Die Grounded Theory-Methodologie dient als Überbegriff für einen Kanon an Methoden der qualitativen Sozialforschung zur Konstruktion von Theorie. Dieser Artikel beleuchtet die Hauptströmungen der Methodologie und deren Vertreter, von Barney GLASER und Anselm STRAUSS über Juliet CORBIN bis Kathy CHARMAZ. Neben der Darstellung der theoretischen und epistemologischen Unterschiede wird zudem ein Überblick über verschiedene Ansätze der praktischen Umsetzungen der Grounded Theory gegeben - vom Kodieren, dem Verfassen von Memos bis zur Theorieentwicklung und der Qualitätssicherung.
Grounded Theory-Methodologie – Einführung in Theorie und Praxis
In ihrem 1967 veröffentlichten Werk „The Discovery of Grounded Theory“ (dt. „Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung, GLASER, STRAUSS 2005) schlugen die beiden Soziologen Barney GLASER und Anselm STRAUSS eine Vorgehensweise bzw. einen Forschungsstil vor, aufeinander abgestimmte Einzeltechniken, mit Hilfe derer aus qualitativen Daten wie Interviews, Feldbeobachtungen und Dokumenten sowie quantitativen Daten Theorie generiert werden kann, wobei sich die Methodologie auf den gesamten Forschungsprozess statt auf einzelne Methodenelemente bezieht (MEY, MRUCK 2009). Die Theorie – eben die „Grounded Theory“ – solle den Daten entspringen; die überprüfbaren Hypothesen demnach nicht der Beginn, sondern das Ergebnis eines Forschungsprojektes sein.
Die Grundpfeiler der Grounded Theory-Methodologie nach GLASER und STRAUSS (siehe CHARMAZ 2006) sind:
- die Gleichzeitigkeit von Datenerhebung und Datenanalyse/Interpretation
- die Methode des ständigen Vergleiches,
- das Entwerfen von Theorie auf Basis der Daten,
- das Verfassen von Memos sowie
- das theoretische Sampling im Unterschied zum statistischen Sampling bei der Hypothesenverifizierung.
- STRAUSS und CORBIN sehen in der Interpretation, der Konzeptbildung und der Verknüpfung der Konzepte im Unterschied zur reinen Beschreibung oder Paraphrasierung ein weiteres Grundprinzip der Entwicklung von Grounded Theory (siehe auch MEY und MRUCK 2009).
„The Discovery of Grounded Theory“ – eine Art schriftliche Reflexion des methodischen Ansatzes eines früheren gemeinsamen Forschungsprojektes von GLASER und STRAUSS – stellte grundlegende Ansichten der damaligen Forschungspraxis zur Diskussion, blieb jedoch bei der Empfehlung konkreter Arbeitsschritte sehr vage. Dies schuf Raum für Interpretation, sodass andere Forscher und Schüler die Leitlinien anpassten, um Arbeitsschritte ergänzten und wieder modifizierten. Der Begriff „Grounded Theory“ subsumiert heute eine Vielzahl an Methoden, bei denen im besten Fall die ursprünglichen grundlegenden Prinzipien von GLASER und STRAUSS erhalten blieben. Die Verwischung von Termini etwa führte dazu, dass prominente Begriffe der Grounded Theory-Methodologie, „Kode“, „Konzepte“ und „Kategorien“, unterschiedlich gebraucht werden (MEY, MRUCK 2007). Zu dieser Entwicklung trugen nicht zuletzt die Väter der Grounded Theory-Methodologie bei, die sich hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Arbeit auseinander entwickelten: Der von der Columbia School geprägte GLASER mit kritisch-rationalistischer Haltung sah in der Grounded Theory weiterhin eine Methode zur „Entdeckung“ von Theorie, während der im Pragmatismus und im symbolischen Interaktionismus verankerte STRAUSS von der Chicagoer Schule sich ein Stück mehr der Verifikation von Theorie zuwandte und den Fokus auf die Arbeitstechnik und weniger auf die Methode des ständigen Vergleiches legte (MEY, MRUCK 2007; CHARMAZ 2006). Dies brachte ihm und seiner späteren Koautorin Juliet CORBIN (siehe u.a. STRAUSS, CORBIN 1996) den Vorwurf ein, sie würden Daten und die Interpretation in vorgefasste Kategorie zwängen, anstatt Theorie aus den Daten zu generieren.
In diese Diskussion bringt Kathy CHARMAZ (2006) einen Beitrag zur Praxis der Grounded Theory-Methodologie aus konstruktivistischer Sicht ein. Demnach sei der Forscher Teil der Welt, die er untersucht, und der Informationen, die er sammelt, ist. Dadurch könne Theorie bzw. Daten nicht „entdeckt“ werden, ebenso wenig wie ein exaktes Abbild der Wirklichkeit erstellt werden kann. Die entstandenen Theorien seien dadurch stets subjektiv geprägt. Sie definiert die Methoden der Grounded Theory als „social actions that researchers construct in concert with others in particular places and times. (…) [Researchers] interact with data and create theories about it.“ (129) CHARMAZ sieht in der Grounded Theory-Methodologie dennoch ein geeignetes Mittel, darüber zu „theoretisieren“, wie Bedeutungen, Handeln und soziale Strukturen konstruiert würden. Eine Stärke der Methodologie liege darin, Prozesse in neuen theoretischen Begriffen zu erklären sowie darzulegen, unter welchen Bedingungen, aus welchen Gründen und mit welchen Konsequenzen sich ein Prozess bildet und verändert. Mittels fortschreitender Abstraktion der Daten durch den ständigen Vergleich entstehe Theorie, wobei CHARMAZ zufolge erst definiert werden müsse, was Theorie überhaupt sei. Sie bringt epistemologische Überlegungen in die Debatte mit ein und kontrastiert die positivistische mit der interpretativen Theoriedefinition sowie den objektivistischen mit dem konstruktivistischen Theorieansatz. Viele Quellen von Streitfragen und Kernthemen – von denen ich einige im Folgenden darstelle – lassen sich mit unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Ansichten erklären.
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