Am 28.02. 2009 konnte man folgende Überschrift in der Zeitung lesen:
„Deutsche Telekom. Tarifverhandlungen gescheitert. Die Tarifverhandlungen für die rund 83 000 Telekom-Beschäftigte werden abgebrochen. Nun ruft die Gewerkschaft ver.di die Schlichtung an.“
Wie man aus dieser Überschrift erkennen kann führt ein Scheitern der Tarifverhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht automatisch zu Arbeitskämpfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In den überwiegenden Fällen kommen Tarifverträge ohne die Arbeitskampfmittel Streik und Aussperrung aus, denn oft können die unterschiedlichen Forderungen der Tarifparteien durch Schlichtungsverfahren friedlich gelöst und damit eine Einigung der Parteien erzielt werden. (Gamillscheg, 1997, S. 1298). Hierbei kommt der im Artikel erwähnten Schlichtung in den kollektiven Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine entscheidende Rolle zu. Verschafft man sich über alle Schlichtungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland einen Überblick, so ist zu erkennen, dass von der Möglichkeit einer staatlichen Schlichtung nur noch sehr beschränkt Gebrauch gemacht wird. Ganz im Vordergrund stehen heute tarifliche Schlichtungsabkommen (Löwisch, 2007, S. 76). Das Schlichtungswesen steht in unserem System in unmittelbaren Zusammenhang mit den bei uns gültigen Grundsätzen der Tarifautonomie und der Arbeitskampffreiheit, womit ihm in der kollektiven „Arbeitsverfassung“ der Bundesrepublik eine zentrale Aufgabe zukommt (Rüthers, 1973, S. 9).Wie ist es also zu diesem Verständnis gekommen? Was macht den Erfolg der tariflichen Schlichtung gegenüber anderen Verfahren aus?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit genau diesen Fragen. Hierzu werden zunächst die wichtigsten Grundformen und Aufgaben der Schlichtung dargestellt und der in der Arbeit verwendete Schlichtungsbegriff definiert. Anschließend wird die Entwicklung von den Anfängen bis zum heutigen Schlichtungswesen anhand von historischen Eckpunkten vorgestellt. Abschließend sollen Vorteile der Schlichtung dargestellt werden, die versuchen den Erfolg der Schlichtung bis in unsere Zeit zu erklären.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Schlichtungsbegriff
2.1 Definition
3. Entwicklung des heutigen Schlichtungswesens
3.1 Anfänge des Schlichtungswesens
3.1.1 Erste freie Schlichtungsstellen
3.1.2 Erste Staatliche Schlichtungsstellen
3.2 Der Einfluss des ersten Weltkrieges auf die Schlichtung
3.3 Die Schlichtung in der Weimarer Republik
3.3.1 Staatliche Eingriffe in die Tarifautonomie
3.3.2 Das Verhalten den Tarifpartner
3.3.3 Die Auflösung des tariflichen Schlichtungswesens
3.4 Die Zeit nach dem II Weltkrieg
3.4.1 Staatliche Schlichtung
3.4.2 Vereinbarte Schlichtung
4 Erfolgsfaktoren der Schlichtung
4.1 Der neutrale Dritte
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Am 28.02. 2009 konnte man folgende Überschrift in der Zeitung lesen:
„Deutsche Telekom. Tarifverhandlungen gescheitert. Die Tarifverhandlungen für die rund 83 000 Telekom-Beschäftigte werden abgebrochen. Nun ruft die Gewerkschaft ver.di die Schlichtung an.“
Wie man aus dieser Überschrift erkennen kann führt ein Scheitern der Tarifverhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht automatisch zu Arbeitskämpfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In den überwiegenden Fällen kommen Tarifverträge ohne die Arbeitskampfmittel Streik und Aussperrung aus, denn oft können die unterschiedlichen Forderungen der Tarifparteien durch Schlichtungsverfahren friedlich gelöst und damit eine Einigung der Parteien erzielt werden. (Gamillscheg, 1997, S. 1298). Hierbei kommt der im Artikel erwähnten Schlichtung in den kollektiven Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine entscheidende Rolle zu. Verschafft man sich über alle Schlichtungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland einen Überblick, so ist zu erkennen, dass von der Möglichkeit einer staatlichen Schlichtung nur noch sehr beschränkt Gebrauch gemacht wird. Ganz im Vordergrund stehen heute tarifliche Schlichtungsabkommen (Löwisch, 2007, S. 76). Das Schlichtungswesen steht in unserem System in unmittelbaren Zusammenhang mit den bei uns gültigen Grundsätzen der Tarifautonomie und der Arbeitskampffreiheit, womit ihm in der kollektiven „Arbeitsverfassung“ der Bundesrepublik eine zentrale Aufgabe zukommt (Rüthers, 1973, S. 9).Wie ist es also zu diesem Verständnis gekommen? Was macht den Erfolg der tariflichen Schlichtung gegenüber anderen Verfahren aus?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit genau diesen Fragen. Hierzu werden zunächst die wichtigsten Grundformen und Aufgaben der Schlichtung dargestellt und der in der Arbeit verwendete Schlichtungsbegriff definiert. Anschließend wird die Entwicklung von den Anfängen bis zum heutigen Schlichtungswesen anhand von historischen Eckpunkten vorgestellt. Abschließend sollen Vorteile der Schlichtung dargestellt werden, die versuchen den Erfolg der Schlichtung bis in unsere Zeit zu erklären.
2 Der Schlichtungsbegriff
2.1 Definition
Der Schlichtungsbegriff wird in der Literatur auf viele verschiedene Weisen definiert. Diese Definitionen unterscheiden sich sowohl im Laufe der Geschichte, als auch in verschiedenen Ländern zum Teil gravierend voneinander. In Deutschland unterscheiden wir heute allgemein in kollektive Interessen- und Regelungsstreitigkeiten, die durch Schlichtungsverfahren gelöst werden, und individuelle sowie kollektive Rechtsstreitigkeiten, die durch Schiedsverfahren[1] gelöst werden. Diese Trennung ist jedoch in Deutschland nicht immer so gewesen, wie diese Arbeit in Kapitel 3 zeigen wird. Deshalb soll in dieser Arbeit ein recht allgemeiner Begriff der Schlichtung verwendet werden. Diese, auf Gerhard Albrecht zurück gehende Definition bietet auf Grund ihrer sehr weitgefassten Formulierung die Möglichkeit die verschiedenen Ausprägungen des Schlichtungswesens unter einen Begriff zu fassen. Mit einer engeren Definition wäre dies nicht ohne weiteres möglich, da damit bestimmte Entwicklungen in der Geschichte schon auf Grund der Definition ausgeschlossen werden würden und somit die Entwicklung nur unzureichend dargestellt werden könnte. Schlichtung wir von Albrecht wie folgt definiert:
„Unter Schlichtung ist der Inbegriff derjenigen Einrichtungen und Maßnahmen zu verstehen, die der friedlichen Beilegung (beziehungsweise dem Versuch der friedlichen Beilegung) von arbeitsrechtlichen Gesamtstreitigkeiten in denjenigen Fällen zu dienen bestimmt sind, in denen die Tarifverhandlungen nicht zum Abschluss einer Gesamtvereinbarung geführt haben.(Albrecht, Wörterbuch der Volkswirtschaft)“
Diese Definition scheint für diese Arbeit geeignet zu sein, da sie alle friedlichen Gesamtstreitigkeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern umfasst.[2] Damit bietet sich die Möglichkeit die historische Entwicklung der kollektiven Streitigkeiten beziehungsweise die Lösung dieser durch die Schlichtung, über ihren Verlauf hin zu beobachten. (Raupach, 1964, S. 31f). Im Folgenden soll nun die Aufgabe der heutigen Schlichtung skizziert werden.
2.2 Aufgaben der Schlichtung
Das Strukturprinzip der Tarifautonomie in Deutschland beinhaltet, dass die Tarifvertragsparteien ihre Streitbedingungen in eigener Verantwortung ohne Intervention des Staates aushandeln können. Der Ausgang der Verhandlungen ist dabei grundsätzlich offen. Eine inhaltliche Reglementierung des Staates ist nicht zulässig[3]. Der Staat ist damit auf die Kooperation der Tarifpartner angewiesen (Keller, 2008, S. 144f). Jedoch benötigen auch autonome Tarifparteien in Tarifkonflikten einen Rahmen, der ihnen hilft ihre Meinungsverschiedenheiten lösen zu können. Da der Staat diese Aufgabe nur in sehr geringem Maße wahrnehmen kann oder will, geschieht dies seit dem Aufkommen der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände in den Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Tarifparteien kommen in dieser ersten Ebene zusammen und versuchen ihre kollektive Arbeitsstreitigkeiten ohne die Anwendung von Arbeitskämpfen zu lösen. Sowohl interne als auch externe Bedingungen können jedoch eine Einigung der Parteien auf dieser Ebene verhindern. Deswegen entwickelten sich weitere Regelungsmechanismen, die verhindern sollten, dass es zu Konflikteskalationen wie Streik oder Aussperrung unmittelbar nach den gescheiterten Tarifverhandlungen kommt. (Lohr, 1982 S. 1). Bei gleichen Zielvorstellungen gibt es jedoch in den Methoden des Konfliktmanagements große Unterschiede. Industrielle Gesellschaften entwickelten verschiedene Systeme um Konflikte zu institutionalisieren und den industriellen Frieden zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. In Deutschland übernimmt diese Aufgabe die Schlichtung. Sie wird als ein letzter Versuch gesehen in den Verhandlungen zwischen Organisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine Einigung zwischen den Parteien ohne Arbeitskämpfe herbeizuführen (Keller, 1973, S. 10ff)
Im Gegensatz zu Schiedsverfahren sind Schlichtungsverfahren heute nicht automatisch bindend, sondern bedürfen meist der Zustimmung der Tarifparteien. Die Schlichtung nimmt eine wesentliche Funktion für die Zielrealisierung wahr. Sie ermöglicht stabile konfliktsteuernde Kooperation und Kompromissfindung und setzt ein Regelungssystem fest, das den Arbeitsfrieden bewahren oder wieder herstellen soll (Keller, 2008, S.152). Auf welche prinzipielle Weise dies geschehen kann, soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden.
2.3 Arten der Schlichtung
Grundsätzlich lässt sich die Schlichtung nach ihrer Rechtsgrundlage in verbandliche und staatliche Schlichtung einteilen. Bei einer verbandlichen[4] Schlichtung beruht die Tätigkeit der Schlichtungsstelle auf einem zwischen den Parteien ausgehandelten Tarifvertrag, der Regelungen über die Vorgehensweise bei Arbeitsstreitigkeiten und damit auch Regel für die Durchführung der Schlichtung enthält. Im Gegensatz hierzu beruht die Tätigkeit einer staatlichen Schlichtungsstelle auf einem Gesetz. (Otto, 2006, S. 427). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Schlichtung nach ihrer Intensität zu unterscheiden. Die schwächte Form ist hierbei die einfache Schlichtung. Diese Form stellt lediglich ein Regelungsinstrument dar, dessen sich die Tarifparteien bedienen können um ihre Streitigkeiten zu beseitigen. Dies ist jedoch eine völlig freiwillige Möglichkeit zu der keiner der beiden Parteien gezwungen werden kann. Hierin unterscheidet sich diese Form auch vom sogenannten Schlichtungszwang. Dieser besagt, dass sich eine Partei auf Verlangen der anderen auf das Schlichtungsverfahren einlassen muss. Es muss jedoch keine verbindliche Lösung des Konfliktes durch die Schlichtungsinstanz erfolgen. Nur in der Zwangsschlichtung, die damit die weitgreifendste Form der Schlichtung darstellt, ist es möglich, dass die Entscheidungsinstanz einen für beide Seiten verbindlichen Schlichtungsspruch aussprechen kann. In den beiden anderen Schlichtungsformen kann ein Schlichtungsspruch nur dann Verbindlichkeit erlangen, wenn sich beide Parteien dem Schlichtungsspruch entweder vorher unterworfen haben, oder diesen nachträglich annehmen (Löwisch, 2007, S.77).
Im folgenden Kapitel soll nun gezeigt werden, wie sich das Schlichtungswesen in Deutschland entwickelt hat. Dabei soll besonderer Wert auf das Rollenverständnis des Staates gegenüber den Tarifpartnern und die verschieden weit ausgedehnten Befugnisse der Schlichtungsinstanzen eingegangen werden.
3. Entwicklung des heutigen Schlichtungswesens
3.1 Anfänge des Schlichtungswesens
3.1.1 Erste freie Schlichtungsstellen
Die Entstehungsgeschichte des Schlichtungswesens steht in unmittelbarer Verbindung mit der historischen Entwicklung der Arbeiterbewegungen des deutschen Reiches. Durch die voranschreitende Industrialisierung und die damit verbundene Möglichkeit der Massenproduktion vollzog sich ein Wandel von Handwerksarbeit zu Fabrikarbeit. Die Zahl unselbständiger Lohnarbeiter stieg stetig. Außerdem vergrößerte die Möglichkeit von nun an auch Frauen und Kindern in den Produktionsprozess einbinden zu können das Angebot von Arbeitskräften erheblich. Es entstand ein Überangebot an Arbeitskräften, was zu einem Ungleichgewicht der Machtverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führte. Durch dieses Ungleichgewicht konnten Unternehmer die individuellen Arbeitsverträge fast nach belieben diktieren. Hieraus ergaben sich unzumutbare Arbeitsbedingungen und ständig sinkende Löhne. Als Reaktion auf diese Entwicklung bildeten sich ab 1849/49 die ersten überregionalen Arbeitnehmerorganisationen, die jedoch im Zuge des Scheiterns der deutschen Revolution schnell wieder zerschlagen wurden. Durch die weiter fortschreitende Industrialisierung in den 1860er Jahren bekam die Bewegung jedoch neuen Aufschwung. Trotz Koalitionsverbot kam es immer mehr zu Zusammenschlüssen der Arbeiter zu Arbeitervereinen (Behning, 1994, S. 6ff). Mit der Bildung dieser Koalitionen entstanden auch die ersten kollektiven Auseinandersetzungen zwischen Koalitionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es gab die ersten organisierten Streiks, deren Ziel es war, bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeiter durchzusetzen. Um derartige Eskalationen zu minimieren wurde es notwendig Institutionen zu schaffen, die diese Auseinadersetzungen regelten und Streitfälle klären sollte. So bestanden am Ende des 19. Jahrhunderts die ersten freiwilligen Schlichtungsstellen, in denen Tarifkonflikte zwischen den Parteien geschlichtet wurden (Königsbauer, 1971, S. 21). Der Fall des Koalitionsverbotes und die Zulassung von Arbeitskampfmaßnahmen im Jahr 1890 bildeten die Grundlage für die Weiterentwicklung des Schlichtungswesens.
3.1.2 Erste Staatliche Schlichtungsstellen
Nach und nach entwickelte sich nun auch das staatliche Schlichtungswesen. Es entstanden gesetzliche Einrichtungen für bestimmte Wirtschaftszweige, die einigen Arbeitnehmergruppen die Möglichkeit boten ihre arbeitsrechtlichen Gesamtregelungsstreitigkeiten und Rechtsstreitigkeiten gütlich zu einigen (Gewerbegerichte, Einigungsämter der Innungen und Kaufmannsgerichte). Diese Einigungsstellen waren paritätisch mit Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzt. Den Vorsitz dabei hatte ein unparteiischer Dritter. Diese Stellen wurden nur bei Anruf beider Konfliktparteien tätig. Ihre Aufgabe bestand darin eine gütliche Einigung der Parteien herbeizuführen. War dies nicht möglich, so wurde dennoch ein Schlichtungsspruch gefällt. Dieser erlangte jedoch nur dann Verbindlichkeit, wenn beide Parteien diesen dann auch annahmen. Das Verfahren war somit auf eine völlig freiwillige Einigung der Parteien ausgelegt. Der Staat gab hier den Parteien die Möglichkeit auf ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Konfliktbewältigung zuzugreifen. Ihm kam somit lediglich eine Unterstützungsfunktion zu (Raupach, 1964, S. 44f.).
[...]
[1] Diese Schiedssprüche werden von den zuständigen Arbeitsgerichten erlassen und sind in der Regel endgültig beziehungsweise verbindlich.
[3] Siehe auch Artikel 9 GG: Koalitionsfreiheit
[4] Neben dem Begriff der verbandlichen Schlichtung werden sowohl in dieser Arbeit als auch in der Literatur synonym die Ausdrücke freie beziehungsweise tarifliche beziehungsweise vereinbarte Schlichtung verwendet.
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