Um die gestellte Aufgabe sinnvoll zu lösen, ist es zunächst erforderlich, die durch das System
gegebene Ausgangsbasis für das impeachment-Verfahren gegen den amerikanischen Präsidenten
und die für das Misstrauensvotum gegen den deutschen Bundeskanzler zu beleuchten.
Das heißt, das Verständnis der einzelnen Institute und das Erkennen der Gemeinsamkeiten,
Ähnlichkeiten und Unterschiede erfordert vorher, dass der jeweilige Rahmen bestimmt, also
die in Frage kommende Staatsform bzw. Staatsorganisation näher beschrieben wird1. Deshalb
werden in dieser Arbeit zunächst kurz die Grundzüge des amerikanischen und des bundesdeutschen
Herrschaftssystems im begrenzten, notwendigen Rahmen dargelegt. Erst dann folgen
– hintereinander, da ein synoptischer Aufbau wenig sinnvoll erscheint – die Erläuterungen
zu den beiden Verfahren. Den Abschluss bilden – sofern überhaupt möglich – der eigentliche
Vergleich und einige mit diesen Instituten zusammenhängende kritische Anmerkungen.
Beiden Staatstypen, dem der USA und dem der Bundesrepublik Deutschland, also den beiden
Staats- und Regierungsformen, ist gemeinsam, dass es sich um Demokratien handelt. Das
heißt, die Regierungsformen entsprechen den Grundsätzen einer liberalen, pluralistischen
Demokratie2, unterscheiden sich aber dennoch grundlegend.
1 Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 242 ff
2 Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 219 ff
Gliederung
A. Vorbemerkung
B. Die Staatstypen
B. I. Die Präsidialdemokratie der USA
B. II. Die parlamentarische Demokratie in Deutschland
C. Impeachment-Verfahren - konstruktives Misstrauensvotum
C. I. Impeachment
C. I. 1. Rechtsgrundlage, Herkunft, Zweck
C. I. 2. Voraussetzungen:
C. I. 3 Verfahren
C. I. 4. Folgen und Nachfolge
C. I. 5. Bisherige impeachment-Verfahren
C. II. Konstruktives Misstrauensvotum
C. II. 1. Rechtsgrundlage, Herkunft, Zweck
C. II. 2. Voraussetzungen und Verfahren
C. II. 3. Folgen und Nachfolge
C. II. 4. Bisherige Konstruktive Misstrauensvoten
D. Vergleichende Betrachtung
E. Abschließende Überlegungen
A. Vorbemerkung
Um die gestellte Aufgabe sinnvoll zu lösen, ist es zunächst erforderlich, die durch das System gegebene Ausgangsbasis für das impeachment-Verfahren gegen den amerikanischen Präsidenten und die für das Misstrauensvotum gegen den deutschen Bundeskanzler zu beleuchten. Das heißt, das Verständnis der einzelnen Institute und das Erkennen der Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede erfordert vorher, dass der jeweilige Rahmen bestimmt, also die in Frage kommende Staatsform bzw. Staatsorganisation näher beschrieben wird[1]. Deshalb werden in dieser Arbeit zunächst kurz die Grundzüge des amerikanischen und des bundesdeutschen Herrschaftssystems im begrenzten, notwendigen Rahmen dargelegt. Erst dann folgen – hintereinander, da ein synoptischer Aufbau wenig sinnvoll erscheint – die Erläuterungen zu den beiden Verfahren. Den Abschluss bilden – sofern überhaupt möglich – der eigentliche Vergleich und einige mit diesen Instituten zusammenhängende kritische Anmerkungen.
B. Die Staatstypen
Beiden Staatstypen, dem der USA und dem der Bundesrepublik Deutschland, also den beiden Staats- und Regierungsformen, ist gemeinsam, dass es sich um Demokratien handelt. Das heißt, die Regierungsformen entsprechen den Grundsätzen einer liberalen, pluralistischen Demokratie[2], unterscheiden sich aber dennoch grundlegend.
B. I. Die Präsidialdemokratie der USA
Bei der präsidentiellen Demokratie der USA handelt es sich um ein viel verzweigtes System der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung[3], weniger um eine „separation of powers“, als vielmehr um das Prinzip der „checks and balances“[4]. Die höchsten Staatsorgane, gesetzgebende Körperschaft (Kongress, bestehend aus den beiden Kammern Repräsentantenhaus und Senat), Präsident und Gerichtsbarkeit sind möglichst gleichrangig koordiniert[5]. Während im parlamentarischen Regierungssystem über die Zusammensetzung von Parlament und Regierung – ungeachtet der dann noch gegebenen Möglichkeit unterschiedlicher Koalitionen – eine Wahl entscheidet, werden Präsident und Kongress in getrennten Wahlen bestellt[6].
Beim Präsidenten sind die Funktionen des Staatsoberhauptes, des Regierungschefs und des militärischen Befehlshabers in einer Person vereinigt[7]. Er hat die uneingeschränkte Exekutivgewalt[8]. Die US-Regierung ist klar monokratisch strukturiert[9] ; es gibt also kein Kabinett im eigentlichen Sinn. Für die Ernennung hoher Beamter, wie beispielsweise der Minister, bedarf der Präsident allerdings deren Bestätigung durch den Senat[10].
Der Präsident wird auf vier Jahre – einmalige Wiederwahl ist möglich – von einem Wahlmännergremium mit absoluter Mehrheit bestimmt, das alle vier Jahre nur zu diesem Zweck im Mehrheitsverfahren vom Volk gewählt wird[11]. Dabei entsendet jeder Bundesstaat so viele Wahlmänner, wie er durch Senatoren und Repräsentanten im Kongress vertreten ist[12]. Die Präsidentenwahlen sind aber kein einfaches Mehrheitsvotum, da jeder Bundesstaat ohne Rücksicht auf seine Einwohnerzahl zwei Senatoren stellt[13], insofern die bevölkerungsschwachen Staaten überrepräsentiert sind und weil die Partei, die die Mehrheit der Wählerstimmen in einem Staat auf sich vereinigt, alle Wahlmänner dieses Staates stellt[14]. Das heißt, dass durch diese Art mittelbarer Wahl jemand zum Präsidenten bestimmt werden kann, der nicht von der Mehrheit der Bevölkerung „gewählt“ wurde. Letzteres ist beim derzeit amtierenden US-Präsidenten zum vierten Mal in der Geschichte der USA der Fall[15].
Die gesetzgebende Gewalt, der Kongress, besteht aus zwei Kammern, die getrennt beraten und beschließen[16]. In das Repräsentantenhaus (Volkskammer) wählen die Stimmberechtigten eines jeden Staates nach dessen eigener Regelung - meist in Einerwahlkreisen – alle zwei Jahre eine der Einwohnerzahl des Staates proportionale Zahl von Abgeordneten[17]. In den Senat, die zweite Kammer (Staatenkammer), entsendet jeder Staat zwei Vertreter mit sechsjähriger Amtszeit; alle zwei Jahre endet die Amtszeit von einem Drittel aller Senatoren[18]. Für ein Gesetz sind übereinstimmende Beschlüsse beider Kammern erforderlich[19]. Es gibt allerdings auch bestimmte Rechte, die jeweils nur einer der beiden Kammern allein zustehen.
Kennzeichnend für diese Art der Regierungsform, d. h., die Präsidentendemokratie, ist es, dass der Präsident vom Parlament weitgehend unabhängig agiert[20], der gesetzgebenden Gewalt gegenüber also weder direkt noch indirekt politisch verantwortlich ist[21].
B. II. Die parlamentarische Demokratie in Deutschland
Die repräsentative parlamentarische Demokratie in Deutschland basiert nach dem Grundgesetz auf der Idee, dass das Parlament die Regierung kontrolliert[22]. Dies ist jedoch nur bedingt der Fall, da die Regierung von der Partei bzw. Koalition gestellt wird, die die Parlamentswahlen für sich entscheiden konnte und somit die Kontrollfunktion überwiegend der Opposition überlassen bleibt[23].
Das Parlament wird unmittelbar vom Volk alle vier Jahre nach dem System der mit Persönlichkeitsaspekten verbundenen Verhältniswahl gewählt. Neben der Gesetzgebung, an der die Bundesländer durch den Bundesrat, eine Vertretung der Länderregierungen, mitwirken, obliegt der Legislative auch die mit absoluter Mehrheit vorzunehmende Wahl des Bundeskanzlers, der Chef einer aus ihm und den Bundesministern bestehenden Regierung ist, die auf der Basis einer Kombination aus Kanzler-, Kollegial- und Ressortprinzip funktioniert[24]. Den Wahlvorschlag für den Bundeskanzler unterbreitet der Bundespräsident[25], der als Staatsoberhaupt auch die vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Minister ernennt bzw. entlässt[26], ohne dass das Parlament mitwirkt.
Bundeskanzler und überwiegend auch die Kabinettsmitglieder sind zugleich auch Abgeordnete; insoweit besteht hier keine klare Gewaltenteilung[27].
Die Funktionen von Regierungschef und Staatsoberhaupt sind dagegen in der parlamentarischen Staatsform klar getrennt. Das Staatsoberhaupt „Bundespräsident“ wird alle fünf Jahre von der Bundesversammlung bestimmt, die aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die von den Ländervertretungen in Verhältniswahl gewählt werden[28].
Neben dem Bundespräsidenten ist die Bundesregierung oberstes Organ der exekutiven Gewalt. Sie bedarf wie in der Präsidialdemokratie der Parlamentsmitwirkung, um ihre Politik durchsetzen zu können[29], ist aber im Gegensatz zur Präsidialdemokratie abhängig vom politischen sowie persönlichen Vertrauen des Parlaments[30].
C. Impeachment-Verfahren - konstruktives Misstrauensvotum
C. I. Impeachment
C. I. 1. Rechtsgrundlage, Herkunft, Zweck
Das impeachment-Verfahren stammt aus dem englischen Rechtssystem[31] und ist dort bereits im 14. Jahrhundert entstanden[32]. Es war in dem am 17.09.1787 einstimmig beschlossenen Entwurf der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika[33] bereits enthalten, obwohl man zu dieser Zeit in England bereits hiervon Abstand nahm und die parlamentarisch-politische Verantwortung dort zunehmend Anwendung fand[34].
Es handelt sich dabei um ein Instrument, den Präsidenten – aber auch den Vizepräsidenten sowie alle (höheren) Zivil-Beamten der US-Administration – vor Ablauf ihrer Wahl- bzw. Dienstzeit aus dem Amt zu entfernen[35].
C. I. 2. Voraussetzungen:
Der Präsident (auf sonstige mögliche Betroffene wird im folgenden nicht mehr eingegangen) muss gemäß Artikel II, Abschnitt 4 der US-Verfassung überführt oder gerichtlich für schuldig erklärt worden sein, eine Straftat begangen zu haben. Dabei sind Verrat und Bestechung (Bestechlichkeit) im amerikanischen Verfassungsrecht klar benannt. Die anderen möglichen Voraussetzungen, „high crimes and misdemeanors“, sind nicht eindeutig definiert[36]. Während teilweise die These vertreten wird, dass politischer Vertrauensverlust keine Rolle spielen darf und allein nachgewiesene kriminelle Handlungen Grundlage für das impeachment-Verfahren sein können[37], setzen nach anderer Auffassung die vom vorgenannten Begriffspaar erfassten „Handlungen oder Unterlassungen“[38] einerseits nicht unbedingt kriminelle Verfehlungen voraus und anderseits stellt nicht jede Straftat, beispielsweise ein steuerrechtliches Vergehen, einen Amtsenthebungsgrund dar[39]. Diese unterschiedlichen Auslegungen wurden bereits vom Philadelphia-Konvent, der die Verfassung erarbeitete, erörtert[40] und dort trotz Änderungen gegenüber der ursprünglichen Formulierung nicht abschließend entschieden[41]. Auch das committee on federal legislation und das committee on judicary, die 1974 eine Klärung auf einer über reine Straftaten hinausgehenden Basis initiieren wollten, erreichten keine eindeutige Festlegung, da das Repräsentantenhaus nur einer Veröffentlichung des Berichts zustimmte, ohne dessen Inhalt zu übernehmen[42].
[...]
[1] Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 242 ff
[2] Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 219 ff
[3] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 431
[4] Hübner, Das politische System, S. 110
[5] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 433
[6] Hübner, Das politische System, S. 107
[7] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 434
[8] Röder, Das politische System der USA, S. 144
[9] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 434
[10] Hübner, Das politische System der USA, S. 136
[11] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 434
[12] Artikel II, Abscnitt 1, Absatz 2 US-Verfassung
[13] Artikel I, Abschnitt 3, Satz 1 US-Verfassung
[14] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 434
[15] Böhm, Der Cheerleader
[16] Artikel I, Abschnitt 5 US-Verfassung
[17] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 433
[18] Artikel I, Abschnitt 3 , Absätze 1 und 2 US-Verfassung
[19] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 433
[20] Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rn. 408 f; Currie, Die Verfassung, S. 36
[21] Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 247; Mewes, Einführung in das politische System der USA, S. 144; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 431
[22] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 423
[23] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 424
[24] Kessel, Der Deutsche Bundestag, S. 108; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 426
[25] Artikel 63 Abs. I GG
[26] Artikel 64, Abs. I GG
[27] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 424
[28] Artikel 54, Abs. II und III GG
[29] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 424 f.
[30] Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 424
[31] Jäger in Jäger / Welz, Regierungssystem der USA, S. 136
[32] Nelson, The Presidency A to Z, S. 242
[33] Heideking in Jäger / Welz, Regierungssystem der USA, S. 67
[34] Nelson, The Presidency A to Z, S. 242 f.
[35] Nelson, The Presidency A to Z, S. 242 f.
[36] Killian / Costello, TheConstitution, page 587
[37] Steffani in Jäger / Welz, Regierungssystem der USA, S. 115
[38] Killian / Costello, TheConstitution, page 587
[39] Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 91
[40] Committee Report 21.01.1974, Killian / Costello, The Constitution, page 586 f.
[41] Committee Report 21.01.1974
[42] Nelson, The Presidency A to Z, S. 242 f
- Citation du texte
- Rolf Karwecki (Auteur), 2003, Das Impeachment-Verfahren gegen den amerikanischen Präsidenten und das Misstrauensvotum gegen den deutschen Bundeskanzler - eine vergleichende Gegenüberstellung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14518
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