Während der Verhandlungen zwischen den alten EU-Mitgliedsländern (EU-15) und den Beitrittskandidaten (EU-10 / EU-8) der EU-Osterweiterung 2004 wurde beschlossen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit maximal sieben Jahre lang bilateral zu regeln sei. Diese Regel ist unter dem Synonym 2+3+2-Modell bekannt. Lediglich Irland, Großbritannien und Schweden liberalisierten die Arbeitsmärkte gegenüber den EU-8 Ländern mit sofortiger Wirkung, während alle anderen alten Mitgliedsländer, Deutschland eingeschlossen, Übergangsregelungen beschlossen. In der zweiten Phase öffneten acht weitere Mitgliedsländer die Arbeitsmärkte. Deutschland allerdings erhielt Restriktionen weiterhin aufrecht und nutzt somit die volle Zeit der 2+3+2-Übergangsregelung bis 2011 (Kahanec und Zimmermann 2008, 5). Ziel dieser Arbeit ist es, Befürchtungen und bisherige Erfahrungen anhand dreier EU-Staaten darzustellen und besondere Tendenzen im Rahmen der EU-Osterweiterung hervorzuheben. Die Arbeit konzentriert sich auf die beiden alten Mitgliedsländer Großbritannien und Deutschland sowie auf Polen als größtem Beitrittsland im Rahmen der EU-Osterweiterung 2004. Bedingt durch seine liberale Arbeitsmarktpolitik bietet Großbritannien Aufschluss über das Ausmaß der realen Migrationsströme aus den EU-8 Staaten und bietet möglicherweise aufschlussreiche Implikationen für Deutschland und die Zeit nach dem Ablauf der 2+3+2-Übergangsregelung im Jahre 2011.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEI TUNG
1.1 ARBEITNEHMERFREIZUGIGKEIT
1.2 VORGEHENSWEISE
2. ERWARTUNGEN UND BEFURCHTUNGEN VOR DER EU-ERWEI TERUNG
2.1 ERGEBNISSE AUSGEWAHLTER VORHERSAGEN
2.2 ASYMME TRIE ZWISCHEN OKONOMISCHEN ERWARTUNGEN UND SOZIAL-POLI TISCHEN S TIMMUNGEN
2.3 DIE BESONDERHEI TDER DEUTSCH-POLNISCHEN BEZIEHUNGEN
3. BISHERIGE ERFAHRUNGEN SEI TDER EU-ERWEI TERUNG
3.1 WIE S TABIL WAREN VORHERSAGEN BIS JETZT
3.2 ERFAHRUNGEN IN GROOBRITANNIEN, POLEN UNDDEU TSCHLAND
3.2.1 ERFAHRUNGEN IN GROBBRITANNIEN
3.2.1.1 Migrationsstrome
3.2.1.2 Profil der Migranten der EU
3.2.1.3 Auswirkungen der Arbeitskraftemigration auf Beschaftigungsrate und Lohne
3.2.2 ERFAHRUNGEN IN POLEN
3.2.3 ERFAHRUNGEN IN DEUTSCHLAND
3.3 PENDELMIGRATION UND FINANZKRISE
4. SCHLUSSBEMERKUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Nationalitat der fUr das Worker Registration Scheme registri erten Migranten
Abbildung 2: Alter der durch Worker Registration Scheme registrierten Arb eitnehmer in Prozent, Mai 2004 — Marz 2009
Abbildung 3: Beschaftigungsraten der EU-8 Migranten und VK-BUrger (Burger GroBbritanniens) in Prozent
Abbildung 4: Arbeitsmarkt und Migration laut LFS (Polish Labour Force Survey) 2000-2007
1. Einleitung
1.1 Arbeitnehmerfreiztigigkeit
Wahrend der Verhandlung en zwischen den alten EU-Mitgliedslandern (EU-15) und den B eitrittskandidaten (EU-10 / EU-8)1 der EU-Osterweiterung 2004 wurde beschloss en, dass die Arbeitnehmerfreiztigigkeit maximal sieben Jahre lang bilateral zu reg eln sei2. Di es e Regel ist unter dem Synonym 2+3+2-Modell bekannt. Lediglich Irland, GroBbritannien und Schweden lib e-ralisi erten die Arbeitsmarkte g eg entib er den EU-8 Landern mit sofortiger Wirkung, wahrend all e anderen alten Mitgliedslander, Deutschland einge-schloss en, Obergangsregelungen beschlossen. In der zweiten Phase offneten acht weitere Mitgliedslander die Arbeitsmarkte. Deutschland allerdings er-hi elt Restriktionen weiterhin aufrecht und nutzt somit die voll e Z eit der 2+3+2-Obergangsregelung bis 2011 (Kahanec und Zimmermann 2008, 5).
Zi el dieser Arb eit ist es, B eftirchtungen und bisherige Erfahrungen anhand drei er EU-Staaten darzustellen und besondere Tendenzen im Rahmen der EU-Osterweiterung hervorzuheben. Die Arbeit konzentri ert sich auf die b ei-den alten Mitgliedslander GroBbritannien und Deutschland sowi e auf Pol en als groBtem B eitrittsland im Rahmen der EU-Osterweiterung 2004. B edingt durch seine liberal e Arb eitsmarktpolitik bietet GroBbritannien Aufschluss tib er das AusmaB der realen Migrationsstrome aus den EU-8 Staaten und bie-tet moglicherweise aufschlussreiche Implikationen ftir Deutschland und die Z eit nach dem Ablauf der 2+3+2-Obergangsregelung im Jahre 2011.
1.2 Vorgehensweise
Kapitel zwei s etzt sich mit Erwartung en und B eftirchtungen der EU-
Osterweiterung 2004 aus einander. Zunächst werden verschi edene Arten von Er-hebungen zur Prognos e von Ost-West Wanderung en aufgezeigt und Ergebniss e di eser zusammengefasst. Des Weiteren werden ökonomische Erwartung en und sozial-politische Stimmungen im Zusammenhang mit der Osterweiterung son-di ert und es wird erklärt, weshalb teilweis e stark ausgeprägte Unterschiede auf-treten. Im Anschluss werden B esonderheiten der deutsch-polnischen B ezi ehun g en hervorg ehob en, weil di es e Auswirkung en auf Qualitat und Quantitat der Migration zwischen Pol en und Deutschland haben konnen.
Im folgenden Kapitel wird aufg ezeigt, inwi eweit Erwartungen der Osterweite-rung eingetreten sind und ob sich Beftirchtungen tatsachlich bestatigten. Neben dem Vergl eich der Prognos en mit den ersten tatsachlichen Erfahrungen s eit der Osterweiterung wird ein detailli erter Blick auf die beobachteten Migrationsstro-me, das Profil der EU-8 Migranten, sowie Veranderungen des Lohnniveaus und der B eschaftigungsrate in GroBbritannien g eworfen. AnschlieBend werden Aus-wirkungen aus P ersp ektive des Entsendelands Pol en erortert. Anhand der beo-bachteten Veranderungen in GroBbritannien und Pol en sowi e der Struktur der Arb eitslosigkeit in Deutschland wird das restriktive Verhalten Deutschland er-klart und T endenzen ftir die Zeit nach der 2+3+2-Phase geg eb en. Im l etzten Ab-schnitt des dritten Kapitels wird das Phanomen der P endelmigration b esonders im Rahmen jtingster Entwicklungen wirtschaftlichen Abschwungs erlautert. Die Arb eit wird mit Schlussbemerkungen abg eschlossen.
2. Erwartungen und Beftirchtungen vor der EU-Erweiterung 2004
Einer der Hauptgrtinde, weshalb die meisten EU-15 Staaten bilaterale Ober-gangsregelungen zum Schutz der Arb eitsmarkte bestimmten, ist eine verbreitete Angst vor Massenmigration billig er Arb eitskrafte aus den neuen Mitgliedsstaa-t en. Es gibt ein breites Angebot an Literatur, welche das AusmaB der Migration aus den neuen Mitgli edsstaaten zu schatzen versucht (Kahanec und Zimmermann 2008, 5). F erner traten vereinzelt stark populistisch g epragte M einung en wi e beispi elsweis e folgende Aussage auf: „Die billigen Arbeitskrafte aus dem Osten werden uns die Jobs wegnehmen". Wi e im Weiteren Aufg ezeigt wird, konnten di ese Empfindungen von der Politik nicht ignori ert werden (Straubhaar 2002, 14). Besonders im Rahmen der historischen und g eografischen Besonderheiten der deutsch-polnischen Beziehungen wird nachvollzi ehbar, weshalb Deutschland die voll e Zeit der bilateralen Obergangsregelung ausnutzt.
2.1 Ergebnisse ausgewAhlter Vorhersagen
Aufgrund unterschi edlicher methodologischer Ansatze und der Vi elzahl ver-wendeter Variabl en ist es komplizi ert, die einzelnen Studien von Migrati-onsprognos en miteinander zu vergl eichen. Der GroBteil der Studi en prognos-tizi erte eine Quote von zwei bis ftinf Prozent der Bevolkerung der Z entral-und Osteuropaischen Lander, die langfristig in den Westen wand ern wtirden.
Dies entspräche etwa einem Prozent der gesamten EU-15 B evölkerung en (Zaic eva und Zimmermann 2008, 436). Einige Studi en wi e etwa Sinn et al. (2000; zitiert nach Kahanec und Zimmermann 2008, 6), die sich im ob eren B ereich der Vorhersag en b efindenen, hing eg en schätzten das Migrationspo-tential auf si eb en bis acht Proz ent.
Aus methodologischer Sicht b estehen zwei Ansätz e um Migrationsbewegun-gen zu prognostizi eren. Dies sind zum Einen Schätzung en auf Grundlag e von B efragungen, die in den meisten Kandidaten-Ländern vor der EU-Osterweiterung im Jahre 2004 erhob en wurden und die Wanderungsabsicht in Richtung EU-15 maBen. Zum Anderen sind es Hochrechnung en auf Grundlage von ökonometrischen Modell en, die mit Hilfe analytischer M e-thoden und verschi edener Einflussvariabl en errechnet wurden. Hi erf6r wur-den Einflussvariabl en wi e historische Daten der B eitrittsländer verwendet (zum B eispiel Lohndifferenzen, relative Arb eitslosigkeit, b ereits im Zi elland l ebende Migrant enbevölkerung oder g eografische Distanz).
Der Hauptvorteil des ersten Ansatzes (Schätzung en auf Grundlage von B e-fragungen) ist die VerfUgbarkeit individueller Charakteristika, sowie die Möglichkeit, zwischen kurz- und mitt elfristig er Migration unterscheiden zu können. All erdings ist es schwierig, zwischen dem ermittelten Vorhab en und dem anschlie13endem tatsächlichen Verhalten zu unterscheiden (Zaic eva und Zimmermann 2008, 436).
Resultate des zweiten Ansatzes (Hochrechnungen auf Grundlage von öko-nometrischen Modellen) gelangen zu unterschi edlichen Ergebnissen, stark abhängig von den teilweise s ehr restriktiven Modellannahmen. So schätzten Boeri und Brucker (2001; ziti ert nach Zaic eva und Zimmermann 2008, 437) in ihrer Untersuchung unter der Annahme von vollkommener Mobilität, dass bis zum Jahre 2030 3,5 Prozent der B evölkerung neuer EU-Mitgli eder in die EU-15 wandern wurde. Eine Studi e von Alvarez-Plata et al. (2003; zitiert nach Zaic eva und Zimmermann 2008, 437) ermittelte eine geringfUgig ni ed-rig ere Migrationseb ene. Dariiber hinaus stellte die Studi e fest, dass Ober-gangsperioden (wi e das 2+3+2-Modell) eine lediglich verschieb ende Wir-kung, ansonsten j edoch nur marginal e Effekte haben warden.
Vi ele Untersuchungen hob en j edoch hervor, dass die Frage der Aufenthalts-dauer der Migranten in den EU-15 Staaten weiterhin unklar s ei. Die Mehrheit der B efragten Migranten nannte einen Aufenthaltsz eitraum von einem bis flinf Jahren zum L eb en und Arbeiten im Ausland. Nur wenig e äuBerten den Wunsch, dauerhaft auswandern zu woll en (Heinen und P eg els 2006, 2).
2.2 Asymmetrie zwischen likonomischen Erwartungen und so-zial-politischen Stimmungen
Migration kann g esamtwirtschaftlich zwar positiv s ein, einzelne Gruppen in der Gesellschaft können ab er durch Zuwanderer in verschi edener Hinsicht substituiert werden. Die Tatsache, dass T eilgruppi erung en somit zu „Verlie-rern" der EU-Erweiterung g ehören könnten, kann Ursache für die Entstehung von Spannung en und B ef6rchtungen sein, die einen emotional en Ursprung hab en, ökonomisch aber nicht fassbar sind. Auf di ese Weise bi etet sich Raum fur populistische M einungsmache.
Di ese Spannung en und Befurchtungen können durch ungleiche subj ektive ab er auch obj ektive Betroffenheiten der Zuwanderungseffekte entstehen. Die Nutzen von Migration sind anonymisi ert und werden nicht wissentlich wahr-genommen. Als ein Vergl eich eignen sich die Vorteile einer funktionieren-den Rechtsordnung, die als selbstverständlich wahrg enommen und nicht ständig hervorgehob en wird, obwohl di es e zu einer el ementaren Errungen-schaft der Gesellschaft gehört. Di es es Phänomen lässt sich mit der „Logik des koll ektiven Handelns" erklären (Olsons 1968; ziti ert nach Straubhaar 2002, 50). Die wenigen M enschen, die durch Zuwanderung Uberproportional stark negativ getroffen werden, lass en sich l eichter und vor allem wirkungs-voll er organisi eren und medienwirksamer inszeni eren, als die relativ gröBer e Menge der allgemein durch Zuwanderung Profiti erenden. L etztere neigen aufgrund der individuell g eringeren Vorteile eher zu sogenannten „Trittbrett-fahren" (Straubhaar 2002,49-52).
Während die Vorteil e von Migration also kaum öffentlich thematisiert wer-den, können die punktuell negativen Erscheinungen öffentlicher instrumenta-lisi ert werden. Si e waren auch Ursache f6r häufig auftretende Skepsis im Zu-sammenhang mit der Osterweiterung. So schurten die prognostizi erten Zu-wanderungszahl en in der Politik und Offentlichkeit die Sorge, dass die ohne-hin bereits hohen Arb eitslos enzahlen im Rahmen der Zuwanderung „billiger" Arb eitskräfte aus dem Osten überproportional steig en warden. Einer Umfra-ge aus dem Jahre 2004 zufolge erwarteten 75% der Befragten D eutschen ei-nen Ansti eg der Arb eitslosigkeit durch die Osterweiterung und nur 28% be-grtiBten die Erweiterung (Heinen und P egels 2006, 2).
[...]
1 Im Jahre 2004 traten die sog enannten EU-10 L,nder der EU b ei: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Pol en, Slowakei, Slow eni en, Tschechien, Ungarn und Zyp ern. Im Jahre 2007 folgten Bulgarien und Rumänien (EU-12). Da im Zuge der Osterweiterung 2004 Malta und Zyp ern ein Sonderrolle spi elen, wird häufig von der EU-8 gesprochen, welche sich aus der EU-10 ohne Malta und Zyp ern zusammens etzt.
2 S elbige Einigung fand ftir die Beitrittsländer der EU-Osterweiterung 2007 Anwendung.
- Arbeit zitieren
- Maxim Rabkin (Autor:in), 2009, Die Migration aus Ostmitteleuropa in die Länder der EU-15: Befürchtungen und bisherige Erfahrungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144770
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