Nichtsteroidale Antiphlogistika haben einen mehr oder weniger hemmenden bzw. verzögernden Einfluss auf die Knochenbruchheilung. Auch wenn dies bisher nur im Tierversuch eindeutig nachweisbar war: Alle vorliegenden Ergebnisse sowie die bisher gefundenen Wirkmechanismen lassen keine andere Schlussfolgerung zu als die – zumindest bedingte – Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den menschlichen Organismus.
Entwickelt wurde ein praktikables Frakturheilungsmodell an der Rattentibia, was sich - je nachdem ob zusätzlich eine Fibulafraktur gesetzt wird oder nicht - als stabiles oder instabiles Modell anwenden lässt und auch beide Modelle untereinander vergleichbar sind.
Bei der oralen Medikamentenapplikation konnte gezeigt werden, dass diese in der Zubereitungsform von Geleekügelchen von den Ratten problemlos aufgenommen wurde. Hilfsmittel wie Magensonden o.ä. waren hier nicht erforderlich.
In dieser Untersuchung konnte die Hemmung der Knochenbruchheilung unter Einnahme von Diclofenac mittels biomechanischer Testung eindeutig nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse konnten bestätigt werden durch die radiologische Knochendichtemessung sowie die histologische Auszählung neu gebildeter Osteoblasten in der Spongiosa. Wenn auch diese Ergebnisse nicht in allen Punkten histologisch verifiziert werden konnten, so dürfte dies lediglich an der Anzahl der operierten Tiere liegen, da die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen in Relation zur Gruppengröße zu gering waren. Eine zeitliche Einordnung ist histologisch insofern möglich, als sich die Tiere der Placebogruppe in einem fortgeschritteneren Stadium der Heilung befanden verglichen zu den Tieren der Diclofenacgruppe. Somit kann man eindeutig von einer Verzögerung der Knochenbruchheilung sprechen.
Auch die Wundheilung wurde durch Diclofenac verändert. Die Einwanderung von Fibroblasten zur Stabilisierung der Narbe wurde deutlich negativ beeinflusst, so dass davon auszugehen ist, dass die Narbe durch Diclofenacapplikation in ihrer Stabilität geschwächt wurde. Die Migration der Epithelzellen und damit die oberflächliche Heilung der Wunde waren durch Diclofenac weitgehend unbeeinflusst.
Trotz der Hemmung von Fraktur- und Wundheilung ist neben der analgetischen Potenz gerade der antiphlogistische Effekt ein großer Vorteil bei der Applikation von Medikamenten aus der Gruppe der NSA. Insbesondere in der Behandlung des traumatischen und postoperativen Wundödems ist ja gerade dieser Effekt fast immer erwünscht.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
1. Einleitung
1.1. Nichtsteroidale Antiphlogistika
1.2. Opioidanalgetika
1.3. Fraktur und Frakturheilung
1.4. Haut und Wundheilung
2. Arbeitshypothese
3. Material und Methoden
3.1. Versuchsreihe A
3.2. Versuchsreihe B
4. Medikamentöse Therapie
5. Auswertung
5.1. Versuchsreihe A
5.2. Versuchsreihe B
6. Statistik
7. Ergebnisse
7.1. Versuchsreihe A
7.2. Versuchsreihe B
8. Diskussion
9. Zusammenfassung
10. Schlussfolgerung
11. Danksagung
12. Literatur
Abkürzungen
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1. Einleitung
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSA bzw. im englischen Sprachgebrauch nonsteroidal antiinflammatory drugs: NSAID) werden heute weltweit in der Chirurgie, Orthopädie und weiten Teilen der gesamten Medizin bei verschiedenen Beschwerden eingesetzt. Gerade bei den degenerativen Erkrankungen und der Gicht wird ihre analgetische und entzündungshemmende Wirkung sehr geschätzt. Auch in der postoperativen und posttraumatischen Schmerztherapie, egal ob nach operativer oder konservativer Frakturbehandlung, finden NSA häufig Verwendung. Ihre hohe analgetische Potenz, die annähernd der Potenz schwacher Opioidanalgetika entspricht ohne aber deren Nebenwirkungen im zentralen Nervensystem (Atemdepression) oder Abhängigkeit zu verursachen, eröffnet dieser Medikamentengruppe in Traumatologie und Orthopädie ein breites Einsatzspektrum. Die zusätzliche antiinflammatorische oder, wie im deutschen Sprachgebrauch, antiphlogistische (also entzündungshemmende) Wirkung ist bei der Behandlung von Verletzungen sehr erwünscht. Auch die nachgewiesene Wirkung in der Prophylaxe heterotoper Ossifikationen, insbesondere in der postoperativen Nachsorge der Hüftendoprothetik, stellt ein wichtiges Indikationsgebiet dar [74, 76, 90, 121].
Nichtsteroidale Antiphlogistika können bei leichten bis mittleren Schmerzen, Migräne, fieberhaften Zuständen und entzündlichen Erkrankungen verordnet werden. Zudem können sie zum medikamentösen Verschluss eines persistierenden Ductus arteriosus eingesetzt werden, da Prostaglandine an dessen Persistenz beteiligt sind.
Unerwünschte Wirkungen einer Therapie mit NSA sind besonders gastrointestinale Ulzera aufgrund der fehlenden zytoprotektiven Eigenschaften der Prostaglandine. Hinzu kommt eine Steigerung der Natrium- und Wasserretention mit Ödemen bis zum Nierenversagen über eine Beeinflussung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sowie eine Thrombozytenaggregationshemmung und Vasodilatation.
Aufgrund des Wirkmechanismus lag die Vermutung nahe, NSA könnten möglicherweise die Frakturheilung negativ beeinflussen. Dies wurde in einigen tierexperimentellen Arbeiten versucht anhand von Indometacin oder Ibuprofen nachzuweisen, was jedoch nicht in allen Untersuchungen möglich war [1, 3, 29, 46, 48, 53, 67, 92, 110].
Im klinischen Alltag der unfallchirurgischen Abteilungen und der deutschen Traumazentren zur adjuvanten medikamentösen Behandlung von Verletzungen ist aus der Wirkgruppe der NSA Diclofenac (z. B. Voltaren®) das mit am häufigsten verordnete Medikament.
Diclofenac wurde in Bezug auf eine potentielle Verzögerung beziehungsweise Hemmung der Frakturheilung bisher noch nicht untersucht.
1.1 Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSA)
Die entzündungshemmenden, analgetisch und antipyretisch wirksamen Substanzen sind eine heterogene Gruppe nicht einheitlicher Verbindungen, wobei die meisten von Ihnen organische Säuren darstellen. Oft nennt man diese Gruppe auch nicht-steroidale Antiphlogistika (nonsteroidal antiinflammatory drugs = NSAIDs) oder NSA (Synonyme: nichtsteroidale Antirheumatika oder NSAR, saure antiphlogistische antipyretische Analgetika). Den Prototyp dieser Gruppe stellt die Acetylsalicylsäure (ASS) dar, weshalb diese Substanzen oft auch als aspirinähnliche Substanzen bezeichnet werden [40]. Darüber hinaus gehört eine große Anzahl weiterer Substanzen, wie z.B. Diclofenac, Diflunisal, Ibuprofen, Indometacin, Naproxen etc. zur Gruppe der NSA.
Die Wirkung dieser Medikamente beruht im Wesentlichen auf einer Hemmung der Prostaglandinsynthese, wodurch die Erregbarkeit der Nocirezeptoren für analgetisch wirkende Substanzen (Bradykinin, Histamin, Kalium-Ionen etc.) vermindert wird [10]. Sie sind besonders effektiv bei Schmerzen mit entzündlicher Komponente, wie z.B. Knochen- und Gelenkschmerzen (Frakturen, Distraktionen, ossären Metastasen, Arthralgien o.ä.).
Nichtsteroidale Antiphlogistika sind eine chemisch heterogene Gruppe von Substanzen, deren Gemeinsamkeit in einem ähnlichen, wenn auch nicht identischen Wirkungsspektrum besteht. Bei oraler Verabreichung werden sie sehr gut resorbiert und weisen eine hohe Plasmabindungsfähigkeit auf. Entscheidend für ihre Wirkung ist die Konzentration des Wirkstoffs am Ort der Entzündung. Die Eliminierung erfolgt teilweise über die Leber an Glukuronsäure gekoppelt, teilweise direkt renal.
NSA wirken im Prostaglandinstoffwechsel über eine Hemmung der Cyclooxygenase [118]. Cyclooxygenase ist dafür verantwortlich, dass die von der Zellwand abgespaltene Arachidonsäure in Prostanoide, also Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan, umgewandelt wird.
Um die genaue Wirkung der NSA zu verstehen ist es wichtig, die Wirkung der Prostanoide, insbesondere der Prostaglandine, sowie die von Prostacyclin und Thromboxan, zu kennen. Aus deren Fehlen kann dann auf die NSA-Wirkung geschlossen werden.
Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan im Körper: Im menschlichen Körper werden eine Vielzahl von Prostanoiden, von denen die wichtigsten die Prostaglandine PGE2, PGF2a und das Prostacyclin (PGI2) sind, gebildet. Sie werden aus der von der Zellmembran abgespaltenen Arachidonsäure gebildet (Abb. 1.1). Die Umwandlung der Arachidonsäure erfolgt unter Einwirkung von Cyclooxygenase (linke Hälfte der Abbildung 1.1) über den Zwischenschritt der zyklischen Endoperoxide (PGG2 und PGH2) in die Prostaglandine (PGA2, PGD2, PGE2 und PGF2α), in Prostacyclin (PGI2) und Thromboxan A2 (Prostanoid-Stoffwechsel).
Katalysiert Lipooxygenase die chemische Reaktion (rechte Hälfte der Abbildung 1.1), so erfolgt die Umwandlung der Arachidonsäure im Eicosanoid-Stoffwechsel über das Zwischenprodukt 5-Hydroxyperoxyeicosatetraensäure (5-HPETE) in 5-Hydroxyeicosatetraensäure (5-HETE) und die Leukotriene (LTA4, LTB4, LTC4, LTD4) [40].
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Abbildung 1.1: Arachidonsäuremetabolismus [107]
Die verschiedenen Medikamente entfalten ihre Wirkung an den bezeichneten enzymatischen Schritten und hemmen so die Bildung der Metaboliten
Die Wirkweise der einzelnen Prostaglandine ist unterschiedlich, zum Teil gegensätzlich. PGI2, auch Prostacyclin genannt, steigert die glomeruläre Durchblutung und wirkt zytoprotektiv auf die Zellen der Magenschleimhaut [59, 120]. Es ist ein funktioneller Antagonist von Thromboxan A2, welches wiederum die Gefäße verengt und eine Thrombozytenaggregation verursacht.
PGE2 führt zu einer Vaso- und Bronchodilatation, einer Permeabilitätserhöhung der Gefäße, einer Hemmung der Gastrin- und Histaminfreisetzung im Magen wie auch zu einer Kontraktion der Dünndarmmuskulatur.
PGF2a dagegen bewirkt eine Konstriktion von Bronchien und Lungengefäßen und wirkt kontrahierend auf die Uterusmuskulatur.
Über einen bisher nicht nachgewiesenen Mechanismus können Prostaglandine auch Schwindel und Kopfschmerzen verursachen. Die Konzentrationen der einzelnen Arachidonsäurederivate variieren in den unterschiedlichen Geweben, hierdurch verändern sich die Gesamtwirkungen entsprechend.
Prostaglandine, Prostacyclin und Thromboxan im Knochen: Im Knochen kommen vor allem PGE2, PGF2a und Prostacyclin vor [52, 87]. Beim Auftreten einer Fraktur werden Prostaglandine der E- und F-Reihe vermehrt vom Knochen und dem umgebenden Muskelgewebe freigesetzt [20, 124], wobei nun sowohl endogene wie auch exogene Prostaglandine die Frakturheilung unterstützen [42, 52, 77]. Gleichzeitig wird auch die Resorption von Knochen durch Prostaglandine gefördert und somit das Remodeling angeregt [77, 87]. Dabei aktiviert PGE2 die periostale und zum Teil auch die endostale Knochenneubildung.
Verschiedene Wirkweise der NSA
Die Wirkung der NSA geschieht über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese, und zwar über eine Hemmung der Cyclooxygenase [40]. Dies führt zu analgetischen, antiphlogistischen und antipyretischen Effekten. Hierbei variiert der Wirkungsschwerpunkt von Substanz zu Substanz. Dies beruht darauf, dass das Enzym Cyclooxygenase (Cox) zwei Isoformen besitzt: eine konstitutive Form Cox-1 und eine induzierbare Form Cox-2 [104]. Cyclooxygenase-1 hat eindeutige physiologische Funktionen: Cox-1 wird von den meisten Zellen konstitutiv exprimiert und führt beispielsweise zur Produktion von Prostacyclin. Dieses wiederum wirkt, sofern es vom Gefäßendothel freigesetzt wird, gerinnungshemmend, bei Freisetzung aus der Magenmukosa entfaltet es seine zytoprotektive Wirkung in diesem Bereich. Die Cyclooxygenase-2 (Cox 2) ist normalerweise nicht vorhanden, kann aber bei Entzündungserscheinungen durch einige Serumfaktoren, Zytokine und Wachstumsfaktoren induziert werden [40, 120]. Cox-1 und Cox-2 unterscheiden sich in ihrer Empfindlichkeit gegenüber bestimmten antiinflammatorischen Substanzen [104], was heißt: Je nachdem wie stark die einzelne Isoform von dem jeweiligen Medikament gehemmt wird, führt dies zu einem unterschiedlichen Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum durch die Einzelsubstanz [43, 104].
Nebenwirkungen der NSA
Da den Prostaglandinen im gesunden Gewebe physiologische Funktionen zukommen, resultieren durch Hemmung ihrer Synthese typische Nebenwirkungen. So können im Bereich des Gastrointestinaltraktes Schleimhauterosionen und Ulcerationen auftreten [60]. Durch das Fehlen der Prostaglandine kommt es zu renalen Regulationsstörungen, so dass Nierenfunktionsstörungen mit Wasser- und Elektrolytretentionen bis hin zur interstitiellen Nephritis resultieren können, insbesondere bei Patienten mit vorbestehenden Nierenfunktionsstörungen.
Weiterhin kommt es durch Hemmung der Thromboxansynthese zur Beeinflussung der Thrombozytenfunktion. Hierbei führt Acetylsalicylsäure zur irreversiblen Hemmung der Thrombozytenaggregation, während es bei den anderen NSA lediglich zu einer Beeinflussung der Thrombozytenaggregation für die Zeit kommt, in der die Substanz im Serum einen bestimmten Spiegel erreicht. Zusätzlich können wie bei jedem anderen Medikament echte allergische Reaktionen auftreten.
Wirkung von NSA auf den Knochenstoffwechsel
Der genaue Wirkmechanismus von NSA auf den Knochenstoffwechsel ist nach wie vor nicht geklärt, wobei verschiedene Thesen existieren: Ho vermutet, dass NSA über eine Hemmung der DNA-Synthese zu einer Verminderung der Osteoblastenproliferation und der Zellzahl in vitro führen [44], wobei aber die Mineralisation nicht beeinträchtigt würde [45]. Wechter hingegen vermutet, dass die Aktivierung der Osteoblasten und Osteoklasten von einem zweiten, humoralen Mediator (z.B. einem Zytokin) abhängig sein muss. Im Falle der Knochenresorption könnte es sich um Interleukin 1 handeln [122].
Diclofenac
Der in dieser Arbeit untersuchte Wirkstoff Diclofenac (Voltaren®) ist ein Phenylessigsäurederivat und wirkt als sehr starker Hemmstoff der Cyclooxygenase. Hierdurch vermindert Diclofenac die Prostaglandinbildung und wirkt analgetisch, antiphlogistisch und antipyretisch. Zusätzlich scheint Diclofenac die Konzentration der intrazellulär freien Arachidonsäure in Leukozyten zu vermindern, eventuell über eine Beeinflussung der Freisetzung oder Aufnahme von Fettsäuren [40].
Im Vergleich zu anderen NSA hat Diclofenac eine hohe analgetische Potenz. Nach oraler Applikation wird Diclofenac rasch und vollständig resorbiert und maximale Plasmaspiegel werden nach zwei bis drei Stunden erreicht. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 3 bis 4 Stunden [19] und der Abbau erfolgt durch Hydroxylierung in der Leber mit anschließender Glukuronidierung und Sulfatierung, wobei die Metaboliten zu 65% renal und zu 35% biliär ausgeschieden werden [19, 40].
Diclofenac führt bei rund 20% der Patienten zu Nebenwirkungen und bei ungefähr 2% zum Therapieabbruch [40]. Am häufigsten treten diese im Gastrointestinaltrakt auf und reichen von Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Magen- und Darmulcera mit der Gefahr von Blutungen und Perforationen. Zusätzlich werden zentrale Nebenwirkungen mit Kopfschmerzen und Sehstörungen sowie allergische Reaktionen mit Hautausschlägen, Nieren- und Leberfunktionsstörungen beschrieben.
Während die meisten anderen NSA ihre Hauptwirkung an der Cyclooxygenase-1 entfalten, welche in erster Linie für die gastrointestinalen Nebenwirkungen verantwortlich ist, hemmt Diclofenac die beiden Isoenzyme Cox-1 und Cox-2 gleichermaßen. Daher sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen eher geringer als bei den anderen nichtsteroidalen Antiphlogistika [34, 113, 119], jedoch höher als bei Medikamenten, die selektiv über eine Hemmung der Cyclooxygenase-2 wirken (Rofecoxib und Celecoxib).
Indikationen für die Gabe von Diclofenac sind akute und degenerativ-chronische Entzündungszustände an Gelenken und der Wirbelsäule sowie posttraumatisch schmerzhafte Schwellungen nach Frakturen oder Operationen [113].
Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit im Körper kann Diclofenac auch als Depotpräparat verordnet werden. In dieser Applikationsform (z. B. Voltaren® resinat) ist der Wirkstoff Diclofenac an ein polymeres Trägerharz, Colestyramin, gebunden. Bei dieser Form der Darreichung wird eine adäquat schnelle Wirkstoffanflutung mit einer verlängerten Wirkung verbunden. Bei zweimaliger Anwendung täglich findet sich bei gleich bleibendem Resorptionsverhalten ein konstanter Wirkspiegel mit einer geringen interindividuellen Schwankungsbreite.
1.2 Opioidanalgetika
Eine therapeutische Alternative zu den peripheren Analgetika in der Schmerztherapie ist die Verordnung von zentral wirksamen Analgetika.
Opioide sind starke, überwiegend im zentralen Nervensystem wirkende Analgetika zur Behandlung schwerster akuter und chronischer Schmerzzustände [99]. Die Bezeichnung Opioid ist spezifisch für alle Agonisten und Antagonisten mit morphinähnlichen Wirkungen und für alle natürlich vorkommenden oder synthetischen Opioidpeptide [40].
Wirkweise: Über eine Stimulation spezieller Rezeptoren (Opioidrezeptoren) führen die Opioide zu einer qualitativen und quantitativen Veränderung des Schmerzerlebens. Andere Empfindungsqualitäten werden in therapeutischer Dosis normalerweise nicht beeinflusst. Es gibt drei verschiedene Hauptklassen von Opioidrezeptoren (µ-, κ- und δ-Rezeptoren), auf die die einzelnen Substanzen schwerpunktmäßig wirken.
Opioide üben ihre Haupteffekte im zentralen Nervensystem und Magen-Darm-Trakt über µ-Rezeptoren aus. Die Wirkungen sind jedoch unterschiedlich und beinhalten zusätzlich zur Analgesie Somnolenz, Stimmungsschwankungen, Atemdepression, verminderte Magen-Darm-Motilität, Nausea, Erbrechen sowie Veränderungen im endokrinen und autonomen Nervensystem [81]. Bei Anwendung von Opioiden kann es zu Toleranzentwicklung und Abhängigkeit kommen.
Tramadol
Aus der Wirkgruppe der zentral wirksamen Analgetika wird beim traumatologischen Patientengut sehr gerne Tramadol (z. B. Tramal®) eingesetzt. Es besitzt eine sehr gute analgetische Potenz, keine antiphlogistische Wirkkomponente und verursacht aufgrund der zentralen Wirkung eine Dämpfung der Gehirnfunktion.
Aufgrund der relativ geringen atemdepressiven Wirkung kann es gerade auch im ambulanten Bereich gut eingesetzt werden.
Tramadol ist ein Opioidanalgetikum und verfügt über eine analgetische Wirkstärke von 1/10 bis 1/5 des Morphins [61]. Bei oraler Gabe wird es zu etwa 90% resorbiert, in der Leber metabolisiert um anschließend renal eliminiert zu werden [64]. Tramadol gilt als schwacher Agonist an den Opioidrezeptoren [99] und zeigt keine Selektivität gegenüber µ-, κ- und δ-Bindungsstellen [41].
Im Gegensatz zu Morphin und anderen Opiaten beruht die Hauptwirkung von Tramadol auf der Hemmung des Noradrenalin- [26, 100] und Serotonin-Reuptake`s [100]. Die klinisch verwendeten Formen bestehen aus einem Racemat aus dem + und dem – Enantiomer, welches sich als therapeutisch wirksamer und gleichzeitig nebenwirkungsärmer erweist als nur eine dieser Formen allein [100].
Unerwünschte Nebenwirkungen sind insbesondere Übelkeit und Erbrechen. Gelegentlich kann es auch zu Schwindel, Kopfschmerzen und Benommenheit kommen. Die maximale Wirkstärke ist deutlich niedriger ausgeprägt als bei den klassischen Opiaten, ebenso ist die atemdepressive und suchterzeugende Wirkung deutlich geringer [33].
Indikationen zur Verordnung von Tramadol sind mäßige bis starke Schmerzzustände aller Art sowie die Behandlung von Tumorschmerzen nach dem WHO-Stufenplan.
1.3 Fraktur und Frakturheilung
Eine Fraktur ist eine durch äußere Gewalteinwirkung entstandene Unterbrechung der Gewebekontinuität des Knochens mit oder ohne Verschiebung der Knochenfragmente. Folgende Ursachen können zu einer Fraktur führen: Ein adäquates Trauma, ein krankhaft veränderter Knochen (pathologische Fraktur) oder eine wiederholte mechanische Dauerbeanspruchung. Eine Fraktur geht meist mit Schmerzen und - sofern Extremitäten betroffen sind - mit einem Funktionsverlust der entsprechenden Extremität einher.
Die Einteilung der Frakturen kann anhand des Entstehungsmechanismus vorgenommen werden. So unterscheidet man Biegungsbrüche, Dreh- oder Torsionsbrüche, Abrissfrakturen, Abscherfrakturen sowie Kompressions- und Luxationsfrakturen [95, 117].
Um unterschiedliche Fakturformen miteinander vergleichen zu können gibt es diverse Klassifikationen. Die gebräuchlichste Klassifikation für Frakturen der langen Röhrenknochen, also an Humerus, Radius, Ulna, Femur, Tibia und Fibula, ist die der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO-Klassifikation nach M. Müller [71]). Hierin werden einerseits die Lokalisation im proximalen, diaphysären oder distalen Teil berücksichtigt, andererseits auch die Art der Fraktur, z.B. einfache Querfraktur, Schrägfraktur, komplexe Fraktur mit oder ohne Gelenkbeteiligung [95, 117]. Sinn dieser Klassifikation ist zum einen die genaue Lokalisationsbeschreibung, zum anderen die „Schwere“ der Fraktur, was im weiteren Verlauf einen wichtigen Einfluss auf die Heilungsdauer hat.
Die Heilung eines Knochenbruches geht auch beim Erwachsenen mit dem in der Natur einmaligen Phänomen einher, dass am Ende dieses Prozesses kein Narbengewebe die verletzten Strukturen ersetzt, sondern wieder normales Knochengewebe aufgebaut wurde. So entspricht der Ablauf der Frakturheilung im strengen Sinne eher einer „Knochenregeneration“ als einer „narbenbildenden Heilung“.
Je nach Fixierung der frakturierten Knochenenden kann man die natürliche Knochenbruchheilung, auch sekundäre Frakturheilung (flexibel fixiert), und die primäre Frakturheilung (stabil fixiert) [9, 98] unterscheiden.
Sekundäre Frakturheilung
Werden die Frakturenden flexibel fixiert wie beispielsweise bei der Marknagelung oder Ruhigstellung mittels Fixateur externe oder Gips, kommt es zu einer sekundären oder „spontanen“ Frakturheilung [98]. Durch die interfragmentären Mikrobewegungen wird die Bildung von Frakturkallus angeregt. Aufgabe dieses Kallus ist zum einen die Frakturstabilisierung, zum anderen die Blutversorgung des im Frakturspalt befindlichen und neu entstehenden Gewebes [98]. Hier muss die notwendige Blutversorgung der Frakturzone aus den Gefäßen des umliegenden Muskel- und Bindegewebes kommen und nicht, wie im gesunden Knochen, aus den Gefäßen des Knochenmarks [89].
Diese spontane Knochenbruchheilung lässt sich nach Einhorn in fünf ineinander übergehende Stadien gliedern [27]:
I. Hämatom- und Entzündungsstadium
II. Angiogenese- und Knorpelbildungsstadium
III. Knorpelkalzifikationsstadium
IV. Knorpelerneuerungs- und Knochenbildungsstadium
V. Remodeling-Stadium
Im initialen Hämatom- und Entzündungsstadium (Stadium I, Dauer 2-3 Tage) kommt es durch Zerreißung der Gefäße zu einem Hämatom und Nekroseherd im Frakturbereich. Aus diesem werden vor allem Thrombozyten und Wachstumsfaktoren mit chemotaktischer Wirkung freigesetzt, welche den Frakturheilungsprozess steuern [27, 89]. Zum Abbau des nekrotischen Materials proliferieren nun polymorphkernige neutrophile Granulozyten, Makrophagen, pluripotente Stammzellen und Mastzellen um die Defektreparatur vorzubereiten [9, 27]. Die Rolle der Mastzellen ist bisher nicht geklärt. Da sie aber Heparin und heparinähnliche Substanzen enthalten, ist anzunehmen, dass sie einen bedeutenden Einfluss auf die lokale Vaskularisation und Zellwanderung haben. Prostaglandine [20] wirken zu diesem Zeitpunkt auf den Knochenstoffwechsel und die Knochenhomöostase wahrscheinlich biphasisch [85, 86]. In In-vitro-Experimenten konnte eine Stimulation der Knochenresorption nachgewiesen werden [56], während exogen zugeführte Prostaglandine sowohl in-vitro als auch in-vivo die Knochenneubildung stimulieren [85, 86].
Im darauf folgenden Stadium der Angiogenese und Knorpelbildung (Stadium II, Dauer 3-4 Wochen) sprießen Blutgefäßen ein, wodurch die lokale Sauerstoffversorgung verbessert wird. Die verstärkte Vaskularisierung führt nicht nur zu einer besseren Versorgung der vorhandenen Zellen sondern bringt erneut große Mengen neuer Zellen mit sich. Diese gehen nicht nur aus dem strömenden Blut sondern auch aus dem Gefäßendothel selbst hervor [9].
Das Hämatom, in dem sich bereits ein feines Netz von Fibrin und Kollagenfibrillen nachweisen lässt, wird rasch durch Granulationsgewebe mit Fibroblasten, neu gebildetem Kollagen und zahlreichen Kapillaren ersetzt und führt zur ersten Brückenbildung im Frakturspalt („weicher Kallus“). Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch der Abbau abgestorbener Fragmentenden durch Osteoklasten, die ersten Chondroblasten treten auf und es zeigt sich eine beginnende subperiostale Knochenneubildung durch Osteoblasten (primäre Kallusreaktion).
Im sich anschließenden Knorpelkalzifikationsstadium (Stadium III) kommt es zur zunehmenden Mineralisation der Grundsubstanz, was zur Aushärtung des Kallus führt. [9, 27]. Das hierzu notwendige Kalzium stammt aus den Mitochondrien von hypertrophierten Chondrozyten.
Der mineralisierte Knorpel wird anschließend schrittweise abgebaut und durch Geflechtknochen (Stadium IV) ersetzt. In Phase V des Modeling und Remodeling wird dieser Geflechtknochen durch Lamellenknochen ersetzt und so der ursprüngliche Knochen wiederhergestellt [38, 89, 98]. Das Modeling läuft ständig im Körper ab, um das Skelett immer an die gestellten Anforderungen anzupassen [68]. Lediglich durch das Frakturereignis erfahren sämtliche dieser Abläufe eine geradezu dramatische Beschleunigung. Dieses Phänomen wird als „Regionales Akzeleratorisches Phänomen“ (RAP) bezeichnet [70].
Wo läuft die sekundäre Frakturheilung ab? Einhorn beschreibt für den Ablauf vier Antworten des Körpers auf die Fraktur bzw. vier verschiedene Orte, an denen die Frakturheilung abläuft [27]: Die früheste Antwort geht vom Periost aus (periostal response). Hieraus entsteht ein die Fraktur umgebendes Bindegewebe, welches den ersten überbrückenden Kallus bildet [123]. Diese Überbrückung tritt zuerst im Außenbereich des Kallus auf und schreitet dann nach zentral fort (zweite Antwort). Zusätzlich reagiert das Knochenmark, indem ein Blastem aus dem Markraum in das Hämatom einwandert und den Frakturspalt auffüllt, wobei dieser Prozess noch unabhängig von mechanischen Einflüssen ist (dritte Antwort). Sind nun stabile Bedingungen geschaffen, können sich die beiden Kortikalisenden verbinden. Dies ist die letzte Antwort, das Äquivalent zur primären Knochenheilung bzw. die knöcherne Kortikalisüberbrückung.
Primäre Frakturheilung
Bei der primären Knochenbruchheilung erfolgt die Vereinigung der Fragmente nicht über eine äußere Kallusmanschette. Vielmehr wachsen Haverssche Systeme (dies sind den Knochen in Längsrichtung durchwachsende Gefäßkanälchen, die von konzentrierten Knochenlamellen umgeben sind) pflockartig von einem Bruchstück zum anderen und es erfolgt eine unmittelbare Überbrückung. Diese direkte Überbrückung ist nur bei extrem hoher mechanischer Stabilität der Frakturfixierung (Plattenosteosynthese), ausreichender Blutversorgung und exakter anatomischer Rekonstruktion möglich [98, 123]. Der Begriff entstand analog zur primären Wundheilung [38]. Je nach Art und Form der Reposition bzw. der Nähe der Fragmente kann es zur Kontakt- oder Spaltheilung kommen [38, 97, 123]. Die Kontaktheilung geht von der Kortikalis und dem Endost aus [9, 38] und wird durch Osteone herbeigeführt, die von den Kortikalisenden einwachsen. Hierbei bohren Osteoklasten einen Kanal in die anliegende Kortikalis, in welchen die Osteoblasten eindringen können um ihn mit Geflechtknochen aufzufüllen. So werden die Kortikalisenden miteinander verzahnt [9, 68, 98, 102]. Bei der Spaltheilung, die ebenfalls von der Kortikalis und dem Endost ausgeht, wird der zwischen den Kortikalisenden bestehende Abstand direkt durch Geflechtknochen aufgefüllt. Anschließend durchwachsen ihn Osteone aus der Kortikalis heraus und bauen ihn zu Lamellenknochen um [9, 27, 98].
Desmale und enchondrale Ossifikation
Wird die Knochenbruchheilung makroskopisch in primär und sekundär unterschieden, so ist mikroskopisch zwischen enchondraler und desmaler Ossifikation [98] zu differenzieren (siehe Abbildung 1.2).
Die enchondrale Ossifikation (Abb. 1.2, li. Bild): Chondroblasten mauern sich ein und kalzifizieren das umgebende Knorpelgewebe. Im Anschluss daran bauen die Chondroklasten den kalzifizierten Knorpel ab und Osteoblasten ersetzen ihn durch Osteoid, welches sich im Laufe der Mineralisierung mit Kalk anreichert. Hieraus entwickelt sich dann ein neuer Geflechtknochen [35, 36, 68].
Die desmale Ossifikation (Abb. 1.2, re. Bild): Hier lagern Osteoblasten das Osteoid direkt an die schon bestehende Knochensubstanz an, wobei hierfür als Voraussetzungen stabile Umgebungsbedingungen und eine sehr gute Blutversorgung erforderlich sind [79].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.2: Die enchondrale Ossifikation (li.) zeigt den Übergang vom Knorpel zum kalzifizierten Knorpel und Knochen (rechts unten nach links oben)
Die desmale Ossifikation (re.) zeigt die direkte Anlagerung des Osteoids an schon bestehenden Knochen [98, 105]
1.4. Haut und Wundheilung
Aufbau der einzelnen Hautschichten
Die Haut wird von außen nach innen in 3 Hauptschichten unterteilt: Die Epidermis, die Dermis und die Subkutis [51] (Abb. 1.3).
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Abbildung 1.3: Aufbau der gesunden Haut der Ratte [105]
(in der Dermis sind Haarbälge und Talgdrüsen zu sehen)
Die Epidermis (histologisches Bild bei der Ratte, Abbildung 1.4) stellt die äußerste Schicht dar und lässt sich noch weiter unterteilen: Die unterste Schicht ist die Keimzellschicht, das Stratum basale. In ihr teilen sich die Zellen und es entstehen neue Epithelzellen. Diese wandern nach außen, in das Stratum spinosum (Stachelzellschicht), wo sie granulieren und dann zum Stratum granulosum werden. Hier schließt sich das Stratum lucidum an, in ihm lösen sich DNA, RNA und Zellorganellen auf und gehen nun in das darüberliegende Stratum corneum über, welches nur noch aus abgestorbenen Zellen besteht. Darauf liegt zusätzlich noch eine Schutzschicht aus Zelltrümmern, die Hornschuppen [51, 125].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.4: Aufbau der Epidermis bei der Ratte [105]
(das Stratum lucidum ist nicht abgebildet)
Unter der Epidermis liegt die Dermis, welche wiederum aus 2 Schichten besteht: dem Stratum papillare als Schicht zur Verzahnung mit der Epidermis und dem Stratum reticulare als netzartige, stabilisierende Schicht mit dicken Kollagenbündeln [51].
Hierunter befindet sich die Subkutis, welche vorwiegend aus subkutanem Fettgewebe und lockerem Bindegewebe besteht [51].
Wundheilung
Ähnlich wie bei der Frakturheilung kann auch die Wundheilung in primär und sekundär unterschieden werden [2, 51]. Bei der primären Wundheilung sind die Wundränder exakt adaptiert und direkt aneinander fixiert (z. B. nach einer chirurgischen Naht). Bei der sekundären Wundheilung dagegen klaffen die Wundränder, wobei der bestehende Defekt durch neu gebildetes Gewebe aufgefüllt werden muss.
Stadien der Wundheilung: Nach Clark [15, 16] läuft die Wundheilung in drei, sich teilweise überschneidenden, Stadien ab:
I. Entzündungsstadium
II. Granulationsstadium
III. Stadium der Gewebeneubildung bzw. des Remodeling
Diese Stadien werden sowohl bei der primären als auch bei der sekundären Wundheilung durchlaufen, jedoch in unterschiedlich starker Ausprägung:
Im Entzündungsstadium (bis zu 10 Tage) kommt es durch die Einblutung in das traumatisierte Gewebe zur Ausbildung eines Blutpfropfes, welcher für eine ungestörte Wundheilung essentiell ist [37]. Bradykinin und Anaphylatoxine, die von den Komplementfaktoren gebildet werden, erweitern die Kapillaren und machen sie durchlässig [11, 83]. Nun können neutrophile Granulozyten und Makrophagen in das Wundgebiet einwandern und nekrotisches Material entfernen. Durch die Verletzung der Haut steigern die angrenzenden Epidermiszellen - verursacht durch den Verlust der bestehenden Kontakthemmung - innerhalb weniger Stunden ihre Mitoserate [15, 37]. So können Epithelzellen in das verletzte Gebiet einwandern [11]. Dieser Vorgang geschieht amöboid, das heißt: Jede Zelle bildet Pseudopodien aus und bewegt sich durch Fließen des Zellinhaltes weiter. Man findet nun in den Zellen neben Phagolysosomen ein auffallend raues endoplasmatisches Retikulum mit einem gut ausgebildeten Golgi-Apparat. Kontraktile Mikrofilamente, welche sich als „kortikales Band“ darstellen, begleiten diesen Vorgang [83].
Zusätzlich werden Wachstumsfaktoren und andere Stoffe zur Einleitung der Granulationsphase freigesetzt, wobei die Wunde zu diesem Zeitpunkt am anfälligsten gegenüber Bakterien ist [11, 15, 83]. Der Übergang zum II. Stadium ist fließend.
Das sich nun bildende Granulationsgewebe besteht vornehmlich aus Makrophagen und Fibroblasten. Die Fibroblasten verhalten sich ähnlich wie die Epithelzellen. Im Ruhezustand unterliegen sie der Kontakthemmung, am Ende der Entzündungsphase beginnen sie amöboid in das Verletzungsgebiet einzuwandern. Hierbei bilden sie neben Kollagen Proteoglykane, Elastin und verschiedene Enzyme. Diese Substanzen werden ungefähr zwei Wochen lang produziert [83]. Zeitgleich mit der Migration der Fibroblasten sprießen kleine Kapillaren aus den Umgebungsgefäßen in das Entzündungsgebiet ein. Hierdurch wird eine rege Durchblutung mit einer hohen Sauerstoffkonzentration gewährleistet, welche für die weiteren Reparaturvorgänge notwendig ist [83]. Diese neu gebildeten Gefäße und eine extrazelluläre Matrix ersetzten gerade bei Defektwunden das fehlende Gewebe und führen zu einer vorläufigen Verbindung der Wundränder [2]. Das neu gebildete Kollagen stabilisiert die Narbe zunehmend und die von den Rändern einwachsenden Epithelzellen sorgen für eine Bedeckung nach außen [12, 15]. Durch eine radiale Anordnung von Fasern und Matrix wird die Wunde zusätzlich kontrahiert und so verkleinert [15, 37].
Im Stadium III des Remodeling unterliegen nun die extrazellulären Matrixkomponenten (vorwiegend das Kollagen) und das Gewebe einem ständigen Umbau, wodurch die Narbe zunehmend an Stabilität gewinnt [16, 37].
2. Arbeitshypothese
Das Entzündungsstadium zu Beginn von Fraktur- und Wundheilung ist eine sehr wichtige, vielleicht sogar entscheidende Phase der Heilung.
Nichtsteroidale Antiphlogistika, so auch Diclofenac, wirken analgetisch, antipyretisch und antiphlogistisch. Der Wirkung erfolgt über eine Hemmung der Cyclooxygenase.
Somit stellt sich die Frage: Beeinflusst oder verzögert Diclofenac als ein Medikament aus der Gruppe der NSA die Frakturheilung oder auch die kutane Wundheilung?
Als analgetische Ersatzsubstanz für ein peripher wirksames Analgetikum wurde Tramadol aus der Gruppe der zentral wirksamen Analgetika in diese Untersuchung mit eingeschlossen. Von Seiten des Wirkmechanismus zentraler Analgetika ist eine solche Nebenwirkung mit negativer Beeinflussung der Fraktur- oder Wundheilung bei Tramadol nicht zu erwarten.
Die vorliegende Arbeit soll mögliche Unterschiede im Frakturkallus radiologisch, biomechanisch und histologisch bzw. histomorphologisch aufzeigen. Geklärt werden soll o.g. Frage sowohl in Bezug auf die kortikale Heilung (Frakturheilungsmodell) als auch auf die spongiöse Regeneration des Knochens.
Eine mögliche Beeinflussung der Wundheilung soll histologisch untersucht werden.
3. Material und Methoden
Als Versuchtiere wurden männliche Wistar Ratten gewählt. Bei der Ratte handelt es sich um ein bewährtes Tiermodell für die Untersuchung pharmakologischer Wirkungen [63]. Bei Untersuchungen zu knöchernen Umbauvorgängen werden ansonsten sehr gerne Schafe gewählt [5, 14, 96]. Diese sind jedoch als Wiederkäuer für pharmakologische Untersuchungen oral gegebener Medikamente nicht geeignet, da die Resorptionsvorgänge im Gastrointestinaltrakt sich deutlich von denen beim Menschen unterscheiden.
Durchgeführt wurden zwei getrennte Versuchsreihen (Versuchsreihe A und B).
Versuchsreihe A
Die erste Versuchsreihe diente zur Untersuchung der spongiösen Knochenbruchheilung (Bohrloch am distalen Femur) sowie zur Untersuchung der Wundheilung der Haut im Bereich der Operationsnarben. In Anbetracht der höheren Regenerationspotenz bei der Ratte wurde die Heilungsdauer auf 10 Tage festgelegt.
Versuchsreihe B
In der zweiten Versuchsreihe wurde über ein Frakturheilungsmodell die kortikale Knochenbruchheilung untersucht (Tibiaosteotomie mit anschließender Stabilisierung über einen Marknagel).
Als Frakturmodell diente eine quere, offene Osteotomie der Tibia am Übergang des proximalen zum mittleren Drittel. Dieses Modell gewährleistete standardisierbare und kontrollierbare Versuchsbedingungen. Die Stabilisierung der Osteotomie erfolgte mittels unaufgebohrter Marknagelung mit Kirschnerdraht, der klinisch entsprechenden Methode zur Stabilisierung von Frakturen im Schaftbereich langer Röhrenknochen [57, 95]. Da es sich um eine flexible Fixierung handelt, kommt es sehr rasch zur Bildung eines großen Frakturkallus, welcher einfach zu untersuchen ist [58]. Eine Rotationsstabilisierung durch Verriegelung muss nicht erfolgen, da bei intakter Fibula eine rotationsstabile Situation vorhanden ist.
Die Tiere in Versuchsreihe B wurden am 21. Tag nach der Operation in Narkose getötet. Unter Beachtung der etwa doppelt so hohen Heilungsgeschwindigkeit im Vergleich zum Menschen und aufgrund der Ergebnisse anderer Studien [1, 92, 114] war zu diesem Zeitpunkt ein möglichst großer Unterschied zu erwarten. Bei zu langer Versuchsdauer besteht die Gefahr, dass Unterschiede in Bezug auf die Frakturheilung nicht mehr nachweisbar sind wegen kompletter Durchbauung auch der Frakturen, die initial nur verzögert geheilt sind.
60 männliche Wistar Ratten (Charles River, Sulzfeld, Deutschland) mit einem Gewicht zwischen 305 und 400g wurden verwendet. Zusätzlich waren 6 Ersatztiere beantragt. Für die Untersuchung der Frakturheilung wurden die Tiere in 6 Gruppen (Versuchsreihe A mit 2 Gruppen; Versuchsreihe B mit 4 Gruppen) zu je 10 Tieren randomisiert zugeteilt.
Der Tierversuch war vorab fristgerecht beantragt und genehmigt worden durch die zuständige Kommission zur Genehmigung von Tierversuchen am Regierungspräsidium Tübingen (Tierversuchsgenehmigung Nr. 648 vom 18.11.1998).
Vorbereitung der Tiere:
Alle Tiere wurden über 2 Wochen vor Versuchsdurchführung an ihre definitiven Käfige und die neue Umgebung gewöhnt. Vor dem operativen Eingriff wurden die Tiere nach dem Gewicht randomisiert und der entsprechenden Gruppe zugeteilt.
Anästhesie und Operationsvorbereitung (Versuchsreihe A und B)
Es wurde eine Inhalationsnarkose eingeleitet und das Operationsgebiet steril vorbereitet. Die Prämedikation erfolgte im Ätherglas (ca. 10-14% Äther), das heißt die Tiere wurden vor der eigentlichen Narkose durch Ätherinhalation in Narkose versetzt. Nach Herausnehmen aus dem Ätherglas wurden die Tiere gewogen, markiert und das Ausgangsgewicht registriert.
Die Narkose wurde als Inhalationsnarkose mit 3,5-4 Vol% Desfluran (Suprane®; Fa. Pharmacia & Upjohn, Erlangen) über die Schnüffelmaske durchgeführt. Desfluran wurde trotz des deutlich höheren Preises verwendet, da weitgehend keine Verstoffwechselung in der Leber stattfindet. Somit kommt es beim Operateur (der bei den wiederkehrenden Eingriffen immer wieder geringere Mengen des Inhalationsnarkotikums mit einatmen muss) zu weniger Leberschädigungen als zum Beispiel bei der Verwendung von Halothan.
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- Quote paper
- Alexander Beck (Author), 2002, Einfluss von Diclofenac (NSAR) auf die Knochenbruch- und Wundheilung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144926
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