Der katholische Pfarrer und Dechant, Karl-Andreas Krieter (1890-1963) galt vielen Menschen seiner Zeit als liebenswerte und bedeutende Persönlichkeit. Er wurde wegen seiner Verdienste um den Bau des Krankenhauses „Groß-Sand“ in Hamburg-Wilhelmsburg mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet. Eine Straße im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist nach ihm benannt. Der Bischof von Hildesheim ehrte Karl-Andreas Krieter mit dem Titel „Geistlicher Rat“.
Karl-Andreas Krieter wirkte von 1923 bis 1934 in Harburg-Wilstorf als Pastor der Kirchengemeinde St. Franz-Josef. Dieser Abschnitt seines Lebens wird hier beschrieben.
Vom Oktober 1934 bis zum August des Jahres 1961 war Karl-Andreas Krieter Pfarrer der St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg. 1944 wurde er Dechant des Dekanates Lüneburg / Harburg. Während der 27 Jahre, die er als Pfarrer und Dechant in Wilhelmsburg tätig war, erlebte Karl-Andreas Krieter die Diktatur Adolf Hitlers, den Zweiten Weltkrieg und die Anfangsjahre der Bundesrepublik Deutschland.
Der hier vorliegende zweite Teil seiner Biografie gewährt beispielhaft Einblick in das kirchliche und weltliche Leben dieser drei Zeitabschnitte.
Im Jahre 1995 wurde das Erzbistum Hamburg gegründet. Ihm wurden alle katholischen Kirchengemeinden auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zugewiesen. Die Mehrheit dieser Kirchengemeinden gehörte bis dahin zum Bistum Osnabrück. Dagegen gehörten die Kirchengemeinden in Wilhelmsburg und Harburg zum Bistum Hildesheim. Dadurch ist die Geschichte der Hildesheimer Gemeinden in Hamburg verständlicherweise wenig bekannt.
Das vorliegende Werk schließt diese Wissenslücke. Zugleich mit diesem Detail der katholischen Kirchengeschichte des Stadtstaates und des Erzbistums Hamburg werden hier Details der Ortsgeschichte der Hamburger Stadtteile Wilhelmsburg und Harburg veröffentlicht, die noch nicht erforscht und beschrieben waren.
Die vorliegende Biografie des Karl-Andreas Krieter ist in besonderem Maße bemüht, die historischen Quellen selbst reden zu lassen. Hoffentlich regt dieses Quellenmaterial, das bislang im Verborgenen ruhte, zu weiteren Forschungen auf dem Gebiet der katholischen Kirchengeschichte Hamburgs an.
Inhaltsverzeichnis
1. Pastor Krieter wird Pfarrer der Gemeinde St. Bonifatius in Harburg-Wilhelmsburg.
1.1 Das Angebot des Bischofs
1.2 Die Zusage
1.3 Die Unterschriftensammlung des Kirchenvorstehers Born
1.4 Unangenehme Hinterlassenschaften
1.5 Die Geschichte und die soziale Struktur der Gemeinde St. Bonifatius
1.6 Die Amtseinführung
2. Pfarrer Krieter richtet sich in St. Bonifatius ein.
2.1. Alltag im Pfarrhaus
2.2 Die Organisation der pastoralen Arbeit
2.3 Die weltlichen Mitarbeiter
3. Das erste Jahr im Amt des Pfarrers von St. Bonifatius
3.1 Nationalsozialistischer Geist in der katholischen Schule
3.2 Die Nutzung der „Höpenwiese“
3.3 Bauliche Mängel an der Bonifatiuskirche, am Kirchplatz und am Pfarrhaus
3.4 Advent und Weihnachten 1934
3.5 Die „Kindersegnung“ am Fest der unschuldigen Kinder
3.6 Anordnungen zum Gebet, zum Glockenläuten und zum Beflaggen der Bonifatiuskirche
3.7 Karitatives Wirken
3.8 Der erste Besuch des Bischofs Joseph-Godehard in Harburg-Wilhelmsburg
3.9 Sorgen um das Weiterleben der Bekenntnisschule
3.10 Nur „rein-religiöse“ Jugendarbeit ist noch erlaubt.
3.11 Die „Wandernde Kirche“
3.12 NS-Lügengeschichten über einen Bischof und einen Generalvikar
3.13 Kirchliche Feiern in Harburg-Wilhelmsburg
3.14 Pfarrer Krieter, ein pragmatischer Seelsorger
3.15 Pfarrer Krieter macht sich beliebt.
3.16 Die Sitzung des Kirchenvorstandes im Juli 1935
4. Die Kapläne der Jahre 1935 bis 1940
4.1 Der Abschied von Kaplan Konrad Dorenkamp
4.2 Kaplan Johannes Wosnitza
4.2.1 Finanzielle Verhandlungen mit dem Generalvikariat wegen des Kaplans Wosnitza
4.2.2 Kaplan Wosnitza zu Beginn seiner Zeit in St. Bonifatius
4.3 Joseph Krautscheidt, Kaplan für die „Wandernde Kirche“
4.4 Kaplan Antonius Holling
5 Die Jahre der Bedrängnis, 1936 bis 1939
5.1 Seelsorgerliche Anstrengungen
5.2 Die Bischöfe und die Rheinlandbesetzung
5.3 Beleidigt und verleumdet
5.4 Die Bischöfe bieten der NS-Regierung vergeblich ein Bündnis an.
5.5 In die Sonderstellung gedrängt
5.6 Das „St. Willehadstift“ schafft Sorgen.
5.7 Die Enzyklika „Mit brennender Sorge …“
5.8 Der Kampf gegen erneute Verleumdungen
5.9 Drohungen des Reichsstatthalters Kaufmann
5.10 Das Ende der katholischen Schulen in Wilhelmsburg und Harburg
5.11 Das kirchliche Leben geht dennoch weiter.
5.11.1 Jubel in St. Franz-Josef
5.11.2 Bautätigkeiten in St. Bonifatius
5.12 Rückblick auf die „große Politik“ der Jahre 1936 bis 1939
6. Während des 2. Weltkrieges
6.1 Erste Auswirkungen des Krieges in St. Bonifatius
6.2 Priesterjubiläum im zweiten Kriegsmonat
6.3 Gebote, Verbote, Anordnungen und Bekanntgaben
6.4 Das Jahr 1940
6.4.1 Einschränkungen im Alltagsleben und Sorgen wegen Zusatzkosten für die Kirchenkasse
6.4.2 Kaplan Holling wird versetzt.
6.4.3 Pfarrer Friedrich Schmidts wird Nachfolger des Dechanten Carl Kopp.
6.4.4 Die ersten Bomben fallen auf Hamburg.
6.4.5 Primiz am Morgen nach dem Luftangriff
6.4.6 Kaplan Wosnitza wird versetzt.
6.4.7 Die Weihe der Gemeinde St. Bonifatius an die Gottesmutter
6.4.8 Der Zorn des Dr. Offenstein
6.4.9 Rückblick auf das Jahr 1940
6.5 Das Jahr 1941
6.5.1 Die Luftangriffe gehen weiter.
6.5.2 Die Kinderlandverschickung
6.5.3 Die seelsorgerliche Betreuung dienstverpflichteter Ausländer
6.5.4 Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 26. 6. 1941
6.5.5 Der „Klostersturm“
6.5.6 „Euthanasie“; die dritte Predigt des Bischofs von Münster
6.5.7 Rettung aus der psychiatrischen Anstalt Lüneburg
6.5.8 Pater Jussen kommt, Kaplan Surkemper wird versetzt
6.5.9 Rückblick auf das Jahr 1941
6.6 Das Jahr 1942
6.6.1 Die Gemeinde „opfert“ Kirchenglocken.
6.6.2 Gedanken und Trostworte zum Soldatentod
6.6.3 Wahrzeichen der Angst an der „Heimatfront“
6.6.4 Nachbesserungen an der Verdunkelungseinrichtung der Bonifatiuskirche
6.6.5 Folgen einer Denunziation
6.6.6 Seelische und körperliche Anforderungen bis an die Grenze der Belastbarkeit
6.6.7 Der sorgenerfüllte Dezember 1942
6.6.8 Freude am Engagement der Pfarrjugend
6.6.7 1943, das „Jahr des Schreckens“
6.7.1 Stalingrad und der Umgang mit der militärischen Niederlage bei Katholiken und Nationalsozialisten
6.7.2 Die Bomben- und Brandkatastrophe für Hamburg
6.7.3 „Bereitseinkönnen zum Sterben“ und das Gebet für den Frieden der Völker
6.7.4 Die Versetzung des Pfarrers Wüstefeld
6.7.5 Nachrichten von den Verwandten
6.7.6 Die letzten Monate des Jahres 1943
6.8 Das Jahr 1944
6.8.1 Das Kriegsgeschehen und die Folgen für den Gottesdienst
6.8.2 Unglückswochen für die Kirchengemeinde St. Bonifatius im Juni und August 1944
6.8.3 Pfarrer Krieter wird Dechant des Dekanates Lüneburg.
6.8.4 Die Unglückswochen für die Kirchengemeinde St. Maria in Harburg
6.9 In Erwartung des Kriegsendes
6.9.1 Erneutes Unglück für St. Bonifatius
6.9.2 Die Woche nach dem 31. 3. 1945
6.9.3 Während der letzten Tage des Krieges
7. Dechant Krieter in den ersten Nachkriegsjahren
7.1 Neue Personen in der Regierung und Verwaltung Hamburgs
7.2 Der Wiederaufbau des religiösen Lebens und karitative Anstrengungen
7.3 Die Stellungnahme der Bischöfe zur „Hitlerzeit“ und ihre „Grundsätze des religiösen Lebens nach Kriegsende“.
7.4 Die Bonifatiuskirche wird restauriert.
7.5 Keine Kontinuität auf den Kaplanstellen
7.6 Senator Velthuysen macht der Bonifatiusgemeinde ein Geschenk.
7.7 Zwei Briefe von Bischof Joseph-Godehard
7.8 Die Wiedereinrichtung der katholischen Schulen in Wilhelmsburg und Harburg
7.9 Dechant Krieter bestellt Andreas Nolte zum Rektor der Bonifatiusschule.
7.10 Die Gründung des Krankenhauses Groß-Sand
7.11 Dechant Krieter und die besonderen Nöte der ersten Nachkriegszeit
7.11.1 Die Entnazifizierung
7.11.2 Die Hunger- und Kältekatastrophe 1946 / 1947
7.11.3 Die Währungsreform
7.12 Die Verwandten während der ersten Nachkriegszeit
8. Jahre der Zufriedenheit und Kontinuität
8.1 Dechantentätigkeit
8.2 Die Kapläne Rademacher, Goedde und Hölsken
8.3 Verzicht auf die Privatsphäre und Kapitulation vor der Aufgabe, Pflegevater zu sein
8.4 Die Bauvorhaben der Fünfziger Jahre
8.4.1 Der Bau des neuen Gemeindehauses
8.4.2 Die Erweiterung des Krankenhauses
8.5 Freude über den Priesternachwuchs aus der Bonifatiusgemeinde
9. Schwere Prüfungen in den letzten Amtsjahren
9.1 Körperliche Beschwerden
9.2 Zwei „schwierige“ Kapläne
9.3 Der Tod des Rektors Nolte
10. Zustimmung zur Wiedereinrichtung des Sportvereins DJK-Wilhelmsburg
11. Silbernes Ortsjubiläum und unerwartete Ehrungen
12. Die Bitte um Versetzung in den Ruhestand
13. Ruhestand in Hilkerode
14. Tod, Bestattung und Nachrufe
Literaturverzeichnis
Personenregister
Abbildungsnachweis
1. Pastor Krieter wird Pfarrer der Gemeinde St. Bonifatius in Harburg-Wilhelmsburg.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Seit dem 1. Oktober 1923 war Karl-Andreas Krieter Pastor der Gemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf. Im Jahre 1931 bat er den damaligen Bischof von Hildesheim, Dr. Nikolaus Bares, zum ersten Mal um Versetzung und um Zuteilung einer Pfarrerstelle - am liebsten in seiner Heimat, auf dem Eichsfeld.[1] Bischof Nikolaus bot ihm eine Pfarrvikar-Stelle in Groß-Ilsede an. Diese Stelle - zwischen den Städten Hildesheim und Peine gelegen - wollte und konnte Karl-Andreas Krieter nicht annehmen.[2]
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Seine weiteren Bitten um Versetzung, die er im Januar und August 1933 schriftlich[3] und im September 1933[4] sogar mündlich seinem Bischof vortrug, wurden nicht erhört.
Am 16. Dezember 1933 wurde Dr. Bares von Papst Pius XI. zum Bischof von Berlin ernannt.[5] Der Bischofssitz in Hildesheim war vorerst vakant. Deswegen wandte sich Karl-Andreas Krieter mit dem nächsten Schreiben, das den Wunsch nach Versetzung aussprach, an den Generalvikar des Bistums, an Dr. Otto Seelmeyer. Sein Schreiben ist auf Montag, den 4. Juni 1934, datiert.
Dieses Mal erklärte Pastor Krieter sich bereit, jede Pfarrei anzunehmen, „für die man ihn geeignet halte.“[6] Die Hoffnung, eine Pfarrstelle auf dem Eichsfeld zu bekommen, hatte er also aufgegeben.
Generalvikar Dr. Seelmeyer antwortete schon am nächsten Tag. Er forderte Pastor Krieter auf, seinen Versetzungswunsch zu wiederholen, sobald der Hildesheimer Bischofsstuhl wieder besetzt sei.[7]
Am 22. 6. 1934 wurde Dr. Josef-Godehard Machens von Papst Pius XI. zum Bischof von Hildesheim ernannt. Karl-Andreas Krieter konnte sich aber nicht umgehend an den neuen Bischof wenden, denn in den Tagen vom 30. Juni bis zum 2. Juli 1934 geschah in Deutschland Ungeheuerliches. Der Führer der NSDAP, Reichskanzler Hitler, verhaftete persönlich den obersten SA-Führer, Ernst Röhm, und einige andere Personen der SA-Führung. Hitler ließ diese Männer ohne Gerichtsprozess erschießen, weil sie nicht mehr in sein politisches Konzept passten. Gleichzeitig nutzte er die günstige Gelegenheit, die Ermordung weiterer Personen, die ihm unliebsam waren, in Auftrag zu geben. Pastor Krieter erfuhr sehr bald, dass unter den unschuldigen Opfern der „Reichsmordwoche“ prominente Vertreter des katholischen Vereinswesens waren, so Adelbert Probst, der Reichsführer der katholischen Sportvereinigung „Deutsche Jugendkraft“, und Dr. Erich Klausener, der Führer der „Katholischen Aktion“ im Bistum Berlin.[8] In den folgenden Tagen und Wochen schwiegen die deutschen Bischöfe, obwohl sie über die Mordaktionen Hitlers gut informiert waren.[9] Sie hatten Sorge, ein klares Wort gegen die Regierung könne für die Katholiken ein Blutbad zur Folge haben. Vor allem aber standen die Bischöfe zu diesem Zeitpunkt mit der Hitler-Regierung in Verhandlungen wegen des Konkordatsartikels 31 (katholisches Vereinswesen). Eventuell positive Ergebnisse sollten nicht gefährdet werden.
Karl-Andreas Krieter sah ein, dass es in diesen Tagen wenig Sinn machte, seinen Versetzungswunsch zu wiederholen.
Am 23. Juli 1934 vereidigte Reichserziehungsminister Rust - in seiner Funktion als Reichskultusminister - den neuen Bischof von Hildesheim.
Das Konkordat, das der Vatikan am 20. Juli 1933 mit dem Deutschen Reich abgeschlossen hatte, schrieb die staatliche Vereidigung jedes neu inthronisierten Bischofs vor.
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Auch die folgenden Wochen erschienen Pastor Krieter nicht geeignet, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben. Wieder stand ihm die „große Politik“ im Wege: Zwei Tage nach der Vereidigung des Bischofs Joseph-Godehard war Europa durch einen Putsch der NSDAP Österreichs, die dort illegal war, erschreckt worden. Die Putschisten hatten in Wien den Bundeskanzler Österreichs, Engelbert Dollfuß, am 25. Juli 1934 niedergeschossen. Sie hatten dem streng gläubigen Katholiken, als er im Sterben lag, weder ärztliche Hilfe noch die kirchlichen Sakramente gewährt. Am Abend desselben Tages war der Putsch zusammengebrochen. Alle Welt sah damals Adolf Hitler als Drahtzieher des schändlichen Mordes. Papst Pius XI. verkündete öffentlich, Dollfuß sei eine bedeutende christliche Persönlichkeit gewesen, der treueste Sohn der Kirche. Hitler bestritt jede Teilhabe an den Vorgängen in Österreich und sprach in Erklärungen und Telegrammen das Bedauern Deutschlands aus.
Den deutschen Botschafter, der sich von den Putschisten nicht eindeutig distanziert hatte, setzte Hitler scheinheilig ab. Nachfolger sollte Vizekanzler Franz von Papen werden. Der folgte dem Willen Adolf Hitlers, obwohl er genug Gründe gehabt hätte, sich zu verweigern.
Pastor Krieter, der als Mitglied der katholischen Zentrumspartei[10] die Politik aufmerksam verfolgte, erlebte eine Wiederholung, die ihn traurig stimmen musste: Wie bei der so genannten Röhm-Revolte erschien Adolf Hitler - der Kanzler des Deutschen Reiches - in einem denkbar ungünstigen Licht, und wie die Bischöfe sich am Monatsbeginn opportunistisch gefügt hatten, so fügte sich am Monatsende der prominente Katholik, Franz von Papen.
Wenige Tage nach den Ereignissen in Wien las Pastor Krieter in den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“,[11] Reichspräsident von Hindenburg läge auf seinem Gut Neudeck im Sterben. Aus derselben Zeitung erfuhr Pastor Krieter, dass Hitler nach Neudeck gefahren sei, um sich den Segen des sterbenden Reichspräsidenten zu holen. Als er sich diese anrührende Szene vorgestellt hat, mag Pastor Krieter eine andere Nachricht der Zeitung nicht so ernst bewertet haben wie es notwendig gewesen wäre: Noch vor seiner Abreise hatte Adolf Hitler ein Gesetz über die Nachfolge des Reichspräsidenten durch das Reichskabinett beschließen lassen. Das Gesetz vereinte das Amt des Reichskanzlers mit dem Amt des Reichspräsidenten. Damit war Adolf Hitler uneingeschränkter Herrscher über das Deutsche Reich, Diktator auf Lebenszeit. Zur Abrundung seiner Alleinherrschaft ließ Hitler erst die Soldaten der Reichswehr und wenige Tage danach alle Beamten auf sich vereidigen.[12] Die Soldaten der Reichswehr hatten am 2. August 1934 - also am Todestag Paul von Hindenburgs - zu sprechen: „Ich schöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als deutscher Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“
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Es gibt keine Gewissheit, dass Pastor Krieter im August 1934 das zielbewusste Machtstreben Hitlers sofort und vollständig durchschaut hat. Wenn man politisch gutgläubig war, konnte man annehmen, der Reichskanzler bürde sich die zusätzliche Arbeitslast nur auf, um Deutschland wohlzutun. Im Übrigen sollte das Gesetz nur Bestand haben, wenn das Deutsche Volk sein Einverständnis gäbe. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Hitler ließ am Sonntag, den 19. August 1934, eine „Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt“ durchführen. 89,9% der Deutschen stimmten an diesem Tag dafür, dass in der Person Adolf Hitler die Ämter Reichskanzler und Reichspräsident vereinigt würden.
4,3 Millionen Deutsche stimmten dagegen. Falls Pastor Krieter sich gegen Adolf Hitler entschieden haben sollte, dann war er kein „treuer“ Deutscher, dann gehörte er nicht zur „einigen Nation“. Dann war er einer der „Miesmacher und Kritikaster“, gegen die seit Wochen in der Presse und von Rednern bei Großveranstaltungen Beleidigungen und Drohungen ausgesprochen wurden.[13]
1.1 Das Angebot des Bischofs
Von Dienstag, den 4. September, bis Montag, den 10. September 1934, fand in Nürnberg der Sechste Reichsparteitag der NSDAP statt. Die Festtage der Nationalsozialisten standen in diesem Jahr unter dem Motto „Triumph des Willens“. Alle Deutschen und auch das Ausland sollten sehen, dass „Führer und Volk“ eine unzertrennliche Einheit seien, bereit zu großen Taten.
In diesen Hochtagen nationalsozialistischer Propaganda erhielt Pastor Krieter ein Telegramm aus Hildesheim. Am Donnerstag, den 6. September 1934, las er: „ Bischof beabsichtigt, Ihnen Wilhelmsburg, Bonifatius, zu übertragen; erbitten Drahtantwort, Generalvikariat“[14]
Karl-Andreas Krieter war überrascht. Weil der damalige Pfarrer von St. Bonifatius, Friedrich Schmidts, sein Duz-Freund war, wusste er gewiss, dass „Fritze“ die Pfarrei in Wilhelmsburg verlassen wollte, aber Pastor Krieter war dennoch erstaunt. Es war verwunderlich, dass der Bischof ausgerechnet ihm die große Pfarrei St. Bonifatius übertragen wollte, denn bis dahin hatte er auf einer Stelle gesessen, die recht unbedeutend war. Als Pastor der Tochtergemeinde St. Franz-Josef war er rechtlich sogar nur Hilfsgeistlicher des Pfarrers Wüstefeld von der Muttergemeinde St. Maria.[15]
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Es gab einige Gesichtspunkte, die das Angebot des Bischofs sehr verlockend machten. Karl-Andreas Krieter fand es reizvoll, dass er auf bekanntem Terrain bliebe, falls er sich für Wilhelmsburg entscheiden sollte. Während seiner elf Dienstjahre als Pastor in St. Franz-Josef war er oft in Wilhelmsburg zu Besuch gewesen. Mehrmals im Jahr hatte er die Pfarrer und Kapläne der Nachbargemeinde getroffen.
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Mehrmals hatten die Geistlichen der Harburger Gemeinden St. Maria und St. Franz-Josef Gemeinsschaftsaktionen mit der Wilhelmsburger Gemeinde durchgeführt.[16]
Mit Pfarrer Schmidts und dessen Vorgänger, Dr. Wilhelm Offenstein, war Karl-Andreas Krieter gut befreundet. Den Kaplan Konrad Dorenkamp, der seit 1920 in St. Bonifatius tätig war, kannte Pastor Krieter seit zehn Jahren. Den zweiten Kaplan in St. Bonifatius, Bernhard Bank, kannte er ebenfalls gut. Dessen Bruder, Johannes Bank, war seit 1932 Kaplan an St. Maria in Harburg. Karl-Andreas Krieter mochte die robuste, zupackende Art der beiden „Bänke“ gern.
Auch mit Laien der Pfarrgemeinde St. Bonifatius war Pastor Krieter oft zusammengetroffen. Er dachte jetzt an Josef Krebs, den stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchenvorstandes in St. Bonifatius, der lange Jahre Bürgervorsteher der Stadt Harburg-Wilhelmsburg gewesen war. Im letzten Jahr hatten die Nationalsozialisten auf den Abgeordneten der Zentrumspartei das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ angewandt. Sie hatten Krebs aus dem Amt des Bürgervorstehers gejagt und ihn zwangspensioniert. Pastor Krieter war sich gewiss, mit Josef Krebs gut zusammenarbeiten zu können, ebenso wie mit dem Stadtinspektor Paul Ulitzka. Dieser arbeitete hauptamtlich im Finanzamt der Stadt Harburg-Wilhelmsburg. Nebenamtlich zog er in der Gemeinde St. Bonifatius die Kirchensteuer ein.
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Als Karl-Andreas Krieter die Vorteile eines Dienstantritts in Wilhelmsburg bedachte, war er gewiss auch von der stattlichen äußeren Gestalt der Gemeinde St. Bonifatius beeindruckt. Die Kirche und das Pfarrhaus in Wilhelmsburg waren im Vergleich zur Kirche und zum Pastoratshaus in Harburg-Wilstorf geradezu prächtig.
Die Katholiken Wilhelmsburgs bezeichneten das große Areal am südlichen Ende der Veringstraße scherzhaft mit dem Namen „Wilhelmsburger Vatikan“. Das Kirchengelände war bebaut mit der Bonifatiuskirche, mit dem Pfarrhaus und mit dem älteren der beiden Gebäude der Katholischen Volksschule. Dieses Gebäude hieß in der Bonifatiusgemeinde „Alte Schule“. Eine Mauer mit aufgesetztem Zaun grenzte den „Vatikan“ von der nichtkatholischen Umgebung ab.
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Die katholische Schule Wilhelmsburgs, die ihr Hauptgebäude seit 1903 gegenüber der Kirche - an der Bonifatiusstraße (früher Karlstraße) - hatte, benutzte die „Alte Schule“ weiterhin für Unterrichtszwecke. Rechtlich gehörten beide Gebäude dem Staat Preußen. Weil die katholische Schule aber von der Bonifatiusgemeinde gegründet worden war, empfanden die Mitglieder beide Schulgebäude als ihr Eigentum. Die Lehrkräfte waren sowieso katholisch. Der Hausmeister hieß Siegfried Lisiewicz und war dem Pastor Krieter als sehr treuer und eifriger Katholik bekannt. Er wohnte mit seiner Familie in der „Neuen Schule“. [17]
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Ein besonderer Schatz der Kirchengemeinde St. Bonifatius war das Gemeindehaus. Pastor Krieter kannte es unter dem Namen „ Stift St. Willehad“. Im Dachgeschoss des Gemeindehauses wohnten sieben „Barmherzige Schwestern des heiligen Vinzenz von Paul“. Seit sechs Jahren war Pastor Krieter ihr „außerordentlicher Beichtvater“. In regelmäßigen Abständen war er zum „Beichtehören“ in die Kapelle des Stiftes „St. Willehad“ gekommen.[18] So wusste er, dass die Schwestern im Gemeindehaus eine Kindertagesstätte betrieben, einen Kindergarten und für junge Frauen eine „Näh- und Kochschule“. Zwei Schwestern waren in Wilhelmsburg als ambulante Krankenpflegerinnen tätig, sowohl für Katholiken als auch für Nichtkatholiken. Pastor Krieter schätzte die Tätigkeit der Schwestern hoch ein. Auch in seiner St. Franz-Josef-Gemeinde in Wilstorf arbeiteten „Barmherzige Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul“ erfolgreich zum Wohl der katholischen Gemeinde und zum Wohl der nichtkatholischen Allgemeinheit. Dass ihn „Barmherzige Schwestern“ unterstützen würden, durfte Pastor Krieter als ein weiteres Plus der Pfarrstelle St. Bonifatius verbuchen.
Schon das Gemeindehaus selbst machte die Übernahme der Pfarrei St. Bonifatius attraktiv. Oft genug hatten die Geistlichen der Harburger Gemeinden - etwas neidisch - erlebt, welche pastoralen Möglichkeiten dieses Haus den Mitbrüdern in Wilhelmsburg eröffnete.[19] Eine Küche im Erdgeschoss erleichterte die Durchführung von Einkehrtagen. Zwei große Säle - davon einer mit einer Theaterbühne - und mehrere kleine Räume konnten von den kirchlichen Vereinen genutzt werden. Die umfangreiche Pfarrbücherei war in einem eigenen Raum untergebracht.
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Es gab noch einen weiteren Besitz, den Pastor Krieter als Pluspunkt der Bonifatiusgemeinde einschätzen konnte: Die Gemeinde hatte im Jahre 1932 eine große Wiese von 4620 Quadratmetern am Stadtrand von Harburg erworben.[20] Sie lag im „Höpen“, einem Waldgebiet zwischen den Ortschaften Sinstorf, Meckelfeld und Fleestedt und war von der Bonifatiusgemeinde „hauptsächlich für Zwecke der katholischen Schule“ gekauft worden.[21]
Als Karl-Andreas Krieter das Telegramm aus Hildesheim in den Händen hielt, konnte er der Pfarrstelle in Wilhelmsburg also viel Verlockendes abgewinnen. Es gab aber auch Gründe für Bedenken und Zweifel. Die Seelsorgearbeit und die Verwaltung der Pfarrei würden deutlich mehr Anstrengung verlangen als die Pastorenarbeit in Wilstorf. Immerhin hatte die Gemeinde 7330 Mitglieder.[22] Damit war sie mehr als doppelt so groß wie St. Franz-Josef.
Vor Mehrarbeit fürchtete sich Karl-Andreas Krieter gewiss nicht. Ein Grund für Bedenken und Zweifel war für ihn eher die Tatsache, dass er keine Erfahrung in der Leitung geistlicher und weltlicher Mitarbeiter hatte.
Im Fall des nur zwei Jahre jüngeren Konrad Dorenkamp würde es möglicherweise problematisch werden, dessen Vorgesetzter zu sein.
Wenn er an das Kollegium der katholischen Volksschule Wilhelmsburgs dachte, bedrängte ihn eine weitere Sorge. Pastor Krieter wusste, dass sich der Rektor der Schule, Heinrich Hupe, seit Januar 1933 mehr als Nationalsozialist denn als Katholik zeigte. Vielleicht würde es bei diesem Rektor schwierig werden, die Belange der Kirche zu wahren.[23] Unangenehme Erinnerungen verband Pastor Krieter mit dem Lehrer Riediger. Mit ihm war er heftig zusammengestoßen, als Herr Riediger im April 1933 für die Rektorenstelle an der Katholischen Volksschule II in Harburg-Wilstorf kandidiert hatte. Pastor Krieter hatte sich damals - wie er es selbst einschätzte - mit guten Gründen gegen Herrn Riediger gestellt. Als dessen Bewerbung erfolglos geblieben war, hatte der Lehrer Riediger behauptet, die gesamte katholische Geistlichkeit der Stadt Harburg-Wilhelmsburg habe gegen ihn intrigiert. Pastor Krieter war von ihm sogar schriftlich als Lügner und Verleumder beschimpft worden.[24]
1.2 Die Zusage
Karl-Andreas Krieter hatte am 6. 9. 1934 nicht die Zeit, das Für und Wider der Pfarrstelle St. Bonifatius noch gründlicher zu bedenken. Das Generalvikariat erwartete seine umgehende Antwort. Nachdem er bereits das Angebot der Vikarstelle in Groß-Ilsede abgelehnt hatte, wäre eine weitere Eigenwilligkeit unerhört gewesen. Pastor Krieter stimmte also der Übernahme von St. Bonifatius zu.
In Hildesheim hatten Bischof Joseph-Godehard und Generalvikar Dr. Seelmeyer nichts anderes von ihm erwartet. Noch am selben Tage stellte der Bischof die Übertragungsurkunde aus. In seinem Begleitbrief wünschte er dem neuen Pfarrer von Wilhelmsburg „Gottes reichsten Segen bei seinen Arbeiten in der ihm anvertrauten Gemeinde.“[25]
Die Urkunde zur Übertragung der Pfarrei St. Bonifatius an Karl-Andreas Krieter war lateinisch geschrieben. Die deutsche Übersetzung des Textes lautet:
„Joseph Godehard durch Gottes Erbarmung und des Apostolischen Stuhles Gnade Bischof von Hildesheim, Doktor der heiligen Theologie, entbietet unserem in Christus geliebten Priester, Carl Krieter, Pastor in Harburg-Wilhelmsburg, Gruß und Segen im Herrn. Da die Pfarrstelle der katholischen Pfarrkirche St. Bonifatius in Harburg-Wilhelmsburg durch die Versetzung des Hochwürdigen Herrn Pastors Schmidts, des derzeitigen Pfarrers, auf eine andere Pfarrei vom 1. Oktober ab frei wird und da die Leitung und die Neubesetzung der Pfarrei uns zusteht, und Du für würdig befunden bist, die Pfarrei zu verwalten, haben wir angeordnet, die Pfarrei St. Bonifatius Dir zum 1. November 1934 zu übertragen. Wir übertragen sie Dir hiermit mit allen Rechten, Früchten und Einkünften. Und so übertragen wir Dir die Pfarrei mit all ihren Pflichten und Lasten in der Erwartung, dass Du Gott dem Allerhöchsten und uns darüber stets Rechenschaft geben kannst. Mit Deiner Einführung in das Pfarramt ist der Hochwürdige Herr Dechant Kopp in Celle beauftragt. Hildesheim, den 6. September 1934, Joseph Godehard, Bischof von Hildesheim“[26]
Mit seinen Segenswünschen gab Bischof Joseph-Godehard im Begleitbrief Pastor Krieter zugleich den Befehl: „Vor Ihrer Einführung haben Sie die Professio fidei (das Glaubenbekenntnis) und das Juramentum Pianum (das Gehorsamsgelöbnis) in meine Hände abzulegen. Sie wollen zu diesem Zwecke an einem Werktage nach vorheriger schriftlicher Anmeldung in der Bischöflichen Hauskapelle sich einfinden.“[27]
Gehorsam fuhr Karl-Andreas Krieter an einem der nächsten Werktage mit der Eisenbahn nach Hildesheim. Er fand sich pünktlich in der Hauskapelle des Bischofs ein, sprach das Glaubenbekenntnis und sein Gehorsamsgelöbnis, und der Bischof setzte ihm das Zeichen der Pfarrerwürde, das Birett, aufs Haupt.[28] Nach der in dieser Form üblichen Zeremonie teilte der Bischof dem neuen Pfarrer von St. Bonifatius vermutlich einige Gründe mit, die seine Versetzung nach Wilhelmsburg bewirkt hatten.
1.3 Die Unterschriftensammlung des Kirchenvorstehers Born
Als ihm bekannt geworden war, dass Pfarrer Schmidts in Kürze aus der Bonifatiusgemeinde versetzt werde, wollte der Kirchenvorsteher Kurt Born den Verbleib des Pfarrers durch eine Unterschriftensammlung erzwingen. Ohne Pfarrer Schmidts informiert zu haben, wurde Kirchenvorsteher Born aktiv. Die gesammelten Unterschriften und einen Begleitbrief sandte er an Bischof Joseph-Godehard. Dieser antwortete ihm am 25. 9. 1934:
„Sehr geehrter Herr Born, es ist mir eine Freude, durch zahllose Unterschriften katholischer Wilhelmsburger über die große Liebe und Verehrung belehrt zu werden, die Herr Pastor Schmidts, der mir seit meiner Jugend nicht bloß bekannt, sondern auch befreundet ist, in der dortigen Gemeinde genießt. Ihr Schreiben und verschiedene andere Briefe, die ich erhielt, sind mir liebe Beweise dafür, dass Hirt und Herde in Wilhelmsburg in Treue und herzlicher Liebe verbunden sind. Kein Wunder, dass sich beim Abschied die Anhänglichkeit besonders stürmisch kundtut. Wenn Ihr verehrter Pfarrer von Ihnen geht, um in Osterode (Harz, Anm. d. Verf.), auf kleinem, aber schwierigen Arbeitsfelde zu wirken, so geschieht es nur - und zwar in vollem Einverständnis und auf gänzlich freies Ersuchen Ihres Seelsorgers - um ihm ein wenig Abspannung nach der aufreibenden Großstadtseelsorge zu verschaffen, damit er später - hoffentlich recht bald - einen größeren Weinberg des Herrn zu bestellen in der Lage ist. Machen Sie darum dem scheidenden Pfarrer das Herz nicht noch schwerer. Seien Sie überzeugt, dass er und die Gemeinde Wilhelmsburg das besondere Wohlwollen des Bischofs besitzen.
Gehen Sie mit vollem Vertrauen dem neuen Seelenhirten entgegen, der bald bei Ihnen Einzug halten wird und schon seit Wochen als ernannter Pfarrer von Wilhelmsburg ein Recht nicht so sehr auf die Pfarrei als auf die Herzen der Pfarrkinder hat. Im Sinne von Pastor Schmidts bereiten Sie ihm einen herzlichen Empfang, der der Auftakt treuen Zusammenarbeitens des neuen Pfarrers und seiner Gemeinde zu Gottes Ehre und zum Heil der Seelen sein soll. Pastor Schmidts aber wird, wenn auch in Osterode fern dem Körper nach, dem Geiste nach auch ferner unter Ihnen wohnen. Getrennt dem Orte nach, werden Pastor Schmidts und St. Bonifatius in Wilhelmsburg in Gebetsgemeinschaft treu verbunden bleiben. Und als Dritter in diesem geistigen Bunde des Gebetes und der Christusliebe möchte ich dabei sein, ich, Euer Bischof, gez. Joseph Godehard“[29]
Kirchenvorsteher Born ließ sich durch den Brief seines Bischofs überzeugen, dass die Versetzung zum Wohle des Pfarrers Schmidts geschehe. Er blieb Mitglied des Kirchenvorstandes.
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1.4 Unangenehme Hinterlassenschaften
Schon einen Monat vor seiner Amtseinführung in Wilhelmsburg verpflichtete ein Brief des Generalvikars, Dr. Seelmeyer den designierten Pfarrer Krieter dazu, sich einen Überblick über die finanzielle Situation seiner neuen Gemeinde zu verschaffen. Der Generalvikar schrieb am 29. September 1934: „Wir bestellen Sie hiermit für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Oktober 1934 zum Administrator (vicarius oeconomus) der Pfarrei ad Sanctum Bonifatium in Harburg-Wilhelmsburg. Ihre Befugnisse und Obliegenheiten regeln sich nach Can. 473, C.J.C.. Als Pfarradministrator leiten Sie die kirchliche Vermögensverwaltung und führen den Vorsitz im Kirchenvorstand.“ [30]
Im Oktober 1934 sah sich Karl-Andreas Krieter also vor zwei Aufgaben gestellt. In Harburg-Wilstorf hatte er seine Pastorenstelle korrekt an den Nachfolger, Leonard Mock, zu übergeben. In Wilhelmsburg sollte er sich in 27 Tagen einen Überblick über die finanzielle Lage der Kirchengemeinde verschaffen.
Die erste Aufgabe bereitete ihm keine besonderen Schwierigkeiten. Leonard Mock schrieb später in die Chronik der Kirchengemeinde St. Franz-Josef: „Am 1. November 1934 trat ich, Leonard Mock, die Stelle in St. Franz-Josef, Harburg-Wilstorf, an. Ein guter, von allen geachteter und geliebter Priester hatte hier gewirkt. Da brauchte ich nur - mit den Ratschlägen meines Freundes Karl-Andreas Krieter unterstützt - weiter zu arbeiten.“[31]
In Wilhelmsburg dagegen stieß Karl-Andreas Krieter auf eine Reihe unerwarteter Probleme:
Als er die Jahresabrechnungen der Kirchengemeinde einsah, stellte er fest, dass die Kirchenkasse für das Abrechnungsjahr 1932 / 33 ein Defizit von 456,74 Reichsmark aufwies und für 1933 / 34 einen Fehlbetrag von 836,75 RM. Zusätzlich war die Diözesansteuer nicht gezahlt. Für das Jahr 1933 betrugen die Rückstände 933 Reichsmark. Für das Jahr 1934 waren noch 733 Reichsmark zu zahlen. Ein Schreiben des Generalvikariates, das dieses Geld einforderte, lag bereits vor.[32]
Karl-Andreas Krieter hat die Schuld an der schwierigen Finanzlage von St. Bonifatius gewiss nicht allein seinem Freund Friedrich Schmidts zugeschrieben. Er wusste, dass die unerfreulichen Zahlen ihren hauptsächlichen Grund in der Erwerbslosigkeit vieler Gemeindemitglieder hatten. Anfang 1934 gab es im Deutschen Reich keine Stadt, die so viele Erwerbslose hatte wie Harburg-Wilhelmsburg.[33] Es war tröstlich, dass Besserung zu erwarten war. Die Erwerbslosenziffer im Deutschen Reich war im Sommer 1934 drastisch gesunken. Im nächsten Rechnungsjahr würden die Steuereinnahmen der Gemeinde vermutlich höher sein.
Pfarrer Schmidts hatte nach Auswegen aus der Finanzmisere von St. Bonifatius gesucht. Dabei war ihm eingefallen, das Gehalt aller Kirchenangestellten um 20 Prozent zu kürzen. Dieser Sparmaßnahme hatte der Kirchenvorstand in den Sitzungen vom 25. und 29. Mai 1933 zugestimmt. Als Karl-Andreas Krieter sich mit den zugehörigen Akten näher beschäftigte, wurden ihm zwangsläufig die Konflikte bekannt, die Pfarrer Schmidts mit seinen Kirchenangestellten Franzikowski, Rhein und Wucherpfennig im Jahre 1933 ausgefochten hatte. Die negativen Folgen dieser Konflikte belasteten die Bonifatiusgemeinde auch jetzt noch, im Oktober 1934.
Beim Küster Franzikowski hatte die Verringerung seines ohnehin schon schmalen Einkommens großen Unmut hervorgerufen. Abgesehen von der Gehaltskürzung war Herr Franzikowski auch über Pfarrer Schmidts persönlich verärgert, weil dieser ihn - angeblich - schickanierte. Nachdem Pfarrer Schmidts wieder einmal an der Arbeit des Küsters herumgemäkelt hatte, hatte sich Herr Franzikowski bei den Kirchenvorstehern Ballhausen und Josch beschwert. Sie fassten die Klagen des Küsters schriftlich in neun Punkten zusammen.
Als sie das Schreiben Pfarrer Schmidts gegeben hatten, hatten sie erwartet, die Angelegenheit werde im Kirchenvorstand besprochen. Doch Pfarrer Schmidts hatte am 1. 4. 1934 einen neuen Küster angestellt. Es war der Lokomotivführer a. D., Stanislaus Zagorski. Dessen Dienstbezüge waren geringer als die seines Vorgängers. Karl-Andreas Krieter fand auf dem Schreiben der Herren Ballhausen und Josch die handschriftliche Notiz des Pfarrers Schmidts: „Sämtliche 9 Punkte stehen nicht zur Diskussion. Das Schreiben ist voller Unsinn und Irrtümer. Die Besprechungen mit dem Küster sind abgelaufen, weil man mit ihm nicht verhandeln kann.“[34]
Die Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer Schmidts und dem Organisten Rhein waren für die Gemeinde von größerer Bedeutung. Ausgangspunkt waren ebenfalls die Sparbeschlüsse vom Mai 1933. Herr Rhein, seit 35 Jahren Organist, Konrektor der katholischen Schule Wilhelmsburgs und selbst Mitglied des Kirchenvorstandes, hatte sich mit der Einbuße von 20 Prozent seines Organistenhonorars einverstanden erklärt. Er war dem Kirchenvorstand sogar noch weiter entgegengekommen. Herr Rhein hatte dem Kirchenvorstand geschrieben, er erwarte den baldigen „Abschluss eines neuen Vertrages auf der Grundlage von 325 Mark“.[35] Weiter hieß es in dem Schreiben: „Damit verzichte ich freiwillig auf 50 Prozent meines bisherigen Gehaltes. Für das Resthalbjahr vom 1. 10. 1933 bis 31. 3. 1934 bin ich entgegenkommenderweise mit 120 Mark netto zufrieden. Steuern trägt die Kirchenkasse. Sollten diese beiden Wünsche nicht erfüllt werden können, so bin ich leider gezwungen, ab 1. November meine Tätigkeit als Organist einzustellen.“
Wie Karl-Andreas Krieter durch Nachfragen erfuhr, hatte Pfarrer Schmidts diesen Brief des Organisten im Kirchenvorstand vorgelesen. Er hatte anschließend ausgeführt, Herr Rhein habe von der Kirchenkasse seit 35 Jahren regelmäßig sein Gehalt bekommen, zusätzlich zu seinem Gehalt als Lehrer der katholischen Schule. Seit jüngster Zeit sei Herr Rhein Konrektor.
In Anbetracht der für die Kirchenkasse so schlechten Zeiten solle Herr Rhein doch mit einem geringeren Organistengehalt zufrieden sein. Allerdings habe sich bereits ein anderer Herr bereit erklärt, das Organistenamt - für geringere Bezahlung - zu übernehmen. Schließlich forderte Pfarrer Schmidts den Kirchenvorstand auf, dem Organisten Rhein die Kündigung auszusprechen. Er, Pfarrer Schmidts, werde an das Generalvikariat in Hildesheim schreiben und um Richtlinien für einen Organistenvertrag bitten. Er werde darauf hinweisen, dass der neue Vertrag die Weiterzahlung des Gehaltes bei Urlaub und bei Krankheit des Organisten ausschließen und die Honorierung für das Orgelspiel bei Trauungen weit unter 10 Mark ansetzen müsse.[36]
Wie Pfarrer Krieter aus den Akten ersah, war der Vertrag mit Herrn Rhein von Seiten des Kirchenvorstandes tatsächlich zum 1. 10. 1933 gekündigt worden. In den folgenden Tagen hatte es zwischen Pfarrer Schmidts und Herrn Rhein peinliche Auseinandersetzungen gegeben. Sie hatten auch schriftlichen Niederschlag gefunden. Nachdem er diese Schriftstücke gelesen hatte, konnte Karl-Andreas Krieter sich nicht an die Seite seines Duzfreundes Schmidts stellen. Konrektor Rhein war durch Pfarrer Schmidts brüskiert worden. Herr Rhein war daraufhin aus dem Kirchenvorstand ausgetreten. Besonders die letztgenannte Entwicklung der Streitigkeiten bedauerte Pfarrer Krieter. Als höchst unbedacht wertete Pfarrer Krieter die Entscheidung seines Vorgängers, am 1. 4. 1934 ausgerechnet Herrn Heinrich Mecke als neuen Organisten anzustellen, denn Herr Mecke war - wie Herr Rhein - Lehrkraft der katholischen Schule Wilhelmsburgs. Vermutlich hatte die leidige Organistenangelegenheit das Kollegium in mindestens zwei Parteien gespalten. Das würde für Pfarrer Krieter die Arbeit in der Schule erschweren.
Die weiteren Nachforschungen, die Pfarrer Krieter im Oktober 1934 zum Konflikt Schmidts / Rhein anstellte, kamen zu dem Ergebnis, dass neben der menschlich so unangenehmen Situation der Gemeinde auch ein finanzieller Schaden entstanden war. Weder der impulsive Pfarrer Schmidts noch seine Kirchenvorsteher hatten durchschaut, welche Folgen die Kündigung des Herrn Rhein hinter sich herziehen werde. Das Amt des Organisten der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius war nämlich nach staatlichem Recht „organisch verbunden“ mit der Stelle „Zweiter Lehrer der katholischen Volksschule“. Inhaber dieser Stelle war seit dem Jahre 1919 Herr Rhein.[37]
Herr Rhein erhielt deswegen zu seinem Lehrer-Grundgehalt eine Zulage für den Organistendienst, die zu drei Viertel von der staatlichen Gemeinde und zu einem Viertel von der Kirchengemeinde bezahlt wurde. Solange Herr Rhein Inhaber der Stelle „Zweiter Lehrer“ war, so lange war die Kirchengemeinde St. Bonifatius verpflichtet, ihn als Organisten zu beschäftigen. Pfarrer Krieter kam zu einer bitteren Einsicht: Falls die Kündigung des Herrn Rhein nicht rückgängig zu machen war, hatte die Gemeinde das Gehalt des Herrn Mecke zu zahlen und zusätzlich ein Viertel der Kirchenamtszulage des Herrn Rhein. Nach den hässlichen Auseinandersetzungen zwischen „Fritze“ Schmidts und dem Organisten hatte Karl-Andreas Krieter aber keinerlei Hoffnung, Herrn Rhein zur Rückkehr in das Organistenamt bewegen zu können. Bis zu dessen Pensionierung - im Jahre 1941 - würde die Kirchenkasse also eine unnötige Ausgabe zu tragen haben.[38]
Als „Vicarius oeconomus“ hatte Karl-Andreas Krieter sich schließlich auch mit dem Fall der Pfarrhelferin Kunigunde Wucherpfennig zu beschäftigen. Frl. Wucherpfennig war am 1. 10. 1929 durch Pfarrer Schmidts eingestellt worden. Zum 1.4.1934 hatte er ihr das Arbeitsverhältnis gekündigt. Zwei Tage vorher, am 31. 3. 1934, hatte Pfarrer Schmidts im Namen des Kirchenvorstandes dem Frl. Wuchenpfennig geschrieben: „Wie bereits mündlich mitgeteilt, wiederholen wir hiermit Ihre Kündigung zum 1. 4. 1934. Der schlechten finanziellen Verhältnisse der Kirchenkasse wegen ist es uns leider nicht mehr möglich, das Gehalt einer Pfarrhelferin aufzubringen. Daher müssen wir vorläufig die Stelle einer Pfarrhelferin in unserer Gemeinde aufheben“. In Wahrheit hatte Pfarrer Schmidts sich jedoch schon im Februar 1934 beim Katholischen Fürsorgeverein um eine andere Pfarrhelferin bemüht. Karl-Andreas Krieter bedauerte dieses Schreiben. Es war unehrlich und eines Priesters nicht würdig.
Zum 1. September 1934 - also fünf Tage vor der Übertragung der Pfarrei St. Bonifatius an Pfarrer Krieter - hatte Pfarrer Schmidts eine neue Pfarrhelferin angestellt: Frl. Frieda Kayser. Pfarrer Krieter konnte sich über dieses „Geschenk seines Freundes“ nicht freuen. Ihm würde nun die Aufgabe zufallen, Frl. Kayser baldmöglichst zu entlassen, denn die miserable Lage der Kirchenkasse ließ die Anstellung einer Pfarrhelferin wahrhaftig nicht zu.
Das war aber nicht die einzige Unannehmlichkeit. Wie allgemein bekannt war, brachte Frl. Wucherpfennig seit ihrer Entlassung Unruhe in die Bonifatiusgemeinde.[39] Sie erzählte jedem, der es hören wollte, dass sie gegen Pfarrer Schmidts - ihren Verwandten - gerichtlich vorgehen werde, weil dieser zu wenige Beiträge für ihre Versicherung gezahlt habe. Karl-Andreas Krieter konnte aus dem diesbezüglichen Aktenstudium ersehen, dass Frl. Wucherpfennig vor Gericht gewinnen würde.
1.5 Die Geschichte und die soziale Struktur der Gemeinde St. Bonifatius
Um seinen zukünftigen Arbeitsplatz noch besser kennen zu lernen, informierte sich Pfarrer Krieter eingehend über die Geschichte und soziale Struktur der Bonifatiusgemeinde. Mündliche und schriftliche Auskunft konnte ihm Kaplan Dorenkamp geben, der bereits zwei Aufsätze zum Thema verfasst hatte. Auch ein Aufsatz des Dr. Offenstein lag im Archiv.[40] Am Ende seiner Recherchen hatte Pfarrer Krieter das folgende Wissen erworben:
Die Anfänge der St. Bonifatiusgemeinde in Wilhelmsburg sind eng verbunden mit der Gründung der Fabrik „Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei zu Reiherstieg - AG“. Das geschah im Jahre 1889. Die „Wollkämmerei“ war über viele Jahre die größte Fabrik der Elbinsel.
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Wilhelmsburg hatte damals für die Bedürfnisse der Industrie zu wenige Einwohner. Deshalb warb die Direktion der „Wollkämmerei“ in Westpreußen, Posen und Schlesien Arbeitskräfte an. Die meisten der Arbeiter und Arbeiterinnen, die nun nach Wilhelmsburg kamen, waren polnisch sprechende Katholiken. Sie wollten in Wilhelmsburg auf Dauer leben, und deswegen wurde unter ihnen bald der Wunsch laut, in Wilhelmsburg eine katholische Kirche zu haben und eine Gemeinde zu bilden. Diesen Wunsch griff die Direktion der „Wollkämmerei“ auf. Sie wandte sich im Juli 1891 an den Bischof von Hildesheim und machte das Angebot, auf dem Fabrikgelände einen Raum für den katholischen Gottesdienst einzurichten. Zusätzlich sollte ein katholischer Geistlicher von der „Wollkämmerei“ freie Wohnung und die eine Hälfte seines Gehaltes bekommen - jährlich 600 Mark. Die andere Hälfte sollte die Arbeiterschaft aufbringen. Der für die Angelegenheit damals zuständige Dechant und Pfarrer von St. Maria in Harburg, Meyer, befragte in einem Versammlungsraum der „Wollkämmerei“ [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die katholische Arbeiterschaft, ob sie mit diesem Angebot einverstanden sei. Die Männer und Frauen erklärten sich bereit, pro Person vierteljährlich eine Mark zum Gehalt eines Geistlichen beizusteuern. In einem Saal des so genannten Mädchenheimes der „Wollkämmerei“ wurde daraufhin eine Kapelle eingerichtet. Am Heiligen Abend des Jahres 1891 weihte der Religionslehrer Stysinski - ein polnischer Geistlicher aus Krakau - im Auftrag des Bischofs von Hildesheim die Kapelle ein. Die heilige Messe am selben Tage war der erste katholische Gottesdienst nach Einführung der lutherischen Reformation auf der Elbinsel Wilhelmsburg.[41] Der Religionslehrer Stysinki hielt sich allerdings nur während der Weihnachtstage des Jahres 1891 in Wilhelmsburg auf.
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Erst im Frühjahr 1892 bekamen die Katholiken Wilhelmsburgs einen eigenen Geistlichen. Es war der Kaplan von St. Maria in Harburg, Gustav Töttcher. Er war zum „Missionsvikar“ von Wilhelmsburg ernannt worden und wohnte in einem Haus, das die „Wollkämmerei“ zur Verfügung gestellt hatte. Gustav Töttcher erreichte bei der Direktion das Zugeständnis, dass auch Katholiken, die nicht in der „Wollkämmerei“ beschäftigt waren, die Kapelle benutzen durften.
Diese Kapelle besaß keine Kirchenbänke. Nur deswegen konnten bei einem Gottesdienst etwa 500 Personen darin Platz finden. Die Errichtung eines größeren und würdigeren Gotteshauses war also dringend nötig.
Nicht nur die Direktoren der Wollkämmerei, sondern auch andere Unternehmer in Wilhelmsburg sahen gegen Ende des 19. Jahrhunderts die katholische und die evangelisch-lutherische Kirche als mächtige Verbündete gegen den Einfluss des Sozialismus / Kommunismus. So war es eine ebenso politisch motivierte wie moralisch edle Tat, dass der Bauunternehmer Hermann Vering[42] im Jahre 1893 der Bischöflichen Behörde in Hildesheim ein 4.500 Quadratmeter großes Grundstück und 10.000 Mark zum Bau einer Kirche und eines Pfarrhauses schenkte. Ein weiteres Grundstück von 1142 Quadratmetern schenkte er für den Bau eines Schulgebäudes.[43]
Pfarrer Krieter staunte, als er bei seinem Studium der Gemeindegeschichte las, dass die Bonifatiusgemeinde zuerst das Schulgebäude errichtet hatte. Es war am Sonntag, den 30. September 1893, von Vikar Töttcher eingeweiht worden. Am folgenden Montag, den 1. 10. 1893, hatte der Kreisschulinspektor den ersten Lehrer, Edmund Wedig, in sein Amt eingeführt. 82 Jungen und Mädchen besuchten die Katholische Schule im ersten Jahr. Im zweiten Jahr unterrichtete die Katholische Schule - in zwei Klassen - schon 116 Schülerinnen und Schüler.
Am 26. Juni 1898 wurde die Bonifatiuskirche eingeweiht. Die Gemeinde hatte für den Bau einen Betrag von 9.000 Mark aufgebracht. Den Hauptanteil der Baukosten hatte der Bonifatiusverein übernommen.[44] Das Pfarrhaus der Bonifatiusgemeinde war 1899 bezugsfertig.
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Die Bonifatiusgemeinde bestand zur Zeit dieser Bauten nicht mehr allein aus der Belegschaft der „Wollkämmerei“. Die Zahl der Gemeindemitglieder war -entsprechend dem weiteren Ausbau der Industrie und der zugehörigen Infrastruktur auf der Elbinsel Wilhelmsburg - kontinuierlich gewachsen. Im Jahre 1892 war der Verschiebebahnhof Wilhelmsburg in Betrieb gegangen. Das hatte für Wilhelmsburg einen Zuzug von 1.500 Eisenbahnern bedeutet. Die große Mehrheit dieser Eisenbahner war katholisch und fand in der Nähe des Bahnhofs Wohnung.
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Weiteren starken Zuwachs hatte die Bonifatiusgemeinde bekommen, nachdem der westfälische Unternehmer Georg Plange im Jahre 1897 eine Walzenmühle eröffnet hatte.
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Von den 16.640 Einwohnern Wilhelmsburgs im Jahre 1900 waren 4.000 katholisch. Mit dieser Zahl an Gemeindemitgliedern und nach dem Bau der Kirche und des Pfarrhauses waren eigentlich die Voraussetzungen für eine Selbständigkeit der Bonifatiusgemeinde gegeben. Dennoch blieb St. Bonifatius zunächst noch eine Pfarrvikarie, die von der Muttergemeinde, St. Maria in Harburg, abhängig war.
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Im Jahre 1897 verließ Vikar Töttcher auf eigenen Wunsch die Bonifatiusgemeinde. Sein Nachfolger wurde Franz Klaus. Als Pfarrvikar war er dem Pfarrer der Muttergemeinde, St. Maria, unterstellt. Genau diese Abhängigkeit einer Tochter- zur Muttergemeinde hatte Karl-Andreas Krieter in Harburg-Wilstorf jahrelang erlebt. Er war mit dieser Situation oft unzufrieden gewesen und hatte dagegen gekämpft.[45]
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Erst im Jahre 1909 wurde die Gemeinde St. Bonifatius von Bischof Adolf Bertram zur selbständigen Pfarrei erhoben. Gleichzeitig genehmigte Bischof Adolf Bertram der Bonifatiusgemeinde eine erste Kaplanstelle. Seit diesem Jahre waren die jeweiligen Geistlichen der Bonifatiusgemeinde nicht mehr von der Muttergemeinde St. Maria abhängig, vor allem aber nicht mehr abhängig von einem weltlichen Industriebetrieb, der „Wollkämmerei“.[46] Pfarrer wurde Franz Algermissen. Sein erster Kaplan war Konrad Dorenkamp. Nachdem Karl-Andreas Krieter im Jahre 1923 die Pastorenstelle in Harburg-Wilstorf angetreten hatte, war er dem Pfarrer Algermissen das erste Mal begegnet. Er bewunderte Pfarrer Algermissen, weil dieser das Gemeindehaus von St. Bonifatius gebaut hatte. Franz Algermissen hatte die Baupläne, die seit 1914 vorlagen, im ersten Jahr nach dem Ende des Weltkrieges verwirklicht (1919).
Die Nachfolger des Pfarrers Algermissen - Dr. Wilhelm Offenstein[47] und Friedrich Schmidts - waren Personen der jüngsten Gemeindegeschichte. Beide waren mit Karl-Andreas Krieter befreundet. Mit ihrem Wirken in der Bonifatiusgemeinde war er vertraut.
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Schon zur Zeit des Pfarres Algermissen arbeiteten die Mitglieder der Bonifatiusgemeinde nicht mehr nur „in der Wollkämmerei“, „bei Plange“ oder als Eisenbahner. Kaplan Dorenkamp konnte Karl-Andreas Krieter viele andere Betriebe Wilhelmsburgs nennen, in denen Katholiken ihren Lebensunterhalt verdienten. Da waren die Betriebe der Erdölindustrie: Deutsche Erdölwerke Wilhelmsburg; Benzinwerke Wilhelmsburg = Rhenania-Ossag = Shell; Benzol-Vertrieb, Tank-Anlage Köhlbrand = BP und die Ölwerke Julius Schindler. Da waren große Lack- und Farbenfabriken: Carstens, Höveling, Mankiewitz, Schülcke.
Da waren - ganz in der Nähe der Bonifatiuskirche - die Kokerei und Teerkocherei Haltermann und die Firma Schlobach. Letztere verarbeitete Hölzer aus aller Welt zu Furnierholz. Da waren die Firma „Chemische Werke Reiherstieg-AG“, die Palminwerke (Schlink & Co.) und die Werften Wolkau und Oelkers, dazu die Baufirmen Harriefeld, Holst, Rieckmann und Klimek. Alle diese Firmen hatten ihren Sitz im Westen Wilhelmsburgs.[48] Entsprechend viele katholische Familien wohnten jetzt im Westen der Insel.
Im Jahre 1914 wohnten im Westen der Elbinsel - im „Reiherstiegviertel“ - schon so viele Katholiken, dass der Kirchenvorstand von St. Bonifatius unter Pfarrer Algermissen geplant hatte, dort eine zweite katholische Kirche zu bauen. Der Plan war wegen des Kriegsbeginns 1914 aufgegeben worden.
In den Jahren 1926 / 27 wollte Pfarrer Dr. Offenstein an der Lessingstraße (später Rotenhäuser Damm) einen Schul-Neubau errichten. In das Gebäude dieser zweiten katholischen Schule sollten ein Gottesdienst-Raum und Räume für die Gemeindearbeit integriert sein. Das Grundstück war 1927 bereits ausgesucht und vermessen worden, die Baupläne lagen vor. Der damalige Oberbürgermeister von Harburg-Wilhelmsburg, Dr. Walter Dudek, hatte den Katholiken seine Unterstützung beim Grundstückskauf zugesagt und ein privates Urteil zu den Bauplänen abgegeben. (Er fand sie unmodern und unpraktisch.)[49]
Nachdem Dr. Offenstein im Jahre 1928 in die Gemeinde St. Benno in Hannover-Linden versetzt worden war, hatte Pfarrer Schmidts die angefangene Sache vorangetrieben. Die Stadtsparkasse zu Harburg-Wilhelmsburg hatte ihm ein Darlehen über 30.000 Reichsmark angeboten. Die Zinsen über zunächst fünf Jahre sollten 9,5 Prozent betragen, die Darlehen-Beschaffungsgebühr 150 Reichsmark.[50] Pfarrer Schmidts hatte jedoch bei der „Hilfsgemeinschaft für Katholische Wohlfahrts- und Kulturpflege, G.m.b.H.“ in Berlin ein Angebot eingeholt, das um einen Prozentpunkt günstiger lag. Im Jahre 1930 hatte das Bischöfliche Generalvikariat der Kirchengemeinde St. Bonifatius die Genehmigung gegeben, ein Darlehen in Höhe von 20.000 Reichsmark - höchstens 22.000 Reichsmark - aufzunehmen. Am 4. März 1930 hatte der Kirchenvorstand St. Bonifatius schließlich mit der Stadt Harburg-Wilhelmsburg einen Kaufvertrag über das Grundstück an der Lessingstraße abgeschlossen. Die endgültigen Kauf-Formalitäten und der Baubeginn hatten sich verzögert, als die Wirtschaftskrise die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde in den Jahren 1930 bis 1934 immer mehr geschwächt hatte. Daraufhin hatte der Magistrat der Stadt Harburg-Wilhelmsburg vor einem halben Jahr - am 7. April 1934 - bei der Kirchengemeinde angefragt, ob sie auf dem Grundstück Lessingstrasse überhaupt noch bauen wolle. In diesem Schreiben las Karl-Andreas Krieter: „Sollte die Ausführung des Bauprojektes nicht mehr beabsichtigt sein, so würde einer Aufhebung des Kaufvertrages stadtseitig voraussichtlich nichts im Wege stehen.“ Pfarrer Schmidts hatte am 9. April 1934 - ohne Einberufung des Kirchenvorstandes - auf dieses Schreiben geantwortet, die Gemeinde habe weiterhin die Absicht zu bauen. Karl-Andreas Krieter war wegen dieser Antwort entsetzt, denn die Kirchenkasse seiner neuen Gemeinde war schon damals leer.
Es drückten sogar Schulden! An einen Neubau war gar nicht zu denken. Selbst wenn die wirtschaftliche Lage im Deutschen Reich und in Wilhelmsburg besser werden sollte, waren keine Steuereinnahmen zu erwarten, die eine Darlehensaufnahme in großer Höhe zugelassen hätten. In der Kirchengemeinde St. Bonifatius gab es nur wenige selbständige Handwerker, einige Besitzer kleinerer Geschäfte und einige Beamte. Niemand aus diesen Gruppen konnte als besonders steuerträchtig angesehen werden, schon gar nicht die weitaus größte Gruppe der Bonifatiusgemeinde, die einkommensschwachen Arbeiter. Folglich musste Karl-Andreas Krieter den Kirchenvorstand in nächster Zeit zur Rücknahme des Kaufvertrages bewegen. Das war eine weitere Sorge, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte.
Nachdem Karl-Andreas Krieter über die finanzielle Situation und die Geschichte von St. Bonifatius soweit informiert war, stand noch immer eine Frage im Raum: Wie bedeutsam waren die polnischen Ursprünge für das jetzige Leben der Bonifatiusgemeinde? Deutsche Ressentiments gegen Polen waren von deutschnational gesinnten Zeitungen seit Jahren artikuliert worden. Im Archiv der Bonifatiusgemeinde fand Pfarrer Krieter einen Artikel der „Hamburger Nachrichten“ aus dem Jahre 1925. Die Überschrift lautete: „Das Polenparadies Wilhelmsburg“. Pfarrer Algermissen hatte sich damals mit aller Macht gegen die Ansichten des Artikelschreibers geäußert. Seit die Nationalsozialisten an der Macht waren, hatte sich die polenfeindliche Stimmung verstärkt.
Aber wie bedeutend war der polnische Einfluss jetzt, im Jahre 1934? Pfarrer Algermissen und Kaplan Dorenkamp hatten die polnische Sprache erlernt, um ihre seelsorgerlichen Aufgaben gut erfüllen zu können. Sollte Pfarrer Krieter sich dieser Mühsal auch unterziehen müssen?
Recht genaue statistische Angaben zum polnischen Einfluss in der Bonifatiusgemeinde hatte Pfarrer Schmidts am 1. 10. 1930 gemacht. Damals hatte er dem Generalvikariat Hildesheim eine Anfrage betreffs „Pastoration in Orten mit dauernd ansässiger polnisch sprechender Bevölkerung“ beantwortet. Danach gab es in St. Bonifatius bei einer Gesamtzahl von 7200 Gemeindemitgliedern 500 Personen, die nur ihre Muttersprache Polnisch verstanden. 250 bis 300 dieser Gemeindemitglieder besuchten regelmäßig die polnischen Sonntagsgottesdienste. Ein Angebot, in polnischer Sprache zu beichten, bestand dauernd, weil Kaplan Dorenkamp die polnische Sprache beherrschte. Beicht- und Kommunionunterricht für Kinder in polnischer Sprache wurde von den Eltern nicht gewünscht. Schulplanmäßig erteilter Religionsunterricht fand nur in deutscher Sprache statt. Es gab drei polnische Vereine: den Stanislaus-, den Josef- und den Hedwigverein.
Die beiden Vereine für Männer hatten ihren „Sitz“ in den Gaststätten Bachmann, Fährstraße 17, und Mayer, Veringstraße 164. Der Hedwigverein der Frauen hatte seinen „Sitz“ im Gemeindehaus „St. Willehadstift“. Einem vierten polnischen Verein hatte Pfarrer Schmidts im Jahre 1930 die kirchliche Anerkennung verweigert.[51]
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Zusammenfassend kam Pfarrer Krieter zu der Erkenntnis: Ein starker polnischer Einfluss war in der Gemeinde St. Bonifatius zweifellos noch vorhanden. Deswegen waren Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten hier eher zu erwarten als anderswo, aber er bereute es dennoch nicht, die Pfarrstelle St. Bonifatius angenommen zu haben. Karl-Andreas Krieter hatte bereits gute Erfahrungen mit katholischen Polen gemacht. Jahrelang hatte er der polnischen Minderheit in Harburg die St. Franz-Josef-Kirche zur Verfügung gestellt.
Dadurch hatten die Polen Harburgs die Möglichkeit gehabt, einmal pro Monat in einer eigenen Messe polnische Lieder zu singen und eine Predigt in polnischer Sprache zu hören.[52]
1.6 Die Amtseinführung
Am „Christkönigsfest“ des Jahres 1934 - am Sonntag, den 28. 10. 1934 - traf Karl-Andreas Krieter gegen 9 Uhr morgens vor dem Pfarrhaus der Gemeinde St. Bonifatius ein. Ein Herr namens Dr. Dopfer hatte ihn mit seinem Privatauto vom Pastoratshaus in Harburg-Wilstorf zum Pfarrhaus in Wilhelmsburg gefahren. Vor dem Pfarrhaus war eine große Menschenmenge versammelt.
Ein Mädchen aus der Abschlussklasse der katholischen Volksschule - Maria Cybulla - trug ein Gedicht vor. Es gefiel Karl-Andreas Krieter so sehr, dass er das Gedicht im Pfarrarchiv aufbewahrte.
„Sei willkommen deiner Herde, schau, sie eilt entgegen Dir;
dass durch Dich uns Segen werde, steht sie auf der Schwelle hier.
Horch, es tönen schon die Glocken von den Höh´n des Hirten Nah´n,
und der Herzen hehr´ Frohlocken kündet froh Dein Kommen an.
Deinem Eingang schenk´ Gott Segen von dem ew´gen Zion aus!
Segen sei auf Deinen Wegen, Segen folge Dir ins Haus!
Und nun komm zu Deiner Herde, komm ins schöne Gotteshaus!
Dass uns allen Segen werde, macht auch Deine Freude aus.
Engel mögen Dich geleiten in das schöne Heiligtum,
finde Trost zu allen Zeiten, wirke dort zu Gottes Ruhm!
Mög´st in unser´n heil´gen Hallen Deine Herde glücklich seh´n!
Zu des Ew´gen Wohlgefallen mög´ kein Schäflein irre geh´n!
Und so möge Gott es walten: lang sei unser Pfarrer hier!
Gott mög´ Dich gesund erhalten, seine Gnade ruh´ auf Dir!“
Im Pfarrhaus wartete schon Dechant Carl Kopp aus Celle auf den neuen Pfarrer. Karl-Andreas Krieter legte im Pfarrhaus die Amtstracht an. Danach - genau um 9 Uhr 15 - wurde er in feierlicher Prozession in die Bonifatiuskirche geführt. Dort verlas Dechant Kopp die bischöfliche Anstellungsurkunde und hielt „vor der zahlreich versammelten Gemeinde eine Predigt über das Verhältnis des Pfarrers zur Gemeinde und der Gemeinde zum Pfarrer, in Anknüpfung an das Wort Johannes 10,14: `Ich bin der gute Hirt und kenne meine Schafe und meine Schafe kennen mich´.
Alsdann wurde der neue Pfarrer in die Pflichten seines Berufes in Anlehnung an den im Dekanate üblichen Ritus eingewiesen, nahm das Versprechen des Gehorsams durch den Kirchenvorstand entgegen und gelobte selbst, alle seine Pfarrerpflichten gewissenhaft zu erfüllen. Darauf hielt der neue Pfarrer ein feierliches Amt, bei dem die Kapläne Dorenkamp und Bank levitierten und dessen Schluss das „Tedeum“ bildete.“[53]
Nach der kirchlichen Einführungsfeier fand im Gemeindehaus „St. Willehad-Stift“ eine weltliche Feier statt. Über die Teilnehmer und über den Ablauf dieses Festes gibt keine Quelle Auskunft. Nur eine Notiz in der Jahresabrechnung der Kirchengemeinde von 1934 / 35 meldet: „Kosten anlässlich der Einführung des Pastors, 28. 10. 1934, sechsundzwanzig Reichsmark“.
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2. Pfarrer Krieter richtet sich in St. Bonifatius ein.
Am Montag, den 29. Oktober 1934, zogen Pfarrer Krieter und seine Haushälterin, Therese Krieter, in das Pfarrhaus Bonifatiusstraße 1. Die Umzugsarbeiten hatten die Geschwister an die in Wilhelmsburg alteingesessene Speditionsfirma Sievers vergeben.
Therese Krieter wußte, dass sie bezüglich des Haushaltes auch in Wilhelmsburg völlig freie Hand haben werde. In den nächsten Tagen und Wochen traf sie Entscheidungen, die von 1934 bis zum August 1961 das alltägliche Leben der jeweiligen Pfarrhausbewohner bestimmten.
2.1 Alltag im Pfarrhaus
Therese Krieter war zunächst unzufrieden gewesen, als ihr Bruder sich entschieden hatte, die Pfarrstelle in Wilhelmsburg zu übernehmen. Sie hatte sich - mehr noch als ihr Bruder - gewünscht, in die Heimat ziehen zu können, auf das Eichsfeld. Während des zurückliegenden Monats hatte sie aber Argumente gefunden, der Entscheidung, die nun einmal gefallen war, Gutes abzugewinnen:
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Die private finanzielle Situation der Geschwister Krieter war seit 1930 schwierig.[54] Da war es von Bedeutung, dass St. Bonifatius so viele „Seelen“ zählte. Das „Reichseinkommenssteuersoll“ der Gemeinde berechnete sich nämlich nach der Anzahl der Gemeindemitglieder. Das „Reichseinkommenssteuersoll“ wiederum war Grundlage des „Pfarrbesoldungszuschuss“, der vom Staat gezahlt wurde. Therese Krieter hatte sich von ihrem Bruder vorrechnen lassen, welche Einkünfte er in Wilhelmsburg haben werde: Das von der Diözese Hildesheim zu zahlende jährliche Gehalt würde 3.472 Reichsmark betragen, der Staatszuschuss 1.628 RM. Das waren 5.100 RM. Davon waren 255 RM für die Ruhevorsorge und für die Diasporahilfe abzuziehen. Es blieb also ein Jahresgehalt von 4.845 Reichsmark zur Verfügung.[55] Das war gegenüber dem Pastorengehalt, das Karl-Andreas Krieter bisher bezogen hatte, ein finanzieller Fortschritt. Außerdem würde der Umzug von Harburg nach Wilhelmsburg geringere Kosten verursachen als ein Umzug ins Eichsfeld. Während ihr Bruder als Administrator tätig war, hatte sich Therese Krieter vergewissert, dass die räumliche Enge und die Unruhe, unter der die Geschwister im Pastoratshaus von St. Franz-Josef zu leiden hatten, mit dem Einzug in das große Pfarrhaus von St. Bonifatius beendet wären.[56]
Im Wilhelmsburger Pfarrhaus würde sie problemlos Besucher aus der Verwandtschaft unterbringen können.[57]
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Als Therese Krieter die Möglichkeiten zur Versorgung des Pfarr-Haushaltes mit Eigenprodukten erkannte, die der Garten, der Vorgarten und eine brachliegende Fläche hinter dem Pfarrhaus boten, wurde ihre positive Einschätzung der Pfarrstelle in Wilhelmsburg noch verstärkt.
Der Vorgarten des Pfarrhauses in Wilhelmsburg grenzte mit einem Teil an die Bonifatiusstraße und an das Nachbargrundstück Bonifatiusstraße 3. Das andere Teilstück grenzte an den Kirchplatz. Im Vorgarten fanden sich Blumenbeete, und es gab dort - das war wichtiger - einen Bestand alter Birnbäume.
Der Garten des Pfarrhauses lag parallel zum Langhaus der Kirche. Die gesamte Fläche war eingezäunt. Sie umrahmte hufeisenförmig einen Anbau des Pfarrhauses, der schon zu Zeiten von Pfarrvikar Klaus erbaut worden war. Der Anbau diente links mit einem größeren Raum als Waschküche und mit einem kleineren Raum zur Aufbewahrung von Gartengeräten. Der rechte Teil des Anbaues hatte ein Fenster, das den Blick auf das Kirchengelände ermöglichte. Dieser Teil wurde von den Geistlichen in der warmen Jahreszeit gern als kühler Aufenthaltsraum genutzt. Man konnte dort in Gartenmöbeln sitzen, hatte aber auch einen Zugang zum Pfarrhausgarten.[58] Im Garten standen in einer Reihe - nahe dem Haus - vier Apfelbäume, darunter Beerenobststräucher. Die anschließende Fläche konnte zum Anbau von Kartoffeln und Gemüse genutzt werden. Hinter dem Pfarrhaus lag eine schmale, aber lang gestreckte Fläche ungenutzt. Sie musste nur eingezäunt werden, dann eignete sie sich für die Hühnerhaltung. Als Hühnerhaus konnte der Raum des Anbaues dienen, in dem zu dieser Zeit nur Gartengeräte standen.[59] Natürlich wusste Therese Krieter, dass alle Tätigkeiten im Garten und auf dem Hühnerhof auf sie selbst warteten. Die Aussicht auf vermehrte Arbeit störte sie aber nicht. Von Kindesbeinen an war sie mit Garten- und Feldarbeit und mit Kleintierhaltung vertraut. Sie kam „vom Dorfe“, und das empfand sie nicht als Makel. Schon in der St. Franz-Josef-Gemeinde in Harburg-Wilstorf hatte Therese Krieter ein kleines Stück Gartenland bewirtschaftet. Sie freute sich, dass ihr in Wilhelmsburg „ein bisschen Landwirtschaft“ erhalten blieb.[60]
Therese Krieter war auch froh, dass sie die Freundschaften weiter pflegen konnte, die sie während der vergangenen elf Jahre in der St. Franz-Josef-Gemeinde aufgebaut hatte. Wilhelmsburg war „nicht aus der Welt“. Die Straßenbahnlinie 33 bot eine bequeme Möglichkeit, nach Harburg-Wilstorf zu kommen. So war es auch leicht, regelmäßig im Haus Reeseberg 16 - dem Pastoratshaus von St. Franz-Josef - „als Besitzerin nach dem Rechten zu sehen“.
Die Straßenbahnlinie 33 - mit der Haltestelle „Alte Schleuse“ ganz in der Nähe der Bonifatiuskirche - verband Wilhelmsburg nicht nur mit Harburg, sondern auch mit Hamburg. So konnte Therese Krieter Gewohnheiten beibehalten, die ihr in den letzten Jahren sehr lieb geworden waren: den wöchentlichen Besuch der Hamburger Innenstadt, das Bummeln durch die großen Kaufhäuser, den Einkauf auf dem Großmarkt und den gelegentlichen Besuch im „Café Wilms“ - gegenüber dem Thalia-Theater - wo sie sogar Zigaretten rauchte.[61]
Vor Jahren war Therese Krieter„Hausdame“ der katholischen Adelsfamilie „zur Kettenburg“ in der Lüneburger Heide gewesen (bei Visselhövede). Seitdem hatte sie den Wunsch einen „großen Haushalt“ führen zu dürfen. Das war nun in Wilhelmsburg möglich, denn im Pfarrhaus von St. Bonifatius waren drei „geistliche Herren“ zu umsorgen.
Mit dem Wechsel von Harburg nach Wilhelmsburg versöhnt, machte sich Therese Krieter an die Arbeit. Hinsichtlich der Nutzung der Räume des Pfarrhauses übernahm sie natürlich einige Vorgaben aus der Zeit von Pfarrer Schmidts, im Übrigen lag aber alle Entscheidungsgewalt bei ihr.
Zwischen der äußeren und der inneren Haustür des Pfarrhauses befand sich ein kleiner Vorraum. Dort ließ Therese Krieter eine Holzbank aufstellen, damit fahrende Gesellen oder Bettler sich hinsetzen und Butterbrote und ein Getränk oder eine warme Mahlzeit zu sich nehmen konnten.[62] Therese Krieter neigte dazu, Bettler von ihrem Bruder fern zu halten. Sie meinte, er sei zu gutmütig und werde eines Tages „noch sein letztes Hemd“ weggeben. In diesem Fall ließ Karl-Andreas Krieter seiner Schwester nicht ihren Willen. Er bestand nachdrücklich darauf, dass er jedes Mal gerufen werde, wenn ein Bettler an der Tür vorspreche. Soweit es möglich war, half er dann dem Bittsteller, oft nach Ausmaß und Art der Hilfe in recht ungewöhnlicher Weise.[63]
Den Raum rechts hinter der Eingangstür richtete Therese Krieter mit spärlichem, ungemütlichem Mobiliar als „Empfangszimmer“ ein. Dort konnte der jeweils gewünschte „geistliche Herr“ seinen Besuch empfangen, nachdem er durch die Wächter- und Türöffnerin des Hauses - Frl. Therese - mit einem Klingelzeichen herbeigerufen war. Die Klingel und das einzige Telefon im Hause befanden sich im Erdgeschoss auf dem Flur.
Meistens blieben die Kapläne - aber auch Pfarrer Krieter - mit ihrem Besuch nicht im „Empfangszimmer“, sondern sie führten den Besuch die Treppe hinauf in die erste Etage. Dort hatte jeder der drei Geistlichen ein Wohn- bzw. Arbeitszimmer und daran anschließend sein Schlafzimmer. Die Waschgelegenheit in den Schlafzimmern war nur durch eine Waschschüssel und eine Wasserkanne gegeben. Beide standen auf einer Waschkommode. Erst Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde für die drei Schlafzimmer der „geistlichen Herren“ ein Wasseranschluss installiert.
Bei Dienstantritt des Pfarrers Krieter gab es im Pfarrhaus nur eine einzige Toilette. Diese befand sich auf dem Treppenabsatz zwischen Erdgeschoss und erster Etage. In der „Jahresrechnung 1934 / 35 der Kirchengemeinde findet sich unter der Rubrik „Bau-, Reparatur- und Unterhaltungskosten“ der Vermerk: „Einbau einer zweiten Toilette im Pfarrhaus; Klempnerarbeiten, Schlosserarbeiten, Tischlerarbeiten, Malerarbeiten, Elektrikerarbeiten; Kosten: 490,75 RM“.[64] Diese Toilette wurde auf dem Treppenabsatz zwischen erster und zweiter Etage eingebaut.
Ihr Arbeits- bzw. Wohnzimmer richteten die jeweiligen Kapläne mit Mobiliar aus ihrem Privatbesitz ein - sofern sie privates Mobiliar besaßen.
Pfarrer Krieter bestückte sein Arbeitszimmer mit dem Mobiliar, das er bereits im Pastoratshaus Reeseberg 16 besessen hatte. Besonders wichtig waren ihm sein Schreibtisch, der dazu passende Sessel und zwei große Regale für die Bücher seiner privaten Bibliothek. Abgesehen vom Herder-Lexikon hatten alle Bücher seiner Sammlung religiöse Inhalte. Er hatte die meisten dieser Bücher während seiner Studienzeit erworben. Sein ganzer Stolz war die „Bibliothek der Kirchenväter“. Sie umfasste mehr als 50 Bände. Außerdem befand sich im Arbeitszimmer ein großes Sofa. Es diente Besuchern als Sitzplatz. Schließlich gab es in seinem Arbeitszimmer noch ein kleines Möbelstück, das Pfarrer Krieter besonders liebte: ein „Rauchertischchen“. Darauf standen ein Kerzenhalter aus Messing, ein Behälter aus Messing für Streichhölzer und eine Kiste - ebenfalls aus Messing - zur Aufbewahrung von Zigarren. Schon während seiner Pastorenzeit in St. Franz-Josef hatte Pfarrer Krieter eine Vorliebe „für eine gute Zigarre“ entwickelt.
In der zweiten Etage des Pfarrhauses war während einiger Jahre das Pfarrbüro untergebracht.[65] Dort bewohnte vom Sommer 1935 bis 1946 die Pfarrsekretärin, Hedwig Spiegel, einen großen Raum mit einer daneben befindlichen Küche. Zwei weitere Räume in der zweiten Etage standen als Gästezimmer zur Verfügung.
Alle Räume des Hauses wurden bis spät in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts durch Kohleöfen beheizt. Die Kohle lagerte im Keller des Hauses. Während der Heizperiode war es eine mühsame Arbeit, die Kohleschütten, die in allen Zimmern neben den Öfen standen, mit Kohle zu füllen und aus dem Keller in die Zimmer zu tragen.[66] Solange sie keine Haushaltshilfe hatte, erledigte Therese Krieter das Kohletragen allein. Im Keller lagerte Therese Krieter auch das Obst und das Gemüse, das sie im Pfarrhausgarten geerntet hatte.
Das Gemeinschaftsleben aller Hausbewohner spielte sich im Erdgeschoss des Pfarrhauses ab. Deswegen lohnt es für die Beschreibung des Alltags, in das Erdgeschoss zurückzukehren. Auf der linken Seite des Flurs waren zwei Türen. Die erste Tür war der Zugang zum Wohn- und zum Schlafzimmer von Therese Krieter. Im Wohnzimmer seiner Schwester fand sich nachmittags gelegentlich auch Pfarrer Krieter ein. Dann hatte er mit seiner Schwester private Dinge zu besprechen oder er nahm sich die Zeit für eine Unterhaltung mit Verwandten, wenn diese im Pfarrhaus zu Besuch waren. Die zweite Tür im Erdgeschoss links war der Zugang zum Esszimmer. Die große Küche des Pfarrhauses befand sich ebenfalls im Erdgeschoss. Man musste auf dem Flur nur geradeaus gehen, dann stand man vor der Tür zur Küche. In der Küche selbst gab es ebenfalls einen Zugang zum Esszimmer. Durch diese Tür wurden die Speisen in das Esszimmer gebracht.
Im Esszimmer verwirklichte Therese Krieter ihre Vorstellung von gehobener Lebensart. Das Mobiliar zur Einrichtung dieses hohen Raumes, der mit einer schlichten Stuckdecke und einer geschmackvollen Wandtapete geschmückt war, wurde in seinen wichtigsten Teilen mit privatem Geld in den Jahren 1934 und 1935 angeschafft. Als sie das Esszimmer ausstattete, nahm Therese Krieter keine Rücksicht auf die entstehenden Kosten und auf die angespannte finanzielle Situation der Geschwister. In die Mitte des Raumes platzierte sie einen großen Esstisch. Er war umstellt von Stühlen, deren Sitzfläche mit Lederpolstern versehen und deren Lehnen mit Schnitzwerk im Stil der 30er Jahre geschmückt waren. Über dem Tisch hing eine hölzerne, vierarmige Lampe. An der rückwärtigen Schmalwand des Zimmers - zwischen den Türen zum Flur und zur Küche - prunkte ein großes Ölgemälde in einem vergoldeten Holzrahmen. Dieses Originalgemälde eines mäßig begabten Künstlers stellte das „letzte Abendmahl“ dar. Unter dem Gemälde stand eine schlichte Anrichte. Darin wurden das Alltagsgeschirr und die Alltagsbestecke aufbewahrt.
In der rechten Längswand des Esszimmers befand sich - nahe der Tür zur Küche - ein Fenster. Es gab den Blick auf den Hühnerhof frei. Zu diesem Zweck musste man allerdings die Gardine wegziehen, die den unpassenden Anblick ansonsten verdeckte. Neben diesem Fenster stand eine große Geschirrkommode mit Schauaufsatz - ein so genanntes Büfett. Im unteren Teil der Geschirrkommode wurden die Silberbestecke und „das teure“ Porzellangeschirr aufbewahrt. Sie kamen nur an Sonn- und an Festtagen auf den Tisch. Hinter den Glastüren des Schauaufsatzes der Geschirrkommode standen Gläser aus geschliffenem Kristall.
Zum Vorgarten hin befand sich in der Wand des Esszimmers ein zweites Fenster. Es gestattete den Blick auf die Birnbäume und Blumenbeete. Neben diesem Fenster - in der rechten Ecke des Zimmers - stand eine große Uhr. Das Gehäuse der Standuhr war mit Schnitzwerk verziert. Das Ziffernblatt, das Pendel und die zwei Gewichte, die an Ketten hingen, schimmerten golden hinter der verglasten Tür des Uhrwerkes. Links neben dem Fenster war ein „Raucher-Tischchen“ mit runder Tischplatte aufgestellt. In die Tischplatte - sie war aus Messing - waren ägyptische Motive gepunzt. Die Platte des Tischchens ruhte auf einem Fuß aus Mahagoniholz. Vor der linken Längswand des Esszimmers stand ein gemütliches Sofa neben einer schmalen Schauvitrine. Hinter dem Glas dieser Schauvitrine stellte Therese Krieter ihre Sammeltassen aus. Diese Kostbarkeiten wurden nur gebraucht, wenn der Bischof zu Gast war. Während einiger Jahre standen vor der linken Längswand des Esszimmers ein Klavier und der zugehörige Klavierschemel.
In dieser Umgebung kamen die Kapläne, Pfarrer Krieter und seine Schwester zum gemeinsamen Mittagessen zusammen. Therese Krieter legte höchsten Wert auf pünktliches Erscheinen der „Herren“. Irgendwann hatte sie einen kleinen Gong geschenkt bekommen. Seitdem wurden die „Herren“ nicht mehr durch die schrille elektrische Klingel zu Tisch gerufen, sondern durch drei Schläge auf den „wohltönenden“ Gong.
Während der Mahlzeit hatten Therese und Karl-Andreas Krieter ihren Platz an den beiden Stirnseiten des großen Esszimmertisches. Die Kapläne saßen an den Längsseiten. Dort fanden auch Verwandte Platz, wenn sie im Pfarrhaus zu Besuch waren. Auch Kinder oder Jugendliche aus der Verwandtschaft durften am Mittagsessen der „Herrschaften“ teilnehmen. Sie hatten vorher unter der Anleitung von „Tante Therese“ den gesitteten Umgang mit Messer und Gabel und „manierliches Sitzen“ geübt. Auch in weitere „Regeln des guten Tons“ waren sie von ihrer Tante eingewiesen worden.
Bei Tisch unterhielten sich „die Herren“ nicht über dienstliche Angelegenheiten. Pfarrer Krieter liebte es, die Tischgäste ins Gespräch zu ziehen.
Die Nichte Marianne berichtete später über diese Situation: „Ach, ich bekam immer einen hochroten Kopf, wenn einer der „Herren“ mich angesprochen hat. Satt gegessen habe ich mich immer erst nach dem gemeinsamen Mittagessen, in der Küche. Diese Teilnahme am gemeinsamen Mittagessen war mir wirklich peinlich. Tante Therese hat mir zwar immer gesagt: `Du musst dir immer denken, dass das alles nur Kohlköpfe sind´, aber das war für mich ja nicht so leicht. Eigentlich waren alle Kapläne, die ich damals kennen gelernt habe, wirklich nette Herren!“[67]
Zum Frühstück, nachmittags und zum Abendbrot kamen „die Herren“ nicht gemeinsam zusammen, weil ihre Arbeitstermine zu unterschiedlich waren. Therese Krieter stellte die notwendigen Getränke und Esswaren bereit, für nachmittags Kekse oder Kuchen und für abends Brot, Wurst und Käse. Die zuletzt genannten Lebensmittel waren bedeckt von „Glocken“ aus Glas. Jeder der „Herren“ fand sein Gedeck an seinem Stammplatz vor und konnte zu beliebiger Zeit essen und trinken.
Die großen Festtage des Kirchenjahres waren für die Geistlichen besonders arbeitsreich. Folglich gab es außer dem Festessen zu Mittag keine gemeinsamen Feierlichkeiten. Zu Weihnachten wurden im Esszimmer ein festlich geschmückter Baum und eine kleine Krippe aufgestellt. Die Krippenfiguren waren aus Gips und farbig bemalt. Tannenbaum und Krippe wurden von Therese Krieter frühestens am Tag nach dem 6. Januar abgebaut, nach dem „Fest der Erscheinung des Herrn“.[68]
2.2 Die Organisation der pastoralen Arbeit
Es war gewiss ungerecht, dass Pfarrer Krieter nur sehr beiläufig zur Kenntnis nahm, wie sehr seine Schwester Therese sich um eine „gehobene Lebensart“ im Pfarrhaus mühte. Sie beschwerte sich darüber nur selten. Ihr war klar, dass ihrem Bruder die Seelsorge, die Verwaltungsarbeit und die pastoral-soziale Betreuung der Gemeindemitglieder viel näher am Herzen lagen.
Pfarrer Krieter war es zunächst wichtig, sich baldmöglichst mit seinen Kaplänen über die Ziele und die sinnvolle Verteilung der Arbeit abzustimmen. Dabei beanspruchte er selbstverständlich für sich die entscheidende Rolle unter den Geistlichen von St. Bonifatius, wie es ihm als Pfarrer der Gemeinde zustand. [69]
Er legte als Vorgesetzter aber Wert darauf, die Vorstellungen und Vorschläge seiner Kapläne, ihre Fähigkeiten und auch ihre privaten Wünsche so weit wie möglich zu berücksichtigen.[70]
In seiner persönlichen Frömmigkeit war Pfarrer Krieter weder theologisch-wissenschaftlich orientiert, noch hielt er es für notwendig, dass man Liturgie „erleben“ müsse. Alle „Schwärmerei“ lehnte er ab. Er wollte bei seiner Gemeinde das Verständnis für den Glauben und für die Liturgie fördern. Pfarrer Krieter machte es sich zur Gewohnheit, den Gläubigen während der Messe eine „Betrachtung“ aus einem Buch vorzulesen, auch in der Werktagsmesse. Das Buch hieß „Gottes Wort im Kirchenjahr“.[71] Er ließ das Evangelium und die Lesung durch einen „Vorbeter“ auf Deutsch vortragen. Im Schul-Gottesdienst übernahmen Mädchen aus den älteren Jahrgängen diese Aufgabe.[72]
Erste Anregungen zu liturgischen Neuerungen dieser Art hatte Karl-Andreas Krieter in seinem Heimatdorf Hilkerode bekommen. In den Jahren 1923 bis 1934 hatte er mehrmals einige Urlaubstage, die er im Hause seines Bruders Otto verbracht hatte, mit so genannten „Bettelpredigten“ in der Hilkeröder Dorfkirche verbunden. Die an die „Bettelpredigt“ anschließende Sonderkollekte in der Pfarrgemeinde Hilkerode war seiner eigenen Gemeinde in Harburg-Wilstorf zu Gute gekommen. Seitdem bestand mit dem damaligen Pfarrer von Hilkerode - Karl Voß - eine herzliche Verbindung. Karl Voß war ein Vorkämpfer der „liturgischen Erneuerung“. Ein Zeitzeuge aus Hilkerode berichtete über Pfarrer Voß: „Karl Voß hat dafür gesorgt, dass man in Hilkerode von der alten Form der „stillen Messfeier“ abgekommen ist, die vom Geistlichen lateinisch gehalten wurde, während die Gläubigen still den Rosenkranz beteten. Er hat die Gemeinschaftsmesse[73] und den „Schott“ - ein Messbuch für die Hand der Gläubigen, mit deutscher Übersetzung der lateinischen Messtexte - in Hilkerode eingeführt. So war Hilkerode - das haben wir als Kinder schon empfunden - in dieser Beziehung den Nachbardörfern Rhumspringe und Rüdershausen weit voraus.
Bei uns wurden in diesen Gemeinschaftsmessen die „Wandlungsworte“ schon laut auf Deutsch gesprochen - während der Geistliche sie leise lateinisch betete. Meistens war es ein Mädchen, das als Vorbeterin fungieren durfte. Die Mädchen hatten eine bessere Stimme und eine bessere Aussprache als die Jungen. Die sprachen dann laut während der Wandlung: „ Am Abend vor seinem Leiden nahm er Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände ...“. Sie sehen daran, wie modern der Pfarrer Voß schon gewesen ist. Pfarrer Voß rief zur damaligen Zeit auch die so genannten „Standessonntage“ - für Kinder, Jugendliche, Männer und Frauen - ins Leben.“[74]
Zusätzliche Anregungen für die „liturgische Erneuerung“ empfing Karl-Andreas Krieter von Pfarrer Wüstefeld in St. Maria und von Leonard Mock, seinem Freund und Nachfolger in St. Franz-Josef.[75] Was Leonard Mock im Jahre 1935 in die Chronik seiner Kirchengemeinde schrieb, hätte Pfarrer Krieter von sich und der Bonifatiusgemeinde ebenso berichten können: „Eines habe ich mir besonders vorgenommen: Die mir anvertrauten Gläubigen sollen mehr und immer mehr zur hl. Kommunion kommen. Deshalb habe ich - laut bischöflichem Wunsch - die Monatssonntage den vier Ständen zugewiesen. … Ist uns draußen die Betätigung fast unmöglich,[76] so bietet das Gotteshaus noch viele Möglichkeiten, `Pfarrfamilie´ zu pflegen. Der Mensch, und besonders der von heute, sieht auch auf Äußerlichkeiten. Ein `schöner Gottesdienst´ zieht die Menschen noch immer an. So haben wir vor allem die Gemeinschaft beim Gottesdienst gepflegt: Gemeinschaftsmesse, Bet- Singmesse, feierliche Andachten, Feierstunden mit Prozession (Lichterprozession) ... Uraltes Brauchtum, nur wieder neu erschlossen.“[77]
Es waren also kaum eigene Ideen, die Pfarrer Krieter unter dem Stichwort „liturgische Erneuerung“ in die Tat umsetzte. Er griff vielmehr Ideen und Praktiken auf, die ihm Freunde - und auch seine Kapläne - nahe gebracht hatten. Bezeichnenderweise hat er über sein eigenes Verdienst notiert: „Die Liturgie wurde durch ihn sehr gefördert, zumal er seinen Kaplänen Konrad Dorenkamp und Bernard Bank völlig freie Hand gab in der Einführung der Gemeinschaftsmesse und des gemeinschaftlichen liturgischen Betens.“ [78]
In der Ordnung der Gottesdienste führte Pfarrer Krieter keine Neuerungen ein. An Sonn- und Festtagen gab es in St. Bonifatius weiterhin um 6 Uhr morgens eine stille heilige Messe ohne Gesang der Gemeinde und ohne Predigt. Da Pfarrer Krieter ein Frühaufsteher war, machte es ihm nichts aus, diese Sonntagsmesse zu übernehmen. Um 7 Uhr fand die zweite „stille Messe“ statt. Diese Messe hatte Kaplan Bank zu lesen, denn die polnische Messe um 8.15 Uhr war Kaplan Dorenkamp vorbehalten, weil er die Sprache beherrschte. An jedem 2. und 4. Sonntag im Monat feierte Kaplan Dorenkamp um 8.15 Uhr ein Hochamt mit Orgelbegleitung und Predigt in polnischer Sprache. An den anderen Sonntagen des Monats las Kaplan Dorenkamp um 8.15 Uhr eine stille Messe mit Predigt in deutscher Sprache.
Den Schulgottesdienst am Sonntag - mit Orgelbegleitung und Predigt bzw. „Christenlehre“ - um halb zehn Uhr hielt Kaplan Bank. Einmal im Monat waren im sonntäglichen Schulgottesdienst das Gemeinschaftsgebet und die feierliche Gemeinschaftskommunion der Schulkinder vorgesehen. Das sonntägliche Hochamt um 10 Uhr 30 mit Orgelbegleitung und Predigt behielt Pfarrer Krieter sich selbst vor. Dieser Gottesdienst hatte die höchsten Teilnehmerzahlen. Auch die Abendandacht, die im Sommer um 20 Uhr und im Winter um 18 Uhr stattfand, hielt Pfarrer Krieter selbst. Er wusste, dass viele Besucher sich nach der Andacht gern zum Gespräch vor der Kirche versammelten oder sich im Gemeindehaus zum gemütlichen Beisammensein trafen. Bei dieser Gelegenheit konnte er viele Gemeindemitglieder ansprechen und näher kennen lernen.
Die Gottesdienste an Werktagen fanden um 6 Uhr morgens in der Kapelle des Gemeindehauses und in der Kirche um 6 Uhr 30 und um 7 Uhr 15 statt. Für die Schulmesse an den Werktagen - vor Schulbeginn - gab es für die Kinder einen festen Wochenplan, den Pfarrer Krieter ebenfalls übernahm. Dienstags und donnerstags hatten die Klassen 1a, 1b, 3a, 3b, 4a, 4b und 4c Schulmesse. Für die Klassen 7 und 8 war die Schulmesse noch nicht verpflichtend. Diese Kinder waren zu jung.[79] Mittwochs und freitags waren die Klassen 2a und 2b, 5a und 5b und 6a und 6b an der Reihe. Für die beiden 6. Klassen war die Teilnahme an der Schulmesse freitags freiwillig. Dienstags und freitags begleitete der Organist den Gesang der Schulkinder mit der Orgel. Die Texte der Lieder und Messgebete fanden die Kinder im Gesangbuch. Mittwochs wurde die „kleine Gemeinschaftsmesse“ gebetet. Die Texte zur „kleinen Gemeinschaftsmesse“ fanden die Schulkinder in Heften, die der Pfarrgemeinde gehörten. Sie wurden vor der Messe vom Küster ausgeteilt. Donnerstags wurde die „richtige, eigentliche Gemeinschaftsmesse“ gebetet, „aus dem Büchlein `Kirchengebet´ - im roten Umschlag für 25 Pfennig zu haben“.
Weil die „richtige Gemeinschaftsmesse“ länger dauerte, begann die Schulmesse am Donnerstag bereits um 7.05 Uhr, „damit niemand zu spät in die Schule kommt.“[80] Während der Schulmesse waren die ersten acht Bänke in der Kirche - rechts und links - für die Schulklassen reserviert. Die jüngeren Schulkinder benutzten die vorderen, die älteren Kinder die hinteren Bänke. Die Aufsicht führten die Lehrkräfte der katholischen Schule Wilhelmsburgs. Ihre Anwesenheit während der Schulmesse war eine Selbstverständlichkeit.[81]
Taufen, Trauungen mit dem vorhergehenden „Brautunterricht“ und Beerdigungen übernahm Pfarrer Krieter in möglichst großer Zahl selbst, nicht nur um seine Kapläne zu entlasten, sondern um bald möglichst vielen Gemeindemitgliedern nahe zu kommen. Aus demselben Grund griff er auch in Wilhelmsburg die Gewohnheit auf, die ihm schon in Harburg-Wilstorf die Herzen der Gläubigen erschlossen hatte: Er besuchte die Familien in ihrem Zuhause.[82] Diese Hausbesuche unternahm er zu Fuß, auch dann, wenn die Familien weit entfernt wohnten. Seine Kapläne schätzten den Wert von Hausbesuchen ebenso hoch ein wie Pfarrer Krieter, allerdings bestand Pfarrer Krieter darauf, dass er informiert wurde, bevor seine Kapläne sich auf den Weg machten. Da die beiden Herren, Bernhard Bank und - ab Oktober 1935 - Johannes Wosnitza Fahrrad bzw. Motorrad fahren konnten, ergab es sich von alleine, dass die Kapläne die weiter entfernt wohnenden Familien der Pfarrei betreuten. Einer besuchte die Familien im Bahnhofsviertel, der andere Kaplan die Familien im Reiherstiegviertel und in Neuhof.[83] Pfarrer Krieter selbst betreute den Umkreis der Bonifatiuskirche, in dem außerordentlich viele Katholiken wohnten. Diese räumliche Aufteilung der Arbeitsgebiete galt auch für die so genannten „Versehgänge“ bei Kranken und Sterbenden.[84]
Allerdings war es Kaplan Dorenkamp (später Kaplan Wosnitza) vorbehalten, Kranke und Sterbende zu betreuen, die ausschließlich polnisch sprachen und verstanden. Kaplan Dorenkamp war - so sagten die Mitglieder von St. Bonifatius - der „Krankenpastor der Polen“.
Das kirchliche Vereinsleben erforderte ebenfalls eine Aufteilung der Arbeitsgebiete. Für Pfarrer Krieter war es eine Selbstverständlichkeit, dass er den Vorsitz im Elisabethverein übernahm. Schon während seiner Zeit als Pastor in St. Franz-Josef war dieser Frauenverein für ihn das wirksamste Instrument gewesen, sowohl seelsorgerliche Anliegen in die Familien zu tragen - zum Beispiel den häufigeren Empfang der heiligen Kommunion - als auch hilfsbedürftige Gemeindemitglieder ausfindig zu machen und praktische Hilfe zu organisieren. Selbstverständlich musste Pfarrer Krieter auch engste Verbindung zu den beiden Vereinen halten, die neben dem Elisabethverein das karitative Wirken in der Bonifatiusgemeinde trugen. Das waren der „Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder“[85] und der „Caritasverein“.[86] Fast alle Frauen, die sich im „Fürsorgeverein“ engagierten, waren gleichzeitig Mitglieder im Elisabethverein. Dagegen waren die 20 Mitglieder des Caritasvereins - mit wenigen Ausnahmen - männlich. Schließlich übernahm Pfarrer Krieter auch die Betreuung der Marianischen Kongregation. Das war die Gruppe der jungen, unverheirateten Frauen. (Der früher übliche Name für diese kirchliche Gruppe - „Jungfrauenkongregation“ - war nicht mehr modern.) Der Männergesangverein und der Männerverein „Winfridia“ bedurften keiner besonderen Betreuung durch einen der drei Geistlichen. Pfarrer Krieter hielt losen Kontakt zu den Vorsitzenden, die auch Mitglieder des Kirchenvorstandes waren. Dem Kaplan Dorenkamp überließ Pfarrer Krieter die Betreuung der polnischen Vereine und die Betreuung der Gruppe „Lioba“. Das war die Mädchengruppe der Gemeinde.
Kaplan Bank sollte die Messdiener ausbilden und Verbindung zu dem Lehrer Alfred Beirowski halten. Herr Beirowski sammelte in der katholischen Schule Wilhelmsburgs die „ganz kleinen“ Jungen und führte sie in der Gruppe „Jung-Winfried“ an die älteren kirchlichen Jungengruppen heran.[87] Zu dieser Zeit trugen die Gruppen „Lioba“ und „Jung-Winfried“ noch stolz eine Art Uniform, nämlich Blusen bzw. Hemden in gleicher Farbe. Sie hatten 1934 auch noch einen „eigenen kleinen Wimpel“.[88] Kaplan Bank hatte außerdem die „Jungschar“ (etwa 12 bis 15 Jahre alte Jungen) und die „Sturmschar“ zu betreuen. Die Mitglieder der „Sturmschar“ waren junge Männer, die noch ihre berufliche Lehre machten oder die Lehre vor kurzer Zeit erst abgeschlossen hatten. Vor allem hatte Kaplan Bank aber die Aufgabe, Präses des Gesellenvereins zu sein. Dieser Verein hieß seit dem Jahre 1933 offiziell „Kolpingfamilie“.[89]
Der „Bund Neudeutschland“, in dem sich die wenigen Gymnasiasten der Gemeinde sammelten, sah sich selbst in einer elitären Sonderstellung.[90] Sie bedurften keiner Betreuung durch einen Geistlichen. Die Mitglieder der „Gemeinschaft für Sport und Leibesübung“ in der Bonifatiusgemeinde - die Mitglieder der DJK-Wilhelmsburg - waren fast ausnahmslos gleichzeitig Mitglied in den vorher genannten kirchlichen Vereinen. Deswegen hielten die Geistlichen eine regelmäßige Betreuung dieser Sportgruppe ebenfalls für nicht erforderlich. Nur bei größeren Veranstaltungen - zum Beispiel bei einem Treffen aller DJK-Sportlerinnen und DJK-Sportler, die es in Harburg und in Wilhelmsburg gab - war Kaplan Bank anwesend.[91]
2.3 Die weltlichen Mitarbeiter
Bei seinem Dienstantritt in Wilhelmsburg fand Pfarrer Krieter seine weltlichen Mitarbeiter in der Seelsorge- und in der Verwaltungsarbeit bereits vor: den Küster, den Organisten, die Pfarrsekretärin, den „Steuer-Erheber“ Paul Ulitzka und auch den „Kirchenheizer“ Tomolek.
Der Küster Stanislaus Zagorski - ein pensionierter Lokomotivführer - war ein schweigsamer Mann, der absolut zuverlässig seine Arbeit machte. Genauso zuverlässig arbeitete der Lehrer Heinrich Mecke als Organist.
Herr Mecke und Herr Zagorski fügten sich unauffällig in die kirchlichen Arbeitsabläufe ein und finden deswegen im Folgenden - so ungerecht das auch ist - keine weitere Erwähnung. Dagegen soll von dem „Kirchenheizer“ Tomolek ausführlich berichtet werden, weil durch den Umgang mit diesem Angestellten einige Charakterzüge des Pfarrers Krieter erkennbar werden.
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Die Bonifatiuskirche wurde damals noch mit Kohlenruß beheizt.[92] Der Heizer Tomolek, den alle Gemeindemitglieder nur „Tomek“ nannten, bediente die Heizung, entschlackte sie und fuhr das Material. Ein Zeitzeuge berichtete über den Heizer Tomolek: „Er hatte keine feste Arbeitszeit, aber er war tagsüber wohl drei- bis viermal im Heizungsraum zu Gange. Manchmal hat er nachts im Heizungsraum gearbeitet und da auch geschlafen. Tomolek hat auch den Blasebalg der Orgel getreten. Da flog er jedes Mal mit dem Blasebalg in die Luft, weil er so ein Leichtgewicht war. … Wenn die Kinder ihn ärgerten, jagte er mit dem Krückstock hinterher. Vor dem Pfarrhaus war eine kleine Wiese. Wenn die Kinder auf diese Wiese gingen, kam Tomolek angelaufen und schrie: `Wollt ihr wohl von heilige Wiese´! Für die Kinder war das ja was!“
Karl-Andreas Krieter konnte sich manches Mal ein Lächeln über diese Jagden nicht verkneifen, doch wenn es die Kinder zu bunt trieben, schritt er ein. Der Zeitzeuge, der als Sohn des Schulhausmeisters in der Bonifatiusstraße 2 - also gegenüber der Bonifatiuskirche - wohnte, berichtete weiter: „Pfarrer Krieter hat mir, als ich Jugendlicher war, auch mal` gesagt: `Du, Albin, hör´ ´mal zu! Der Tomolek wird von den Kindern immer so geärgert. Versuch doch ´mal, dass dieses Ärgern durch die Kinder aufhört´. Na ja, das habe ich dann - so gut ich konnte - versucht. Aber ich war ja auch nicht erwachsen, dass ich da ein Machtwort hätte sprechen können. Außerdem hat der Tomolek selbst dafür gesorgt, dass er etwas hochgenommen wurde. … Er war ein bisschen verwahrlost. Eigentlich hat er in einem Haus an der „Alten Schleuse“ gewohnt. Dem mussten sie zweimal die Bude ausmisten, unter Krieter. Der Tomolek hatte so hoch den Dreck in der Wohnung (Herr L. macht ein Handzeichen). Der hat alles da liegen gelassen. Da hatten sich die Nachbarn wohl beschwert, und Krieter hat dann einen Großangriff auf seine Wohnung gemacht.
Von der Gemeinde waren die Leute da und haben mit Forken den Dreck aus dem Fenster geworfen und weggeräumt. Das war eine tolle Aktion! … Ja, Krieter hat auch dafür gesorgt, dass Tomolek sein Mittagessen kriegte. Da war damals die Gastwirtschaft an der Ecke Rotenhäuser Straße / Veringstraße. Mit dem Wirt - zuerst Odsche Meier, dann ein anderer - hatte Krieter abgesprochen, dass Tomolek da sein Mittagessen gekriegt hat und einen Schnaps. Den hat der Tomolek gekriegt, und Andreas (Karl-Andreas Krieter) hat das Mittagessen und den Schnaps bezahlt. So hat er dafür gesorgt, dass Tomolek überhaupt etwas Warmes in den Bauch kriegte.“[93]
Pfarrer Krieter fand schließlich eine erfolgreiche Beschützerin für den „Kirchenheizer“, nämlich seine Schwester Therese. In der entsprechenden Jahreszeit half der „Kirchenheizer“ der Schwester des Pfarrers bei der Gartenarbeit. Von ihr bekam er fortan auch täglich ein warmes Mittagessen. Allerdings bestand Therese Krieter darauf, dass der Kirchenheizer das Mittagessen im Anbau des Pfarrhauses einnahm, weil er so ungepflegt war.
Wie oben dargestellt, musste Karl-Andreas Krieter auf die Mitarbeit der Pfarrsekretärin Frieda Kayser wegen der Notlage seiner Kirchenkasse möglichst bald verzichten. Schon während seiner Tätigkeit als Administrator hatte er sich bemüht, eine andere Stelle für Frl. Kayser zu finden. Seine Bemühungen waren erfolgreich. Bereits am 20. September 1934 erhielt er ein Schreiben des Arbeitsamtes Hamburg, dass Frieda Kayser zum 31. 8. 1935 als Fürsorgerin und Wohlfahrtspflegerin eingestellt werden könne. Pfarrer Krieter gab Frl. Kayser folgende Zeugnis: „Ihr Arbeitsgebiet waren alle Zweige der Seelsorgehilfe: Führung der Pfarrkartothek und der Kirchenbücher, Mithilfe bei Erledigung des pastoralen Schriftwechsels, Besuch der zugezogenen und gefährdeten Gemeindemitglieder, vor allem auch Neuordnung des Pfarrarchivs und die Gebiete der Fürsorge und der Caritas. Bei der Aufstellung des Voranschlages der Kirchenrechnung für die Zeit vom 1. 4. 1935 bis 31. 3. 1936 hat sich der Kirchenvorstand zu meinem großen Leidwesen genötigt gesehen, die Stelle der Pfarrhelferin zum 31. 3. 1935 aufzuheben“[94]
In der Bonifatiusgemeinde war aber so viel Verwaltungsarbeit zu erledigen, dass die Stelle der Pfarrsekretärin wieder besetzt wurde, sobald sich die Lage der Kirchenkasse verbessert hatte. Schon im Sommer 1935 stellte der Kirchenvorstand - natürlich unter Vorsitz des Pfarrers Krieter - Frl. Hedwig Spiegel ein.
Sie wohnte kostenfrei im Pfarrhaus von St. Bonifatius und bezog zunächst ein deutlich geringeres Gehalt als ihre Vorgängerin, monatlich 110,- Reichsmark.[95] Mit Hedwig Spiegel gewann Pfarrer Krieter eine Mitarbeiterin, die ihm bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand eine selbständige und überaus anhängliche Helferin war.
Paul Ulitzka hatte schon zu Zeiten von Pfarrer Dr. Offenstein und Pfarrer Schmidts die Kirchensteuer in der Bonifatiusgemeinde erhoben. Für diese nebenamtliche Tätigkeit hatte er sich ein Büro im Gemeindehaus eingerichtet. Dort konnten die Gemeindemitglieder ihre Kirchensteuer einzahlen.[96] farrer Krieter schätzte die Fähigkeiten des damaligen Stadtinspektors beim Finanzamt so hoch ein, dass er Paul Ulitzka bat, sich noch stärker zu engagieren und Rechnungsführer (Rendant) der Bonifatiusgemeinde zu werden. Paul Ulitzka sagte zu. In der ersten Sitzung des Kirchenvorstandes nach der Wahl am 24. Februar 1935 wurde Paul Ulitzka zum Rechnungsführer der Gemeinde ernannt.[97] Damit war der enge Kreis der weltlichen Mitarbeiter des Pfarrers Krieter geschlossen.
Zum erweiterten Kreis gehörten die Kirchenvorsteher. Nach Kirchenrecht war die Hälfte aller Mitglieder des Kirchenvorstandes in einem Rhythmus von vier Jahren neu zu wählen. Der erste Wahltermin unter Pfarrer Krieter war der 24. Januar 1935. Sowohl die Liste der Kandidaten als auch das Formblatt mit dem Ergebnis der Kirchenvorstandswahl sind erhalten. Beide sind abgebildet. Die Kandidatenliste gibt auch die Berufe der Kandidaten an. Unter den Kandidaten befindet sich nur eine Frau, die „Hausfrau“ Hedwig Tomczak.
Am 24. Februar 1935 wählten die Mitglieder des Kirchenvorstandes aus ihrem Kreis den Reichsbahnsekretär a. D., Josef Krebs, erneut zum Stellvertretenden Vorsitzenden.[98]
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3. Das erste Jahr im Amt des Pfarrers von St. Bonifatius
Nach seinem Dienstbeginn in St. Bonifatius blieben Pfarrer Krieter noch neun Wochen bis zum nächsten großen Festtag des Kirchenjahres, Weihnachten. Das war wenig Zeit, sich in die neue Aufgabe hineinzufinden.
3.1 Nationalsozialistischer Geist in der katholischen Schule
Gar keine Anlaufzeit blieb Pfarrer Krieter bis zu seinem Dienstantritt in der katholischen Schule Wilhelmsburgs. Dort hatte er den Katechismusunterricht zu erteilen. In den Quellen findet sich kein Hinweis, dass Rektor Hupe und sein Kollegium eine offizielle Begrüßung des neuen Pfarrers in ihrer Schule vorgenommen hätten.
Karl-Andreas Krieter war es ganz recht, dass um seine Person nicht Aufhebens gemacht wurde, zumal er den Rektor und die meisten anderen Mitglieder des Kollegiums seit Jahren kannte. Andererseits wurde ihm durch die mangelnde Aufmerksamkeit verdeutlicht, dass der Einfluss der Geistlichkeit auf die katholische Bekenntnisschule im Schwinden war.
Es dauerte nur wenige Wochen, bis Pfarrer Krieter genug Hinweise gesammelt hatte: Die nationalsozialistische Weltanschauung war in der katholischen Schule Wilhelmsburgs dabei, dem katholischen Erziehungsideal den ersten Platz streitig zu machen.[99]
Der Rektor zeigte sich in der Schule in nationalsozialistischer Uniform. Flaggenappelle waren für die Schulkinder selbstverständlich. Damit alle Schüler und Schülerinnen der oberen Klassen Ansprachen der NS-Elite gemeinsam hören konnten, wurden die Radioübertragungen durch eine Lautsprechanlage verstärkt. Im Schulgebäude - auf den Stufen des Treppenhauses sitzend - lauschten die Kinder andächtig dem Wortschwall Adolf Hitlers oder anderer NS-Größen. Der Schulleiter bedrängte seine Kolleginnen und Kollegen regelmäßig, in den Nationalsozialistischen Lehrerbund einzutreten. Referate in den Lehrerkonferenzen dienten dazu, das Kollegium nationalsozialistisch zu schulen.[100] Mehrmals fand Pfarrer Krieter in den Konferenzberichten den Hinweis, dass der Unterricht mit dem Hitler-Gruß zu beginnen habe. Im Turnunterricht sollte die Sprache der „SA“ „Kommandosprache“ sein.
Das Protokoll der Lehrerkonferenz vom 29. August 1934 enthielt eine Eintragung, die Pfarrer Krieter noch mehr von der wachsenden Konkurrenz der nationalsozialistischen Jugendverbände zu den kirchlichen Jugendgruppen überzeugte: „Herr Hoffmann ist zum Mittelsmann zwischen Schule und DJ (Deutsche Jugend; Anm. d. Verf.) ernannt. Es soll darauf hingewiesen werden, dass die Kinder mehr denn bisher den (nationalsozialistischen; Anm. d. Verf.) Jugendverbänden beitreten. Für die Oberstufe wird der Unterricht im Turnen, Zeichnen und in der Musik um eine Stunde gekürzt.“ Pfarrer Krieter wusste, dass diese Stundenkürzung Freiraum für den „Staatsjugendtag“ schaffen sollte, an dem Übungen oder Veranstaltungen der Deutschen Jugend und der Hitlerjugend stattfanden.[101] Im Konferenzbericht vom 29. August 1934 las Pfarrer Krieter weiter: „Die Teilnahme am `Staatsjugendtag´ wird im Handbuch durch Eintragen eines `H´ vermerkt. … Für die Nichtteilnehmer am Staatsjugendtag sind am Sonnabend zwei Stunden politische Schulung vorgesehen. Diese zwei Stunden sollen für die Kinder ein Erlebnis und keine Paukerei sein. Sie sollen Plauder- und Heimstunden sein, in denen Stoffe gelesen werden, die dem Zeitgeist entsprechen und eine Zugabe bedeuten, also nicht aus dem Stoffgebiet für die Gesamtklasse genommen sind. Die Besprechung des Gelesenen hat in Form einer Unterhaltung zu geschehen. An Stelle der zweiten Schulungsstunde kann auch eine Turnstunde eingelegt werden. In jedem Monat findet an einem Sonnabend eine Wanderung im Klassenverband statt.“ [102]
Gegenüber dem Wachsen des nationalsozialistischen Geistes in der katholischen Bekenntnisschule waren Pfarrer Krieter und seine Kapläne machtlos. Sie erteilten ihren Katechismusunterricht und waren froh, dass wenigstens an der Tradition der Schulgottesdienste während der Woche und am gemeinschaftlichen Beichten der Schulklassen vorerst nicht gerüttelt wurde.[103] Im Übrigen vertrauten die Geistlichen zu Recht darauf, dass die Mehrzahl der Lehrkräfte an ihrer katholischen Grundüberzeugung festhielt. Diese Lehrkräfte widersetzten sich zwar nicht explizit dem „neuen Geist“, aber sie erteilten weiter „gut katholischen“ Unterricht in „Biblischer Geschichte“. Einzelne Lehrkräfte waren sogar weiterhin bereit, in der Gemeinde an führender Stelle mitzuarbeiten.
So war denn Pfarrer Krieter mit der Situation in der katholischen Schule Wilhelmsburgs gegen Ende des Jahres 1934 leidlich zufrieden. Eine besondere Freude hatte er außerdem: Der ehemalige Organist, Konrektor Rhein, und der Lehrer Riediger feindeten ihn nicht an.
3.2 Die Nutzung der „Höpenwiese“
Laut Protokoll der Lehrerkonferenz der katholischen Schule Wilhelmsburgs vom 17. 12. 1934 erfuhren die Lehrkräfte an diesem Tag: „Es soll eine erhöhte Werbung für die DJ (= Deutsche Jugend) in den Klassen stattfinden, da unsere Schule (in Harburg-Wilhelmsburg; Anm. d. Verf.) prozentual am geringsten in der DJ vertreten ist.“ Pfarrer Krieter reagierte mit verstärkten kirchlichen Bemühungen um die Jugend der Bonifatiusgemeinde. Als er die „Sturmschar“ besuchte, trugen ihm die jungen Männer die Bitte vor, auf der Gemeindewiese im „Höpen“ ein Holzhaus bauen zu dürfen. Es sollte Wohn- und Übernachtungsmöglichkeiten bieten und eine Kochgelegenheit. Die „Sturmschar“ wollte ihr bisheriges Gruppenheim - eine Holzhütte, die neben dem Gemeindehaus stand - abbrechen. Das so gewonnene Baumaterial sollte auf der „Höpenwiese“ Verwendung finden. Natürlich würden sie noch weiteres Material benötigen. Pfarrer Krieter konnte angesichts der finanziellen Probleme der Gemeinde den Plänen der jungen Männer nicht sofort zustimmen, aber grundsätzlich befürwortete erdas Vorhaben.
Schon im Frühjahr 1935 wurde der Plan in die Tat umgesetzt. Ab 1935 listete Pfarrer Krieter in den Jahresabrechnungen der Kirchengemeinde St. Bonifatius Aufwendungen für die „Höpenwiese“ auf. Sie betrugen im jährlichen Durchschnitt rund 100 Reichsmark, im Jahre 1935 die erstaunlich hohe Summe von 179, 08 RM. Sehr wahrscheinlich entstanden diese hohen Ausgaben durch die Anschaffung des Baumaterials für das Holzhaus.[104]
Die Wiese und das Holzhaus fanden in der Gemeinde großen Anklang. Die folgenden Aussagen von Zeitzeugen verdeutlichen, wie wichtig ihnen die „Höpenwiese“ war. Jonny Swoboda erzählte: „Was haben wir für schöne Zeiten im „Höpen“ erlebt! Das kann man gar nicht richtig erzählen, wie schön das war! Auf der Wiese stand ein Holzhaus, in dem wir übernachten konnten. Dieses Haus haben wir als Mitglieder der `Sturmschar´ gebaut. Viele Jugendliche waren ja zu Beginn der dreißiger Jahre arbeitslos und hatten Zeit. …
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Wir waren jedes Wochenende da draußen. Wir sind mit dem Fahrrad hingefahren. … von da aus haben wir dann weitere Radtouren gemacht, bis nach Buchholz und noch weiter. Das waren so schöne Stunden! Geld hatten wir ja damals nicht! Heute fliegen ja alle Leute mit dem Flugzeug in den Urlaub, aber für uns war das Urlaubsziel der Höpen!“[105]
Franz Lota berichtete: „Im Höpen war unser „Heim“. Da sind wir zu Fuß hinmarschiert, von Wilhelmsburg aus! Im Winter haben wir Schlitten mitgenommen. Früher war es ja richtig Winter, mit viel Schnee, nicht so wie die Winter heute. Wir sind fast jeden Sonntag in den Wald marschiert, mit allen Mann. Wir hatten hellblaue Hemden und graue Kniehosen aus Manchester-Stoff, schwarze Strümpfe und Wanderschuhe. Wir waren da meistens zu den Festtagen, auch einmal Weihnachten. Nachher, als die Nazis da waren, war das schwieriger. Ich glaube, da haben wir noch ein Jahr das so gemacht, und dann haben sie uns aufgelöst. Da durften wir nicht mehr zusammen auftreten.“[106]
Karl-Heinz Wellner erzählte: „Nachdem wir auf dem „Höpen“, eine „feste Bude“ mit Übernachtungsmöglichkeit hatten, haben wir natürlich nicht mehr die Wanderungen in den Harburger Bergen gemacht, sondern sind zum „Höpen“ gegangen. Das war ja viel bequemer.
Wir sind an Samstagen abends hingegangen, haben uns vom Bauern Stroh geholt, haben die ganze Bude ausgelegt und dann da geschlafen. Kochen konnte man da auch. Wasser war am Ende des Grundstückes, da war eine Pumpe.“ [107]
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Auch die Mädchengruppen der Gemeinde nutzten die Höpenwiese zu Freizeitaktivitäten. Erna Nowacki berichtete: „Ja, der „Höpen“ war eine wunderbare Sache für die Jugend. Davon will ich gern erzählen. Als Kinder waren wir ja in „Lioba“. Wir sind manchmal zu Fuß zum „Höpen“ gezogen. Wir hatten ja damals die Vinzentinerinnen in der Gemeinde. Eine von denen ist mit uns zu Fuß dahin gezogen. Später sind wir alle mit dem Fahrrad gefahren. Mit der Straßenbahn konnte man auch hinfahren, bis Rönneburg. Man ging dann anschließend durch die Felder. Das war ein wunderschöner Weg. … Auf der Wiese stand eine schöne Holzbude mit allem Drum und Dran. Es wurde ja damals mit diesen einfachen Knipps-Apparaten viel fotografiert. Ich habe da noch viele Bilder.
Es gab doch diese „Lioba“- Uniform; giftgrüne Trägerröcke haben die Mädchen getragen, aber wirklich giftgrün, und eine Bluse dazu. Ich selbst habe keine Uniform gehabt. In unserer Lioba-Gruppe haben wir Reigen getanzt, usw. Das war richtig schön. Luzie Thielmann - die war ein paar Jahre älter als wir - die hat das mit uns gemacht. Ach, einen Wimpel hatten wir auch! Den mussten wir dann bis zum „Höpen“ tragen. …“[108]
Die spätere Pfarrhelferin in der Bonifatiusgemeinde, Karla Pachowiak, berichtete von der „Höpenwiese“: „Wir konnten da übernachten, allerdings zu zweit in einem Bett. Übers Wochenende sind wir oft da gewesen und am Sonntagmorgen sind wir nach Wilstorf marschiert, zur Messe in die St. Franz-Josef-Kirche. Für mich persönlich war der „Höpen“ besonders günstig, weil mein Onkel in Fleestedt ein Haus besaß, ein schönes, großes Haus. … Es war so in der Nähe, dass ich aus dem Gemüsegarten dort für meine Gruppe leicht etwas zum Essen holen konnte. … Ich bin mit meiner „Lioba“-Gruppe per Straßenbahn von Wilhelmsburg nach Rönneburg gefahren. Danach ging es zu Fuß durch Feld und Wald, in Uniform und mit Wimpel. Im Dritten Reich war so etwas ja eigentlich verboten. Aber wir haben „Maria zu lieben“ und andere Kirchenlieder gesungen. Wir sind mit unserem Wimpel von Rönneburg losgezogen und haben dabei Kirchenlieder gesungen. Das muss in den Jahren 1935 / 1936 gewesen sein. Wir hätten schon Ärger bekommen können, denn die Kirchengemeinden durften mit Gemeindegruppen nur religiös arbeiten. Aber wir waren ja ein `Betklub´. Damit konnten wir uns herausreden. …“[109]
Die Mädchengruppen waren im Normalfall in Begleitung einer erwachsenen Person auf der „Höpenwiese“. Das berichtete Martha Swoboda: „ … wir waren von der „Lioba“ als Gruppe da; immer mit einer Älteren, z.B. Frau Plass. Und unter Aufsicht durften wir Mädchen da auch übernachten. Ich selbst durfte das aber nie! Das haben mir meine Eltern nicht erlaubt. Abends musste ich immer nach Wilhelmsburg zurückfahren. Morgens bin ich dann für 15 Pfennig mit der Straßenbahn bis Rönneburg gefahren und dann zu Fuß da hingegangen.“[110]
An kirchlichen Festtagen während der warmen Jahreszeit war die „Höpenwiese“ Treffpunkt für die ganze Gemeinde. Der Zeitzeuge Albin Lisiewicz berichtete: „Da war die Wiese voll! Die Kinder haben Fußball oder Völkerball gespielt. Die Eltern konnten im Wald spazieren gehen. Da wurden Klapptische und Klappstühle aufgebaut und man aß und trank. Kaffee und Kuchen wurden von zu Hause mitgebracht. Später konnten die erwachsenen Gemeindemitglieder auch Tanzen gehen, nebenan in der Gastwirtschaft `Waldquelle´. Also, das war schon eine tolle Sache!
Die Wiese war sehr beliebt!“[111] Die Zeitzeugin Martha Swoboda sagte zur „Höpenwiese“: „Wir haben uns da so wohl gefühlt, im Freien, im Grünen, Wälder rund herum! Für mich ist der „Höpen“ der Himmel gewesen! Und für mich ist der „Höpen“ immer mit dem Namen Krieter verbunden.“[112]
Pfarrer Krieter wusste, dass die „Höpenwiese“ im Jahre 1932 von Pfarrer Schmidts „hauptsächlich für Zwecke der Katholischen Schule“ gekauft worden war.[113] Nachdem die Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten von den Jugendgruppen erprobt waren, bot Pfarrer Krieter die „Höpenwiese“ deswegen der katholischen Schule Wilhelmsburgs für Aufenthalte von Schulklassen an. Die Lehrerin Kraushaar, die sich im Leben der Kirchengemeinde stark engagierte[114], nahm als einzige Lehrkraft dieses Angebot an. Die Zeitzeugin Hilde Mlotek erzählte: „Unsere ganze Klasse ist `mal mit Frl. Kraushaar `im Höpen´ gewesen. … Da war so ein schönes Holzhaus. Es lag am Wald. Wir haben uns selbst verpflegt, gekocht. Da haben wir auch geschlafen, in Etagenbetten. Das war wunderschön.“[115] Die übrigen Lehrkräfte der katholischen Schule Wilhelmsburgs nutzten das Angebot nicht. Möglicherweise befürchteten sie, bei Rektor Hupe missliebig zu werden, wenn sie mit einer Klassenfahrt der „Deutschen Jugend“ Konkurrenz machten.
Als die katholische Schule an einer Nutzung der „Höpenwiese“ nicht interessiert war, hatte Pfarrer Krieter den Einfall, Wiese und Holzhaus den Familien seiner Gemeinde zum Erholungsaufenthalt bereitzustellen. Dieses Angebot wurde freudig aufgegriffen.[116] Im Bericht an den Caritas-Verband für das Jahr 1936 schrieb Pfarrer Krieter: „Die Gemeinde besitzt außerhalb der Stadt eine größere Wiese mit Gartenhaus, wo mittellose - besonders kinderreiche - Familien gegen geringes Entgelt Erholung finden.“[117]
Nachdem das Holzhaus auf der „Höpenwiese“ gebaut war und intensiv genutzt wurde, tat sich ein großes Problem auf: Die Wiese musste gepflegt werden, die Unterkunft musste regelmäßig gesäubert und Grundstück und Holzhaus mussten überwacht werden. Es musste also ein „Wiesenmeister“ gefunden werden, der bereit war, diese Arbeiten - möglichst ehrenamtlich - zu erledigen.
Der Zeitzeuge Albin Lisiewicz, dessen Vater neben der „Höpenwiese“ ein eigenes Grundstück besaß, erinnerte sich an „einen alten, erwerbslosen Polen, der von Pfarrer Krieter als Wiesenmeister eingesetzt war“.
Wie Albin Lisiewicz erzählte, hatte dieser „Wiesenmeister“ die Aufsicht und die Schlüsselgewalt über das Gelände. Er war auch für die Vermietung des Holzhauses zuständig. Vermutlich war der „alte, erwerbslose Pole“ der ehemalige Kirchenvorsteher Wilhelm Kolodziej. Für diese Vermutung gibt es Anhaltspunkte: Am 22. Februar 1935 erhielt Pfarrer Krieter einen Brief des Kirchenvorstehers Wilhelm Kolodziej.[118] Er gehörte zu derjenigen Hälfte der Kirchenvorsteher, die am 24. 2. 1935 neu gewählt werden oder aus dem Amt ausscheiden musste. In seinem Brief zeigte Herr Kolodziej sich sehr enttäuscht, dass sein Name für die anstehende Wahl nicht auf die Kandidatenliste gesetzt worden war. Er wäre gern Mitglied des Kirchenvorstandes geblieben. Nun äußerte er schriftlich seine Enttäuschung, „dass man alte erwerbslose Arbeiter, die für die Allgemeinheit doch nur als Last empfunden werden, auch von Ehrenämtern abdrängt“. Er schrieb weiter: „Ich sehe es ein, dass, wenn unser Herr und Meister sozial zurückgesetzt wurde und auch heute noch in der Welt überall zurückgesetzt wird, wir uns nicht beklagen dürfen, wenn wir selbst Zurücksetzung erfahren, da wir doch alle seine Jünger sein wollen.“ Zum Abschluss seines Briefes bat Wilhelm Kolodziej den Pfarrer Krieter, ihm Gelegenheit zu einer Aussprache zu gewähren. Er wolle „einige noch ungeklärte Fragen, die Spielwiese am Höpen betreffend“, besprechen und „zu einer Regelung kommen“. Es ist recht wahrscheinlich, dass Wilhelm Kolodziej von Pfarrer Krieter überredet worden ist, das Ehrenamt „Wiesenmeister im Höpen“ zu übernehmen.
3.3 Bauliche Mängel an der Bonifatiuskirche, am Kirchplatz und am Pfarrhaus
Als Karl-Andreas Krieter sich zur Annahme der Pfarrstelle in Wilhelmsburg entschlossen hatte, war er von Kirche, Pfarrhaus und Kirchplatz positiv beeindruckt gewesen. Bei genauerem Hinsehen fand er jetzt eine Reihe von baulichen Mängeln.
Auf dem Hochaltar der Kirche waren Priester und Messdiener dauernd in Gefahr auszurutschen, weil sich die Altarstufen schräg nach hinten abgesenkt hatten. Die roten Fliesen im Raum rund um den Altar waren eingesackt. Priester und Messdiener mussten deswegen sehr auf ihre Schritte achten. Die Fläche vor dem Hochaltar erschien Pfarrer Krieter außerdem zu klein. Seine Kapläne und er selbst wünschten sich für die Liturgie an Festtagen ausreichend Platz für drei Priester und etwa zwölf Messdiener.
Außerdem sollten sich die Fahnen- und Bannerträger der kirchlichen Vereine im Altarraum aufstellen können. Unter diesem Aspekt war die Kommunionbank zu nahe an den Hochaltar gerückt. Sie sollte zurückgesetzt und der Altarraum mit neuen Fußbodenplatten ausgelegt werden. Es war zu überlegen, ob die Kommunionbank im Zuge dieser Arbeiten vielleicht insgesamt erneuert werden sollte. Sie erschien vielen Gläubigen als zu niedrig. Zum Weihnachtsfest 1934 musste der Zustand des Altarraumes aber noch unverändert bleiben.
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Am kostenträchtigsten schätzte Pfarrer Krieter die Bauschäden an der Wand hinter dem Hauptaltar der Bonifatiuskirche ein. Durch das dort befindliche dreiteilige Fenster waren Wasser und Salpeter in die Wand eingedrungen. Die Wand war fleckig, und die Wandbilder waren unkenntlich geworden.
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Nur wenn an hohen kirchlichen Festtagen in der Kirche Girlanden aus Laub oder Tannen aufgehängt wurden, ließen sich diese Schäden notdürftig verdecken. Pfarrer Krieter holte sich Rat bei Fachleuten. Als vernünftigste Lösung für die Beseitigung der Bauschäden hinter dem Hauptaltar wurden ihm die Schließung des dreiteiligen Fensters und die künstlerische Ausmalung der so entstehenden Wandfläche angeboten. Er entschied sich für diese Lösung, wobei ihm klar war, dass er Geduld haben musste.
In der Chronik der Kirchengemeinde St. Bonifatius liest man: „Sehr schadhaft war der Fußboden in den Seitengängen der Kirche. Die Fliesen lagen an einigen Stellen lose, so dass sie beim Überschreiten klapperten, was besonders während des Gottesdienstes als sehr störend empfunden wurde. An anderen Stellen, besonders unter der Orgelbühne, bestanden Unebenheiten bis zu 10 Zentimetern. Es ist wiederholt vorgekommen, dass Personen an diesen Stellen stolperten und auch zu Fall gekommen sind. Die Instandsetzung des Fußbodens war daher eine dringende Notwendigkeit.“[119]
Schließlich waren auch auf dem Kirchplatz Baumaßnahmen nötig. Als die Gemeinde im Jahre 1925 die im Weltkrieg abgelieferten Glocken durch neue Glocken ersetzt hatte, waren viele Gehwegplatten auf dem Kirchplatz - wegen des Gewichtes der darüber transportierten Glocken - in Stücke gebrochen und in den Boden gedrückt worden. Bei Regenwetter bildeten sich jetzt - im Jahre 1934 - Schlammpfützen. Der Vorplatz war oft vollständig verschmutzt und zum Teil nicht zu begehen. Doch zu Ende des Jahres 1934 fehlte auch für dieses Bauvorhaben das Geld. Pfarrer Krieter hat im Zusammenhang mit seinen späteren Bautätigkeiten in der Bonifatiusgemeinde eine Bemerkung über sich selbst aufgeschrieben: „Es war immer das Bestreben des Pastors, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel der Kirchenkasse nur schrittweise Reparaturen an Kirche und Pfarrhaus vorzunehmen.“[120] Dementsprechend stellte er auch die dringend erforderlichen Baumaßnahmen im Pfarrhaus zurück: die Aufstellung neuer Öfen und den Einbau einer zweiten Toilette.
3.4 Advent und Weihnachten 1934
Am 2. Dezember 1934 war der 1. Adventssonntag. Pfarrer Krieter und seine Kapläne wollten die Adventszeit nachdrücklich als Besinnungs- und Vorbereitungszeit auf den christlichen Inhalt des Weihnachtsfestes nutzen. Sie stellten sich damit gegen die neuheidnischen Bemühungen der NSDAP. Die Nationalsozialisten wollten das christliche Fest Weihnachten zur „Volksweihnacht“ machen. Sie wollten germanisches, „arteigenes Brauchtum“ gegen das christliche Brauchtum setzen. Sie nannten den „Heiligen Abend“ „Baldurs Lichtgeburt“ und den Drei-Königs-Tag den „Drei-Asen-Tag“.[121]
Die Hitlerjugend versuchte, das Christentum und die katholische Geistlichkeit zu diffamieren. Ein Beispiel für solche Versuche ist das folgende „Gedicht“. Es wurde in der Adventszeit 1934 als Flugblatt in Breslau verteilt, ausgerechnet am Sitz des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, des Kardinals Adolf Bertram.
„Hitler ist unser Gott. Zu ihm wollen wir beten.
Die Religion ist Lug und Trug, von Pfaffen und Juden vertreten.
Juden, Pfaffen, Jesuiten und Katholiken
sind Deutschlands Aasgeier und Bolschewiken.
Von Schirach, Rosenberg, Goebbels und Darré[122]
sind die Verkünder der neuen Idee.
Lehre von ihnen ist Religion und Balsam,
unsere künftige Religion ist Wallhalla und Wotan.
Die Hitlerjugend bricht sich Bahn,
dafür spricht am 17. Mai Ammerlahn.“[123]
Pfarrer Krieter und seine Kapläne gestalteten an den vier Sonntagen des Advents feierliche Abendandachten. Außerordentlich viele Gläubige nahmen daran teil. Die Kirche war nicht von elektrischem Licht, sondern nur von Wachskerzen erleuchtet, die auf den Kirchenbänken standen. Messdiener hatten die Kerzen vor den Türen der Kirche an die Gläubigen verteilt.
In der Adventszeit war der Elisabethverein besonders aktiv.[124] Pfarrer Krieter erlebte jetzt, wie effektiv dieser Verein der verheirateten Frauen arbeitete und organisiert war. Die Vorsitzende - Frau Paula Pachowiak - hatte die Pfarrei in mehrere Bezirke aufgeteilt. Entsprechend viele Bezirksvorsitzende hatte sie als Ansprechpartnerinnen. Die Frauen kannten die katholischen Familien ihres Bezirkes namentlich. Wenn der Eindruck entstand, dass eine Familie in Gefahr sei, den Kontakt zur Gemeinde zu verlieren, wurde sie von einer Bezirksvorsitzenden selbst oder - in deren Auftrag - von einer anderen Frau des Vereins besucht. Die Frauen des Elisabethvereins kümmerten sich auch um allein stehende Alte und Kranke. Sie überbrachten Nachrichten aus der Pfarrei und hatten ein offenes Ohr für menschliche und finanzielle Probleme. So war es im Advent nicht schwierig, die Einzelpersonen und Familien zu benennen, denen der Elisabethverein eine Weihnachtsfreude bereiten sollte.
Pfarrer Krieter erfuhr, dass der Bäcker Franz Ballhausen - Mitglied des Kirchenvorstandes - traditionell zu Weihnachten „Weihnachtsklöben“ zum Selbstkostenpreis herstellte. Bei ihren Treffen im Gemeindehaus „St. Willehad-Stift“ sorgten die Frauen für die weihnachtliche Verpackung und fügten - je nach Situation der zu beschenkenden Gemeindemitglieder - weitere Geschenke hinzu, ebenso einen Weihnachtsgruß der Gemeinde und einen Hinweis auf die Gottesdiensttermine. Normalerweise überbrachten die Frauen des Elisabethvereins ihre Weihnachtsgeschenke persönlich. Am frühen Nachmittag des 24. Dezember 1934 stellten sich aber die Kindergruppen „Jung-Winfried“ und „Lioba“ in den Dienst des Elisabethvereins. Sie besuchten mit ihren Gruppenleitern Alte und Kranke, übergaben das Geschenk der Gemeinde, sangen Weihnachtslieder und lasen das Weihnachtsevangelium vor.
Einige Männer der Kolpingfamilie übernahmen am letzten Tag vor Weihnachten traditionell das Aufhängen von Tannenzweig-Girlanden über dem Altarraum und das Aufstellen einer großen „Weihnachtskrippe“ im rechten Kreuzschiff der Kirche, am Josefaltar. Die bunt bemalten Gipsfiguren der „Weihnachtskrippe“ - die heilige Familie, Ochs und Esel, der „Stern zu Bethlehem“ und die Hirten und Engel - mussten vom Dachboden des Pfarrhauses in die Kirche getragen werden. Die Figur des heiligen Josef auf dem Josefaltar wurde mit einem grünen Vorhang verdeckt. Auf dem Altartisch und seitlich neben dem Altar wurde mit Pappmaché eine höhlenartige Landschaft als Hintergrund des „Stalles von Bethlehem“ gebildet. Im Stall und in der umgebenden Landschaft fanden die Krippenfiguren ihren Platz. Schließlich mussten als seitliche Begrenzung noch Tannenbäume aufgestellt werden, die mit ihren elektrischen Kerzen das gesamte Kunstwerk der „Weihnachtskrippe“ in ein schummeriges, aber sehr stimmungsvolles Licht tauchten. Diese Krippe war bei den Gläubigen sehr beliebt, vor allem bei Eltern von Kleinkindern.
Im Zusammenhang mit der „Weihnachtskrippe“ soll auch von dem so genannten „Nickneger“ berichtet werden. Mit diesem Namen belegten die Gläubigen damals die Gipsfigur eines „hübsch anzusehenden“ afrikanischen Kindes. Die Figur wurde - gut erreichbar für opferfreudige Kinderhände - vor der „Weihnachtskrippe“ aufgestellt. Zu Füßen des afrikanischen Kindes befand sich ein Sammelkasten für Münzgeld. Wurde eine Münze in den Schlitz des Sammelkastens gesteckt, sorgte ein Mechanismus für ein Kopfnicken der Figur. Das so gesammelte Geld kam der „christlichen Heidenmission“ zu Gute.[125] Die Figur des „armen Negerkindes“ - besonders wohl das mechanische Kopfnicken - beeindruckte die Kinder der damaligen Zeit zutiefst.
Alle Zeitzeugen, die der Autor des vorliegenden Werkes viele Jahre später auf ihre Kindheitserinnerungen angesprochen hat, berichteten im Zusammenhang mit Weihnachten vom „Nickneger“.
Die „Mitternachtsmesse“ am Heiligen Abend, der 1934 auf einen Montag fiel, gestalteten Pfarrer Krieter und seine Kapläne als ein feierliches Levitenamt. Zum ersten Mal hielt Pfarrer Krieter in der festlich erleuchteten Bonifatiuskirche eine Weihnachtspredigt. Er sah mit großer Freude, wie zahlreich die Mitglieder seiner Gemeinde am ersten und am zweiten Weihnachtstag zur Kirche kamen und die Heilige Kommunion empfingen.
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Bei dieser Glaubensfestigkeit seiner „Herde“ machte sich der „Seelenhirt“ keine Sorgen um den Bestand seiner Gemeinde. Mochten die Nationalsozialisten das „Neuheidentum“ auch noch so sehr fördern, sie würden die Katholische Kirche nicht ernsthaft gefährden können. Es gab sogar Menschen, die sich in dieser schwierigen Zeit entschlossen, katholisch zu werden. Drei Tage vor dem Weihnachtsfest, am 21. 12. 1934, nahm Wanda Ulitzka den katholischen Glauben an. Ihre Konversion vertiefte die Verbundenheit des Pfarrers Krieter mit dem Ehepaar Ulitzka. Wanda und Paul Ulitzka verbrachten später mit Karl-Andreas und Therese Krieter sogar gemeinsame Urlaubstage in Hilkerode. [126]
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Die Weihnachtstage des Jahres 1934 brachten Pfarrer Krieter aber nicht nur Freude, sondern auch Trauer. Einen Tag vor Weihnachten hatten Therese und Karl-Andreas Krieter eine Postkarte ihres Bruders, Otto Krieter, erhalten. Er schrieb, das Befinden der Mutter habe sich verschlechtert.[127] Anna Krieter war seit Wochen krank, aber seit einigen Tagen war es gewiss, dass sie sich nicht mehr erholen werde. Falls die Geschwister ihre Mutter noch lebend antreffen wollten, mussten sie sofort nach Hilkerode reisen.
Pfarrer Krieter liebte seine Mutter sehr, doch angesichts der Weihnachtsfestlichkeiten und der vielen drängenden Aufgaben in der neu übernommenen Pfarrei bat er seine Schwester Therese, nach den Weihnachtstagen allein nach Hilkerode zu reisen. Therese Krieter unternahm diese Reise, doch allzu lange Zeit konnte auch sie nicht in Hilkerode bleiben, denn im Pfarrhaus von St. Bonifatius war sie nicht zu entbehren. So waren weder Therese noch Karl-Andreas Krieter in Hilkerode, als ihre Mutter am 16. Februar 1935 starb.
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3.5 Die „Kindersegnung“ am Fest der unschuldigen Kinder
Am 28. Dezember wird in der Katholischen Kirche alljährlich der „Tag der unschuldigen Kinder“ begangen. Der Festtag erinnert an den „Kindermord in Bethlehem“, von dem das Neue Testament bei Matthäus 2,16 ff. berichtet. Am Nachmittag des 28. Dezember 1934 - an einem Freitag - fand in der Bonifatiuskirche zum ersten Mal mit Pfarrer Krieter „die Kindersegnung“ statt. Die „Kindersegnung“ war ein Brauchtum, das in der Bonifatiusgemeinde eine lange Tradition hatte. Pfarrer Krieter hielt diesen Brauch in der Bonifatiusgemeinde bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand lebendig.
Die Zeitzeugin Renate Bergmann berichtete: „Bevor ich auf die `Kindersegnung´ genau eingehe, muss ich noch etwas vorweg erzählen: Meine Brüder - Dieter und Georg - waren Messdiener, und ein Messdiener durfte immer den hölzernen `Tritt´ bereitstellen, wenn auf dem Hochaltar über dem Tabernakel die Monstranz aufgestellt werden sollte oder wenn die Monstranz nach der Anbetung aus dem Sakramentshäuschen wieder herunter geholt werden musste. Pfarrer Krieter war ja verhältnismäßig klein. Wenn die Monstranz da oben auf dem Hochaltar stand, konnte er die Monstranz gar nicht herunterheben, ohne den `Tritt´ zu benutzen. Der `Tritt´ hatte zwei Stufen. Auf die musste Pfarrer Krieter steigen, wenn er an die Monstranz heranreichen wollte. Wir als Kinder haben immer ganz gespannt beobachtet, ob wohl alles gut gehen würde; ob der Pfarrer wohl einmal mitsamt der Monstranz vom `Tritt´ herunterfallen würde. Er ist nie gefallen!
Aber nun zur `Kindersegnung´! Bei der `Kindersegnung´ war in dem Sakramentshäuschen über dem Tabernakel statt der Monstranz ein rotes Samtkissen ausgelegt. Darauf lag in einem weißen Hemdchen ein `Jesuskind´ mit ausgebreiteten Armen. Dieses `Jesuskind´ - eine Puppe - sollte in einer Prozession der Kinder durch die Kirche getragen werden. Ja, und mein Bruder Georg musste nun auf den `Tritt´ und dann noch mit seinem rechten Knie auf den Altar steigen, um das `Jesuskind´ samt Kissen für die Prozession aus dem Sakramentshäuschen herunterzuholen. Das war spannend! Nachdem das gelungen war, setzte sich eine ganz große Prozession in Bewegung. Stellen Sie sich das einmal vor! Die ganze Kirche war gefüllt mit Kindern! Es gab ja so viele Kinder! Die ganz kleinen Kinder waren natürlich in Begleitung ihrer Mütter da. Aber, wie gesagt, zur `Kindersegnung´, am 28. Dezember, war die Kirche immer total voller Kinder! Bei der Prozession waren die Prozessionsfahnen dabei, große und kleine, alle Messdiener gingen mit und - das war das Schönste - auch alle Kinder gingen hinter dem `Jesuskind´ her. Man musste als Kind nicht in der Bank sitzen bleiben, sondern konnte mitgehen, konnte sich bewegen. Bei der Prozession wurde natürlich auch gesungen. Ich weiß noch heute das Lied:
Bei deiner Fahn`, o Jesulein, da wünsch` ich mir, Soldat zu sein.
Möcht` retten gar so gerne, die Kindlein in der Ferne.
Die Heidenkinder arm und klein, dass sie doch nicht verloren sei´ n!
Die Heidenkinder, arm und klein,
dass sie doch nicht verloren sei` n´!
Schön, nicht? Das haben wir ganz laut gesungen, ja richtig voller Inbrunst und aus voller Kehle. Es gibt auch noch eine zweite Strophe:
Und bist du auch noch jung und klein, kannst doch du schon Apostel sein,
Gebet und Opfer spenden, den Heiden hinzusenden,
damit manch` armes Heidenkind den Weg zum schönen Himmel find`,
damit manch` armes Heidenkind den Weg zum schönen Himmel find`!
…die Prozession kam an dem `Negerkind´ vorbei. Die Figur stand ja vor der Krippe. Da wurde gespendet, und das `Negerkind´ bedankte sich durch Kopfnicken. Nach der Prozession folgte die eigentliche `Kindersegnung´. Die Kinder mussten sich an der Kommunionbank in Reihen nebeneinander aufstellen und dann wurden sie durch Handauflegen auf den Kopf und ein Kreuzzeichen auf der Stirn `abgesegnet´. Den Segen erteilten Pfarrer Krieter und auch die beiden Kapläne. Die Geistlichen waren also zu dritt tätig. So viele Kinder waren in der Kirche! …“[128]
3.6 Anordnungen zum Gebet, zum Glockenläuten und zum Beflaggen der Bonifatiuskirche
Am 1. Januar 1935 hörte Pfarrer Krieter im Rundfunk die Neujahrsbotschaft Adolf Hitlers an das deutsche Volk. Hitler forderte für 1935 die „Heimkehr“ des Saargebietes in das Deutsche Reich.
Das „Saarbeckengebiet“ - bestehend aus dem südlichen Teil der preußischen Rheinprovinz sowie dem Westen der bayerischen Pfalz - war nach der Niederlage des Deutschen Kaiserreiches vom Deutschen Reich abgetrennt worden. Im Januar 1935 sollte laut Friedensvertrag von Versailles eine Volksabstimmung entscheiden, ob die Saarländer den Status quo (Völkerbundsregierung) beibehalten wollten, ob sie den Anschluss des Saargebietes an Frankreich wünschten oder aber den Anschluss an das Deutsche Reich. Das Datum der Volksabstimmung war auf den 13. Januar 1935 festgelegt worden. So selbstverständlich, wie Hitler es in seiner Rede dargestellt hatte, war die „Heimkehr“ des Saarlandes aber nicht! Pfarrer Krieter wusste, dass der Ausgang der Volksabstimmung am 13. Januar 1935 entscheidend von der Haltung der Katholiken im Saarland abhing, denn fast alle Bewohner des Saargebietes waren katholisch. Die Kirchengemeinden des Saargebietes unterstanden dem Bistum Trier, zu einem kleinen Teil dem Bistum Speyer. Mittlerweile gab es für Katholiken hinreichend Gründe, die Hitler-Regierung und die NSDAP äußerst kritisch zu sehen. Sogar der ansonsten besonders staatsloyale Osnabrücker Bischof, Wilhelm Berning, hatte gegen die nationalsozialistische Ideologie Stellung bezogen.
Am Sylvesterabend 1934 hatte er in seiner Predigt vor 4.000 Gläubigen im Dom zu Osnabrück gesagt: „Man fordert einen deutschen Gott, der im deutschen Volk zu Geburt und zum Selbstbewusstsein kommt, einen Gott, der gar nicht existiert, sondern als leere Idee aus Blut und Rasse konstruiert wird. Hier steht Credo gegen Credo. Wem wollt ihr glauben? Den modernen Propheten oder der ewigen Wahrheit, Jesus Christus?“[129]
Die saarländischen Katholiken standen also vor der Gewissensfrage, ob sie dem patriotischen Wunsch den Vorzug geben durften, mit Deutschland wieder vereinigt zu sein, oder ob sie ihrer religiösen Überzeugung folgen mussten. Viele katholische Priester des niederen Klerus sprachen mehr oder weniger offen gegen „die modernen Propheten“ und damit gegen die Wiedervereinigung. Dagegen unterstützten die deutschen Bischöfe nachdrücklich den Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich. Am 26. Dezember 1934 wandten sich die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz in einem „Hirtenwort zur Saarwahl“ an ihre Gläubigen. Der Text wurde von allen deutschen Bischöfen übernommen und zur Verlesung bestimmt. Auch Pfarrer Krieter musste dieses Hirtenwort verlesen: „Geliebte Diözesanen. Sonntag, den 13. Januar 1935, wird im Saargebiet die Volksabstimmung stattfinden über die Frage, ob dieses deutsche Land und seine Bewohner in der durch den Versailler Gewaltfrieden aufgezwungenen Trennung vom Deutschen Reich verbleiben sollen oder nicht. Der für die Zukunft unseres Vaterlandes so folgenschweren Entscheidung, die in einigen Tagen an der Saar fallen wird, kann kein wahrhaft Deutscher gleichgültig gegenüberstehen. Als deutsche Katholiken sind wir verpflichtet, für die Größe, die Wohlfahrt und den Frieden unseres Vaterlandes uns einzusetzen. Unsere wirksamste Hilfe ist das Gebet. Deshalb verordnen wir, dass am genannten Sonntag in allen Kirchen nach dem allgemeinen Gebet drei Vaterunser und Ave-Maria mit den Gläubigen gebetet werden, um einen für unser deutsches Volk segensreichen Ausgang der Saarabstimmung zu erflehen.“[130]
Pfarrer Krieter hatte in den Wochen vor der Herausgabe des Hirtenwortes mit besonderem Interesse das Verhalten der Bischöfe von Trier und Speyer verfolgt. Bischof Franz-Rudolf Bornewasser und Bischof Ludwig Sebastian befürchteten bei einem Anschluss des Saargebietes an Frankreich einen Verlust ihrer saarländischen Gemeinden an ein „Saarbistum“, das die Franzosen planten.[131]
Für das Bistum Trier hätte das den Verlust von zwei Dritteln seiner Gläubigen bedeutet. Deswegen verlangten beide Bischöfe von ihrer Geistlichkeit politischen Gehorsam im Sinne des Anschlusses an Deutschland.
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Am 14. Januar 1935 erfuhr Pfarrer Krieter das Ergebnis der Saarabstimmung aus Rundfunk und Presse. 90,73 Prozent der Wähler hatten für eine Vereinigung des Saarlandes mit Deutschland gestimmt, 8,86 Prozent für die Beibehaltung des Status quo und nur 0,4 Prozent der Wähler wünschten sich eine Vereinigung des Saargebietes mit Frankreich.
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Pfarrer Krieter freute er sich über die „Heimkehr“ des Saarlandes. Als Patriot und als treuer Diener der Kirchenoberen befolgte er gern die Anordnung aus Hildesheim, die für Dienstag, den 15. Januar 1935, ein einstündiges Glockenläuten in allen Pfarr- und Filialkirchen“ befohlen hatte.[132]
Im Februar 1935 ordnete das Bischöfliche Generalvikariat Hildesheim an: „Aus Anlass der Übernahme der Regierungsgeschäfte im Saarland sind am Freitag, den 1. März, die kirchlichen Gebäude zu beflaggen. An diesem Tage sind ferner von dem Augenblicke ab, an welchem die Regierungsgeschäfte im Saarland an den Saarbeauftragten des Reiches übergeben werden, auf sämtlichen Kirchen der Diözese die Glocken eine Stunde lang zu läuten.“[133] Wie angeordnet, feierten am 1. März die Glocken der Bonifatiuskirche in Harburg-Wilhelmsburg eine ganze Stunde lang die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den Saarbeauftragten des Deutschen Reiches.
Sehr wahrscheinlich wurden die Bonifatiuskirche und das Pfarrhaus am 1. März 1935 durch Fahnen in den kirchlichen Farben geschmückt, blau-weiß für das Bistum Hildesheim und gelb-weiß für den Vatikan. Nationalsozialistische Stellen waren aber seit langem verärgert, dass die meisten katholischen Gemeinden im Deutschen Reich ihre Gebäude an Staatsfeiertagen noch immer in den Kirchenfarben beflaggten. Die Nationalsozialisten argumentierten, auch Kirchen seien Gebäude auf deutschen Boden, von deutschen Menschen und deutschem Geld für die religiösen Bedürfnisse deutscher Menschen gebaut und vom deutschen Staat in ihrem Bestand geschützt. Solange die Kirchen an öffentlichen Feiertagen auf das Hissen der Staatsflagge verzichteten, solange würden sie sich außerhalb der Volksgemeinschaft stellen. Notfalls müssten die Kirchen eben gezwungen werden, sich durch das Hissen der Hakenkreuzfahne zur Volksgemeinschaft zu bekennen.
Pfarrer Krieter konnte im Frühjahr 1935 also absehen, dass Innenminister Frick in nächster Zeit die Beflaggung kirchlicher Gebäude mit der Hakenkreuzfahne anordnen werde. Tatsächlich geschah das am 24. Oktober 1935. Zuwiderhandlungen wurden mit einer Gefängnis- und zugleich mit einer Geldstrafe bedroht.[134] Für diesen Fall meinte Pfarrer Krieter vorgesorgt zu haben. Er hatte in dem Teil des Pfarrhaus-Vorgartens, der an den Kirchplatz grenzte, einen Fahnenmast aufstellen lassen. Hinter dieser Aktion stand bauernschlaue Absicht. Wenn die Hakenkreuzfahne an diesem Fahnenmast aufgezogen würde, dachte Pfarrer Krieter, sei die Beflaggung des Kirchengebäudes selbst zu umgehen. Diese Maßnahme hatte ihm der Polizeichef von Wilhelmsburg, Paul Fittkau, nahe gelegt. Paul Fittkau war Katholik. In der Öffentlichkeit hielt er sein Bekenntnis allerdings geheim. Dennoch hatte Paul Fittkau guten Kontakt zum Pfarrer Krieter. Der Sohn des damaligen Revierführers der Schutzpolizei in Wilhelmsburg berichtete:
„Wie Vater erzählt hat, war das so, dass man sich von Seiten der Partei im Pfarrhaus beschwert hatte. Die Kirche sei zu den Terminen, die von der Partei gewünscht waren, nicht richtig beflaggt gewesen. Solche Termine gab es ja reichlich. Ich weiß nicht, ob der Pfarrer Krieter zu Vater gegangen ist, oder ob sie sich zufällig getroffen haben. Die kannten sich privat, aber auch dienstlich. Das war ja früher so, dass Polizeichef, Pastor, Lehrer und so weiter die Honoratioren waren. Man kannte sich. Ein Pastor war eine herausragende Figur. Natürlich galt das auch für die evangelischen Pastoren. Als die beiden zusammengekommen sind, stellte Pfarrer Krieter meinem Vater die Frage: `Was soll ich machen? Ich kann doch nicht an die Kirche die Hakenkreuzfahne hängen´. Da war der Rat meines Vaters: `Stellt einen Fahnenmast zwischen Kirche und dem Pfarrhaus auf. Hängt da die Fahne auf. Das stört niemanden, auch den lieben Gott nicht! Aber hängt die Fahne auf, bevor die SA kommt und euch die Hakenkreuzfahne an den Kirchturm hängt´. Der Fahnenmast wurde dann auch aufgestellt. Er war umklappbar. Der war noch lange vorhanden, ich glaube, bis zum Umbau der Kirche in den letzten Jahren.“ [135]
In der Jahresrechnung der Kirchengemeinde St. Bonifatius für das Rechnungsjahr 1935 / 1936 sind die Kosten für die Anschaffung einer Fahne angegeben. Das genaue Datum der Anschaffung und ein Hinweis, welcher Art diese Fahne war, fehlen.[136] Es war gewiss eine Hakenkreuzfahne, die von Pfarrer Krieter angeschafft worden ist. Am 29. Oktober 1935 hatte das Bischöfliche Generalvikariat Hildesheim den Pfarrern der Diözese nämlich geschrieben: „Eilt Sehr! Wenn von einer Regierungsstelle eine Anordnung zum Flaggen erfolgt, haben die kirchlichen Gebäude, darunter auch die Kirchen selber, zu flaggen, und zwar nur mit der Hakenkreuzflagge. Wir ersuchen, da eine neue Anweisung zum Flaggen wahrscheinlich in Kürze zu erwarten ist, sofort Hakenkreuzfahnen in hinreichender Zahl zu beschaffen. Wir machen dabei ausdrücklich auf die durch Zeitungen bekannt gegebenen Strafbestimmungen aufmerksam.“[137]
Möglicherweise wurde die Absicht des Pfarrers Krieter, die Beflaggung der Kirche zu vermeiden, durch die Anordnung aus Hildesheim unterlaufen. Allerdings kann sich keiner der vielen vom Autor dieses Werkes befragten Zeitzeugen daran erinnern, die Bonifatiuskirche jemals im „Schmuck der Hakenkreuzfahne“ gesehen zu haben. Dass der Fahnenmast im Vorgarten des Pfarrhauses vorhanden war, ist dagegen außerhalb jeden Zweifels.
3.7 Karitatives Wirken
Am 2. Februar des Jahres 1935 hielt Pfarrer Krieter den folgenden Brief des Generalvikars Dr. Seelmeyer in den Händen:
„Unter den obwaltenden Umständen ist es von größter Bedeutung, die von der Kirche und den katholischen Organisationen geleisteten karitativen Arbeiten in vollem Umfange und möglichst genau zu übersehen. Ew. Hochwürden wollen Sich daher der Mühe unterziehen, den anliegenden Fragebogen für Ihren Seelsorgebezirk mit Sorgfalt auszufüllen. Falls genaue Zahlen nicht zu ermitteln sind, mögen schätzungsweise Angaben eingetragen werden. In jedem Falle ersuchen wir angesichts der Wichtigkeit der Erhebung dringend, den Bericht nach bester Möglichkeit zu bearbeiten und bis zum 15. Februar 1935 uns einzusenden. Seelmeyer“[138]
Pfarrer Krieter verstand sehr wohl, was sich hinter der einleitenden Formulierung „unter den obwaltenden Umständen“ verbarg. Die NSDAP versuchte, den Einfluss der Kirche auf die Wohlfahrtspflege zurückzudrängen.[139]
Im Archiv der Bonifatiusgemeinde lag ein Schreiben des Wohlfahrtsamtes der Stadt Harburg-Wilhelmsburg vom 6. Juni 1934, das Pfarrer Krieter Sorge machte. Die Finanzierung der karitativen Arbeit der Barmherzigen Schwestern im „St. Willehadstift“ - sie wurden von den NS-Stellen „katholische Diakonissen“ genannt - schien gefährdet zu sein. Das Schreiben hatte folgenden Inhalt:
„In den letzten Jahren sind Ihnen regelmäßig aus öffentlichen Mitteln zur Unterstützung der `Katholischen Diakonissenstation´ Beträge durch das Wohlfahrtsamt überwiesen worden. Da im vorigen Jahre die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt für das ganze Deutsche Reich eingerichtet worden ist, ist es erforderlich, dass in Zukunft eine Verteilung sämtlicher für die freie Wohlfahrtspflege zur Verfügung stehenden Mittel nach den Richtlinien der Reichsleitung der N.S. V. und nach nationalsozialistisch planwirtschaftlichen Gesichtpunkten erfolgt. Die Mittel, die früher den einzelnen Verbänden pp. direkt überwiesen worden sind, erhält jetzt die N.S.-Volkswohlfahrt, Kreisgeschäftsstelle Harburg-Wilhelmsburg I, Großer Schippsee, Nr. 35 I.
Ich gebe Ihnen anheim, sich mit dieser Stelle zwecks Gewährung von Zuschüssen für die `Katholische Diakonissenstation´ für die Zeit vom 1. April 1934 bis 31. März 1935 in Verbindung setzen zu wollen.“
Das war also der Weg, auf dem die Nationalsozialisten sich das Monopol in der Wohlfahrtspflege verschaffen wollten: Sie allein übernahmen die Verwaltung der finanziellen Mittel, die der Staat für die Wohlfahrtspflege zur Verfügung stellte, und sie allein bestimmten, wieviel Geld Caritas, Innere Mission und das Deutsche Rote Kreuz bekamen. Als sein Vorgänger - Pfarrer Schmidts - sich zu Beginn des Jahres 1934 an die N.S.V. gewandt und den bisher üblichen Zuschuss für das „St. Willehadstift“ beantragt hatte, war die Reaktion so negativ gewesen wie zu befürchten war. Der Parteigenosse Brumm hatte den Zuschuss für das „St. Willehadstift“ um fünfzig Prozent gekürzt und gleichzeitig deutlich gemacht, dass er sich weitere Kürzungen vorbehalte. Mit einer Erhöhung des gewährten Betrages - achthundert Reichsmark in vierteljährlichen Raten - sei „auf keinen Fall zu rechnen.“[140]
Pfarrer Krieter nahm sich sein Schreiben vor, das er am 29. Oktober 1934 an die N.S.V. geschickt hatte. Er las noch einmal, was er wegen des Zuschusses für das Gemeindehaus „St. Willehadstift“ geschrieben hatte: „Das katholische Gemeindehaus `St. Willehadstift´ im Stadtteil Wilhelmsburg erhält seit etwa 10 Jahren von der Stadtgemeinde einen laufenden Zuschuss zu den Kosten der Unterhaltung. Dieser Zuschuss wurde in den letzten Jahren infolge der ungünstigen Finanzlage der Stadt ständig herabgesetzt und betrug im abgelaufenen Rechnungsjahr noch 1600 RM. Für das Rechnungsjahr 1934 sind dem `St. Willehadstift´ laut Schreiben der N.S.V. vom 6. 10. 1934 aus den von der Stadtgemeinde zur Unterstützung der freien Wohlfahrtspflege überwiesenen Mitteln nur 800 RM in Aussicht gestellt und bisher 400 RM gezahlt worden. Das `St. Willehadstift´ ist eine gemeinnützige und wohltätige Einrichtung und besteht aus Kindergarten und Hort. Es wird von Barmherzigen Schwestern, die sich - alter Tradition folgend - schon immer in den Dienst des ganzen Volkes ohne Unterschied der Konfession gestellt haben, geleitet. Im Durchschnitt sind in dem Stift täglich 70 Kinder untergebracht, die von den Schwestern beaufsichtigt, verpflegt und betreut werden. Diese Kinder, die der ärmsten Volksschicht angehören, wären ohne die fürsorgerische und erzieherische Tätigkeit der Schwestern der Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzt. Für diese Arbeiten erhält das Stift nur ein ganz geringes Entgelt, teilweise sogar gar keine Entschädigung, da es sich - wie bereits erwähnt - um Leute handelt, die zu den Ärmsten der Armen zählen.
Die Schwestern machen auch viele Besuche bei Kranken, halten bei diesen Nachtwachen, besorgen zeitweise in den Familien der Kranken den gesamten Haushalt und dergleichen, wodurch die Stadt nicht unerhebliche Beträge an Krankenhauskosten spart. Dem `St. Willehadstift´, das auf allen Gebieten äußerst sparsam wirtschaftet, stehen nur ganz geringe Mittel zur Verfügung. Durch die Reduzierung des Stadtzuschusses auf jährlich 800 RM werden die Schwestern in eine äußerst schwierige Notlage versetzt. Da es der Wille der Reichsregierung ist, dass den Organisationen der freien Wohlfahrtspflege mehr als bisher geholfen wird, bitte ich ergebenst, dem `St. Willehadstift´ für 1934 einen Zuschuss von mindestens 1600 RM wie im Vorjahre zu gewähren.
Heil Hitler! Krieter, Pastor.“
Damit die Nationalsozialisten sich selbst auf die Finger guckten, hatte Pfarrer Krieter eine Abschrift dieses Schreibens und ein Begleitschreiben an den Parteigenossen Prellwitz geschickt. Der früher unbedeutende Justizsekretär Paul Prellwitz - seit 1924 Mitglied der NSDAP - war jetzt Stadtrat von Harburg-Wilhelmsburg.[141] Pfarrer Krieter hatte ihm geschrieben: „Hiermit übersende ich ergebenst Abschrift eines an die N. S. V. gerichteten Schreibens vom 29. 11. 1934 mit der Bitte, dafür eintreten zu wollen, dass ein Zuschuss an das `St. Willehadstift´ (Katholisches Gemeindehaus, Bonifatiusstraße 6) wie im Vorjahr von mindestens 1600 RM gewährt wird.
Heil Hitler! Krieter, Pastor.“[142]
Noch hatte Pfarrer Krieter keine Antwort von der N.S.V. erhalten. Als er nun das Schreiben des Generalvikars Dr. Seelmeyer in den Händen hielt, war ihm der Sinn der diözesanweiten Erhebung klar. Eine Verdrängung des Caritasverbandes durch die N.S.V. war möglicherweise zu vermeiden, wenn das gesamte Ausmaß katholischer Wohlfahrtstätigkeit den Nationalsozialisten bewusst würde. Entsprechende Mühe gab sich Pfarrer Krieter bei der Beantwortung des Fragebogens.[143] Er machte folgende Mitteilungen:
45 Familien und 22 Einzelpersonen wurden in St. Bonifatius regelmäßig betreut. 25 Personen wurden einmalig unterstützt. 365 „Wanderer“, das heißt, nicht zur Gemeinde gehörige Bettler, bekamen Hilfe. 64 Kinder bekamen im „St. Willehadstift“ ihr Essen. Insgesamt wurden 1.600 „Speisungsportionen“ unentgeltlich abgegeben.
15 Kinder wurden anlässlich ihrer Erstkommunion ganz und 23 Kinder teilweise eingekleidet. Die beiden im Krankendienst tätigen Ehrwürdigen Schwestern machten 1496 Krankenbesuche, pflegten 375 Personen und hielten 349 Nachtwachen. Der „Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder“ hatte die Vormundschaft für 10 Personen und führte über sie „die Schutzaufsicht“. Eine Lehrstelle wurde vermittelt. Ein Student wurde mit einem einmaligen Betrag von 50 RM unterstützt. Der Gesamtaufwand der katholischen Armen- und Familienfürsorge betrug 1.229, 41 RM, davon wurden 118, 81 RM für Lebensmittel ausgegeben, 870, 53 RM für Bekleidung und 60, 57 RM für Brennstoffe. An Spenden erhielt die Gemeinde 179, 50 RM.
Schon am 4. Februar sandte Pfarrer Krieter den beantworteten Fragebogen nach Hildesheim. Selbstverständlich sah er im Caritas-Verband den Träger der Wohlfahrtspflege, der für seine Gemeinde am wichtigsten war. Dennoch bemühte er sich in den nächsten Jahren um persönliche Kontakte zum Amt für Volkswohlfahrt der NSDAP, Abteilung Wilhelmsburg. Ein Ergebnis seiner Bemühungen war die Berufung von Heinrich Dormeier in den „Landesausschuss der deutschen Zentrale für freie Jugendwohlfahrt“.[144] Herr Dormeier war Lehrer der katholischen Schule Wilhelmsburgs. Seine Kandidatur für dieses Ehrenamt war mit Pfarrer Krieter abgesprochen.
Die Bemühungen um gute Kontakte zur N.S.V. brachten im Jahre 1936 ein angenehmes Ergebnis: Die N.S.V. stellte für bedürftige Kinder der Bonifatiusgemeinde zur Erstkommunionfeier Schuhe, Kleider und Kommunionanzüge zur Verfügung.[145]
3.8 Der erste Besuch des Bischofs Joseph-Godehard in Harburg-Wilhelmsburg
Am 10. Februar 1935 feierte Papst Pius XI. seinen 13. Krönungstag. Für die katholischen Gemeinden der Stadt Harburg-Wilhelmsburg gab es an diesem Tag einen weiteren Anlass zur Freude. Ausgerechnet für Sonntag, den 10. Februar 1935, hatte der neue Bischof von Hildesheim seinen ersten Besuch in der Stadt angekündigt, um „Treuekundgebung und Treuegelöbnis“ der katholischen Jugend entgegenzunehmen. In Wilhelmsburg entfalteten der Elisabethverein und der Gesellenverein eine eifrige Betriebsamkeit. Tannengirlanden wurden geflochten und zum Schmuck der Türen von Kirche, Pfarrhaus und Gemeindehaus aufgehängt.
Die männliche Jugend der Bonifatiusgemeinde arbeitete einen Plan aus, wie die Begrüßung des Bischofs auf seinem Weg von den Harburger Elbbrücken bis zur Bonifatiuskirche erfolgen solle. Die Jugendlichen wollten im Abstand von einigen hundert Metern Posten aufstellen. Diese sollten dem Bischof zuwinken, wenn sein Auto an ihnen vorbeifuhr, und das Nahen des Bischofs an den nächsten Posten weitermelden. So sollte die Gemeinde, die sich vor der Bonifatiuskirche und auf beiden Seiten der Bonifatiusstraße versammeln würde, rechtzeitig über das baldige Eintreffen des Bischofs informiert sein.[146]
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Nachmittags am Samstag, den 9. Februar, trafen Bischof Joseph-Godehard und sein Sekretär - Michael Engels - in Harburg ein. Sie nahmen bei Pfarrer Wüstefeld, im Pfarrhaus der Gemeinde St. Maria, Wohnung.
Am Sonntagmorgen feierte der Bischof in der Marienkirche um 7 Uhr 15 die heilige Messe. In der Schulmesse um 8 Uhr 45, die von Bischofssekretär Michael Engels zelebriert wurde, hielt der Bischof eine Predigt, die sich an die Schulkinder, aber vor allem an die Eltern wandte.[147] Er wollte die Gläubigen von dem Wert der katholischen Bekenntnisschule überzeugen. Wie alle deutschen Bischöfe war auch Joseph-Godehard Machens in großer Sorge. Er hatte am 25. Januar 1935 erfahren, dass in seiner Diözese an mehreren Standorten die Auflösung katholischer Bekenntnisschulen geplant oder sogar schon vollzogen war. Die Bekenntnisschule sollte dort durch die Schulart ersetzt werden, die von der NS-Regierung mit aller Macht gefördert wurde: durch die Gemeinschaftsschule.
Im Anschluss an die Schulmesse besuchte der Bischof das katholische Krankenhaus Maria-Hilf, die St. Franz-Josef-Kirche in Wilstorf, die „Barmherzigen Schwestern“ im dortigen St. Vinzenzhaus und Pastor Leonard Mock im Pastoratshaus Reeseberg 16.
Wahrscheinlich war der Bischof schon vor seinem Besuch in Harburg-Wilhelmsburg darüber informiert worden, dass Pfarrer Krieter und seine Schwester Therese die Besitzer des Pastoratshauses waren. Wenn er es nicht gewusst haben sollte, so wurde der Bischof an diesem Tag gewiss von Pastor Mock über den erstaunlichen Sachverhalt unterrichtet.[148]
Der Nachmittag des 10. Februar 1935 brachte für die katholischen Jugendlichen der Stadt Harburg-Wilhelmsburg den Höhepunkt des Bischofsbesuches. Zur Schilderung der Ereignisse muss die Chronik der Harburger Mariengemeinde herangezogen werden, denn im Jahre 1935 wurde in der Bonifatiusgemeinde keine Chronik geführt. Es besteht aber kein Zweifel, dass die Jugendkundgebung in Wilhelmsburg ebenso verlaufen ist wie die Feier in Harburg. In der Chronik von St. Maria wird berichtet: „Nachmittags war Festfeier für beide Gemeinden (Harburgs; Anm. d. Verf.) in der festlich geschmückten Marienkirche. Um 3 Uhr zog der Bischof unter Vorantritt der Vereinsfahnen und Banner in Cappa magna[149] und Hermelin in die festlich geschmückte Kirche und hielt die Festpredigt über St. Bernward als Beispiel für das Leben eines katholischen Christen. Anwesend waren laut Zählung 1350 Personen, davon die Hälfte Jugendliche. Nach der Predigt `Treuekundgebung und Gelöbnis der Jugend´. Die Feier dauerte 1 ½ Stunden. Nach Schluss der imposanten Feier zogen die Teilnehmer in die Marienstraße vor das Pfarrhaus und riefen: `Wir wollen unseren Bischof sehen´. Vom Fenster aus sprach der Bischof herzliche Abschiedsworte und forderte die Menge auf zu einer öffentlichen Treuekundgebung gegenüber den Trägern der höchsten kirchlichen und staatlichen Gewalt. Begeistert stimmte die Menge ein.Darauf fuhr der Bischof nach Wilhelmsburg, wo abends um sechs Uhr eine zweite Jugendkundgebung war.“
Dieser Bericht lohnt eine nähere Betrachtung. Der Leser möge sich das Bild vor Augen führen: Die Banner und Fahnen der kirchlichen Vereine werden von jungen Männern feierlich in die Kirche getragen. Der Bischof - geschmückt mit allen Zeichen seiner Würde - zieht ein. Vor ihm schreiten würdevoll sein Sekretär, alle Geistlichen Harburgs und eine große Schar festlich gewandeter Messdiener.
Weder die geistlichen Würdenträger noch die einfachen Gläubigen, die bei dieser Feier anwesend waren, werden in diesen anderthalb Stunden daran gedacht haben, dass die Nationalsozialisten einen sehr ähnlichen Aufwand betrieben. Ähnlichkeit zeigte sich vor allem im Anliegen dieser kirchlichen Feier, dem „Treuegelöbnis“ der Jugend. Treue war die Tugend, die auch die Nationalsozialisten bei jeder Gelegenheit von der Jugend forderten. Die Ähnlichkeit erschwerte den Gläubigen „die Unterscheidung der Geister“. Vollends schwierig wurde die Unterscheidung, als der Bischof selbst die Einheit zwischen Kirche und nationalsozialistischem Staat unterstrich. Bischof Joseph-Godehard, der später so engagiert gegen die Nationalsozialisten auftrat, hielt es bei seinem ersten Besuch in Harburg-Wilhelmsburg für angebracht, am Fenster des Pfarrhauses stehend „seine Schafe“ zu einem „Hoch“ auf den Papst und zugleich auf Adolf Hitler anzuleiten.
Im Frühjahr 1935 glaubte Bischof Joseph-Godehard noch daran, die Katholiken könnten ihre Rechte umso erfolgreicher verteidigen, je häufiger sie sich als „gute Deutsche“ zeigten. Große Hoffnungen ruhten bei diesem Irrglauben auf Adolf Hitler. Man nahm an, der „Führer“ würde gegen untergeordnete Stellen einschreiten, wenn er von den Unrechtstaten nur wüsste. „Wenn das der Führer wüsste, dann …“, war eine Redewendung, mit der nicht nur Katholiken ihrem Glauben an das Gute in Adolf Hitler Ausdruck verliehen.
3.9 Sorgen um das Weiterleben der Bekenntnisschule
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Während seines Besuches nutzte Bischof Joseph-Godehard gewiss die Gelegenheit, seine Geistlichen über den verschärften „Schulkampf“ in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zu informieren.[150]
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In Hessen waren bereits 27 katholische und 26 evangelische Bekenntnisschulen aufgehoben worden. In München war ein Versammlungsverbot für katholische Elternvereinigungen erlassen worden. Das Verbot sollte vor dem Tag der Anmeldung für die Schulanfänger - dem 13. Februar - jede Werbung für die Konfessionsschule unterbinden. Gleichzeitig aber durfte der Stadtoberschuldirektor Münchens in der Stadt Elternversammlungen zugunsten der Gemeinschaftsschule organisieren.
Die katholische Kirche hatte protestiert. In einer viel beachteten Predigt hatte Kardinal Michael von Faulhaber die Erhaltung der Bekenntnisschule gefordert. Kardinalstaatssekretär Pacelli hatte den deutschen Botschafter beim Vatikan am 11. Februar zu sich bestellt und ihm ein Protestschreiben überreicht gegen die „umfassende Kampfbewegung gegen die Konfessionsschule und für die Simultanschule“.
Als der Bischof sie über die Lage im „Schulkampf“ informierte, konnten die katholischen Geistlichen in Harburg-Wilhelmsburg bereits von eigenen Erlebnissen berichten. Im Mai 1933 hatte das Schulamt in Lüneburg bekannt gegeben, es wolle die beiden Hilfsschulklassen in der katholischen Schule Wilhelmsburgs schließen. Pfarrer Alban Wüstefeld hatte in der Schuldeputation der Stadt Harburg-Wilhelmsburg am 8. August 1933 energisch protestiert. Das Ende der katholisch-konfessionellen Hilfsschule hatte er nicht verhindern können. Das Schulamt hatte den Plan verwirklicht und die betroffenen Kinder in eine Simultan-Hilfsschule in Neuhof umgeschult.[151]
Im Juli 1935 erhielt Pfarrer Krieter - wie alle selbständigen Seelsorgegeistlichen des Bistums Hildesheim - einen Fragebogen zugeschickt. Die Antworten sollten Auskunft über die derzeitige Situation des Religionsunterrichts in den Bekenntnisschulen geben.[152] Pfarrer Krieter antwortete:
„Statistik des katholischen Religionsunterrichts 1935:
Katholische Volksschule: 811 Kinder; 19 Klassen;
Seit Ostern 1933 ist keine Kürzung der wöchentlichen Stundenzahl eingetreten.
Den religiösen Unterricht erteilen die Pfarrgeistlichen und Lehrer und Lehrerinnen; wöchentlich 72 Religionsstunden, davon 8 Stunden Katechismus (Pastor), 8 Stunden Katechismus (Kaplan Dorenkamp) 12 Stunden Katechismus (Kaplan Bank) 44 Stunden Biblische Geschichte (Lehrer und Lehrerinnen).
Besonderer Unterricht besteht zur Vorbereitung auf die erste hl. Kommunion; nicht auf die monatliche Beichte und Kommunion, da in Verbindung mit dem planmäßigen Unterricht. Es besteht ein religiöser Schulentlassungsunterricht.
Religionsunterricht für kath. Kinder nichtkatholischer Schulen:
Im Lyzeum 2, im Realgymnasium 8 Kinder; wöchentlich 5 Stunden durch Pfarrgeistliche, davon 4 Stunden im Lyzeum, 1 Stunde im Pfarrhaus; 400 RM Vergütung für den Unterricht aus öffentlichen Kassen.
Volksschüler an nichtkatholischen Schulen:
24 Kinder erhalten wöchentlich 2 Stunden Religionsunterricht (amtlich) in der Hilfsschule (simultan) durch einen Pfarrgeistlichen und einen kath. Lehrer; es gibt keine Vergütung. In Niedergeorgswerder erhalten 10 Kinder in der evangelischen Schule wöchentlich 2 Stunden Religionsunterricht (amtlich; montags und mittwochs von 11 bis 12 Uhr; keine Unterrichtsvergütung)“[153]
Pfarrer Krieter war mit der Situation des Religionsunterrichts in der katholischen Schule Wilhelmsburgs im Jahre 1935 noch zufrieden. In diesen Tagen hatte er eher den Eindruck, die kirchliche Jugendarbeit sei gefährdet.
3.10 Nur „rein-religiöse“ Jugendarbeit ist noch erlaubt.
Mit bösen Ahnungen für die Zukunft erinnerte sich Pfarrer Krieter immer wieder an den 1. Juli 1933. An diesem Samstag hatten zwei Kriminalbeamte um 10 Uhr 30 an der Tür seines Pastoratshauses, Reeseberg 16, geklingelt. Sie hatten einen schriftlichen Auftrag vorgewiesen: Die kirchlichen Vereine der Gemeinde seien eventuell aufzulösen und eventuelles Vermögen sei zu beschlagnahmen. Die Beamten hatten damals genau gewusst, welche Vereine in der Gemeinde existierten. Sie hatten ihre Fragen sehr zielsicher gestellt und sich das Konferenzzimmer und die Borromäus-Bibliothek zeigen lassen. Sie hatten einige Bücher durchblättert, hatten gedroht, die Bibliothek zu beschlagnahmen und hatten dann doch nur die „Westdeutsche Arbeiterzeitung“ mitgenommen, von der 25 Exemplare in der Bibliothek ausgelegen hatten. Auf die Beschlagnahme des „Vermögens“ von 50 Pfennig, das sich damals in der Vereinskasse befand, hatten die Beamten verzichtet. Sie waren schließlich zu ihrer Dienststelle zurückgekehrt. Eine Dreiviertelstunde später hatten sie telefonisch mitgeteilt, die Angelegenheit habe sich vorläufig erledigt.
Pfarrer Krieter war damals von der Hausdurchsuchung sehr beeindruckt gewesen. Noch am selben Tag hatte er den Vorfall schriftlich der Bischöflichen Behörde gemeldet.[154]
Seit diesem Erlebnis fürchtete Pfarrer Krieter, Beamte der Staatspolizei würden eines Tages in das Wilhelmsburger Pfarrhaus kommen, die Mitgliederlisten der kirchlichen Gruppen und Vereine beschlagnahmen und anschließend gegen Vereinsmitglieder oder gegen ihn selbst vorgehen. Was Pfarrer Krieter unternahm, berichtete die Zeitzeugin Martha Swoboda: „Mein Vater und mein Bruder haben im Gemeindehaus und im Pfarrhaus immer `mal geholfen, wenn es für Handwerker etwas zu tun gab. … Wir wohnten ja auch ganz in der Nähe des Pfarrhauses. Da hat der Pastor einmal zu meinem Vater gesagt: `Können die Kapläne nicht `mal zu euch kommen?´ Dann sind die zu uns gekommen und haben alle Papiere der Gemeinde, die für die Nazis wichtig sein konnten, bei uns in der Heizung - im Keller - verbrannt. Einen ganzen Tag lang waren die Kapläne hier zu Gange, hier im Heizungskeller! Das sollte ja geheim bleiben.“ Jonny Swoboda bemerkte zu diesem Bericht: „Ich kann bestätigen, dass das so war. Eines Tages kam nämlich einer von den beiden Kaplänen zu uns in die `Sturmschar´ und sagte: `Ihr braucht keine Sorge zu haben, dass das (= eure Mitgliedschaft in einer katholischen Gruppe; Anm. d. Verf.) herauskommt, denn wir haben alles vernichtet, alle Karteikarten usw., alles. Wenn hier in der Gemeinde eine Durchsuchung kommt, die werden nichts finden.“[155]
Pfarrer Krieter handelte früh und in eigener Verantwortung, als er die Mitgliederlisten vernichten ließ. Zwei Jahre später, im Jahre 1937, forderte Bischof Joseph-Godehard die Pfarrer und selbständigen Seelsorgegeistlichen des Bistums auf, alle Vereinsmitgliederlisten nach Hildesheim zu senden, damit sie dem Zugriff der Geheimen Staatspolizei entzogen seien.[156]
In Wilhelmsburg hatte es bis dahin keine Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und katholischen Jugendlichen gegeben. Möglicherweise lag das an dem guten privaten Verhältnis, das Pfarrer Krieter zum Führer eines SA-Sturms unterhielt.[157] Dennoch war auch in Wilhelmsburg die Situation der kirchlichen Vereine gefährdet. Die intensive, einschüchternde Werbung für die Hitlerjugend, die in der katholischen Bekenntnisschule Wilhelmsburgs seit 1933 üblich war, wurde jetzt verschärft. Auch davon berichtete die Zeitzeugin Martha Swoboda:
„Man wurde ja auch gefragt: `Wer ist nicht im BDM (Bund Deutscher Mädel)? Warum gehst du da nicht hinein´? Jeder musste dann aufstehen und sagen, warum er nicht mitmachte. Meine Freundin hat gesagt: `Meine Eltern erlauben das nicht´! Da habe ich sie noch angestoßen. Wie konnte sie das sagen! Das war doch gefährlich! Ich habe gesagt: `Ich gehe lieber zu `Glaube und Schönheit´. Das war auch ein Nazi-Verein, aber der war nicht so schlimm, dass man da dauernd hingehen und antreten musste. …“
Am 23. Juli 1935 gab Heinrich Himmler in seiner Funktion als stellvertretender Chef der Preußischen Geheimen Staatspolizei und als Polizeikommandeur der übrigen Länder eine Polizeiverordnung heraus. Sie präzisierte die Einzelheiten einer früheren Anordnung des Reichsinnenministers und nannte schärfere Strafen. Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 bestimmte Himmler:
„ Allen konfessionellen Jugendverbänden … ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, … untersagt. …
Es ist verboten:
1. Das Tragen von Uniformen … uniformähnlicher Kleidung und Uniformstücken, die auf die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband schließen lassen. Hierunter fällt auch das Tragen von Uniformen oder zur Uniform gehöriger Teilstücke unter Verdeckung durch Zivilkleidungsstücke (z. B. Mäntel) sowie jede sonstige einheitliche Kleidung, die als Ersatz für die bisherige Uniform anzusehen ist.
2. Das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen (PX, DJK-Abzeichen pp.).
3. Das geschlossene Aufmarschieren, Wandern und Zelten in der Öffentlichkeit, ferner die Unterhaltung eigener Musik- und Spielmannszüge.
4. Das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und Wimpeln, ausgenommen bei Teilnahme an althergebrachten Prozessionen, Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Begräbnissen.
5. Jegliche Ausübung und Anleitung zu Sport und Wehrsport aller Art.
Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, oder wer zu einer solchen Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird … mit Zwangsgeld oder Zwangshaft bestraft. Unerlaubt getragene Uniformstücke oder Abzeichen, unerlaubt mitgeführte Banner, Fahnen oder Wimpel sind einzuziehen.“ [158]
Himmlers Polizeiverordnung beendete für alle katholischen Jugendgruppen das Auftreten in der Öffentlichkeit. Für die katholische Sportbewegung Deutsche Jugendkraft (DJK), die im Jahre 1932 noch ca. 380.000 Mitglieder und 4.200 angeschlossene Vereine umfasste,[159] bedeutete die Polizeiverordnung das vollständige Ende, auch in Harburg-Wilhelmsburg.[160]
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Am 3. August 1935 erhielt Pfarrer Krieter ein Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates:
„… Staatstreu und gehorsam, auch wenn es harte Opfer bringen heißt, rollen wir … die geweihten Fahnen und Wimpel der katholischen Jugend-, Jungmänner- auch Gesellen- und Jungmädchenvereine ein und geben sie als ein Votivgeschenk der Katholischen Jugend in das Heiligtum der Kirche, so wie Krieger ihre Ehrenzeichen an Wallfahrtsorten u. ä. niederlegten. … Die Pfarrer und selbständigen Seelsorger ersuchen wir, auch die ihnen unterstellten Hilfsgeistlichen, denen die Leitung der in Betracht kommenden Vereine obliegt, von diesem Schreiben in Kenntnis zu setzen. Das Schreiben ist nicht auf der Kanzel zu verlesen.“
In Vertretung, gez. Seeland“
Mit diesem Schreiben kapitulierte die Bischöfliche Behörde Hildesheim endgültig vor dem Dauerangriff der Nationalsozialisten auf katholische Jugendgruppen und Vereine.[161] Fortan konnte die „Höpenwiese“ von den Jugendlichen der Bonifatiusgemeinde nicht mehr so genutzt werden wie früher. Tagesausflüge, gemeinsames Wandern, gemeinsames Übernachten - sogar der Reigentanz der Lioba-Mädchen - hatten zu unterbleiben, und Pfarrer Krieter sah es nicht gern, wenn leichtsinnige Kapläne das Verbot hin und wieder missachteten.[162]
3.11 Die „Wandernde Kirche“
Adolf Hitler gab am Samstag, den 16. März 1935, die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht bekannt, am 26. Juni 1935 wurde der Arbeitsdienst für alle jungen Leute im Alter von 18 bis 25 Jahren zur Pflicht. Sowohl in der Wehrpflicht als auch im Arbeitsdienst sah die Katholische Kirche eine Gefährdung ihres Einflusses auf die Jugend. Das galt ebenso für die freiwilligen Aufenthalte schulentlassener Kinder in „Landjahrheimen“.[163]
Was die katholischen Geistlichen der Stadt Harburg-Wilhelmsburg über die Landjahraufenthalte dachten, fasste Pfarrer Wüstefeld in Worte. Er schrieb in die Chronik seiner Kirchengemeinde: „Ferner ist besonders Gefahr drohend die Unterbringung katholischer Kinder in Landjahrlagern, wo in den allermeisten Fällen für diese Kinder keine Erlaubnis erteilt wird zum Besuch des Gottesdienstes und zum Empfang der Sakramente. Was soll man dazu sagen, dass alle Jahre wieder `katholische´ Eltern ihre Kinder in solche Lager schicken? Es ist ja so bequem, wenn den Eltern die Sorge und die Erziehung abgenommen werden!“[164]
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte als Reaktion schon 1934 die „Seelsorge für die Wandernde Kirche“ eingerichtet. Die Bischöfe fassten unter dem Sammelbegriff „Wandernde Kirche“ zunächst nur die jungen Menschen zusammen, die im Arbeitsdienst, in der Landhilfe und in Landjahrheimen waren. Später rechneten die Bischöfe auch alle erwachsenen Wanderarbeiter in Landwirtschaft und Industrie der „Wandernden Kirche“ hinzu.
„Binnen weniger Monate entstand 1934 / 35 eine zentrale kirchliche Instanz, die sich im Auftrag des Episkopats - über die Diözesan- und Verbandsebenen hinweg reichsweit operierend - mit den seelsorgerlichen Herausforderungen auseinandersetzen sollte, die aus der staatlich gelenkten Binnenwanderung resultierten.[165] Die Seelsorge für die „Wandernde Kirche“ richtete ihre Geschäftsstelle in Berlin ein.
Für die „Wandernde Kirche“ in der Umgebung Harburg-Wilhelmsburgs hatte das Generalvikariat Hildesheim zu Beginn des Jahres 1934 den Kaplan Freese abgestellt. Er war im Vinzenzhaus der St. Franz-Josef-Gemeinde einquartiert worden. Seine Aufgabe war, Kontakt zu den Leitungen der Landjahrheime in den Orten Schwiederstorf, Kakenstorf und Steinbeck herzustellen und die religiöse Betreuung der rund 150 katholischen Jugendlichen in den Heimen zu organisieren. Pfarrer Krieter hatte an der Arbeit des Kaplans Freese lebhaft Anteil genommen, solange er Pastor in Harburg-Wilstorf gewesen war. Als der Kaplan erreicht hatte, dass in den Landjahrheimen an jedem Sonntag und an mehreren Werktagen ein katholischer Gottesdienst stattfinden durfte, hatte Pastor Krieter sich über den Erfolg des jungen Mitbruders von Herzen gefreut. Weil die Landjahrheime während der Monate November, Dezember, Januar und Februar geschlossen blieben, hatte Kaplan Freese seine Arbeit im Winter 1934 beendet. Jetzt, im Jahre 1935, waren sogar zwei Kapläne zur Betreuung der Landjahrheime in der Umgebung Harburgs eingesetzt. Sie wohnten in Lüneburg und besuchten die Jugendlichen mit dem Motorrad bzw. Auto.[166]
Zur selben Zeit wurde Kaplan Bernard Bank beauftragt, die katholischen Jugendlichen zu betreuen, die sich in den beiden Lagern des Arbeitsdienstes auf der Elbinsel Wilhelmsburg befanden. Zur An- und Rückfahrt benutzte Kaplan Bank sein privates Motorrad. Ab dem 6. Dezember 1935 mussten die Geistlichen der Bonifatiuskirche zusätzlich das Lager des Arbeitsdienstes in Tostedt versorgen. Wegen dieser sehr weiten, zusätzlichen Dienstwege beantragte Pfarrer Krieter die Bereitstellung eines Autos für die Bonifatiusgemeinde, doch sein Antrag wurde vom Generalvikariat abgelehnt.[167]
Pfarrer Krieter sorgte sich auch um die religiöse Betreuung der jungen Männer der Bonifatiusgemeinde, die zur Wehrmacht einberufen wurden. Waren sie erst bei der Wehrmacht, waren sie seinem Einfluss entzogen.
Deswegen richtete Pfarrer Krieter „Besinnungstage für Rekruten“ ein. Sie sollten den jungen Männern moralische Leitlinien und seelischen Halt für ihre Soldatenzeit mitgeben. Die ersten „Besinnungstage“ fanden im November 1935 statt. Sie wurden von den Rekruten dankbar angenommen. Danach organisierte Pfarrer Krieter - bis in die Jahre des Zweiten Weltkrieges hinein - Jahr für Jahr „Besinnungstage für Rekruten“.[168]
3.12 NS - Lügengeschichten über einen Bischof und einen Generalvikar
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Im März 1935 wurde Pfarrer Krieter durch die Nachricht vom Tod des Berliner Bischofs Dr. Nikolaus Bares überrascht. Völlig unerwartet war der ehemalige Bischof von Hildesheim am 1. März 1935 gestorben.
In den Tagen nach dem Tod des Bischofs litt Pfarrer Krieter unter der unverschämten Art, mit der die Nationalsozialisten den toten Bischof Bares als ihren Sympathisanten hinstellten.
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Höchste staatliche Stellen waren am 7. März 1935 beim Begräbnis des Bischofs anwesend. Der „Völkische Beobachter“ widmete Bischof Dr. Bares einen wohlwollenden Gedenkartikel. Aber Pfarrer Krieter wusste es genau und dafür hätte er Beweise liefern können: Bischof Bares war schon vor dem 30. Januar 1933 kein Freund der Nationalsozialisten gewesen,[169] und in den Monaten unter der Herrschaft Adolf Hitlers war er es ganz gewiss nicht geworden. Politisch wache Katholiken, zu denen man Pfarrer Krieter rechnen darf, erinnerten sich an das mutige Verhalten des Bischofs Dr. Bares in den Tagen der so genannten Röhm-Revolte.
Der Bischof hatte damals für jedermann erkenntlich gemacht, dass Dr. Klausener - der Leiter der „Katholischen Aktion“ in Berlin - Opfer eines Mordes geworden war.[170]
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Die zweite Nachricht, die Pfarrer Krieter im März des Jahres 1935 bestürzt und traurig stimmte, war die Meldung, Dr. Otto Seelmeyer, der Generalvikar der Diözese Hildesheim, sei inhaftiert worden und werde vor Gericht gestellt. Angeblich habe Dr. Seelmeyer schwere Verbrechen gegen die Devisenbestimmungen des Deutschen Reiches begangen. Pfarrer Krieter glaubte nicht eine Sekunde an die Vorwürfe. Er kannte den Generalvikar seit dem Jahre 1929 als Inbegriff der Korrektheit. Es war völlig ausgeschlossen, dass sich Dr. Seelmeyer zu einem Devisenverbrecher gewandelt haben sollte. In den nächsten Monaten verfolgte Pfarrer Krieter voller Mitleid das weitere Schicksal seines verehrten Generalvikars. In einem ersten Prozess vor dem Sondergericht für Devisenverbrechen in Berlin-Moabit wurde Dr. Seelmeyer verurteilt zu einer Geldstrafe von 150.000 Reichsmark, viereinhalb Jahren Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Dauer von fünf Jahren. Das Urteil der Berufungsverhandlung im Jahre 1936 setzte die Zuchthausstrafe auf dreieinhalb Jahre herab. Als Dr. Seelmeyer im Sommer 1937 vorzeitig aus dem Zuchthaus Brandenburg-Göhrden entlassen wurde und nach Hildesheim zurückkehren durfte, durfte er selbstverständlich die Stellung des Generalvikars nicht wieder einnehmen.[171]
Der „Fall Seelmeyer“ blieb kein Einzelgeschehen. Immer mehr angesehene Männer und Frauen der Kirche wurden in der Folgezeit vor das „Sondergericht für Devisenvergehen“ gezerrt. „In etwa 60 Strafverfahren wurden über einfache Nonnen und Priester bis hin zu Generaloberinnen und Bischöfen mehrjährige Zuchthausstrafen, hohe Geldbußen und die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verhängt.“[172] Natürlich durchschaute Pfarrer Krieter die Absicht der Devisenprozesse. Es ging einzig und allein darum, bei den Gläubigen das hohe Ansehen des Klerus zu schmälern.
Das traurige Geschehen um Dr. Seelmeyer hatte für Pfarrer Krieter allerdings eine Folge, die ihm lieb war: sein Duzfreund, Dr. Wilhelm Offenstein, wurde der neue Generalvikar der Diözese Hildesheim.
3.13 Kirchliche Feiern in Harburg-Wilhelmsburg
Im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius finden sich keine Quellen, die vom Ablauf der hohen kirchlichen Festtage in der Bonifatiuskirche, von der Gestaltung der Andachten im Jahreslauf, von den Erstkommunion- und Firmungsfeiern und vom sonstigen liturgisch-pastoralen Wirken des Pfarrers Krieter berichten. Es darf aber angenommen werden, dass die kirchlichen Feiern in Wilhelmsburg ähnlich verliefen wie die Feiern in Harburg. Hinter dieser Annahme stehen drei Tatsachen: Erstens waren Vorschriften zur Liturgie, die aus Rom und Hildesheim kamen, für alle Seelsorgestellen bindend. Zweitens standen die Geistlichen von St. Bonifatius mit den Geistlichen in Harburg in dauerndem Kontakt und Ideenaustausch. Drittens ließ sich Pfarrer Krieter hinsichtlich liturgischer Belange besonders gern von dem musisch hoch begabten Alban Wüstefeld anregen.
In der Chronik von St. Maria notierte Pfarrer Alban Wüstefeld zum Januar 1935: „Am Donnerstag, 3. Januar 1935, wurde die seit 1932 am Vorabend der Herz-Jesu-Freitage bestehende `Herz-Jesu-Sühneandacht´ aufgrund bischöflicher Verordnung zum 1. Male abends von 8 bis 9 Uhr als `stille Heilige Stunde´ gehalten. Es wird bei dieser Andacht keine Orgel gespielt! Zu Beginn exponiert der Priester das Allerheiligste und intoniert das Lied: `Wir beten an…´ Danach verlässt der Priester den Altar, um während der `stillen Heiligen Stunde´ Beichtgelegenheit zu geben. Während der `stillen Heiligen Stunde´ betet jeder Gläubige für sich. Gerade dieses stille Gebet hat die Gläubigen ergriffen. Ganz allgemein war man nachher der Ansicht, dass diese Art der stillen Andacht beibehalten werden möchte. …[173]
Zur Vorbereitung auf das Osterfest fanden traditionell „Fastenpredigten“ statt. Zum Prediger in St. Maria wurde Kaplan Bernard Bank aus Wilhelmsburg berufen. Aber Kaplan Bank erkrankte bald nach Beginn der Fastenzeit schwer. Pfarrer Wüstefeld musste selbst predigen. Wer in der Bonifatiuskirche die „Fastenpredigten“ hielt, ist unbekannt. Vielleicht konnte Pfarrer Krieter einen der Pallotiner-Patres vom St. Raphaelsverein in Hamburg - Pater Dr. Max Groesser oder Pater Wilhelm Nathem - für diese Aufgabe gewinnen.
Während seiner Zeit als Pastor von St. Franz-Josef hatte Pfarrer Krieter mehrfach auf die Hilfe der Pallottiner vertrauen können.[174]
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Aus der Chronik von St. Maria ist weiter zu erfahren, dass es 1935 eine neue Karfreitagsliturgie gab. Erstmalig war der Hochaltar „ganz in Schwarz gehüllt“. Die „Auferstehungsfeier“ fand in St. Maria am Morgen des Ostersonntags um 7 Uhr statt. Es war ein Levitenamt mit Predigt und Kommunion.[175]
Vom Fronleichnamtag des Jahres 1935 wird in der Chronik von St. Maria berichtet, dass der Polizeipräsident und Staatsrat Stange die Bitte der Katholiken abschlug, bei der Fronleichnamsprozession die Marienstraße und die Wilhelmstraße zu benutzen. Er behauptete, dass bei einer öffentlichen Prozession der Katholiken „Unruhen zu befürchten“ wären. Die Prozession durfte in Harburg also nur in der Kirche stattfinden. Dagegen durften die Gläubigen der Bonifatiusgemeinde ihre Prozession im Jahre 1935 - und auch 1936 noch - in der Öffentlichkeit durchführen. Die Fronleichnamsprozession nahm ihren traditionellen Weg von der Kirche über die Bonifatiusstraße hinweg zum Gemeindehaus und zum Schulhof der katholischen Schule. Dort waren zwei Altäre aufgebaut. Vom Schulhof zog die Prozession zur Kirche zurück.[176] Am Nachmittag des Fronleichnamtages 1935 beging die Bonifatiusgemeinde auf der Gemeindewiese im Höpen zum letzten Mal während des Dritten Reiches eine „weltliche“ Feier.
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Das geschah, obwohl Reichsinnenminister Frick am 12. 5. 1935 angeordnet hatte, „dass rein weltliche Feiern konfessioneller Vereine und Verbände …in Zukunft zu verbieten sind, da sie mit Religion nichts zu tun haben.“[177]
Reichskirchenminister Hanns Kerrl verbot am 9. Juni 1936 „sämtliche weltliche Feiern, die gelegentlich des Fronleichnamfestes vorgesehen“ waren. Das Generalvikariat Hildesheim forderte alle Pfarrer auf, diese Verfügung streng zu beachten.[178]
Ausführlich wird in der Chronik von St. Maria von der liturgischen Gestaltung des Festes „Christkönig“ berichtet. Das besondere Ereignis an diesem Festtag war die Feier um 6 Uhr abends. Bei ihrer liturgischen Gestaltung spielte Kaplan Johannes Bank, der Bruder des Kaplans Bernard Bank, eine Hauptrolle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Brüder Bank sich hinsichtlich der Feiergestaltung ausgetauscht haben. Deswegen wird die Abendfeier in Wilhelmsburg genauso verlaufen sein wie die Feier in Harburg:
Der Altarraum war so hell wie möglich beleuchtet. Weiß gekleidete, Blumen streuende Mädchen knieten rechts und links am Stufenaufgang zum Altar. Der Altar war aufs Festlichste mit vielen Kerzen und Blumen geschmückt. Dreißig größere Jungen der katholischen Schule und dreißig Mädchen standen mit brennenden Kerzen vor dem Josef- und vor dem Marienaltar. Nach längerem Geläute der Kirchenglocken hielten um 6 Uhr - unter leisem Orgelspiel - die Träger der Vereinsfahnen ihren Einzug.[179] Sie nahmen rechts und links vom Hochaltar Aufstellung. Darauf gingen zwölf Ministranten und die Priester zum Altar. Die Monstranz mit der geweihten Hostie wurde auf dem Hochaltar ausgestellt. Dann sang die Gemeinde alle Strophen des Liedes: „Kommt und lobet ohne End´ das hochheil´ge Sakrament …“. Während der letzten Strophen schritten die Schulkinder von den Seitenaltären her in die Mitte, vor die Altarraumstufen. Kaplan Bank sprach dann - von der Orgelempore herab - abwechselnd mit dem Kirchenchor: `Dem König der Ewigkeit, dem Unsterblichen und Unsichtbaren, dem alleinigen Gott sei Ehre und Preis von Ewigkeit zu Ewigkeit …´ Alle Mitglieder des Chores entgegneten gemeinsam: `Heilig, heilig, Gott der Heerscharen …´ Dann sang die Gemeinde alle Strophen des Liedes: `Schönster Herr Jesu …´ Darauf sprachen die Jungen im Wechsel mit den Mädchen einen Huldigungssprechchor. Die Mädchen begannen: `Jesus Christus, mein ewiger König! Ich huldige Dir und rufe Dir zu …´ Die Jungen sprachen weiter: `Es lebe Christus, der König! ´
Nach diesem gesprochenen Huldigungschor sangen alle Kinder drei Strophen des Liedes: `O Jesus, ich glaub´ an Dich! ´ Von der Orgelempore sprach danach Kaplan Johannes Bank abwechselnd mit dem Kirchenchor aus dem 2. Psalm: `Preiset unseren König …´ Dann hatte der Kirchenchor seinen Gesangsauftritt mit einem Herz-Jesu-Lied.
Es folgte der Höhepunkt der Andacht: Die Männer und Jungmänner traten von ihren Plätzen - in den Bänken des Mittelschiffes der Kirche - heraus und zogen mit brennenden Kerzen durch den Mittelgang der Kirche um die Bänke des Mittelschiffes der Kirche herum, in die Gänge der beiden Seitenschiffe der Kirche und zurück zu ihren Plätzen.
Während dieser Prozession sang die ganze Gemeinde: Kommt her, ihr Kreaturen all …´ und `Herz-Jesu, mit Dornen umwunden …´ Anschließend betete der Pfarrer der Gemeinde das `Weihegebet´. Es folgten die lateinisch gesungenen Lieder: `Te Deum …´ und `Tantum ergo …´. Als Schlusslied wurde das `Christkönigslied gesungen: ` O, du mein Heiland …´ Mit einem Orgelnachspiel und dem Auszug der Vereinsfahnen, der Jungen und Mädchen, der Messdiener und der Geistlichen endete die Christkönigsfeier.“[180]
An diesem Beispiel wird deutlich, wie Kaplan Bank und Pfarrer Wüstefeld die Gestaltung der Gottesdienste in der Harburger Kirche St. Maria bis in die letzten Kleinigkeiten hinein durchplanten und ausfeilten. Als guter Orgelspieler, als Liederdichter und Liederkomponist hatte Pfarrer Wüstefeld große Freude an der musischen Seite des Priesterberufes. Pfarrer Krieter bewunderte seinen Mitbruder. Dankbar übernahm er dessen Gestaltungsvorlagen für die Gottesdienste und Andachten in der eigenen Gemeinde.
3.14 Pfarrer Krieter, ein pragmatischer Seelsorger
Pfarrer Krieter war musisch unbegabt. In allen Quellen findet sich von ihm nur ein einziger Satz, der sich auf festliche Liturgie bezieht: „Die Anzahl der Messdiener wurde erhöht.“ Pfarrer Krieter konnte kein Musikinstrument spielen. Er hielt beim Singen der Messtexte nur mit Mühe den Ton. Seine Stimme war „dünn“, nicht kräftig genug für einen großen Kirchenraum. Er beherrschte weder das geschriebene noch das gesprochene Wort besonders gut. Seine Predigten waren nüchtern bis langweilig, oft in einzelnen Formulierungen missglückt. Sein Verständnis für bildende Kunst war gering.
Pfarrer Krieter war anders begabt. Er war ein Mann der handgreiflichen, praktisch-nützlichen Tat. Er war nicht zögerlich und oft unkonventionell. Wie es für ihn typisch ist, notierte er zum Osterfest 1935 für das Archiv seiner Kirchengemeinde: „Im April 1935 erhielt der Raum vor dem Hochaltare ein neues Aussehen. Die Fliesen (rote) waren eingesackt, alles am Altar holperig und stolperig. Priester und Messdiener rutschten oft aus. Der neue Pfarrer handelte und schaffte (sic!) durch seine Tatkraft einen würdigen Raum für den Hochaltar. Auch die Kommunionbank wurde etwas nach rückwärts gesetzt, dadurch der Raum vor dem Hochaltare vergrößert. Die Arbeiten wurden ausgeführt vom 8. bis 17. April. (also vom Dienstag vor dem Palmsonntag bis zum Gründonnerstag ; Anm. d. Verf.) Zwei Nächte hindurch wurde sogar gearbeitet; freiwillige Helfer aus der Gemeinde waren eifrigst zur Stelle. Der Pastor selbst steht ermunternd und helfend dabei.“[181]
Pfarrer Krieter schuf also die Voraussetzung für einen würdigen Ablauf der Osterliturgie, den baulichen Rahmen. Die Osterliturgie selbst war ihm als Priester und Pfarrer einer großen Gemeinde natürlich wichtig, aber für erwähnenswert hielt er die baulichen Neuerungen im Altarraum. Darauf war er stolz.
Im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius ist eine weitere Quelle aufbewahrt, die vom Nützlichkeitsdenken und zugleich von der Tatkraft des Pfarrers Krieter berichtet. Zur Erstkommunionfeier des Jahres 1935 schrieb Pfarrer Krieter am 18. März an die Caritas-Vorsorge in Hildesheim: „Als Pfarrer der St. Bonifatiusgemeinde in Harburg-Wilhelmsburg-Nord bitte ich die Caritas-Vorsorge herzlichst, uns bei der Einkleidung hilfsbedürftiger Erstkommunikanten behilflich zu sein. Unsere Diaspora-Gemeinde zählt 7200 Katholiken, von denen der größte Teil aus Arbeitern besteht. Die Arbeitslosigkeit ist auch in diesem Jahre in unserer Gemeinde noch sehr groß, und viele Familienväter haben durch Kurzarbeit nur eine Einnahme in der Höhe der Wohlfahrtsunterstützung. Unter diesen Umständen ist es den Eltern nicht möglich, Nebenausgaben - wie sie die Einkleidung eines Kommunionkindes fordert - zu erübrigen. Der Elisabethverein unserer Gemeinde gibt sich schon die größte Mühe, kann aber leider der großen Not nicht Herr werden, da er fast durchweg aus Arbeiterfrauen besteht. Da gerade in diesem Jahre unter den 140 Kindern, die am Weißen Sonntag zum ersten Mal zum Tisch des Herrn gehen dürfen, viele Arme und Bedauernswerte sich befinden, muss ich versuchen, Hilfe zu schaffen. Ich kann als Seelsorger unmöglich zulassen, dass die Eltern ihre Kinder vom Empfang des Heilandes zurückhalten, nur weil es an der nötigen Kleidung fehlt. Deshalb wende ich mich an Sie mit der herzlichen Bitte, unseren Hilferuf nicht zu überhören, damit wir unsere Kinder am schönsten Tag ihres Lebens würdig einkleiden können. Ich hoffe, keine Fehlbitte zu tun und danke für Ihre gütige Hilfe schon im Voraus. Mit Caritasgruß, Krieter, Pastor“
Die Bitte um eine Sonderzuwendung für die Kommunionkinder des Jahres 1935 wurde am 26. März 1935 abgelehnt. Pfarrer Krieter musste also andere Wege gehen. Es blieb ihm nicht einmal ein ganzer Monat Zeit, um sein Ziel zu erreichen. Der Weiße Sonntag fiel 1935 auf den 28. April.
Möglicherweise hat Pfarrer Krieter einen Bettelbrief an den Pfarrer seines Heimatdorfes Hilkerode geschrieben und ihn um eine Sonderkollekte für St. Bonifatius gebeten. Ganz gewiss hat sich Pfarrer Krieter aber auch an finanziell gut gestellte Mitglieder seiner Gemeinde gewandt. Er besaß eine Liste von Geschäftsleuten Wilhelmsburgs, die er immer wieder um Hilfe bat.[182] Noch vor dem Weißen Sonntag hatte er genug Geld beisammen, um 27 Anzüge, 32 Paar Schuhe, „diverse Wäsche“ und 31 Gesangbücher anzuschaffen. Der Elisabethverein brachte 409,19 RM auf. 209, 95 RM bezahlte Pfarrer Krieter mit weiterem Spendengeld. Ein Betrag von 117,65 RM musste offen bleiben bis zum Abschluss der Haus- und Straßensammlung der Caritas vom 18. bis zum 24. Mai 1935.[183]
Die Einkleidung der Kommunionkinder bereitete Pfarrer Krieter während aller Jahre in St. Bonifatius große Sorgen. Er fand aber Jahr für Jahr Wege, dieses Problem zu lösen.
Während seine Kapläne freie Hand hatten, die liturgischen Abläufe zu gestalten, mühte Pfarrer Krieter selbst sich um einzelne Kinder. Der Zeitzeuge Werner Jonek berichtete: „Meine erste Erinnerung an Pastor Krieter habe ich im Zusammenhang mit meiner Erstkommunion. Während der Vorbereitungszeit auf die Erstkommunion war ich nämlich schwer krank geworden. Am Samstag vor meiner Erstkommunion ist Pastor Krieter mit mir und mit meiner Mutter in die Kirche gegangen. Da hat er mit mir privat eine Probe des Ablaufs der Kommunionfeier durchgeführt. Das hat er wunderbar gemacht, ganz behutsam. Ich weiß noch ganz genau, wie er mit mir vorne am Altar gekniet hat und mir gesagt hat, was ich machen solle, wie man sich aufstellt und so weiter. Das war für mich sehr beruhigend, denn ich bin eigentlich ein eher schüchterner, zurückhaltender Mensch. … Die Initiative zu dieser Einzelunterweisung ist wohl von Pastor Krieter selbst gekommen. Weil unsere Familie durch meinen Großvater mit Pastor Krieter gut bekannt war, wusste er, dass ich im Vorbereitungsunterricht aus gutem Grunde gefehlt hatte.“[184]
Der Zeitzeuge Uwe Fittkau, der nicht die katholische Schule besuchte, berichtete: „Vater … hat mit Pfarrer Krieter abgemacht, dass ich als einzelnes Kind Kommunionunterricht bekam. … Das waren immer schöne Stunden nach der Schule, im Pfarrgarten oder in der Laube, die an das Pfarrhaus angebaut war. Der Pfarrer hat mir aufgegeben, still eine Stelle in der Bibel zu lesen. Währenddessen hat er sein Brevier gebetet oder Zeitung gelesen. Anschließend haben wir über die Stelle der Bibel, die ich gelesen hatte, diskutiert. Einmal hat er mir die Geschichte von einem anderen Kommunion-Jungen erzählt. Den hatte er gefragt, was er denn nach dem Empfang der Kommunion mit dem Herrgott gesprochen habe. Der Junge hatte auf diese Frage geantwortet: „ Erst wusste ich gar nichts, was ich sagen könnte. Dann habe ich nur gesagt: `Mein Herr und mein Gott´. Dem Pfarrer Krieter hat diese Antwort des Jungen so sehr gefallen, dass er mir davon erzählt hat. … Der Kommunionunterricht fand oft statt, öfter als einmal pro Woche. Ich sollte ja an die Gruppe der Kommunionkinder, die schon länger und regelmäßig Kommunionunterricht gehabt hatten, herangeführt werden. Er hat sich sehr um mich bemüht! Und ich war kein Einzelfall! Der hat sich engagiert, wann immer er so ein Schäfchen einfangen konnte. Das Bild vom Einfangen gefällt mir allerdings nicht. Das hört sich so sehr nach Lasso und Trick an. Sagen wir so: Sowie er das Gefühl hatte, da ist jemand, der sucht, war sein Gedanke: `Dem zeige ich den Weg!´ Ich glaube auch, dass Pfarrer Krieter ein Mann war, der mit den Menschen am besten umgehen konnte, wenn sie einzeln bei ihm waren. So hat er mich an die Gruppe der anderen Kommunionkinder herangeführt.“[185]
In einem Gespräch mit dem Autor dieses Werkes bemängelte der Pfarrer i. R., Joachim Ernst, dass Pfarrer Krieter für liturgische Dinge „so gar kein Gespür gehabt“ habe. Als Beispiel führte Pfarrer Ernst an, dass Pfarrer Krieter es sich geleistet habe, die kirchliche Trauung eines jungen Paares ausgerechnet an einem Gründonnerstag vorzunehmen. Das sei liturgisch ein Unding. Die Kritik mag berechtigt sein, doch das Beispiel beleuchtet die Einstellung des Pfarrers Krieter zu seiner priesterlichen Arbeit: Ihm war es wichtig, dass ein junges Paar das Sakrament der Ehe empfing. Bevor das Paar auf eine kirchliche Trauung wmöglich ganz verzichtet hätte, mussten Rücksichten auf die Liturgie der Passionswoche und traditionsgebundenes Priesterverhalten an die zweite Stelle treten.
Unkoventionell und typisch für seine nützlichkeitsorientierte Art hörte Pfarrer Krieter die Beichte. Es war zu seiner Zeit üblich, dass der Priester beim Spenden des Bußsakramentes im verdunkelten Beichtstuhl saß. Zusätzlich hielt er sich ein weißes Tuch vor die Augen. Das Beichtkind konnte deswegen glauben, es werde vom Seelsorger nicht erkannt.
Pfarrer Krieter machte gar keinen Hehl daraus, dass er natürlich jeweils wusste, welches Beichtkind ihm gerade die Sünden gestand.
Er sah sich als „Beichtvater“, und als Vater kennt man selbstverständlich seine Kinder. Dieser sehr persönliche Umgang mit den „Beichtkindern“ schadete dem „Beichtvater“ Krieter nicht. Die meisten Gemeindemitglieder gingen sogar sehr gern „zu Krieter zum Beichten“.
Jonny Swoboda, viele Jahre später ein Mitglieddes Kirchenvorstandes, war im Jahre 1935 ein Jugendlicher von 15 Jahren. Von einem Beichterlebnis in diesem Jahr berichtete er: „Pfarrer Krieter hat mir die Absolution von meinen Sünden erteilt, hat mir meine Bußgebete auferlegt und dann hat er gesagt: `Gut, Jonny, nun geh` ´mal in die Sakristei und zähl` das Klingelbeutelgeld! Wenn ich gleich nachkomme, sagst du mir, wieviel Geld die Kollekte gebracht hat.“[186]
Waldemar von Wantoch erlebte Pfarrer Krieter als Beichtvater in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Er berichtete: „Die Vorbereitung auf die Erste Heilige Beichte hat Pfarrer Krieter ganz väterlich gemacht. Man hat als kleines Kind ja doch „gebibbert“ vor der Ersten Beichte, aber diese Angst hat er einem genommen. Man hat da seine paar Sünden gebeichtet, und danach fragte er: `Na, wie geht es zu Hause? Wie geht es deiner Mutter? Was machen die anderen´? Das wollte er alles wissen. Damit hat er einem die Befangenheit, die Unsicherheit genommen. … Als ich 18 Jahre alt war (im Jahre 1956; Anm. des Verf.), hatte ich eine Freundin. Zu dieser Zeit hat mich der Dechant (=Pfarrer Krieter; Anm. d. Verf.) bei der Beichte `mal gefragt: `Sag `mal, ich habe gehört, dass du eine Freundin hast. Irgendwie seid ihr doch miteinander verwandt´? `Ja´, habe ich gesagt, `meine Mutter und die Mutter meiner Freundin sind Cousinen´. `Ach so´, hat Krieter dann gemeint, `dann könnt ihr heiraten´. Übrigens war die Buße, die er einem nach dem Beichten aufgab, immer sehr milde. Ich glaube, es waren immer drei `Vaterunser´ und drei `Gegrüßet seist du, Maria´.“
In Bezug auf so genannte „Mischehen“ oder „wilde Ehen“ war Pfarrer Krieter ebenfalls pragmatisch orientiert. Drei Viertel der Bevölkerung Wilhelmsburgs war in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts evangelisch oder religiös ungebunden, nur ein Viertel war katholisch. Da war es selbstverständlich, dass sich oft junge Paare zur Trauung meldeten, bei denen nicht beide Partner katholisch waren. Die Katholische Kirche lehnte „Mischehen“ prinzipiell ab. Sie erwartete von ihren Geistlichen, dass diese dem heiratswilligen evangelischen oder ungläubigen Partner die Konversion zum katholischen Glauben nahe legten.
Wurde die Konversion abgelehnt, musste sich der nichtkatholische Partner einverstanden erklären, dass die zu erwartenden Kinder katholisch getauft und erzogen würden. Ließ sich ein Katholik von einem evangelischen Pfarrer trauen, bedeutete dies den Ausschluss aus der Sakramenten-Gemeinschaft der Katholischen Kirche, die so genannte „Exkommunikation“.
Natürlich rückte Pfarrer Krieter von dieser Stellung seiner Kirche zum Sakrament der Ehe nicht ab. Er betrieb die Bemühungen um die Konversion Andersgläubiger aber recht tolerant. Vor allem behandelte er Ehepartner, die nicht katholisch geworden waren, auch nach dieser Entscheidung noch achtungsvoll und freundlich. Dazu erzählte der 94 Jahre alte Zeitzeuge Peter Walczak ein Beispiel. Er konnte sich genau erinnern: „ … bei Krieter haben wir geheiratet! Meine Frau war evangelisch! Das musste ich erst `mal zu Hause beichten!! Dann musste ich zu Krieter und erzählen, was los war: `Ich möchte heiraten, aber meine Frau ist evangelisch´, sagte ich. Da sagte der: `Eine evangelische Dame? Da muss ich an den Bischof schreiben´. Das hat er dann getan. Er hat geschrieben, dass ich Messdiener war, die Eltern katholisch. Und er hat dann die Genehmigung gekriegt, dass wir katholisch heiraten konnten. Dann hat er dafür gesorgt, dass meine Frau Unterricht bekam, bevor wir heirateten. Sie musste ja Unterricht bekommen, wie das ist, wenn man einen Katholiken heiratet. Als wir dann geheiratet haben, war die Trauung natürlich katholisch! Und die Kinder natürlich auch: katholisch! Meine Frau ist aber nicht katholisch geworden! Sie ist evangelisch geblieben. Und da will ich weiter von einer Ausfahrt des Frauenvereins erzählen. Die haben damals ja auch schon Ausfahrten gemacht, so wie wir heute manchmal, mit dem Bus. Gut, zu so einem Ausflug hab` ich meine Frau angemeldet. Da ist sie auch mitgefahren. Als es losging, da haben die anderen Frauen gesagt: `Wie kann die mitfahren? Die ist doch gar nicht katholisch´! Da ist Krieter aufgestanden und hat gesagt: `Die hat den Peter geheiratet, der ist katholisch, und nun seid ruhig´! Siehst du, das war auch wieder Krieter! So hat er sich dann eingesetzt für mich! Das war damals etwas Besonderes.“[187]
Wenn ein Gemeindemitglied nur standesamtlich verheiratet war - also nach katholischem Verständnis „in wilder Ehe“ lebte - verhielt sich Pfarrer Krieter nicht abweisend. Er war froh, dass der Kontakt des Gemeindemitgliedes zur Kirche nicht verloren ging, und gab sich zurückhaltend Mühe, den „unhaltbaren Zustand“ zu verändern. Die Zeitzeugin Hilde Mlotek berichtete: „Als ich meinen Mann geheiratet habe, da wollte der sich nicht kirchlich trauen lassen, obwohl er katholisch war, obwohl er zur katholischen Schule gegangen war und alles! Pastor Krieter wusste, dass wir nicht kirchlich getraut waren und dass ich darüber traurig war.
Immer wenn ich mit Pastor Krieter sonntags nach der Kirche gesprochen habe, hat er zu mir gesagt: `Hilde, mach dir keine Gedanken, ich bete für dich´. Jedes Mal hat er das zu mir gesagt! Als mein Sohn neun Jahre alt war, sollte der zur Kommunion. Da habe ich meinen Mann so weit gekriegt, dass er sich bekehrt hat. Er wollte sich nun kirchlich trauen lassen. Wir sind dann beide zu Pastor Krieter gegangen. Der freute sich und hat zu mir lachend gesagt: `Hilde, du musst mir doch Recht geben. Meine Gebete haben geholfen! Aber wir wollen hier nicht viel herumreden´. Damit wollte er sagen, dass wir nicht zum „Brautunterricht“ kommen müssten. Damals gab es doch vor der Heirat die „Brautstunde“ für die Paare, die heiraten wollten. Das wollte er mit uns nicht machen. Na, aber kirchlich trauen, das wollte er uns natürlich. Damals gab es einmal im Monat die „Heilige Stunde“. Und da habe ich gesagt: Ja, Herr Pastor, es würde mir gut passen, wenn wir beide nach der „Heiligen Stunde“ getraut werden könnten´. Pastor Krieter war einverstanden. Mein Bruder und sein Sohn Michael sollten unsere Trauzeugen sein. Unsere Mutter wusste nichts davon, dass wir nun kirchlich heiraten wollten. Abends sind mein Mann und ich dann zur Trauung losgezogen - wir wohnten am Vogelhüttendeich. Und ich sagte zu meinem Mann: `Du musst jetzt vor der Trauung zur Beichte gehen, da kommst du wohl nicht drum herum´! Auf dem ganzen Weg - vom Vogelhüttendeich bis zur Kirche - habe ich mit ihm gebetet und ihm erklärt, wie man beichtet. Zum Schluss habe ich ihn noch gefragt: `Soll ich dir deine Sünden noch aufzählen´? Das habe ich nachher alles Pastor Krieter erzählt, und der hat gelacht. Aber - wie gesagt - nach der „Heiligen Stunde“, zu der meine Mutter gekommen war, weil sie sowieso immer hinging, wurden wir getraut. Meine Mutter hat vielleicht gestaunt! Die hat vor Freude bald einen Herzschlag gekriegt!“[188]
Weil Pfarrer Krieter wenig Bedenken hatte, kirchliche Konvention zurückzustellen, sobald es für die praktische Seelsorge nützlich war, erhoffte er sich dieselbe Einstellung von seinem neuen Bischof. Er schrieb an Bischof Joseph-Godehard:
„Hochwürdigster Herr Bischof, es kommt hier nicht selten vor, dass Brautleute sich erst kurz vor oder nach der standesamtlichen Trauung beim zuständigen Pfarrer zur kirchlichen Trauung melden. Auch kommen solche Katholiken, die wegen Kirchensteuern oder aus irgendeiner Verärgerung oder dergleichen vor dem Amtsgericht ihren Austritt aus der Kirche erklärt haben, zum Pfarrer und bitten um Aufnahme in die Kirche und um Wieder-Annahme zu den heiligen Sakramenten. Bei der großen Seelenzahl der Gemeinde wäre meinen Mitarbeitern, Herrn Kaplan Konrad Dorenkamp und Herrn Kaplan Bernhard Bank, und mir während unserer hiesigen Amtstätigkeit eine Erweiterung der Absolutionsvollmachten auch nach Ablauf des Heiligen Jahres 1934 / 35 sehr erwünscht. Deshalb bitte ich um Übertragung der in genannten Fällen nötigen Vollmachten. Gehorsamst, Krieter, Pastor“[189]
Das Antwortschreiben des Bischofs war ablehnend. Pfarrer Krieter wurde belehrt, dass er sich an die kirchlichen Vorschriften zu halten habe und dass es in vielen Fällen nicht gut sei, wenn Pönitenten (= Beichtende, Büßende) zu eilig die Gnade der Kirche wiedererlangten.
Im Mai 1935 war ein Ehestreit zu schlichten. Nachdem es ihm gelungen war, zwischen den Ehepartnern zu vermitteln, ließ Pfarrer Krieter den Ehemann eine Erklärung unterschreiben. Der Ehemann unterzeichnete sie mit seinem Vor- und Nachnamen. Wahrscheinlich war er zu ungebildet, um nach Diktat den gesamten Text selbst schreiben zu können. Den Text dieser Erklärung hatte Pfarrer Krieter selbst verfasst und eigenhändig geschrieben:
„Harburg-Wilhelmsburg-Nord 5, Bonifatiusstraße 1, 28. 5. 1935
Erklärung
Hiermit verpflichte ich mich, dass ich meiner Frau für alle Zukunft ein guter, solider Ehemann sein will; vor allem, dass ich meine Frau nie wieder schlagen werde. Bei ernsten Ehestreitigkeiten werde ich mich in Zukunft nie wieder ohne Zustimmung meines Pfarrers trennen. Dagegen soll meine Frau Sophie das Recht haben, für sich allein zu leben, wenn ich meine Versprechen nicht halten werde. Karl Meyer“[190]
Pfarrer Krieter war also keineswegs immer milde, zu voreiliger Verzeihung bereit. Sein konsequentes Eintreten gegen Gewalt in der Ehe, für die Rechte der verheirateten Frau, war in der damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Typisch für ihn sind die praktisch-nützlichen Auflagen, die dem Ehemann gemacht wurden.
3.15 Pfarrer Krieter macht sich beliebt.
Im Juli 1935 konnte Karl-Andreas Krieter allmählich das Gefühl genießen, in der Bonifatiusgemeinde „angekommen“ zu sein. Er kannte mittlerweile die Mitglieder der Gemeinde, die das Gemeindeleben trugen und dadurch im Vordergrund standen. Nun war es an der Zeit, sich auch um diejenigen zu mühen, die sich lieber im Hintergrund hielten.
Dabei taten ihm sein außergewöhnlich gutes „Personengedächtnis“, aber auch sein Interesse und seine Merkfähigkeit für verwandtschaftliche Beziehungen gute Dienste. Die erwachsenen Mitglieder der Bonifatiusgemeinde waren erfreut und zufrieden, wenn ihr Pfarrer sie persönlich ansprach und ihre Familienverhältnisse kannte. Die Kinder in der Gemeinde - erzogen zur Ehrfurcht gegenüber Eltern, Priestern, Lehrern und Polizisten - staunten und fühlten sich ernst genommen, wenn „ihr Herr Pastor“ sie grüßte und ihre Namen wusste. Die Zeitzeugin Martha Swoboda berichtete: „Ich habe es immer als etwas Besonderes empfunden: Mich grüßt er! Er ist doch der Herr Pastor! Mich grüßt der! Er war immer so nett! Ach, das kann man gar nicht richtig erzählen! Seinen Schal hatte er immer um, einen schwarzen Schal mit einem Silberfaden ... und wo man war, er hat immer gegrüßt! Manchmal hat er uns eher gegrüßt als wir selbst ihn gegrüßt haben! Er war wie ein Vater! Wenn wir von „Lioba“ zusammen waren, dann kam er auf einmal herein, guckte, und nahm sich die Zeit zu fragen: `Ist alles in Ordnung´? Er grüßte alle mit Handschlag und dann ging er wieder. Und so gab er uns das Gefühl: Er kennt uns. Er ist immer für uns da!“[191] Für Pfarrer Krieter waren die Mitglieder der Gemeinde seine Familie. Deswegen nahm er sich die Freiheit, auch erwachsene Gemeindemitglieder zu duzen. Niemand nahm ihm das Duzen übel.
Neben seinem herzlichen Auftreten trug ihm seine materielle Hilfsbereitschaft anhängliche Freundschaft und Zuneigung ein. Er gewährte materielle Hilfe, sobald ihm Not bekannt wurde. Ohne Zweifel wurde Pfarrer Krieter besonders deswegen in der Gemeinde immer beliebter. Hier soll wieder die Zeitzeugin Hilde Mlotek zu Wort kommen: „Ich muss sagen, dass Pfarrer Krieter sich wirklich viel um die Familien in seiner Gemeinde gekümmert hat. Wie hat der uns beigestanden, als mein Vater gestorben war! Meine Mutter hat immer gesagt: `Wenn Pastor Krieter nicht gewesen wäre, dann wäre es uns ganz dreckig gegangen´!“[192]
Die Zeitzeugin Hilde Mlotek berichtete in demselben Gespräch weiter: „Wissen Sie, ich will Ihnen `mal `was erzählen! Früher ging man doch jeden Morgen zur Messe. Und eines Morgens kommt meine Mutter von der Messe zurück - wir waren gerade aufgestanden - und sagt zu uns: `Stellt euch das `mal vor! Pastor Krieter stand heute in Hausschuhen am Altar! Die Therese (gemeint ist Therese Krieter, die Schwester und Haushälterin von Pastor Krieter; Anm. d. Verf.) stand hinten in der Kirche und hat zu mir gesagt: `Nun gucken Sie sich das `mal an! Da hat er sein letztes Paar Schuhe verschenkt´! Ja, da hat Pastor Krieter keine Schuhe mehr gehabt! Er hat in Hausschuhen am Altar gestanden! Wie meine Mutter das erzählt hat, das vergesse ich nicht.“
[...]
[1] Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte K.-A. Krieter, Bischöfliches Generalvikariat, Eingang 19. 1. 1931
[2] Die Gründe für die Ablehnung einer Versetzung nach Groß-Ilsede sind ausführlich dargestellt
in Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor der Katholischen Kirchengemeinde St. Franz-
Josef in Harburg - Wilstorf; Sein Leben und Wirken im Rahmen der Geschichte Deutschlands
und Harburgs in den Jahren 1923 bis 1934, Grin - Verlag für akademische Texte, 2008,
ISBN 978 -3 - 638 - 95144 - 9, Bearbeitung 2012
[3] Briefe vom 16. 1. 1933 und 16. 8. 1933 an das Bischöfliche Generalvikariat, Bistumsarchiv
Hildesheim, Personalakte Karl- Andreas Krieter
[4] Anlässlich des Besuches von Bischof Dr. Bares im Pfarrhaus von St. Franz-Josef, Reeseberg 16, am
4. 9. 1933, hatte K.-A. Krieter Gelegenheit, seinem Bischof den Wunsch nach Versetzung
mündlich vorzutragen. Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Seite 103
[5] Das Bistum Berlin war am 13. 8. 1930 neu gegründet worden. Der erste Bischof, Dr. Christian
Schreiber, war am 1. 9. 1933 verstorben. Am 16. 12. 1933 wurde Dr. Nikolaus Bares zum
Bischof von Berlin ernannt. Vgl. Kluck, A. und Sauermost B., 75 Jahre Bistum Berlin, Glaube für die
Zukunft - Spuren der Geschichte - Konturen des Lebens, SERVI -Verlag, Berlin 2005, S. 78 ff.
[6] Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter
[7] Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter
[8] Die „Katholische Aktion“ wurde 1922 von Papst Pius XI. als Form des katholischen Laienapostolats
gegründet.
[9] Wie Karl-Andreas Krieter die Errichtung der persönlichen Alleinherrschaft Adolf Hitlers im August
1934 erlebte, ist dargestellt in Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor der Katholischen
Kirchengemeinde St. Franz - Josef in Harburg - Wilstorf; … a. a. O. S. 168 ff. Bearbeitung 2012
[10] Vgl. Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter
[11] Harburger Anzeigen und Nachrichten vom 1. und 2. August 1934
[12] Das „Gesetz zum Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 hob in Artikel 1 die Länderparlamente
auf, in Artikel 3 wurden alle Länderregierungen der Reichsregierung unterstellt, damit auch alle Beamten.
Sie wurden am 22. 8. 1934 verpflichtet, ihren Treue-Schwur auf den „Führer des Deutschen Reiches und
Volkes, Adolf Hitler“ zu leisten.
[13] Vgl. die Ausgaben der „HAN“ vom 14. 4. 1934, vom 2. 5. 1934 und vom 12. 5. 1934
[14] Das Telegramm findet sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Wilhelmsburg, Akte „Personalia“
[15] Die Duzfreundschaft mit Pfarrer Schmidts und einige Passagen im Brief des Bischofs Josef-Godehard
an den Kirchenvorsteher Born (siehe unten) legen die Vermutung nahe, dass Pfarrer Schmidts dem Bischof
vorgeschlagen hat, Karl-Andreas Krieter als Nachfolger in St. Bonifatius einzusetzen.
[16] Ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Gemeinden ist der Postversand der als Gemeindezeitung
Gedachten 4000 „Blätter für die Katholiken von Harburg und Wilhelmsburg zum Weihnachtsfest 1926“,
Vgl.: Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, S. 93.
[17] Die preußische Bezirksregierung hatte im Jahre 1893 die Einrichtung einer katholischen Volksschule
bewilligt. In diesem Jahr mussten 84 Kinder in einer Klasse unterrichtet werden, im nächsten Jahr waren
zwei Klassen mit 116 Kindern vorhanden. Am 1. Oktober 1893 war der Bau der Alten Schule fertig
gestellt. Vgl. Festschrift: Wedig, E, Die katholische Volksschule Wilhelmsburgs in den ersten 25 Jahren
ihres Bestehens - 1. Oktober 1893 bis 1. Oktober 1918.
[18] Bischof Dr. Nikolaus Bares hatte K.-A. Krieter mit Schreiben Nr. 4955 vom 22. 5. 1925 bis zum 1. 6. 1928
zum „Confessarius extraordinarius“ der Ordensfrauen in Wilhelmsburg bestimmt. Mit Schreiben Nr. 5870 verlängerte Bischof Bares diesen Auftrag bis zum 1. Juli 1934. Beide Schreiben finden sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Personalia“.
[19] Beide katholische Gemeinden in Harburg besaßen zu dieser Zeit kein Gemeindehaus. Die kirchlichen
Vereine von St. Maria benutzten notgedrungen Räume im Kinder- und Waisenhaus Maria-Hilf. Die
kirchlichen Vereine von St. Franz-Josef benutzten Räume im Vinzenzhaus und im Pastoratshaus
Reeseberg 16. Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd. 1, S. 105.
[20] Grundbuch von Hamburg-Sinstorf, Bd. 4. Blatt 127, Flurstücke 314 / 16 und 315 / 14 in der Gemarkung
Sinstorf. Vgl. Nr. 27 des Urkundenregisters der Hansestadt Hamburg für 1947,Tauschvertrag vom 11. 7.
1947, in: Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Schriftwechsel zum Bau des Krankenhauses“.
[21] Vgl. Krebs, Josef, Chronik. Die Aufzeichnung bemerkenswerter Ereignisse der kath. Bonifatiusgemeinde
Wilhelmsburg, 1938, unveröffentlicht, S. 18, Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[22] Am 1. 2. 1933 hatte die Gemeinde St. Bonifatius 7330 Mitglieder, am 1. 1 .1935 waren es 7187 Mitglieder.
Vgl. handschriftliche Notizen zum Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates, Nr. 5076 vom 1. 6. 1933
im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Diözesansteuer / Kriegsabgabe“ .
[23] Vgl. zu den Aktivitäten des Rektors Hupe zugunsten des nationalsozialismus auch: Krieter, U.,
Karl - Andreas Krieter, Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz- Josef in Harburg- Wilstorf.
… a. a. O., S. 163, Bearbeitung 2012
[24] Die katholischen Geistlichen in Harburg und Wilhelmsburg warfen dem Lehrer Riediger seine jahrelange
Nähe zum Kollegium der freigeistigen Sammelschule Wilhelmsburgs vor. Damit stand Herr Riediger nach
Ansicht der Geistlicheit nicht eindeutig genug „auf dem Boden der katholischen Weltanschauung“.
Vgl. im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius die Akte: „Schule 1904 bis 1940“
[25] Vgl. im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Personalia“, Brief des Bischofs vom 6. 9. 1934
[26] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Personalia“.
[27] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Personalia“.
[28] Seit der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils - es tagte von 1962 bis 1965 in 4 Sitzungsperioden -
ist der Gebrauch des Biretts freigestellt und kaum noch üblich.
[29] Der Brief des Bischofs Joseph-Godehard vom 25. September 1934 an den Kirchenvorsteher Born findet
sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Wilhelmsburg, Akte „Personalia“.
[30] Bistumsarchiv Hildesheim, BGV, Seelmeyer, Nr. 9676. Die letzte Sitzung des Kirchenvorstandes von
St. Bonifatius unter Vorsitz von Pfarrer Schmidts fand am 30. 4. 1934 statt. Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Protokolle über Kirchenvorstandsitzungen 1911-1959“.
[31] Chronik der Kirchengemeinde St. Franz-Josef, Bd.1, S. 41.
[32] Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates Nr. 5076, Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius,
Akte „Jahresrechnungen“ und Akte „Diözesansteuer“.
[33] Vgl. Stegmann, Dirk, Die industrielle Entwicklung Harburgs von 1900 bis 1937, in: Harburg, Von der Burg
zur Industriestadt, S. 334 /335., Veröffentlichung des Helms-Museums, Nr.52, 1987 = Veröffentlichungen
des Vereins für Hamburgische Geschichte , Band XXXIII.
[34] Der Brief der Kirchenvorsteher Ballhausen und Josch findet sich im Archiv der Kirchengemeinde
St. Bonifatius, Akte „Schriftwechsel bis 1968“ .
[35] Die genannten Geldbeträge sind keine monatlichen, sondern jährliche Einkünfte.
[36] Vgl. im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Schriftwechsel bis 1968“ das Schreiben von Pfarrer
Schmidts an das Bischöfliche Generalvikariat vom 15. 6. 1933
[37] In den „Anlagen zum Haushaltsplan der Gemeinde Wilhelmsburg für das Rechnungsjahr 1919“ findet sich
auf Seite 10 ein Eintrag zum Lehrer Rhein:“Das Grundgehalt Rheins beträgt 1600 Mark (Jährlich, Anm. d.
Verf.) anstatt 1400 Mark; es gelten 200 Mark für den Organistendienst. Hierzu gibt die Gemeinde 150
Mark, die Kirche 50 Mark.“
[38] Die Zahlung der „Kirchenamtszulage für den Konrektor Rhein“ durch die Bonifatiusgemeinde hatte erst ein
Ende, als Herr Rhein im Jahre 1941 das Ruhestandsalter erreichte. Vgl. das Schreiben der
Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg - Schulverwaltung B II a, vom 20. 2. 1941
an den Kirchenvorstand der Katholischen Kirchengemeinde Hamburg-Wilhelmsburg., Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Schriftwechsel bis 1968“.
Wegen des kriegsbedingten Lehrermangels ging der Konrektor Rhein erst am 31. 12. 1944 in den
Ruhestand. Vgl. Chronik der Schule Bonifatiusstraße, S. 132.
[39] Fräulein Kunigunde Wucherpfennig wohnte in der Wollkämmereistraße, Nummer 47.
[40] Der folgende Text über die Gemeindegeschichte basiert auf den genannten Arbeiten.
[41] Die Einführung der lutherischen Reformation erfolgte in Wilhelmsburg im Jahre 1527.
[42] Hermann Vering wurde am 4. 11. 1846 zu Ahlen in Westfalen geboren. Nach dem Besuch der Hochschule
in Hannover trat er in die Baufirma seines Bruderein, die dieser in Hamburg führte. Die Firma Vering war
beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals, des Elbe-Lübeck-Kanals und beim Ausbau der Häfen Hamburg, Breslau
und Stettin tätig. Hermann Vering machte sich auch als Erfinder einen Namen. Die Technische Hochschule
Hannover ernannte ihn zum Ehrendoktor. In Wilhelmsburg war er jahrelang Mitglied des Gemeinderates.
Er starb am 6. 1. 1922. Vgl. Reinstorf, E., Geschichte der Elbinsel Wilhelmsburg, Verlag Buchhaus
Romanowski, Hamburg, 1955, Seite 272.
[43] Die Firma Vering hatte nach der Gründung des Hamburger Freihafens (1888) den Auftrag übernommen,
für die Stadt Hamburg das Hansa-Hafenbecken zu bauen. Um die ausgehobenen Erdmassen ablagern zu
können, hatte die Firma im Westen der preußischen Elbinsel Wilhelmsburg große Grundstücksflächen
aufgekauft. Dieses Gelände wurde mit dem Aushub bis zur Deichhöhe aufgefüllt und damit für
Wohn- und Industriebauten baureif gemacht. Die so gewonnenen Grundstücke wurden an
Baugenossenschaften, Privatleute und Industriebetriebe verkauft.
Die Firma Vering schenkte auch der evangelisch-lutherischen Kirche in Wilhelmsburg ein Grundstück
für den Bau einer neuen Kirche und eines neuen Pfarrhauses, im Reiherstiegviertel. Außerdem übernahm
sie kostenlos die Straßenbauten, die nach dem Kirchbau notwendig waren. Der Grundstein zum Bau der
Reiherstiegkirche wurde am 7. Juni 1895 gelegt. Die Einweihung erfolgte am 25. Oktober 1896.
Die Gründung der evangelisch-lutherischen Reiherstieggemeinde weist viele Ähnlichkeiten mit der Gründung
der katholischen St. Bonifatiusgemeinde auf. Vgl. Henatsch, Hildebrand, Zwischen Industrie und grünen
Wiesen - Hundert Jahre Kirchengemeinde im Reiherstieg auf der Elbinsel Hamburg - Wilhelmsburg,
1896 bis 1996, E.B.-Verlag, Hamburg, 1996.
[44] Der Bonifatiusverein =„Verein zur Förderung der Katholischen Kirche in der Diaspora mittels Gründung
und Unterhalt von Kirchen und Schulen“ wurde 1849 gegründet.
[45] Vgl. Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor der kath. Kirchengemeinde St. Franz-Josef …, a. a. O., S. 26
Bearbeitung 2012
[46] Kaplan Töttcher und Pfarrvikar Klaus mussten den Zuschuss zu ihrem Gehalt, den die „Wollkämmerei“
zahlte, zusammen mit den Arbeitern an der Firmenkasse abholen, „damit die Direktion den Zahltag dazu
nutzen konnte, bei ihnen Auskünfte über die Arbeiter einzuholen. Dieser `Agentenstatus´ der Geistlichen
bestand bis zum Jahre 1909…“ Zitat aus: Hauschildt, Elke, Polen und Katholische Kirche in Wilhelmsburg
1890 - 1914 , in: Harburg, Von der Burg zur Industriestadt, Beiträge zur Geschichte Harburgs 1288 – 1938,
Christians-Verlag, Veröffentlichung des Helms-Museums Nr. 52, 1987, S. 254
[47] Der spätere Generalvikar des Bistums Hildesheim, Dr. Offenstein, war vom September 1930 bis zum
November 1933 Abgeordneter der katholischen Zentrumspartei im Deutschen Reichstag.
[48] Vgl. zu diesen Angaben das Kapitel „Wilhelmsburger Betriebe“ in: Reinstorf, E. , Geschichte der Elbinsel
Wilhelmsburg, Verlag Buchhaus Wilhelmsburg, Georg Romanowski, Wilhelmsburg, 1955, S. 355 ff.
[49] Schreiben des Oberbürgermeisters Dr. Dudek an Pfarrer Dr. Offenstein vom 5. 12. 1927, Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius Akte „Kirchbau, Grundstücksache, Kirchplatz ab 1894“.
[50] Schreiben der Stadtsparkasse zu Harburg-Wilhelmsburg an das Katholische Pfarramt vom 7. 5. 1929.
[51] Im Februar 1930 hatte der polnische Gesangverein „Cäcilia“ um die kirchliche Anerkennung gebeten.
Pfarrer Schmidts hielt es damals für richtig, dem Verein die kirchliche Anerkennung zu verweigern. In einem
Schreiben an den Vereinsvorsitzenden zählte Pfarrer Schmidts die Gründe für seine Weigerung auf:
„ 1. Nach den Statuten können in den Verein Jugendliche beiderlei Geschlechtes - von der Schulentlassung
ab – aufgenommen werden. 2. Die Gründung des Vereins ist vorgenommen, ohne dass ein Geistlicher zu
Rate gezogen ist und ohne dass ich davon unterrichtet bin. 3. Der Verein hat in letzter Zeit drei Maskeraden
veranstaltet mit dem Hinweis darauf, solange die Fahne nicht kirchlich geweiht sei, könne der Verein
derartige Vergnügen veranstalten. Ich möchte Ihnen dazu mitteilen, dass es keine katholischen kirchlichen
Vereine gibt – mit Jugendlichen beiderlei Geschlechtes vom 14. Lebensjahre ab -, die Vergnügen
veranstalten und dazu noch durch öffentlichen Anschlag jeden beliebigen Menschen einladen.“
Akte „Polen- Pastoration“ im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[52] Durch die „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ (HAN) vom 15. Dezember 1931 ist belegt, dass Pastor
Krieter seine St. Franz-Josef-Kirche der polnischen Minderheit Harburgs einmal pro Monat zur Verfügung
stellte.
[53] Das Zitat stammt aus der „Niederschrift über die Einführung des Pastors Carl-Andreas Krieter in
Harburg-Wilhelmsburg, St. Bonifatius“, Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Personalia“.
„Amt“ bedeutet hier eine besonders feierliche katholische Messfeier. Man nennt solch eine feierliche
Messe auch „Hochamt“. In einem „Levitenamt“ wird die Messe von drei Geistlichen gefeiert, von einem
Hauptzelebranten und zwei Assistenten, den Leviten. Das „Tedeum“ wurde damals lateinisch gesungen.
Die deutsche Übersetzung dieses Liedes beginnt: „Großer Gott, wir loben dich …“.
[54] Im Jahre 1930 hatten die Geschwister in Harburg das Haus Reeseberg 16 gebaut. Durch den Beginn der
Weltwirtschaftskrise im selben Jahr waren die Geschwister Krieter in große finanzielle Schwierigkeiten
geraten. Vgl. Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor … a. a. O., S. 81 ff. Bearbeitung 2012
[55] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Pfarrbesoldung“.
[56] Die Geschwister Krieter hatten das Haus Reeseberg 16 in Harburg-Wilstorf an die St. Franz-Josef-Gemeinde
zur Nutzung als Pastoratshaus vermietet. Folglich wurde es auch für Gruppenstunden der Vereine genutzt.
[57] Nach Auskunft der Nichten von K.-A. Krieter - Marianne Müller und Hedwig Wollersen, beide geborene
Krieter - besuchten sie Karl-Andreas und Therese Krieter alljährlich, oft wochenlang. Die Nichten
betätigten sich dann im Pfarrhaus als Haushaltshilfen. Vgl. die Gespräche mit Marianne Müller und Hedwig
Wollersen am 31. 3. 2004. Diese beiden Gespräche sind - wie alle Gespräche mit Zeitzeugen, auf die im
Folgenden verwiesen wird - veröffentlicht in: Krieter, Ulrich, Die St. Bonifatius-Gemeinde in
Hbg.-Wilhelmsburg zur Zeit des Pfarrers Krieter, 35 Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1934 bis 1963,
Grin – Verlag für akademische Texte, 2009, ISBN 978-3-640-48494-2.
[58] Viele Kapläne liebten es, im Pfarrhausgarten von St. Bonifatius hin und her zu gehen, während sie das
„Brevier“ beteten. (Das Brevier ist ein Gebetsbuch, das die Texte zum kirchlichen Stundengebet enthält.
Katholische Priester sind verpflichtet, das Brevier täglich zu beten.)
[59] Um diesen Raum des Anbaues besonders gut nutzen zu können, ließ Therese Krieter ihn später durch eine
Holzdecke zweiteilen. Der obere Teil diente danach als Hühnerstall. Die Hühner erreichten ihren Stall durch
ein Loch in der Außenwand des Anbaues. Zu dem Loch hinauf kamen sie über ein Brett, das als
Hühnerleiter diente. Im unteren Teil des Raumes standen Gartengeräte und Behälter für Hühnerfutter.
[60] Bis in die Mitte der 50er Jahre betrieb Therese Krieter hinter dem Pfarrhaus die Hühnerhaltung und im
Pfarrhausgarten den Kartoffel- und Gemüseanbau.
[61] Davon berichtete die Zeitzeugin, Gertrud Matzat, geborene Grytka, im Gespräch am 7. 2. 2005.
[62] In den jährlichen Abrechnungen der Kirchengemeinde St. Bonifatius für den Caritas-Verband wurden
Bettler und fahrende Gesellen „Wanderer“ genannt. Im Jahre 1936 kamen 365 „Wanderer“ an die Tür des
Pfarrhauses von St. Bonifatius. Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Caritas; Korrespondenz
1925 bis 1958“.
[63] Davon berichten viele Zeitzeugen, zum Beispiel Hilde Mlotek und Militärpfarrer Hölsken. Der Autor des
vorliegenden Werkes erlebte selbst mehrmals, wie K.-A. Krieter persönlich bemüht war, Bittstellern zu
helfen.
[64] Vgl. Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Jahresrechnungen“.
[65] Nach 1945 wohnte die Pfarrsekretärin Hedwig Spiegel in der ehemaligen „Alten Schule“. Dort wurde auch
das Pfarrbüro untergebracht.
[66] Auf einem Zettel, der als Stichwörtersammlung für Josef Krebs, den Autor der Pfarrchronik von
St. Bonifatius, gedacht war, hat Karl-Andreas Krieter handschriftlich notiert:„Im Jahre 1936 wurden
Verbesserungen im Pfarrhause immer notwendiger. Die Kachelöfen waren fast alle gebrauchsunfähig
und … wurden durch Esch-Öfen ersetzt.“ Der Zettel befindet sich in der Chronik der Kirchengemeinde
St. Bonifatius.
[67] Zitat aus dem Gespräch mit der Zeitzeugin Marianne Müller, geborene Krieter, vom 31. 3. 2004
[68] Der katholische Volksmund nennt dieses Fest das „Fest der Heiligen drei Könige“.
[69] Vgl. dazu das Verhalten von K.-A. Krieter, als ihm im Jahre 1951 ein Kaplan (Albert Goedde) zugewiesen
wurde, der bereits das Pfarrexamen abgelegt hatte und darum Wert auf den Titel „Pfarrer“ legte. Gespräch
mit Militärpfarrer i. R., Herbert Hölsken, vom 27. 7. 2004
[70] Auch diese Aussage beruft sich auf das Gespräch mit Militärpfarrer i. R., Herbert Hölsken, vom 27. 7. 2004.
[71] Der Zeitzeuge, Pfarrer i. R. , Joachim Ernst, berichtete von dieser Angewohnheit des Pfarrers Krieter in dem
Gespräch vom 1. 4. 2004. Erst nach der vierten Sitzungsperiode des 2. Vatikanischen Konzils - 1965 –
hat der Wortgottesdienst im Rahmen des katholischen Gottesdienstes seine heutige Bedeutung erhalten.
Vor dem Konzil wurden die liturgischen Texte vom Priester lateinisch gesprochen. Der Priester las die
Messe mit den Gesicht zum Altar gewendet, also war sein Rücken den Gläubigen zugewandt. Der
Wortgottesdienst galt als „Vormesse“. Nach Auffassung der damaligen Moraltheologie hatten die
Gläubigen die Pflicht, an der Sonntagsmesse teilzunehmen, schon dann erfüllt, wenn sie nach der Predigt in
die Kirche kamen und die Kirche nach der Kommunion wieder verließen.
[72] Die Zeitzeugin Erna Nowacki berichtete am 12. 3. 2008, dass sie „Vorbeterin“ war.
[73] In der „Gemeinschaftsmesse“ bildeten Priester und Gemeinde insofern eine „Gemeinschaft“, als die
Gläubigen die liturgischen Gebete, die der Priester lateinisch sprach, nun auf Deutsch mitbeten und
verstehen konnten.
[74] Das Zitat stammt aus dem Gespräch mit Herrn Rudi Diedrich, Hilkerode, vom 31. 3. 2004.
[75] Pfarrer Alban Wüstefeld war ein großer Förderer der musikalischen Ausgestaltung der Messfeier. Im Herbst
1943 wurde er von Bischof Dr. Josef-Godehard Machens zum Domkapitular in Hildesheim ernannt und als
Leiter des neu gebildeten Dezernates für das gesamte Kirchenmusikwesen der Diözese Hildesheim
eingesetzt. Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd.1, S.269
[76] Hier spricht Pastor Mock die nationalsozialistischen Verordnungen an, durch die Betätigungen der
Katholiken im außerreligiösen Bereich verboten wurden.
[77] Chronik der Kirchengemeinde St. Franz-Josef, Bd.1, S. 41
[78] Karl-Andreas Krieter gab dieses Urteil über sich selbst auf dem oben bereits erwähnten Notizzettel ab, der
als Stichwörtersammlung für die Chronik der Kirchengemeinde von St. Bonifatius gedacht war.
[79] Die Schuljahre wurden anders als heute gezählt. Die Schulanfänger begannen in Klasse 8, das letzte
Schuljahr verbrachte man in Klasse 1.
[80] Vgl. Antwort auf das Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates, in Vertretung Seeland, Nr. 7677 vom
25. 7. 1935 und die Akte „ Schule 1904 bis 1940“ im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[81] Reichskultusminister Rust hob durch Erlass vom 22. August 1935 den Schulgottesdienst als verpflichtende
Veranstaltung der Schulen auf. Vgl. Das 20. Jahrhundert in Wort, Bild, Film und Ton, Die 30er Jahre,
Coron Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2004, S. 63.
[82] Vgl. die Gespräche mit den Zeitzeugen Hilde Mlotek vom 9. 12. 2003 und Anton Stryakowski vom
17. 2. 2003.
[83] Neuhof war damals noch dicht besiedelt. Es wohnten dort auch viele Katholiken.
[84] „Versehgang“ wurde der Hausbesuch der Geistlichen bei Kranken und Sterbenden genannt, bei dem die
Geistlichen das Sakrament der Krankensalbung“ spendeten, das heißt, sie „versahen“ den Kranken mit der
Hostie (= mit dem „Leib des Herrn“) und salbten seine Stirn mit geweihtem Öl.
[85] Der „Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder“ übernahm folgende Aufgaben:
1. Stützung erziehungsschwacher Familien,
2. Hilfe für Kinder aus zerrütteten und geschiedenen Ehen,
3. Hilfe für uneheliche Kinder und Mütter,
4. Zusammenarbeit mit den zuständigen staatlichen Stellen,
5. Übernahme von „Schutzaufsichten“, Pflegschaften und Vormundschaften,
6. Beschaffung und Kontrolle von Pflegestellen, Aufnahme in Erziehungsheimen, Adoptionsvermittlung,
7. Jugendgerichtshilfe, Gefährdetenfürsorge,
8. Fürsorge für straffällig gewordene weibliche Jugendliche und Frauen, besonders nach Verbüßung der
Strafe (Haft).
Die Ortsgruppe des Fürsorgevereins in der Bonifatiusgemeinde arbeitete - nach den Quellen im Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Fürsorgefälle“ - auch in der NS-Zeit mit den zuständigen
Beamten der Stadt Harburg-Wilhelmsburg (ab 1937 Hamburg) zusammen. Der Verein bestand - auch in der
Bonifatiusgemeinde - nach 1945 weiter. 1968 erfolgte die Umbenennung in „Sozialdienst katholischer
Frauen“. Der Verein ist heute ein Fachverband im Deutschen Caritas-Verband.
[86] Wenn die Bonifatiusgemeinde finanzielle Hilfen vom Deutschen Caritas-Verband in Anspruch nehmen
wollte, dann musste in St. Bonifatius ein „Caritasverein“ bestehen. Die Aktivitäten der Mitglieder bestanden
1. in der monatlichen Beitragszahlung (die Beitragshöhe lag 1935 zwischen 0,15 RM und 5,- RM monatlich;
die Beitragseinnahmen wurden an den Caritas-Verband abgeführt),
2. in der Organisation und persönlichen Teilnahme an der alljährlichen Haus- und Straßensammlung der
Deutschen Caritas,
3. in der Aufstellung und Kontrolle des Berichtes über die caritative Arbeit in der Bonifatiusgemeinde, der
alljährlich an den Caritas-Verband der Diözese Hildesheim geschickt werden musste.
[87] So formulierte der Zeitzeuge Albin Lisiewicz in dem Gespräch vom 27. 1. 2004
[88] Vgl. die Gespräche mit den Zeitzeugen Albin Lisiewicz und Erna Nowacki.
[89] Vgl. Stichwort „Kolpingfamilie“ im Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, 1961. Im September 1933
war der Katholische Gesellenverein nach dem Führerprinzip zur Deutschen Kolpingfamilie umgestaltet
worden. Reichspräses war 1934 und in den folgenden Jahren Albert Büttner. Vgl. Besier, G., Die Kirchen
und das Dritte Reich, a. a. O., S. 712
[90] Vgl. Gespräch mit Pfarrer i. R., Joachim Ernst, vom 1. 4. 2004
[91] Vgl. Gespräch mit Anton Stryakowski vom 17. 12. 2003
[92] Vgl. Krebs, Josef, Chronik … , a. a. O., S. 28. Dort ist zu lesen: „Im Jahre 1928 wurde unter Herrn Pastor
Schmidts die Warmluftheizung eingebaut. … Die Gesamtkosten konnten aus der Kirchenkasse gedeckt
werden, sie betrugen 5.231,85 Reichsmark.“
[93] Vgl. das Gespräch mit Albin Lisiewicz vom 27.1. 2004 und das Gespräch mit Hilde Mlotek vom 9.12. 2003.
[94] Das Schreiben des Arbeitsamtes Hamburg an den Kirchenvorstand St. Bonifatius und das Zeugnis für
Frieda Kayser finden sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Schriftwechsel bis 1968“.
[95] Ende 1936 bezog Hedwig Spiegel ein monatliches Gehalt von 250,- RM. Archiv der Kirchengemeinde
St. Bonifatius, Akte „Jahresrechnungen“
[96] Durch einen Vertrag der katholischen Kirchengemeinden St. Maria in Harburg und St. Bonifatius in
Wilhelmsburg mit der Stadt Harburg-Wilhelmsburg vom 27. 9. 1934 wurden die beiden - zu diesem Zweck
speziell vereidigten - städtischen Beamten Rudolf Schröder und Paul Ulitzka mit der Eintreibung von
Kirchensteuer - Rückständen beauftragt. Die Leitung und Anordnung des Zwangseinzugsverfahrens lag bei
Paul Ulitzka. Die praktische Zwangseinziehung führte der Vollzugsbeamte a. D., Rudolf Schröder, aus.
Vgl. Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Kirchensteuer“. (Die evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinden der Stadt Harburg-Wilhelmsburg hatten gleiche Verträge mit der Stadt).
[97] Vgl. Mitteilung des Pfarrers Krieter an das Bischöfliche Generalvikariat vom 23. 3. 1935 betr. „Neuwahl der
Hälfte der Kirchenvorsteher“. Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Kirchenvorstandswahlen“
[98] Vorsitzender des Kirchenvorstandes ist immer der Pfarrer der Kirchengemeinde.
[99] Vgl. „Konferenzberichte (der Katholischen Schule Wilhelmsburg) von 1927 bis 1960“ und das Kapitel
„Nationalsozialistischer Geist zieht in die katholischen Schulen der Stadt Harburg-Wilhelmsburg ein.“
in: Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor der Katholischen Kirchengemeinde St. Franz-
Josef in Harburg - Wilstorf; … a. a. O., S. 159 ff. Bearbeitung 2012
[100] Vgl. Protokollbuch der Bonifatiusschule „Konferenzberichte 1927 bis 1960“, S. 154 / 155 . Der Lehrer
Richard Rhein referierte in der Lehrerkonferenz vom 3. September 1935 zum Thema „Die Richtlinien für
die rassenpolitische Erziehungsarbeit“. Er legte seinem Vortrag folgende Gliederung zugrunde:
I Einleitung:
Die Gedanken der Erblehre und Rassenkunde sind ein wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen
Weltanschauung; darum der Erlass des Reichsministers für Erziehung und Volksbildung vom 15. 1. 1935,
der Richtlinien für die rassenpolitische Erziehungsarbeit gibt.
II Abhandlung:
A: Zweck und Ziel der Vererbungslehre und Rassenkunde:
Es gilt, Einsicht zu gewinnen, Verständnis zu wecken, Verantwortungsgefühl zu stärken für alle Fragen,
die mit Vererbung, Rasse und Volk zusammenhängen.
B: Fächerung des rassenpolitischen Unterrichts: a) Vererbungslehre (Grundlagen der Rassenkunde;
Mendel- Züchtung der Haustiere und Kulturpflanzen) b) Familienkunde (Ahnen- und Sippschaftstafeln)
c) Erbpflege und Rassenkunde (Folgen rassenpflegerischen Leichtsinns, Gesetz zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses) d) Bevölkerungspolitik.
C: Heranziehen der Unterrichtsfächer zur volkspolitischen Erziehung :
Biologie, Erdkunde, Geschichte, Deutsches Singen, Kunstgeschichte und Leibesübungen
III Schluss: Nicht Belehrung, sondern politische Willensbildung ist das Hauptziel allen rassenpolitischen
Unterrichts.
[101] Am 20. September 1935 ordnete Reichsinnenminister Frick an, dass in allen mittleren und höheren
Schulen die Gesamtzahl der Unterrichtsstunden von 40 auf 33 Stunden herabzusetzen sei, damit auch für
diese Schüler und Schülerinnen der „Staatsjugendtag“ eingerichtet werden könne. Am „Staatsjugendtag“
sollten Übungen und Veranstaltungen der HJ stattfinden. Vgl. Das 20. Jahrhundert, Die Dreißiger Jahre,
a. a., O. S. 67 Der Staatsjugendtag wurde 1936 wieder abgeschafft. Schließlich standen der HJ
wöchentlich zwei aufgabenfreie Nachmittage (mittwochs und samstags) zur Verfügung. Außerdem war an
jedem 1. und 3. Sonntagmorgen HJ-Dienst angesetzt. Vgl. Hamburg im Dritten Reich, a. a., O., S. 270.
[102] Das Zitat stammt aus dem Protokollbuch der Bonifatiusschule „Konferenzberichte 1927 bis 1960“, S. 139.
[103] Erst am 22. 8. 1935 hob Reichskultusminister Rust durch Erlass den Schulgottesdienst als verpflichtende
Veranstaltung der Schulen auf. Vgl. Das 20. Jahrhundert. Die 30er Jahre. a., a., O., S. 63.
[104] Vgl. Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Jahresrechnungen“.
[105] Gespräch mit Jonny Swoboda vom 22. 1. 2004.
[106] Gespräch mit Franz Lota vom 23.11. 2004.
[107] Gespräch mit Karl-Heinz Wellner vom 22. 11. 2004.
[108] Gespräch mit Erna Nowacki vom 5. 2. 2004.
[109] Gespräch mit Karla Pachowiak vom 2. 3. 2004.
[110] Gespräch mit Martha Swoboda vom 22. 1. 2004.
[111] Gespräch mit Alban Lisiewicz vom 27. 1. 2004
[112] Gespräch mit Alban Lisiewicz vom 22. 1. 2004
[113] Vgl. Krebs, Josef, Chronik. Die Aufzeichnung bemerkenswerter Ereignisse der kath. Bonifatiusgemeinde
Wilhelmsburg, 1938, unveröffentlicht, S. 18, Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[114] Frl. Kraushaar war Vorsitzende der Ortsgruppe Wilhelmsburg des „ Katholischer Fürsorgeverein für
Mädchen, Frauen und Kinder“ . Vgl. Akte „Fürsorgefälle“ im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[115] Gespräch mit Hilde Mlotek vom 9. 12. 2003
[116] Vgl. die Gespräche mit Bernhard Kinne vom 2. 2. 2005 und Anton Stryakowski vom 17. 2. 2003
[117] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Caritas; Korrespondenz 1925 bis 1958“
[118] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Kirchenvorstandwahlen“
[119] Krebs, Josef, Chronik. Die Aufzeichnung bemerkenswerter Ereignisse der katholischen
St. Bonifatiusgemeinde Wilhelmsburg, S. 31, Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[120] Mit der Hand geschriebener Text, aufbewahrt in der Chronik der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[121] Vgl. Besier, Gerhard, Die Kirchen und das Dritte Reich. Spaltungen und Abwehrkämpfe 1934 -1937,
Propyläen, Econ Ullstein List Verlag, Berlin-München, 2001, S. 142 ff.
[122] Vgl. Wistrich, Robert, Wer war Wer im Dritten Reich, Harnack -Verlag, München 1983,
Baldur von Schirach = Reichsjugendführer; Alfred Rosenberg = Autor der „ 2. Bibel“ des
Nationalsozialismus „Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts.“ Ab 1934 war Rosenberg
Hitlers „Beauftragter für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung“;
Josef Goebbels = Minister für Volksaufklärung und Propaganda;
Richard Walter Darré = Reichsbauernführer, Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.
[123] zitiert nach Besier, Gerhard, a. a .O. S. 136
[124] Vgl. zum Folgenden das Gespräch mit Karla Pachowiak vom 2. 3. 2004
[125] Das Aufstellen der Figur eines afrikanischen Kindes zum Zwecke der Spendensammlung für die
christliche „Heidenmission“ war damals und bis Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts
in den meisten katholischen Kirchen Deutschlands üblich.
[126] Vgl. das Gespräch mit der Zeitzeugin Hedwig Wollersen vom 31. 3. 2004
[127] Postkarte des Otto Krieter vom 22. 12. 1935, Privatarchiv Ulrich Krieter
[128] Vgl. Gespräch mit Renate Bergmann, geb. Deinert, vom 28. 11 .2006. Die Zeitzeugin erlebte
die Kindersegnung in den 50er Jahren. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die „Kindersegnung“
im Jahre 1935 genauso ablief. Einige ältere Zeitzeugen bestätigten mir meine Vermutung.
[129] Recker, K.-A., Wem wollt ihr glauben? Bischof Berning im Dritten Reich, Paderborn 1998, S. 118
[130] Der Text ist veröffentlicht bei Müller, Hans (Herausgeber) Katholische Kirche und Nationalsozialismus,
dtv, Dokumente, München 1965, Dokument Nr. 124
[131] Vgl. Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, a. a. O. , S. 126
[132] Dokument Nr. 129 in Müller, Hans, Katholische Kirche und Nationalsozialismus, a. a. O., S. 316.
[133] Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates, Seelmeyer, vom 27. 2. 1935, Nr. 2254, Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Rundschreiben kirchlicher Behörden 1920 bis 1944“
[134] Innerhalb des „Parteitages der Freiheit“ (Beginn: Dienstag, 10. 9. 1935)) - stimmte der Reichstag am
14. 9. 1935 in Nürnberg dem Flaggengesetz zu. Die Hakenkreuzflagge wurde Reichs- und Nationalflagge.
Vgl. Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, a. a. O. , S. 658 ff.
[135] Zitat aus dem Gespräch mit Uwe Fittkau am 20.3. 2004. Mit dem „Umbau der Kirche in den letzten
Jahren“ ist die Restaurierung der Bonifatiuskirche im Jahre 1966 gemeint.
[136] Akte „Jahresrechnungen“ im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius.
[137] Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates, i. V. Seeland, Nr. 10806, 29. 10. 1935 in: Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Rundschreiben kirchlicher Behörden 1920 bis 1944“.
[138] Bistumsarchiv Hildesheim, Generalvikariat, Nr.1089, 29. 1. 1935.
[139] Die drei Spitzenverbände - Centralausschuss der Inneren Mission, Deutscher Caritasverband und
Deutsches Rotes Kreuz - hatten sich 1933 mit der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) zur
„Reichsarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“ zusammenschließen müssen. Die Führung der
Arbeitsgemeinschaft lag beim Leiter des „Amt für Volkswohlfahrt bei der Obersten Leitung der
Parteiorganisation der NSDAP, Berlin.“ Als Ziel der Reichsarbeitsgemeinschaft war im März 1934 „die
Sicherstellung der einheitlichen und planwirtschaftlichen Gestaltung der gesamten Wohlfahrtsausgaben
im Sinne des nationalsozialistischen Staates“ festgelegt worden. Vgl. Akte „Caritas“ im Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius und Engfer, Hermann, Caritas, Kollekten und kirchliche Sammlungen“,
in: Das Bistum Hildesheim 1933-1945. Eine Dokumentation., a. a. O. , S. 489 ff.
[140] Schreiben der NSDAP, Gauleitung Ost-Hannover, Amt für Volkswohlfahrt, Kreis Harburg - Wilhelmsburg,
Stadt, vom 6.Oktober 1934 , Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Gemeindehaus 192 -1949“.
[141] Vgl. Stegmann, Dirk, Aufstieg und Herrschaft der NSDAP in Harburg, 1922- 1937,
in: Harburg. Von der Burg zur Industriestadt, a. a. O., S. 449 ff.
[142] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Gemeindehaus 1928 -1949“
[143] Eine Abschrift des beantworteten Fragebogens befindet sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius,
Akte „Caritas, Korrespondenzen 1925-1958“
[144] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Caritas, Korrespondenzen 1925-1958“
[145] Schreiben des Pfarrers Krieter an die NSV, Ortsgruppe Kirchdorf, vom 3. 4. 1936. Akte „Caritas,
Korrespondenzen 1925 -1958“
[146] Von den Vorbereitungen, die bei einem Bischofsbesuch üblich waren, berichteten die Zeitzeugen Martha
und Jonny Swoboda in den Gesprächen vom 22. 1. und 6. 3. 2004
[147] Vgl. zum Bischofsbesuch die Chronik der Katholischen Kirchengemeinde St. Maria, S. 112 ff.
[148] Vgl. Krieter, U., Karl-Andreas Krieter, Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz- Josef
in Harburg - Wilstorf … a. a. O. , Bearbeitung 2012, S. 81 ff.
[149] Die „Cappa magna“ ist ein Mantel mit langer Schleppe und großer Kapuze. Die „Cappa magna“ wurde
früher von Bischöfen und Kardinälen beim feierlichen Einzug in die Kirche und beim Auszug getragen.
Heute ist die „Cappa magna“ nur noch selten in Gebrauch.
[150] Vgl. Krebs, Maria, Der Kampf um die konfessionelle Schule. in: Das Bistum Hildesheim
1933-1945, Eine Dokumentation, a., a., O., S. 152 und Besier, G. Die Kirchen und das Dritte Reich,
a. a. O., S. 144 ff.
[151] Archiv der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Schule 1904 bis 1940“. Als Simultanschule
bezeichnete man eine Schule, in der Kinder sowohl katholischen als auch evangelischen Bekenntnisses
und auch Kinder ohne religiöse Bindung unterrichtet wurden.
[152] Bistumsarchiv Hildesheim, Schreiben des BGV, in Vertretung Seeland, Nr. 7677, vom 25. Juli 1935.
[153] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Rundschreiben kirchlicher Behörden 1920 bis 1944“
[154] Der Wortlaut dieses Briefes ist erhalten. Bistumsarchiv - Zn VI 5 (Abschrift von Originalschreiben) X 3,
veröffentlicht in: Das Bistum Hildesheim 1933-1945. Eine Dokumentation, a. a. O., S. 465
Hintergrund des Geschehens war ein Befehl der geheimen Staatspolizei an alle preußischen
Staatspolizeistellen. Danach sollten am 1. 7. 1933 die Geschäftsstellen bestimmter katholischer Verbände
geschlossen werden. Außerdem sollte in allen Kirchengemeinden dem Verdacht strafbarer Handlungen -
insbesondere „Vermögensschiebungen“ - nachgegangen werden. Vgl. Haller, Winfried, Die Aufhebung
der katholischen Organisationen, Vereine und Verbände. in: Das Bistum Hildesheim 1933-1945,
Eine Dokumentation. a. a.O., S. 457- 460
[155] Die Berichte von Martha und Jonny Swoboda sind Zitate aus dem Gespräch vom 22. 1. 2004
[156] Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd. 1, S. 155 / 156
[157] Der Zeitzeuge Albin Lisiewicz berichtete in dem Gespräch vom 27. 1. 2004 : „Es gab in Wilhelmsburg zwei
SA-Stürme. Ein SA-Sturm hatte seinen Sitz bei (der Gastwirtschaft) Hintze, genau hinter der Brücke, die
über den Veringkanal führt, da bei dem heutigen Krankenhaus, also ganz in der Nähe der Bonifatiuskirche.
Der zweite SA-Sturm saß in der Rotenhäuser Straße, an der Kreuzung mit der Georg-Wilhelm-Straße. Das
Gasthaus hieß Schulte… Ich weiß, dass er (Pfarrer Krieter; Anm. d. Verf.) einen guten Kontakt zu dem
SA-Sturm bei Hintze hatte. Und zwar war der Sturmführer da ein „Auch-Katholik“.
[158] Vgl. Dokument 142 in Müller, Hans, Katholische Kirche und Nationalsozialismus, a., a., O., S. 336
[159] Vgl. www.bundesarchiv.de Bearbeiter Georg Eckes, BArch, R 8111 / …
[160] In Harburg-Wilhelmsburg gab es wegen der vollständigen Auflösung der DJK-Vereine keine Äußerungen
des Bedauerns, die schriftlich Niederschlag gefunden hätten. Das erklärt sich erstens dadurch, dass die
damals in Harburg-Wilhelmsburg tätigen Geistlichen - auch Pfarrer Krieter - dem Sport emotional nicht
verbunden waren. Zweitens waren viele DJK-Sportler gleichzeitig Mitglied in den so genannten „weltlichen
Sportvereinen“. Wie der Zeitzeuge Franz Lota in dem Gespräch vom 23. 11. 2004 berichtete, betrieben
viele katholische Jugendliche in der DJK Ergänzungssport und im „weltlichen Sportverein“ Leistungssport.
[161] Dieses Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates Hildesheim ist veröffentlicht in: Das Bistum
Hildesheim 1933-1945. Eine Dokumentation. a., a., O., S. 476
[162] Vgl. das Gespräch mit der Zeitzeugin Gertrud Matzat vom 7.2.2005
[163] Im Protokollbuch der Bonifatiusschule „Konferenzberichte 1927 bis 1960“, S. 151 heißt es:
„Jede 1. Klasse (= jede Abschlussklasse der Volksschule; Anm. d. Verf.) hat einmal im Jahr ein
Landschulheim zu besichtigen.“ Die Besichtigung im Klassenverband sollte möglichst viele Kinder
dazu bringen, nach der Schulentlassung einen freiwilligen „Landjahraufenthalt“ anzutreten“.
Ein Landjahraufenthalt dauerte acht Monate. Die Belegung und Leitung der Heime lag bei der NSV.
[164] Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd. 1, S. 257 / 258.
[165] Zitat aus Flammer, Thomas, Migration und Milieu. Die Auswirkungen von Migration auf
Kirche und Gläubige am Beispiel der Arbeit des `Katholischen Seelsorgedienstes für die Wandernde
Kirche“. In: Hummel, Karl- Joseph / Kösters, Christoph (Hrsg.) Kirchen im Krieg,. Europa 1939-1945,
Schöningh, 2007 , ISBN 978-3-506-75688-6, S. 402.
[166] Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd.1, S. 109 und 115.
[167] Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Kapläne“. Die Geistlichen sollten mit dem Mietauto nach
Tostedt fahren. Die entstehenden Kosten wurden vom Generalvikariat Hildesheim ersetzt. Später
übernahm ein namentlich nicht bekanntes Mitglied der Gemeinde St. Bonifatius kostengünstiger den
Transport des jeweiligen Geistlichen nach Tostedt. Der Mann benutzte sein privates Auto.
[168] Der Zeitzeuge, Pfarrer i. R. Joachim Ernst, berichtete am 1.4. 2004: „Pfarrer Krieter hat - wie das damals
wohl so üblich war - Patres besorgt, die für alle, die eingezogen werden sollten, `Besinnungstage´
machten.“
[169] Vgl. Nowak, Josef, Katholische Situation zwischen 1931 und 1934, in: Das Bistum Hildesheim 1933-1945,
a. a. O., S.62
[170] Vgl. Krieter, Ulrich, Karl-Andreas Krieter, Pastor der Kath. Kirchengemeinde St. Franz-Josef … a. a. O.,
S, 171, Bearbeitung 2012
[171] Bis zu seinem Tode - am 24. Januar 1942 - lebte Dr. Seelmeyer als seelisch gebrochener Mann verborgen in
der Domdechanei Hildesheim. Erst 1971 wurden Beweise veröffentlicht, dass Dr. Seelmeyer unschuldig
und ein Opfer nationalsozialistischer Politik geworden war. Vgl. Nowak, Josef, Der Devisenprozess
Dr. Seelmeyer - Ein Generalvikar ging unschuldig ins Zuchthaus, in: Das Bistum Hildesheim 1933-1945,
Eine Dokumentation, Verlagsbuchhandlung Lax, Hildesheim 1971, S. 507 ff.
[172] Zitat aus Besier, G. , Die Kirchen und das Dritte Reich, a., a., O., S. 160
[173] Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd. 1, S. 112
[174] Im Jahre 1930 wirkte Dr. Groesser bei einer „Missionserneuerung“, das heißt bei einer religiösen
Woche in der St. Franz-Josef-Gemeinde mit. Chronik der Kirchengemeinde St. Franz-Josef, Bd.1, S. 39
„Pallottiner“ nennt sich eine vom Priester V. Pallotti 1834 / 35 gegründete Priestergemeinschaft
ohne Gelübde, aber mit dem Versprechen zum gemeinsamen Leben nach den „evangelischen Räten“ = in
persönlicher Armut, Keuschheit (=Ehelosigkeit) und Gehorsam.
Der St. Raphaelsverein betreute Personen, die aus Deutschland auswandern wollten. Von 1930 bis
1940 war der Pallottiner, Dr. Max-Joseph Groesser, Generalsekretär des St. Raphaelsvereins. Am 22. März
1935 wurde von Bischof Wilhelm Berning, ein „Hilfsausschuss für katholische Nichtarier“ gegründet.
Der Hilfsausschuss hatte eine Arbeitsstelle beim „Caritas-Notwerk“ in Berlin. Die zweite Arbeitsstelle
befand sich beim St. Raphaelsverein in Hamburg. Sie stand unter der Leitung des Dr. Groesser und seines
Assistenten, Wilhelm Nathem. Vgl. Reutter, Lutz-Eugen, Katholische Kirche als Fluchthelfer im Dritten
Reich, Paulus-Verlag, Recklinghausen- Hamburg, 1971, S. 73 ff. und Hermanns, Manfred, Weltweiter
Dienst am Menschen unterwegs, Auswandererberatung und Auswandererfürsorge durch das
Raphaels-Werk 1871 -2011, Palotti Verlag,Friedber(Bayern), 2011, ISBN 978-3-87614-079-7, S. 118 ff.
[175] Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd.1, S. 114
[176] Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Bonifatius , Seite 38
[177] Vgl. Das Bistum Hildesheim 1933-1945. Eine Dokumentation. a. a. O., S. 332 ff.
[178] Schreiben des Bischöflichen Generalvikariates, Offenstein, Nr. 5159, 9. Juni 1936 in Archiv der
Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Rundschreiben kirchlicher Behörden 1929-1944“
[179] In der Kirche durften die Vereinsfahnen gezeigt werden, in der Öffentlichkeit nicht!
[180] Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Bd.1, S. 117 und 118
[181] Handschriftliche Notiz des Pfarrers Krieter in der Chronik der Kirchengemeinde St. Bonifatius. Die Notiz
enthüllt typische sprachliche Schwächen des Pfarrers Krieter.
[182] Gespräch mit den Zeitzeugen Walter und Gertrud Chowanietz vom 8. 2. 2005 und mit dem
Militärpfarrer i. R., Herbert Hölsken, vom 27. 7. 2004
[183] Diese Sammlung brachte in Wilhelmsburg 1051,16 Reichsmark ein. 53 Mitglieder der Gemeinde hatten
sich im Jahr 1935 bereit erklärt, auf der Straße zu sammeln. 27 Mitglieder der Gemeinde waren bereit
gewesen, in den Häusern für die katholische Caritas zu sammeln. 40 Prozent des eingesammelten
Betrages (=420,26RM) wurden an die Bistumskasse Hildesheim überwiesen. Vgl.: „Abrechnung über die
Haus-und Straßensammlung des Deutschen Caritas-Verbandes vom 18.- 24. Mai 1935“ im Archiv
der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Caritas, Korrespondenz 1925- 1959“
[184] Gespräch mit Werner Jonek vom 7. 2. 2005
[185] Gespräch mit Uwe Fittkau vom 20. 3. 2004
[186] Mit „Klingelbeutelgeld“ sind die Münzen - das Kleingeld - gemeint, die von den Gläubigen während der
hl. Messe - bei der Kollekte - in den „Klingelbeutel“ geworfen wurden. Der „Klingelbeutel“ war ein Beutel
aus Leder oder festem Textilmaterial, an dessen oberen Rand eines oder mehrere Glöckchen befestigt
waren.
[187] Gespräch mit Peter Walczak vom 23. 1. 2004
[188] Gespräch mit Hilde Mlotek vom 9. 12. 2003
[189] Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte K.-A. Krieter, Schreiben vom 6. 12. 1934
[190] Die Erklärung findet sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius, Akte „Ehedispensen“
[191] Gespräch mit Martha und Jonny Swoboda vom 22. 1. 2004.
[192] Gespräch mit Hilde Mlotek vom 9. 12. 2003.
- Arbeit zitieren
- Ulrich Krieter (Autor:in), 2010, Karl-Andreas Krieter. Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hamburg-Wilhelmsburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145697
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