In diesem Essay soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung das gesellschaftliche Miteinander für die Enthüllung der Person im und durch das Handeln und Sprechen hat, da das entsprechende 24. Kapitel der Vita acitva bezüglich diesem Aspekts des Miteinanders einige Fragen aufwirft und offen lässt.
In diesem Essay soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung das gesellschaftliche Miteinander fiir die Enthiillung der Person im und durch das Handeln und Sprechen hat, da das entsprechende 24. Kapitel der Vita acitva beziiglich diesem Aspekts des Miteinanders einige Fragen aufwirft und offen lasst.
In ihrer Vita activa behandelt Hannah Arendt das Thema "was wir tun, wenn wir tatig sind"1. Dazu gliedert sie ihr Werk in drei Bereiche, in denen sie jeweils eine Analyse des Herstellens, Handelns und Arbeitens vornimmt. Die Vita activa wird dabei als aktives Leben und aktive Tatigkeit von der Vita contemplativa, also des in Betrachtung versunkenen Lebens, abgegrenzt. Handeln und Sprechen gehen fiir Arendt miteinander einher, sind in ihrer praktischen Wirkweise aufs engste miteinander verbunden. So könne es ein wortloses Handeln an sich gar nicht geben, da es "ein Handeln ohne Handelnden ware"2. Erst dadurch, dass der Mensch dazu in der Lage ist, seine Taten durch Worte und Sprache zu erklaren, zu rechtfertigen und darzulegen, kann sich die volle Bedeutung dieser seiner Handlung und damit auch das Wer, welches die handelnde Person ist, fiir andere ergeben. Diese handelnde Person selbst kann allerdings nie das eigene Wer erblicken da es ihr, wie Arendt sehr treffend und anschaulich beschreibt, gleichsam eines Satiacov, eines Damons lediglich von hinten iiber die Schulter blickt und somit nur fiir die sichtbar wird, mit denen die Person zusammen handelt. Die Betonung liegt hierbei ausdriicklich auf zusammen, denn laut Arendt verhindert ein Handeln fiir andere, also ein giitiges Handeln genauso wie ein Handeln gegen andere, das heiBt ein durch Konkurrenz respektive Ge walt geprägtes Verhalten, dass das Wer den Personen, denen gegeniiber die Handlung erfolgt, offenbar wird. An dieser Stelle muss ich Arendt widersprechen. Genauso wie eine Welt des reinen Fiireinander oder Gegeneinander scheint mir eine Welt des reinen Miteinanders im Sinne eines neutralen Zusammenlebens schlichtweg illusorisch zu sein, da Freundschaft, Liebe und Fiirsorge ebenso zur menschlichen Gemeinschaft und Gesellschaft gehören wie Hass, Konkurrenz und Missgunst. Folglich präsentiere ich mich bestimmten Personen gegeniiber immer in einem Status der Zuneigung oder Ablehnung. Es ware in meinen Augen vermessen, zu behaupten, dass sich diese Menschen, meine Gegeniiber, in diesem Moment der Zuneigung oder Ablehnung ihnen gegeniiber kein Bild von mir machen oder nicht iiber mich urteilen wiirden. Die Einsicht, und hier fiihre ich die Gedankengange Arendts weiter, die jeder kommunikativ handelnde Mensch haben miisste, dass er namlich in bestimmten Status von Zuneigung oder Ablehnung gegeniiber einem Menschen diesen nicht beurteilen darf, kann einfach nicht bei allen Menschen vorausgesetzt werden.
Wichtig scheint dabei auch die Anmerkung Reists, welcher die Personalitat als "eine objektive Daseinslage, gebunden an ge wisse materielle Voraussetzungen wie Wohlstand und Gesundheit"3 betrachtet und damit darauf aufmerksam macht, dass der oben erwahnte Damon kein immer gleicher, reiner Eindruck sein kann, sondern auch subjektiven und akzidentellen Bedingungen unterliegt.
Weiter schreibt Arendt auch, dass die "AufschluB-gebende Qualitat des Sprechens und Handelns, durch die, aber das Besprochene und Gehandelte hinaus, ein Sprecher und Tater mit in die Erscheinung tritt"4 nur dort offenbar wird, wo eben miteinander und nicht far- oder gegeneinander gehandelt wird. Einen Beweis far diese Behauptung bleibt Arendt jedoch schuldig. Denn auch in einem von Konkurrenz gepragten Handeln offenbare ich mich schlieBlich durch meine Worte und Taten und gebe damit doch "den jeweiligen Jemand, das Subjekt des Handelns und Sprechens"5 preis. Dabei ist es zweifellos richtig, dass, wie Arendt schreibt, die Worte, welche Taten begleiten, diese erst verstandlich machen und aber ihre Intentionen und ihren Zweck aufklaren.6 Ein Grund, warum die beiden Modi Zuneigung und Ablehnung des Sprechens und Agierens aber das handelnde und sprechende Subjekt keine Aufklarung zu geben vermögen, ist far mich nicht ersichtlich. Auch die Arendtsche Argumentation, dass sich sowohl die "tatige und zuweilen sehr tatkraftige Gate"7 als auch "das Verbrechen, das sich gegen die anderen stellt und vor ihnen sich verbergen muB"8 ein Enthallen ihres handelnden und sprechenden Subjektes deshalb nicht riskieren können, da dieses Subjekt nicht wisse, was es denn dann eigentlich von sich enthalle, ist in meinen Augen nur dann haltbar, wenn das Subjekt und die Welt in dem es agiert als idealisiert vorgestellt werden. Im zwischenmenschlichen Diskurs sind aber sowohl die Gate als auch das Verbrechen wichtige Bestandteile, die, auch wenn sie vielleicht nicht als wanschens wert oder normal angesehen werden, sich doch in ihm und damit auch auf seine Akteure auswirken. Zwar spricht Arendt dabei zweifellos in einem gröBeren und totalitareren Sinn von Gate und Verbrechen, wenn sie sie als "Randerscheinungen des Politischen"9 beschreibt. Dennoch ware eine genauere Abgrenzung der alltaglichen und nur "menschlichen" Auspragung der Gate und des Verbrechen von ihrer totalitaren Auspragung und damit auch eine genauere Definition des Begriffs Miteinander wanschens wert, um zu einer Vorstellung von der Bedeutung dieses Begriffs far die Gesellschaft zu gelangen.
[...]
1Arendt, 1960: 12
2Arendt, 1960: 168
3Reist,1990: 145
4Arendt, 1960: 169
5ebd.
6vgl. Arendt, 1960: 167f.
7Arendt, 1960: 169
8ebd.
9vgl. Arendt, 1960: 170
- Citation du texte
- Georg Thieme (Auteur), 2009, Die Bedeutung des gesellschaftlichen Miteinanders für die Enthüllung der Person im Handeln und Sprechen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145771