oberhaus noch den heutigen Anforderungen gerecht wird und dies auch so von den Bürgern wahrgenommen wird, steht seit einigen Jahren im Zentrum der politischen Diskussion in Großbritannien. Insbesondere die fehlende Legitimation durch das Volk wird immer wieder als Begründung genannt. Bis vor der Reform setzt sich das Oberhaus aus den Angehörigen des britischen Erbadels, die zudem das Privileg besitzen ihren Sitz weiterzuvererben, den höchsten Richtern und den Erzbischöfen und Bischöfen der anglikanischen Kirche zusammen. Im gesamten rund 1100 Mitglieder, die ohne ausreichende Legitimation ihr „Mandat“ wahrnehmen. Außer dem demokratischen Begründungsdefizit sagt man den Lords nach, nur durch parteipolitische Nähe und dementsprechende Spenden an ihren Oberhaussitz gekommen zu sein, was die Akzeptanz des Hauses in der Bevölkerung zudem beeinträchtigt.[2]
Folgende Hausarbeit soll sich der Frage widmen inwieweit das britische Oberhaus noch zeitgemäß ist. Dabei soll zunächst auf die Geschichte des Hauses und deren Mitglieder eingegangen werden, bevor die heutige Stellung und Aufgabe im britischen Regierungssystem erleuchtet und kritisch hinterfragt wird. Hierzu soll auch ein Vergleich zwischen dem House of Lord und ähnlichen zweiten Kammern in anderen Staaten gezogen werden.
2. Überblick über die Geschichte des House of Lords
Historiker sehen den Ursprung des House of Lords hauptsächlich im mittelalterlichen Kronrat, der den König beriet. Zwei elementare Eigenschaften, die schon im 12./13. Jahrhundert sich entwickelnden Kronrat bestanden, weist das House of Lords noch heute auf. Zum einen die grundsätzliche Zusammensetzung aus Lords Spiritual und Lords Temporal, zum anderen das starke Recht des Königs - später des Premierministers - sich selbst die Mitglieder auszusuchen. In der Zeit der Magna Charta artikuliert der Kronrat die Interessen der kirchlichen und der weltlichen Ebene[3] und später auch von den Grafschaften, Städten und Bezirken.[4]
Im 14. Jahrhundert entwickelt sich die Trennung in das heutige Unterhaus und Oberhaus. Im Unterhaus versammeln sich ab sofort die Vertreter der Grafschaften und Bezirke, die sogenannten Commons. Das Oberhaus besteht nun aus den religiösen Führern und dem Adel.[5] Im 15. Jahrhundert ist die Mitgliedschaft des Adels im House of Lords maßgeblich durch Erbmitgliedschaft bestimmt. Während bis 1539 hauptsächlich Bischöfe, Äbte und Priore im Oberhaus sitzen, verlieren diese später durch den Ausschluss der beiden letztgenannten ihre Mehrheit im Haus.[6] Der Act of Union erlaubte es Schotten (1707) und Irländern (1800) ebenfalls Repräsentanten ins House of Lords zu entsenden. Durch den 1847 beschlossenen Bishopric of Manchester Act wird die Anzahl der Bischöfe radikal reduziert. Durch den späteren Niedergang der irischen und walisischen Kirche verlieren die meisten irischen Bischöfe und alle walisischen Bischöfe ihren Oberhaussitz. 1876 wird im Appellate Jurisdiction Act die Vorrausetzungen für die Law Lords geschaffen, den praktisch ersten vom König ernannten Life Peers.[7]
Eine wesentliche Änderung erfährt die zweite Kammer durch den Life Peerages Act 1958, der es ermöglicht Lords auf Lebenszeit zu ernennen, übrigens ohne auf eine Maximalanzahl der Sitze Rücksicht nehmen zu müssen. Hintergrund ist die Hoffnung, dass durch die Erhebung in den Adelsstand Personen unterschiedlicher beruflicher und gesellschaftlicher Herkunft die Demokratie gestärkt, aber auch das Oberhaus selbst an Sachkundigkeit bereichern wird. „Eine Erhebung in diesen nicht-erblichen Adelsstand hat es zwar schon bereits mehrfach im 19. Jahrhundert gegeben, dieser war allerdings nicht gleichzeitig mit dem Anspruch auf einen Sitz im House of Lords verbunden. Einen Sonderfall stellen lediglich die Law Lords dar, dessen Adelung mit einem Oberhaussitz verbunden war.“[8]
3. Ausstattung und Organisation
Die finanzielle und personelle Ausstattung eines Parlaments kann Hinweis auf die Schlagkraft sein, weswegen dies folgend beleuchtet werden soll.
Die Personalsausstattung ist recht gut, dies wäre für das House of Lords nicht unbedingt zu erwarten gewesen. So können die Lords bis zu £90,505 pro Jahr für ihre Mitarbeiter ausgeben. Das reicht je nach Beschäftigung in Westminster oder im Wahlkreis für bis zu 3 ganztags angestellte Mitarbeiter. Die Verdienstuntergrenze liegt bei rund £13,082, so das theoretisch ein MP auch auf mehr Mitarbeiter zurückgreifen könnte.[9]
Ein Lord bekommt pro Sitzungstag £75.00[10] an Bürokosten erstattet. Rechnet man mit durchschnittlich 150 Sitzungstagen im Jahr, so kommt man auf einen Erstattungsbetrag von rund £11.000. Auf den ersten Blick eine nicht unbedingt aussagekräftige Zahl. Vergleicht man nun aber die Gesamtkosten von Unter- und Oberhaus ergibt sich ein deutlicheres Bild. So beträgt der Gesamtaufwand in den Jahren 2008-2009 im Oberhaus rund £106 Mio. im Unterhaus jedoch fast £400 Mio. Die Ausgaben für Administration und Personalkosten sind im House of Commons bis zu dreimal höher angesetzt als im House of Lords.[11]
Nur aufgrund von Kosten die Bedeutung des Oberhauses zu bewerten wäre nicht zufriedenstellend, jedoch ist es ein Hinweis welche Rolle das House of Lords im politischen System einnimmt.
4. Mitglieder und Aufgaben vor der Reform
4.1 Mitglieder
Das Oberhaus ist traditionell die Vertretungsköperschaft des Erbadels, Bischöfe und Erzbischöfe der anglikanischen Kirche, oberste Richter, ergänzt durch politische Ernennungen. Bis zur Reform hat es über 1000 Mitglieder, die allerdings nie in ihrer Gesamtzahl an Sitzungen teilnehmen. Dies liegt zum einen an der begrenzten Sitzzahl im Palace of Westminster, aber auch daran, dass nicht alle Mitglieder gleich politisch aktiv sind.[12] Weniger als 300 Peers nehmen regelmäßig an den Sitzungen teil, oftmals sind es weniger als 100.[13] Im Detail besteht das House of Lords vor seiner Reform aus verschiedensten Mitgliedern: 26 Lords Spiritual, 21 Law Lords, über 300 Life Peers und mehr als 800 Hereditary Peers.[14]
4.2 Aufgaben
Ab 1911 ist die Kompetenz des Oberhauses regelmäßig eingeschränkt worden, so dass die Lords lediglich ein aufschiebendes Veto haben, um Gesetzesvorhaben des Unterhauses höchstens ein Jahr lang aufzuhalten. Die Hauptaufgabe des Oberhauses ist die Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen der Commons und dazugehörige Änderungsvorschläge. Jedoch kann das Unterhaus mögliche Einsprüche des Oberhauses mit einfacher Mehrheit ablehnen. Da das House of Lords keine korrigierende Funktion hat, nimmt es insbesondere eine detaillierte Prüfung der Gesetze vor, die zu schnell und möglicherweise nicht ausreichend beraten verabschiedet werden sollen. Dies bewirkt zu einen eine Entlastung für das Unterhaus, des Weiteren verbessert es die Qualität der Gesetze.
Da dem Oberhaus im Gesetzgebungsprozess wesentlich die Hände gebunden sind, war die Rechtssprechung lange die wichtigste Aufgabe des Oberhauses, jedoch wird es dieses Alleinstellungsmerkmal nach der Reform verlieren.[15] Dies war seit über 600 Jahren eine Besonderheit aller Demokratien, schließlich sind normalerweise Rechtssprechung und Legislative nicht in einer Gewalt vereint. Das House of Lords war somit das höchste Gericht des Landes, an dessen Entscheidungen alle anderen Gerichte gebunden waren.[16]
5. Reform des House of Lords
Die Idee das House of Lords zu reformieren entstand nicht erst zu Amtsantritt von Tony Blair 1997. Die Geschichte des House of Lords ist durchzogen von vielen Reformen, davon die letzten großen Umstrukturierungen in den Jahren 1911 und 1956. Im späten 19. Jahrhundert und vor allem im 20. Jahrhundert kommen immer mehr grundsätzliche Forderungen nach mehr Mitsprache des Volkes auf.[17] Durch die Etablierung demokratischer Prinzipien rückt auch immer mehr das doch so undemokratische House of Lords in den Mittelpunkt von Änderungen.
Die Umstrukturierung des Oberhauses beginnt schon 1911 mit dem Parliament Act. Grund für die Änderungen ist die Blockadehaltung des Oberhauses gegen wichtige Gesetzgebungsmaßnahmen gegen den liberalen Primeminister Asquith. Der Parliament Act nimmt dem Oberhaus das Vetorecht bei Finanzgesetzen und reduziert die Eingriffsmöglichkeiten des Hauses auf ein suspensives Veto von zwei Jahren.[18] Ein weiterer Parliament Act 1949 verkürzt die Dauer eines aufschiebenden Vetos auf nun mehr ein Jahr.[19] Der Peerage Act von 1963 erlaubt es allen weiblichen Hereditary Peers Mitglieder des Hauses zu werden und bestimmt, dass Erbsitze nicht mehr zulässig sind.[20]
5.1 Schritt I der Reform
Das House of Lords ist einer der Bereiche, der am meisten den Reformbemühungen seit 1997 ausgesetzt ist. Vor allem die Labour Party hat in schon ihren jeweiligen Oppositionszeiten regelmäßig auch die Abschaffung des Oberhauses gefordert.[21]
Das Labour Wahlprogramm von 1997 beschreibt eine Reform in 2 Schritten, mit dem Ziel das Oberhaus demokratischer und repräsentativer zu machen. Demzufolge sollte der erste Schritt die Abschaffung der Erbsitze sein. Während dieser 1999 eingebrachte Gesetztestext im Unterhaus mit großer Mehrheit angenommen wird, beschließt hingegen das Oberhaus eine Änderung, die zu dem Kompromiss führt, dass 92 Peers ihre Erbsitze bis zum Ende der Legislaturperiode behalten dürfen, sich allerdings einer hausinternen Wahl stellen müssen.[22] Diese Änderung führt zu folgender Mitgliederstatistik[23]:
[...]
[1] http://news.bbc.co.uk/vote2001/hi/english/main_issues/sections/facts/newsid_1214000/1214416.stm, 31.12.2009
[2] Dr. Krumm, Thomas/Prof. Dr. Noetzel, Thomas; Das Regierungssystem Großbritanniens, S. 36
[3] Jones, Bill; Politics UK S. 378
[4] Official Document, House of Lords, The History of the House of Lords, S. 2
[5] Official Document, House of Lords, The History of the House of Lords, S. 2
[6] Official Document, House of Lords, The History of the House of Lords, S. 2
[7] Official Document, House of Lords, The History of the House of Lords, S. 3
[8] Händel, Heinrich/Friebel, Isolde, Großbritannien S. 136
[9] http://www.w4mp.org/html/resources/faq.asp 25.01 .2010
[10] http://www.parliament.uk/about/how/members/lords_allowances.cfm 25.01 .2010
[11] http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200809/ldhansrd/text/91005w0008.htm#0909023001144, 01.02.2010
[12] Sturm, Roland; Politik in Großbritannien, S. 129
[13] Händel, Heinrich/Friebel, Isolde, Großbritannien, S. 134
[14] Kavanagh, Dennis; British Politics, Oxford Universitiy Press, New York 1990, S. 229
[15] Dr. Krumm, Thomas/Prof. Dr. Noetzel, Thomas; Das Regierungssystem Großbritanniens, S. 35
[16] http://www.parliament.uk/documents/upload/HofLBpJudicial.pdf, 01.02.2010
[17] Jones, Bill, Politics UK S. 391
[18] Kastendiek, Hans; Großbritannien S. 197
[19] Kastendiek, Hans; Großbritannien S. 197
[20] Official Document, House of Lords, The History of the House of Lords, S. 3
[21] Dr. Krumm, Thomas/Prof. Dr. Noetzel, Thomas; Das Regierungssystem Großbritanniens, S. 39
[22] Jones, Bill; Politics UK S. 392
[23] http://www.parliament.uk/mpslordsandoffices/mps_and_lords/analysis_by_composition.cfm, 05.01.2010
- Citation du texte
- Tobias Griesmeier (Auteur), 2010, Ist das House of Lords noch zeitgemäß?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146264
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