Die Performance-Kunst des ausgehenden 20. Jahrhunderts offenbart sich in den verschiedensten Ausprägungen, von Jérome Bels „The Last Performance“, Xavier Le Roys „Lecture Performance“ und Rebecca Horns Körperskulpturen, über Judith Butlers „Haß spricht“, John L. Austins Sprechakttheorie und Yves Kleins „Anthropometrien“, zu den Wiener Aktionisten, bis hin zu den Selbstverletzungen und Selbstverstümmelungen eines Stelarc oder einer Marina Abramovic. Ausdrücke wie Performance, Aktionskunst und Happening erscheinen austauschbar, denn eine eindeutige Definition scheint nicht möglich. So unterschiedlich wie die einzelnen Performer, sind auch die Gegenstände und Medien, die sie in Ihren Performances verwenden: Von einigen Fleischerhaken, die sich Stelarc in seinen Körper bohrt, um sich daran aufzuhängen, zum Tennisschläger bei Jérome Bel, den Frauen die Yves Klein durch Farbe gezogen hat, um seine „Anthropometrien“ zu schaffen, bis hin zum eigenen Körper, den Xavier Le Roy in seiner Performance eigenartig verformt. Mit der zunehmenden Disponibilität und Transportfähigkeit audio-visueller Medien haben auch sie Einzug in die Performance-Kunst gehalten. Das Medium Film nimmt dabei jedoch eine Sonderstellung ein. Zwar werden Film und Video in Performances integriert und häufig genutzt, doch einen Film alleine sieht man in einer Performance nie, oder fast nie. Dies liegt wohl in der Natur des Mediums Film. Aufgrund der sehr speziellen Nutzung, Herstellung und Aufführungsform scheinen einem Film die Merkmale einer Performance zu fehlen. Doch wie sind diese eigentlich Merkmale abgrenzt? Ein Film kann eigentlich keine Performance sein. Oder vielleicht doch? Diese Frage versucht die vorliegende Arbeit anhand eines konkreten Beispiels zu klären. Derek Jarmans Film Blue weist einige besonders interessante performative Aspekte auf, die einer näheren Betrachtung bedürfen. Hierzu werden zuerst einige wichtige Merkmale von Performances skizziert, dann wird das Leben und Werk von Derek Jarman näher betrachtet. Im Anschluß wird auf die Entstehungsgeschichte des Films Blue eingegangen, die von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Danach wird der Film auf seine besonderen Merkmale hin untersucht. Abschließend sollen die performativen Aspekte des Films herausgearbeitet und kritisch hinterfragt werden.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Merkmale von Performances
3.Leben und Werk von Derek Jarman
3.1.Lebenslauf
3.2.Künstlerische Einflüsse
4.Entstehungsgeschichte des FilmBlue
5.Blue
5.1.Inhalt
5.2.Thematik und Bedeutung der Farbe "Blau"
5.3.Performative Aspekte inBlue
5.4.Kritische Betrachtung
6.Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Die Performance-Kunst des ausgehenden 20. Jahrhunderts offenbart sich in den verschiedensten Ausprägungen, von Jérome Bels „The Last Performance“, Xavier Le Roys „Lecture Performance“ und Rebecca Horns Körperskulpturen, über Judith Butlers „Haß spricht“, John L. Austins Sprechakttheorie und Yves Kleins „Anthropometrien“, zu den Wiener Aktionisten, bis hin zu den Selbstverletzungen und Selbstverstümmelungen eines Stelarc oder einer Marina Abramovic. Ausdrücke wie Performance, Aktionskunst und Happening erscheinen austauschbar, denn eine eindeutige Definition scheint nicht möglich.
So unterschiedlich wie die einzelnen Performer, sind auch die Gegenstände und Medien, die sie in Ihren Performances verwenden: Von einigen Fleischerhaken, die sich Stelarc in seinen Körper bohrt, um sich daran aufzuhängen, zum Tennisschläger bei Jérome Bel, den Frauen die Yves Klein durch Farbe gezogen hat, um seine „Anthropometrien“ zu schaffen, bis hin zum eigenen Körper, den Xavier Le Roy in seiner Performance eigenartig verformt. Mit der zunehmenden Disponibilität und Transportfähigkeit audio-visueller Medien haben auch sie Einzug in die Performance-Kunst gehalten.
Das Medium Film nimmt dabei jedoch eine Sonderstellung ein. Zwar werden Film und Video in Performances integriert und häufig genutzt, doch einen Film alleine sieht man in einer Performance nie, oder fast nie. Dies liegt wohl in der Natur des Mediums Film. Aufgrund der sehr speziellen Nutzung, Herstellung und Aufführungsform scheinen einem Film die Merkmale einer Performance zu fehlen. Doch wie sind diese eigentlich Merkmale abgrenzt? Ein Film kann eigentlich keine Performance sein. Oder vielleicht doch? Diese Frage versucht die vorliegende Arbeit anhand eines konkreten Beispiels zu klären. Derek Jarmans FilmBlueweist einige besonders interessante performative Aspekte auf, die einer näheren Betrachtung bedürfen. Hierzu werden zuerst einige wichtige Merkmale von Performances skizziert, dann wird das Leben und Werk von Derek Jarman näher betrachtet. Im Anschluß wird auf die Entstehungsgeschichte des FilmsBlueeingegangen, die von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Danach wird der Film auf seine besonderen Merkmale hin untersucht. Abschließend sollen die performativen Aspekte des Films herausgearbeitet und kritisch hinterfragt werden.
2. Merkmale von Performances
„Performance ist, wie immer wieder betont wird, undefinierbar; gleichzeitig kann diese Undefinierbarkeit jedoch als eine Definition von Performance verstanden werden.“1 Dieser dialektische Kunstgriff erleichtert nicht gerade die Betrachtung von Performances per se, ja er fordert beinahe dazu auf, jeglichem künstlerischen Werk den Begriff „Performance“ anzuhängen und es damit rein der Interpretation zu überlassen. Es lassen sich jedoch einige Merkmale feststellen, die für eine Performance relevant sind: Als grundlegend gilt die physische Präsenz des Künstlers und damit auch dessen Körper.2 Des weiteren vermischt die Performance die Bereiche Kunst und Leben. Der Alltag wird als Performance inszeniert oder alltägliches fließt in die Performance mit ein.3 Außerdem gibt es in der Performance keine erkennbaren Erzählstrukturen, wie etwa im klassischen Theater oder im Film. Dadurch „verschwindet ein bedeutender Faktor für die lineare Verbindung der einzelnen Zeichen; sie eröffnen somit sehr viel stärker einen assoziativen Raum.“4
Gabriele Brandstetter sieht jedoch durchaus die Möglichkeit Erzählungen in Performances zu verwenden. So setzen etwa Gruppen wie Gob Squad und She She Pop Erzählungen in Ihren Performances ein.5 Aber auch die „Lecture Performance“ von Xavier Le Roy aus dem Jahr 1998 rechnet sie dazu.6 Brandstetter sieht im Erzählen in einer Performance „ein punktuell exponiertes »story-telling« in einem gesetzten Performance-Rahmen, das szenisch ist, ohne aber doch die »Szene« (als Handlungszusammenhang) erst herzustellen oder auszufüllen.“7
Ein weiteres wichtiges Merkmal einer Performance ist die Einmaligkeit, d.h. die Performance kann und soll nicht reproduziert werden, sei es durch eine andere Person oder aber durch Wiederholung durch den Künstler selbst.8 Eine wichtige Aufgabe wird dem Zuschauer einer Performance zuteil. Er soll „auf dem Wege über seine Wahrnehmung des von den Akteuren präsentierten Materials ebenso wie der anderen Zuschauer seine je eigene und in diesem Sinne subjektiven Erfahrungen machen, seine eigene Aufführung schaffen.“9
Im Gegensatz zum Theater, bei dem die Darstellung einer Handlung oder Situation bzw. einer Figur im Vordergrund steht, richtet sich das Hauptaugenmerk in einer Performance auf den Vollzug von Handlungen durch den Künstler oder manchmal auch durch den Betrachter.10 Der von Erika Fischer-Lichte beschriebene „untitled event“11 verwischte nicht nur die Grenzen zwischen den Künsten, sondern definierte das Verhältnis zwischen Theater und den anderen Künsten neu:
„Theater ist als performative Kunst par excellence zu begreifen. Denn es konstituiert sich durch das Zusammenspiel eben jener Faktoren, die aus meiner Sicht heute die Performance als modellbildend und den Begriff des Performativen als einen Schlüsselbegriff erscheinen lassen: eine spezifische Art der Raumwahrnehmung, ein besonderes Körperempfinden, eine bestimmte Form von Zeiterlebnis sowie eine neue Wertigkeit von Materialien und Gegenständen.“12
Die Online- Enzyklopädie Encarta definiert Begriffe wie Performance und Happening dagegen wesentlich weniger differenziert: Zum einen wird Performance als eine Form der Aktionskunst gesehen, die ohne aktive
Beteiligung des Publikums, meist nach einer festgelegten Dramaturgie abläuft.13 In einer Performance werden häufig klassische Elemente aus Tanz, Theater oder Musik mit neuen Elementen wie Vorträgen und Demonstrationen kombiniert.14 Das Happening dagegen hält sich an keine genauen Vorgaben, es ist vom Künstler nur in Grundzügen skizziert, der Ablauf erfolgt situationsbedingt und ist von der Mitwirkung des Publikums abhängig. Ziel eines Happenings ist dabei meist, die Grenzen zwischen Alltag und Kunst zu verwischen.15
3.Leben und Werk von Derek Jarman
3.1.Lebenslauf
Derek Jarman wurde am 31. Januar 1942 in Northwood, Middlesex einem Vorort von London geboren. Sein Vater, Lancelot Elworthy Jarman war Pilot der Royal Airforce und stammte aus Neuseeland. Seine Mutter wurde in Indien geboren, das damals noch britische Kolonie war. Schon früh begann sich Derek Jarman für das Theater, englische Literatur und Schauspielerei aber auch für Gartenbau und Malerei zu interessieren. Er gewann schon als Schüler zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeiten. Daher bot man ihm bereits 1960 einen Studienplatz an der Slade School of Fine Arts in London an, doch sein Vater bestand darauf, dass er zuerst ein „ordentliches“ Studium abschließen sollte, ehe er ihm das Studium an einer Kunsthochschule finanzieren würde.
Jarman studierte daher von 1960 bis 1963 Englische Literatur, Geschichte und Kunstgeschichte am King's College in London. Er engagierte sich während dieser Zeit in der studentischen Theatergruppe, entwarf Poster und Bühnenbilder und begann sich auch für Architektur zu interessieren.16
Nach Abschluss des ersten Studiums begann er 1963 Malerei und Bühnendesign an der Londoner Slade School of Fine Arts zu studieren.
[...]
1 Apfelthaler, Vera:Drag, Performance und das performative Körpergedächtnis: Zur Frage nach einem Gedächtnis des Körpers in Diane Torrs PerformanceDrag Kings and Subjects. In: Öhlschläger, Claudia und Birgit Wiens (Hrsg.): Körper – Gedächtnis – Schrift. Der Körper als Medium kultureller Erinnerung. Berlin: Schmidt, 1997., S. 237-253. Hier: S. 238.
2 Vgl. Ebd.
3 Vgl. Ebd.
4 Ebd.
5 Vgl. Brandstetter, Gabriele: Geschichte(n) Erzählen im Performance/Theater der neunziger Jahre. In: Fischer-Lichte, Erika (u.a.) (Hrsg.): Transformationen. Theater der neunziger Jahre. Berlin: Theater der Zeit, 1998., S. 27-42. Hier: S. 28.
6 Vgl. Ebd., S. 31 ff.
7 Ebd., S.29.
8 Vgl. Apfelthaler, V., S. 251.
9 Fischer-Lichte, Erika: Auf dem Wege zu einer performativen Kultur. In: Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie. Bd. 7. Berlin: Akademie Verlag, 1998., S. 13-29. Hier: S. 19.
10 Vgl. Ebd., S.14.
11 Der „untitled event“, sozusagen die Ur-Performance, fand 1952 am Black Mountain College statt. Erika Fischer-Lichte beschreibt diese Aufführung ausführlich ab Seite 13 ff.
12 Ebd., S.22.
13 Vgl. "Performance," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001. http://encarta.msn.de © 1997-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. (abgerufen am 27.08.2001).
14 Vgl. Ebd.
15 Vgl. "Happening," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2001. http://encarta.msn.de © 1997-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. (abgerufen am 27.08.2001).
16 Vgl. Wollen, Roger: Chronology. In: Wollen, Roger (Hrsg.): Derek Jarman. A Portrait. London: Thames & Hudson, 1996. S. 161.-171. Hier: S.161.
- Citar trabajo
- Uwe Sperlich (Autor), 2001, Derek Jarmans BLUE - Ein Film als Performance?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14456
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