Der vorliegende Unterrichtsentwurf beinhaltet alle für die Unterrichtsstunde nötigen Komponenten. Dazu zählt sowohl eine didaktische Analyse als auch eine Sachanalyse. Anhand einer übersichtlichen Strukturskizze kann der Verlauf der Unterrichtsstunde gut nachvollzogen werden. Auch das passende Tafelbild ist selbstverständlich mit dabei. Die Stunde wurde im Jahr 2008 im Rahmen einer Prüfungslehrprobe in der 11. Klasse eines bayerischen Gymnasiums durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
1. Didaktische Vorüberlegungen
1.1 Die Stellung der Stunde im Lehrplan
1.2 Die Stellung der Stunde im Unterrichtszusammenhang
1.3 Sachanalyse
2. Planung der Stunde
2.1 Ziele der Unterrichtsstunde
2.2 Didaktische Anmerkungen
2.3 Begründung der Arbeits- und Sozialformen
2.4 Begründung des Medieneinsatzes
2.5 Geplanter Verlauf der Stunde
2.6 Geplantes Tafelbild
3. Literaturangaben und Internetquellen
4. Anlagen
1. Didaktische Vorüberlegungen
1.1 Die Stellung der Stunde im Lehrplan
Der Lehrplan der 11. Jahrgangsstufe fordert eine Beschäftigung mit der Literatur des 20. Jahrhunderts. Neben den Prosaformen Roman und Erzählung stehen parabolische Formen bzw. die Formen der Gleichnisrede im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens. Dabei ist darauf zu achten, unterschiedliche parabolische Formen mit einzubeziehen. Der Lehrplan sieht dabei insbesondere das biblische Gleichnis, die didaktische sowie die verrätselte Parabel vor.[1]
Viele Schriftsteller der Moderne zeigen in ihrem Werk eine Vorliebe für die Parabel. Neben dem wohl bekanntesten Verfasser verrätselter Parabeln – Franz Kafka – ist Bertolt Brecht ein bedeutender Autor didaktischer Parabeln. Seine „Geschichten vom Herrn Keuner“ weisen auch heute noch eine hohe gesellschaftliche Bedeutung auf und stellen aufgrund ihres gehobenen Anspruchs und Gehalts einen sinnvollen Unterrichtsgegenstand für den Deutschunterricht der Oberstufe dar. Der in der vorliegenden Unterrichtseinheit behandelten Parabel „Maßnahmen gegen die Gewalt“ kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, da es sich bei ihr um eine anspruchsvolle und in der Literaturwissenschaft viel diskutierte Parabel handelt, die bereits viele Wissenschaftler zu kontroversen Interpretationen herausgefordert hat.
1.2 Die Stellung der Stunde im Unterrichtszusammenhang
Die Lehrprobenstunde (09.05.2008) mit dem Thema „Maßnahmen gegen die Gewalt“ stellt eine Unterrichtseinheit in der Unterrichtssequenz „Parabolische Texte des 20. Jahrhunderts“ dar. Mit der Thematik der Parabel wurden die Schüler anhand des biblischen Textes „Das Gleichnis vom Sämann“ vertraut gemacht. Dieser diente dazu, wesentliche Merkmale dieser Textsorte, insbesondere die Strukturierung in Bild- und Sachebene, herauszuarbeiten.
Mit dem Text „Heimkehr“ begegneten die Schüler erstmals einer Parabel Franz Kafkas. Diese wurde auf ihre Struktur hin untersucht und auch unter Einbeziehung von Kafkas Biographie interpretiert. In den beiden Folgestunden untersuchten die Schüler weitere Parabeln. Der Kafka-Text „Auf der Galerie“ wurde mit dem Text „Ovation“ von Robert Walser verglichen. Anhand der Texte „Das Wiedersehen“ und „Wenn die Haifische Menschen wären“ lernten die Schüler zwei Beispiele von Bertolt Brecht aus der Reihe der „Geschichten vom Herrn Keuner“ kennen. Die Lehrprobe behandelt die Brecht-Parabel „Maßnahmen gegen die Gewalt“. Zum Abschluss der auf sieben Stunden angelegten Unterrichtssequenz wird in der ersten Stunde nach den Pfingstferien der Film „Parabel“ analysiert, ein Beispiel für eine verrätselte Parabel.
1.3 Sachanalyse
In der Zeit-Bibliothek der 100 Bücher wird die Wirkung von Brechts Keuner-Texten folgendermaßen beschrieben: „Man kann sich vom fast schwerelosen Witz dieser moralischen Geschichten verzaubern lassen“[2]. An einer anderen Stelle heißt es: „Man kann sich über ihre Kälte, ihre Kokettheit, ihre dandyhafte Beziehung zur Pointe (nur das Ausgefallene ist gut genug) ärgern.“[3]
Die letzte Ausgabe der „Geschichten vom Herrn Keuner“ besteht aus 87 Texten. Sie wurden von Brecht im Zeitraum zwischen Ende der 20er Jahre und seinem Todesjahr 1956 verfasst. Das Wort „vom“ im Titel der Textsammlung lässt die Frage offen, ob es sich um Geschichten handelt, die Herr Keuner erzählt, oder um Geschichten, die von Herrn Keuner handeln. Die Abkürzung Herr K. wurde von Brecht erst nach dem Exil eingeführt, hat jedoch nachträglich bei der Überarbeitung früherer Geschichten auch in diese Einzug gehalten. Literaturwissenschaftler haben sich mit der Bedeutung des Namens „Keuner“ auseinander gesetzt; einige Punkte deuten darauf hin, dass ein so genannter sprechender Name vorliegt. So handelt es sich beispielsweise bei „koiner“ um die schwäbische Form des Wortes „keiner“. Andere Wissenschaftler vermuten hinter dem Begriff „Keuner“ das griechische Wort koinós, das so viel bedeutet wie „das Allgemeine, alle Betreffende“. Für die letztgenannte These spricht die Tatsache, dass Keuner in der Urfassung des „Galilei“ in Gestalt des Philosophen „Keunos“ vorzufinden ist[4].
Von zahlreichen Literaturwissenschaftlern werden die Keunergeschichten der Gattung der didaktischen Parabel zugeordnet, da den meisten der Texte ein offensichtlicher didaktischer Gedanke innewohnt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es Brecht wohl nicht darauf ankam, fertige Lösungen zu philosophischen, ethischen oder sozial-politischen Themen anzubieten, sondern den Leser zum Denken anzuregen. Brecht selbst, der die Texte unter dem Begriff „Kalendergeschichten“ veröffentlichte, definierte diese als „kurze, volkstümliche, meist realitätsbezogene Erzählung[en], oft unterhaltend und stets didaktisch orientiert.“[5]
Der Aufbau des Textes „Maßnahmen gegen die Gewalt“ wird häufig als „Parabel in der Parabel“ charakterisiert. Zunächst soll im Folgenden der Inhalt in knapper Form nachgezeichnet werden:
Herr Keuner, der Denkende, spricht sich vor seinen Schülern gegen die Gewalt aus, und als diese dann hinter ihm in personifizierter Form auftritt, weichen die Leute zurück. Auf die Frage der „Gewalt“ nach dem Inhalt seiner Rede antwortet er, er habe sich für die Gewalt ausgesprochen. Seine Schüler fragen ihn nach seinem „Rückgrat“, worauf Keuner sagt, er habe „kein Rückgrat zum Zerschlagen“, gerade er müsse „länger leben als die Gewalt“. Darauf erzählt er eine Geschichte, in der zu Herrn Egge, der gelernt hat, „nein“ zu sagen, in der Zeit der „Illegalität“ ein Agent kommt, der sich durch einen Schein ausweist und von ihm unter anderem Verköstigung verlangt. Als der Agent sich nach dem Essen und Waschen niedergelegt hat, fragt er, mit dem Gesicht zur Wand liegend, Herrn Egge, ob dieser ihm dienen werde. Daraufhin versorgt Egge den Agenten mit Essen, bewacht seinen Schlaf und vertreibt die Fliegen. Dies tut er schweigend, sieben Jahre lang, bis der Agent, dick geworden vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen, stirbt. Egge schleift den Toten aus dem Haus, atmet auf und antwortet nun mit dem Wort „nein“.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Verhalten einzelner Personen gegenüber der (politischen) Gewalt. Sowohl die in der Keuner- als auch die in der Egge-Geschichte dargelegten „Maßnahmen“ haben das private Überleben als Ziel und stellen eine Absage an den aktiven Widerstand in dieser Situation dar. Das individuelle Märtyrertum gilt in beiden Teilen also nicht als Maßnahme gegen die Gewalt. Keuners und Egges Verhalten weist einige Gemeinsamkeiten auf: Beide bringen angesichts der Gewalt nicht ihre innere Einstellung zum Ausdruck: Während Keuner sich der Lüge bedient, bevorzugt es Egge, zu schweigen und zu gehorchen, während er seine innere negative Einstellung zu der Gewalt beibehält und sie durch seinen vermeintlichen Dienst überlistet. So vermag Keuner durch die Egge-Geschichte sein Verhalten zu erklären: Bei der Konfrontation mit der Gewalt sind seiner Meinung nach die Mittel des inneren Widerstands und der Überlistung sinnvoller als aktiver Widerstand. Nichtsdestotrotz zeigt der Text keine echten Maßnahmen gegen Gewalt auf, was die Überschrift eigentlich vermuten ließe. Vielmehr handelt es sich im Text um eine Überlebensstrategie, welche durchaus in Frage gestellt werden kann: Egge erfüllt die Forderungen des Agenten und dient ihm sogar über diese hinaus[6], ohne sich dabei verbal zu widersprechen. Laut Wöhrle ist die Haltung des Herrn Egge zu kritisieren, da bei ihm die gelernte Fähigkeit („Nein-Sagen“) in einer konkreten Situation („Willst du mir dienen?“) nicht in aktuelles Handeln umschlägt.[7] Hinzu kommt die Tatsache, dass der Agent eine relativ harmlose Form der Gewalt zu verkörpern scheint, da er den Eindruck macht, selbst an seiner Autorität zu zweifeln, wenn er fragt: „Willst du mir dienen?“. Des Weiteren bietet der Agent seinem Kontrahenten die Möglichkeit, ihn zu überwältigen, wenn er sich „mit dem Gesicht zur Wand“ niederlegt.
Allerdings sollte auch Abstand davon genommen werden, das Verhalten des Herrn Egge als opportunistisches Handeln moralisch zu verurteilen. Vielmehr gilt es, die Problematik des inneren Rückzugs vor der Gewalt im Sinne einer „inneren Emigration“ am vorliegenden Beispiel zu überprüfen. In der Parabel genießt das Überleben für Keuner (und auch für Egge) oberste Priorität: Er hat kein Rückgrat zum Zerschlagen. Es stellt sich die Frage: Wozu hat er sein Rückgrat dann? Keuner spricht als „Denkender“ die Wahrheit über die Gewalt aus und hält es für wichtig, gegen das herrschende System zu kämpfen. Gerade er muss länger leben als die Gewalt, da er in den Zeiten nach der Gewaltherrschaft gebraucht wird, wenn Neues entstehen soll.
[...]
[1] Vgl. www.isb.bayern.de (G9-Lehrplan für das Fach Deutsch, 11. Jahrgangsstufe) (27.4.2008)
[2] Henrichs, S. 438
[3] Ebd.
[4] vgl. Müller (1980), S. 103
[5] Schweikle (1990), S. 222
[6] vgl. Wöhrle (1989), S. 51
[7] vgl. ebd.
- Arbeit zitieren
- Wolfgang Kulzer (Autor:in), 2008, Unterrichtsstunde zu Bertolt Brecht: Maßnahmen gegen die Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145595
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