«L' Orient ne doute jamais de rien; tout y est possible» (Nerval 1984: 445). Dieses Zitat aus Gérard
de Nervals Voyage en Orient spiegelt das mystifizierte Bild des Orients wieder, das im 19.
Jahrhundert in Europa vorherrschte. In der Reiseliteratur, die damals zu einem beliebten Genre
avancierte, zeugen zahlreiche Berichte von einer regelrechten „Orientalomanie“ (vgl. Ueckmann
2001: 52; 104). Vor Nerval schrieben bereits de Lamartine und Chateaubriand einen Voyage en
Orient, weitere gleichnamige Werke von Flaubert und anderen sollten folgen. Im Gegensatz zu
diesen kanonisierten Werken, fanden die Reiseberichte von Schriftstellerinnen wesentlich weniger
Beachtung in der Öffentlichkeit.
Reiseberichte bieten einen interessanten Ansatzpunkt, um die Wahrnehmung einer fremden
Kultur zu analysieren, aber auch um sich mit der unfreiwilligen kulturellen Selbstdarstellung der
Kultur des Autors auseinanderzusetzen, die unweigerlich in jedem Reisebericht impliziert ist (vgl.
Ueckmann 2001: 51).
In dieser Arbeit soll das Frauenbild in Gérard de Nervals Voyage en Orient (erschienen 1851)
und Suzanne Voilquins Souvenirs d'une fille du peuple ou la Saint-simonienne en Égypte
(veröffentlicht 1865) analysiert und miteinander verglichen werden.1 Ich habe diese beiden
Reiseberichte ausgewählt, da die beiden Autoren etwa zur gleichen Zeit, in den 1830er und 1840er
Jahren, das gleiche Land, Ägypten bereisten. Aufgrund ihrer sozialen und geschlechtsspezifischen
Vorraussetzungen, sind ihre Sichtweisen jedoch unterschiedlich geprägt. Besonders interessant ist
die Analyse des Frauenbilds in den beiden Reiseberichten, da es ein Ziel sowohl Nervals als auch
Voilquins war, die Rolle und Lebensweise der Orientalinnen zu erforschen (vgl. Hout 1997: 190;
Voilquin 1978: 273). Ich gehe in der gesamten Arbeit zuerst auf Nerval ein, da sein Voyage als
kanonisiertes Werk, den typischen Kriterien des damaligen Reiseberichts entspricht.
Zum besseren Verständnis der Berichte werde ich im zweiten Kapitel zunächst auf die
Ausgangspositionen der beiden Autoren und ihrer Reisen eingehen. Dann erläutere ich im dritten
Kapitel, als Grundlage für die Analyse der Fremdbilder in beiden Werken, den
Konstruktionscharakter von Reiseberichten, anhand der Konzepte von Foucault und Said. Vor
diesem Hintergrund analysiere ich in den folgenden Kapiteln das Frauenbild in Nervals Voyage und
Voilquins Souvenirs. Ein Vergleich der beiden Frauenbilder und eine kurze Zusammenfassung
schließen die Arbeit ab.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ausgangspositionen der beiden Reisen und Berichte
- Zeitlicher Rahmen
- Gesellschaftlicher Hintergrund Nervals und Voilquins
- Zielsetzungen der Reisen
- Bedingungen für das Verfassen der Reiseberichte
- Die Konstruktion des Fremden
- Reiseberichte als Konstruktion
- Saids Konzept des Orientalism
- Sexualisierung des Orients
- Das Frauenbild in Nervals Voyage
- Das Frauenbild in Voilquins Souvenirs
- Vergleich der Frauenbilder in den beiden Reiseberichten
- Europäischer Blickwinkel
- Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Sicht der Orientalinnen
- Verschiedene Wahrnehmung der Geschlechterrollen
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert und vergleicht das Frauenbild in Gérard de Nervals „Voyage en Orient“ und Suzanne Voilquins „Souvenirs d'une fille du peuple ou la Saint-simonienne en Égypte“. Die Arbeit untersucht, wie die beiden Autoren, die in den 1830er und 1840er Jahren Ägypten bereisten, die Rolle und Lebensweise der Orientalinnen wahrnahmen.
- Die Konstruktion des Fremden in Reiseberichten
- Das Frauenbild in Nervals „Voyage en Orient“
- Das Frauenbild in Voilquins „Souvenirs d'une fille du peuple“
- Der Einfluss von gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Hintergründen auf die Wahrnehmung des Orients
- Ein Vergleich der Frauenbilder in den beiden Reiseberichten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in das Thema ein und stellt den Kontext des Orientalismus im 19. Jahrhundert dar.
Das zweite Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen Ausgangspositionen der beiden Autoren und ihrer Reisen. Es wird auf den zeitlichen Rahmen, den gesellschaftlichen Hintergrund und die Ziele der Reisen eingegangen.
Das dritte Kapitel behandelt den Konstruktionscharakter von Reiseberichten und die Rolle des Orientalismus in der Konstruktion des Fremden.
Das vierte Kapitel analysiert das Frauenbild in Nervals „Voyage en Orient“ und untersucht verschiedene Aspekte wie die Glorifizierung der Orientalinnen, die Stellung der Frau in der ägyptischen Gesellschaft und das rassistische Frauenbild.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem Frauenbild in Voilquins „Souvenirs d'une fille du peuple“ und betrachtet die Kritik an Orientalinnen, die Stellung der Ägypterinnen, das rassistische Schönheitsideal und das zwiespältige Bild der Ägypterinnen.
Das sechste Kapitel vergleicht die Frauenbilder in den beiden Reiseberichten und analysiert den europäischen Blickwinkel, die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Sicht der Orientalinnen und die verschiedenen Wahrnehmung der Geschlechterrollen.
Schlüsselwörter
Orientalismus, Reisebericht, Frauenbild, Ägypten, Nerval, Voilquin, Saint-Simonismus, Fremdbild, Konstruktion, Kultur, Gesellschaft, Geschlecht, Rasse, Orientalinnen, Europa.
- Quote paper
- Susanne Held (Author), 2006, Das Frauenbild in Gérard de Nervals 'Voyage en Orient' und Suzanne de Voilquins 'Souvenirs d'une fille du peuple ou la Saint-Simonienne en Egypte 1834-1836', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145418