Das primäre Ziel der Europäischen Zentralbank besteht darin, das Preisniveau auf einem stabilen Level zu halten. Zur Erreichung
dieses Zieles setzt die EZB geldpolitische Instrumente ein, um so Einfluss auf die kurzfristigen Zinssätze zu haben. Das wohl wichtigste Instrument hierbei sind die Hauptrefinanzierungsgeschäfte als Bestandteil der Offenmarktpolitik. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch vom Leitzins der EZB gesprochen.
Der Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der EZB und wie sich diese in Folge auf den realen Sektor der Mitgliedsstaaten sowie das Preisniveau auswirken, wird allgemein als Transmissionsmechanismus der Geldpolitik definiert. In der neueren Literatur erfolgt die Klassifizierung nach
den relevanten Variablen. Hierbei sind Wechselkurs-, Zins- sowie der Kreditkanal mit seinen beiden Teilkanälen, dem Bilanz- und dem Bankenkanal, am wichtigsten. Für die weitere Betrachtung ist besonders der Transmissionskanal der relativen Preise von Bedeutung. Der Kreditkanal stellt hier eine Erweiterung der ursprünglichen Theorie dar und soll den oft beobachteten großen
Einfluss einer geringen Änderung des Leitzins auf die Volkswirtschaft erklären.
Die Wirkung eines monetären Impulses auf die realen Größen erfolgt erst mit zeitlicher Verzögerung, sogenannten Lags. Diese können antizyklische Impulse der Notenbank, die versucht Konjunkturschwankungen zu glätten, zu einer prozyklischen
Verstärkung umkehren. Unterschieden wird hier zwischen dem Erkennungs-, Handlungs- und Wirkungslag. Der Erkennungslag beruht auf der Tatsache, dass Maßzahlen, wie z.B. das Wirtschaftswachstum, mit zeitlicher Verzögerung bekannt werden. Der Handlungslag kann in der heutigen Zeit weitgehend vernachlässigt werden. Wohl am gravierendsten ist der Wirkungslag, welcher den Zeitraum zwischen dem Impuls der EZB und die anschließende Wirkung auf die Ziele der EZB abgrenzt. Dieser Lag kann zudem in zwei Stufen unterteilt werden, wobei die erste den Finanzsektor und die zweite den Nichtbankensektor betrifft. Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass Geldpolitik kurzfristig die realwirtschaftlichen Faktoren und langfristig lediglich
das Preisniveau beeinflusst. Wie diese kurzfristige Beeinflussung genau von Statten geht, welches Ausmaß sie hat und was für Schwankungen dabei auftreten, ist jedoch immer noch nicht komplett geklärt. Daher ist in der Literatur häufig von
dem Begriff der „Black Box“ die Rede.
Inhaltsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Abkürzungsverzeichnis
IV. Symbolverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Definition des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik
1.2. Die Problematik des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik
2. Der Kanal der relativen Preise
3. Der Kreditkanal in der Theorie
3.1. Der Bankenkanal (Bank-Lending-Channel)
3.1.1. Adverse Selektion
3.1.2. Moral Hazard
3.2. Der Bilanzkanal (Balance-Sheet-Channel)
3.2.1. Der Cash-Flow Kanal
3.2.2. Der Kanal der Haushaltsliquidität
3.3. Der finanzielle Akzelerator – Der Anpassungsprozess
4. Empirische Befunde des Kreditkanals
4.1. Empirische Evidenz des Bankenkanals
4.2. Empirische Evidenz des Bilanzkanals
4.3. Kritische Würdigung der Studien
5. Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Der finanzielle Akzelerator und Kreditrationierung
Abb. 2: Responses of Output, Prices and Federal Funds Rate to a Monetary Policy Shock
Abb. 3: Responses of Final Demand and Inventories to a Monetary Policy Shock
Abb. 4: Responses of Spending Components to a Monetary Policy Shock
Abb. 5: Interest Rate Spreads and Terms of Lending
Abb. 6: Response of Commercial Bank Loans and Real GDP to a 1 Percentage Point Increase in the Federal Funds Rate
Abb. 7: Response of Commercial Bank Loans and Real GDP to a 1 Percentage Point Increase in the Federal Funds Rate Attributed to the Lending Channel
Abb. 8: The Funds Rate and the Coverage Ratio
Abb. 9: Responses of Corporate Cash Flows to a Monetary Policy Shock
Abb. 10: The response of bank lending to monetary policy across balance sheet strength
Abb. 11: The aggregate effect of the balance sheet channel
III. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das primäre Ziel der Europäischen Zentralbank besteht darin, das Preisniveau auf einem stabilen Level zu halten (vgl. Europäische Union (2006), §105). Zur Erreichung dieses Zieles setzt die EZB geldpolitische Instrumente ein, um so Einfluss auf die kurzfristigen Zinssätze zu haben. Das wohl wichtigste Instrument hierbei sind die Hauptrefinanzierungsgeschäfte als Bestandteil der Offenmarktpolitik, bei denen die EZB im Tenderverfahren Zentralbankgeld an die Geschäftsbanken versteigert (vgl. Jarchow (2003), S. 102; S. 463 f.). Häufig wird in diesem Zusammenhang auch vom Leitzins der EZB gesprochen.
1.1. Definition des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik
Der Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der EZB und wie sich diese in Folge auf den realen Sektor der Mitgliedsstaaten sowie das Preisniveau auswirken, wird allgemein als Transmissionsmechanismus der Geldpolitik definiert (vgl. Issing (2007), S. 156). In der neueren Literatur erfolgt die Klassifizierung nach den relevanten Variablen. Hierbei sind Wechselkurs-, Zins- sowie der Kreditkanal mit seinen beiden Teilkanälen, dem Bilanz- und dem Bankenkanal, am wichtigsten. Die Meinungen vieler Wirtschaftswissenschaftler über die relative Bedeutung dieser Kanäle gehen jedoch auseinander und so wird in der Literatur bisweilen der Versuch unternommen, eine empirische Quantifizierung vorzunehmen (vgl. Gerdesmeier (2006), S. 263). Für die weitere Betrachtung ist besonders der Transmissionskanal der relativen Preise von Bedeutung. Der Kreditkanal stellt hier eine Erweiterung der ursprünglichen Theorie dar und soll den oft beobachteten großen Einfluss einer geringen Änderung des Leitzins auf die Volkswirtschaft erklären (vgl. Jarchow (2003), S. 233).
1.2. Die Problematik des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik
Die Wirkung eines monetären Impulses auf die realen Größen erfolgt erst mit zeitlicher Verzögerung, sogenannten Lags. Diese können antizyklische Impulse der Notenbank, die versucht Konjunkturschwankungen zu glätten, zu einer prozyklischen Verstärkung umkehren. Unterschieden wird hier zwischen dem Erkennungs -, Handlungs - und Wirkungslag. Der Erkennungslag beruht auf der Tatsache, dass Maßzahlen, wie z.B. das Wirtschaftswachstum, mit zeitlicher Verzögerung bekannt werden. Der Handlungslag kann in der heutigen Zeit weitgehend vernachlässigt werden. Wohl am gravierendsten ist der Wirkungslag, welcher den Zeitraum zwischen dem Impuls der EZB und die anschließende Wirkung auf die Ziele der EZB abgrenzt. Dieser Lag kann zudem in zwei Stufen unterteilt werden, wobei die erste den Finanzsektor und die zweite den Nichtbankensektor betrifft (vgl. Gerdesmeier (2006), S. 106ff.). Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass Geldpolitik kurzfristig die realwirtschaftlichen Faktoren und langfristig lediglich das Preisniveau beeinflusst. Wie diese kurzfristige Beeinflussung genau von Statten geht, welches Ausmaß sie hat und was für Schwankungen dabei auftreten, ist jedoch immer noch nicht komplett geklärt. Daher ist in der Literatur häufig von dem Begriff der „Black Box“ die Rede (vgl. Gerdesmeier (2006), S. 99; Illing (1997), S. 76). Auf die Wirkung des Transmissionsmechanismus der relativen Preise gehe ich kurz in Kapitel zwei ein, da der Kreditkanal eine Erweiterung dieser Theorie darstellt. Im dritten Kapitel werden zunächst die grundlegenden Begriffe des Kreditkanals definiert. Anschließend gehe ich auf die Theorie des Bilanz- und Bankenkanals näher ein und stelle daraufhin einen Anpassungsprozess dar. Der Fokus des vierten Kapitels liegt auf der Wiedergabe von empirischen Befunden, in welchem Ausmaß die realen Größen durch den Kreditkanal eine Verstärkung erfahren und welche Bedeutung dem Bilanz- und dem Bankenkanal dabei beizumessen sind. Hierzu erfolgt eine Gegenüberstellung des Gesamtmodells von Bernanke und Gertler (1995) mit dem Modell des Bankenkanals von Ashcraft (2006) und dem Modell des Bilanzkanals von Ashcraft und Campello (2007). Im Anschluss folgt eine kritische Würdigung der Modelle. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung.
2. Der Kanal der relativen Preise
Der Transmissionsmechanismus der relativen Preise stellt die monetaristische Sichtweise dar. Kapitalanleger halten ein komplexes, optimal diversifiziertes Portfolio an Finanz- und Sachaktiva. Zwischen diesen beiden Anlageformen besteht annahmegemäß ein hoher Substitutionsgrad. Ein restriktiver monetärer Impuls stört das Portfoliogleichgewicht, woraufhin sich die Anleger, Geschäfts- und Nichtbanken bemühen, ihr optimales Portfolio wieder herzustellen, was eine Reihe von Anpassungsprozessen auslöst (vgl. Illing (1997), S. 153). Die Notenbankintervention veranlasst die Geschäftsbanken, zusätzlich zu ihrer Refinanzierung über kurzfristige Fazilitäten, langfristige Obligationen, wie z.B. Staatsanleihen, zu verkaufen, um ihren erhöhten Kapitalbedarf zu decken. Infolgedessen schränken sie auch ihr Kreditangebot ein, was durch eine Erhöhung des Sollzinssatzes erreicht wird. Der Kursverlust von Obligationen führt dazu, dass die Nichtbanken Sachvermögen, z.B. in Form von Aktien, verkaufen, da dieses im Preis noch stabil ist. Die in Folge fallenden Aktienkurse ändern den Marktwert von börsennotierten Unternehmen und führen dazu, dass das Tobinsche q, das Verhältnis von bestehenden zu neu produzierten Sachaktiva, sinkt. Folglich werden weniger neu produzierte Investitionsgüter, langlebige Konsumgüter und Neubauten nachgefragt. Die Produktion sowie die Preise sinken. Ein Notenbankimpuls wirkt hauptsächlich über Substitutions- und Vermögenseffekte auf die realwirtschaftlichen Größen (vgl. Jarchow (2003), S. 228ff.).
3. Der Kreditkanal in der Theorie
Der Kreditkanal, als Erweiterung des beschriebenen Anpassungsprozesses, soll ein Erklärungsansatz sein, warum bereits geringe Leitzinsänderungen zu starken Änderungen von Konsum und Investitionen führen können. Die Kreditvergabe der Geschäftsbanken an die Unternehmen und Haushalte spielt dabei eine entscheidende Rolle (vgl. Jarchow (2003), S. 228ff.). Nur wenn die Nichtbanken also keine finanziellen Mittel über die Geld- und Kapitalmärkte, sondern bei den Geschäftsbanken in Form von Krediten beschaffen, ist vom Kreditkanal die Rede (vgl. Anderegg (2007), S. 171). Die großen Auswirkungen auf Investitionen und Konsum werden in der Literatur oft als finanzieller Akzelerator bezeichnet. Der Ursprung dieses finanziellen Akzelerators beruht auf der Tatsache, dass der Kreditmarkt unvollkommen ist und somit zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber Informationsasymmetrien bestehen. Die beiden Teilkanäle des Kreditkanals, der Bilanz- und der Bankenkanal, unterscheiden sich dabei sehr in ihren Wirkungsweisen (vgl. Görgens u.a. (2004), S. 294). Durch die asymmetrische Informationsverteilung erhöhen die Banken den eigentlichen Sollzinssatz um die sogenannte Fremdfinanzierungsprämie (FFP). Diese beinhaltet die Kosten der Informationsbeschaffung und Kontrolle potenzieller Schuldner. Des Weiteren enthält sie einen Risikozuschlag für den Fall, dass ein Schuldner den Kredit nicht tilgen kann. Die FFP entspricht also der Differenz zwischen den Kosten einer externen zu denen einer Innenfinanzierung (vgl. Jarchow (2003), S. 233f.).
3.1. Der Bankenkanal (Bank-Lending-Channel)
Der Bankenkanal stellt die Angebotsseite des Kreditmarktes dar. Zwei Verhaltensweisen der Geschäftsbanken stehen hierbei im Vordergrund. Zum einem beeinflusst eine Intervention der ZB das Angebot an Krediten sowie die Kreditzinsen. Insbesondere kleine Banken, die über wenig Kapital verfügen, müssen ihr Kreditangebot einschränken, um weiterhin liquide Mittel zur Verfügung zu haben. Zum anderen intensivieren alle Geschäftsbanken die Selektion potenzieller Kreditnehmer. Betroffen sind besonders Haushalte und kleine Unternehmen mit geringer Bonität, die nicht in der Lage sind, sich über andere Wege zu refinanzieren. Folglich sinken die kreditfinanzierten Investitionen und der Konsum. Dieses selektive Verhalten der Geschäftsbanken beruht auf einem Rendite-Risiko-Kalkül. Ab einem bestimmten Punkt ist es für die Banken nicht mehr sinnvoll, die FFP weiter anzuheben, da das Kreditausfallrisiko, welches einerseits durch Ad verse Selektion und andererseits durch Moral Hazard geschürt wird, größer ist als der erwartete zusätzliche Profit. Sie werden dann eher dazu neigen, die Kreditvergabe einzuschränken (vgl. Görgens u.a. (2004), S. 294ff.). In einigen Regionen, zu denen auch Deutschland zählt, sind diese Probleme allerdings nicht so stark ausgeprägt. Viele kleine Banken sind in Genossenschafts- und Sparkassenverbänden organisiert und können so zusätzliche Finanzmittel auf dem Interbankengeldmarkt beschaffen. Dadurch können sie die Hausbankfunktion weiterhin erfüllen und das Kreditangebot konstant halten. Das Hausbankprinzip erfüllt noch eine zweite Aufgabe. Durch die oft langjährigen Beziehungen der Kreditnehmer zu einer Geschäftsbank, bestehen zwischen den Parteien geringere Informationsasymmetrien. Dadurch fällt die FFP der Banken geringer aus und die Kreditgewährung nimmt zu (vgl. Braasch (2002), S. 12ff.)
3.1.1. Adverse Selektion
Die Adverse Selektion ist ein ex ante Problem und spielt daher vor dem Abschluss eines Kreditvertrages eine Rolle. Steigen die Kreditzinsen, verzichten immer mehr Nachfrager mit sicheren, aber renditeschwachen Investitionsprojekten auf eine Kreditfinanzierung, da ein höherer Zins die Investition unrentabel macht. Andererseits versuchen Kreditnehmer für Projekte, die mit hohen Renditen und Risiken behaftet sind, weiterhin einen Kredit zu bekommen. Diese Negativauslese beruht auf Informationsasymmetrien zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber. Ab einen bestimmen, optimalen Zinssatz verzichten die Kreditinstitute daher auf weitere Zinserhöhungen, da immer mehr risikobehaftete Projekte, die guten risikolosen Projekte verdrängen. Sie schränken daher ihr Angebot ein, um das Kreditausfallrisiko zu minimieren. Dies kann letztlich in einer Kreditrationierung enden, bei der die Geldpolitik wirkungslos ist (vgl. Görgens u.a. (2004), S. 297f.).
Akerlof (1970, S. 489ff.) beschreibt dieses Phänomen anhand des Gebrauchtwagenmarktes. Zwischen Käufer und Verkäufer besteht im Vorfeld des Kaufes hinsichtlich der Qualität des Autos eine asymmetrische Informationsverteilung. Ein Ausgleich kann nur über zusätzliche Kosten für den Käufer erlangt werden. Da auf diesem unvollkommenen Markt sowohl gute als auch schlechte Gebrauchtwagen angeboten werden, ist der Käufer aufgrund der zusätzlichen Informationskosten folglich nur bereit einen Preis zu zahlen, der zwischen dem Preis eines guten und eines schlechten Autos liegt. Zu diesem Preis wiederum sind die Verkäufer guter Autos nicht bereit, einen Gebrauchtwagen anzubieten und scheiden aus dem Markt aus. Letztendlich werden nur noch schlechte Autos, sogenannte „Lemons“, angeboten.
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- Citation du texte
- André Wycisk (Auteur), 2009, Der Kreditkanal der Geldpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144642
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