Einleitung
In den letzten Jahrzehnten ist die Frage nach dem Menschen oder dem “Menschenbild” nicht nur zum bevorzugten Thema verschiedener Wissenschaften geworden, sondern hält sich auch in pädagogischen Diskussionen auf erstaunliche Weise gegenwärtig. Darum scheint es
notwendig, einzelne Wissenschaften wie z.B.: Biologie, Medizin, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Theologie usw. zu befragen, wie sich das anthropologische Problem in ihnen stellt.
In unserer Hausarbeit mit dem Thema: Psychologie in der Anthropologie versuchen wir eine Übersicht zu geben, wie sich das anthropologische Problem in diesem einen Gebiet, also “der
Psychologie”, auswirkt. Wir werden näher auf die Zieldivergenz dieser beiden Bereiche, auf die Ursprünge und Motive anthropologischer Fragestellungen in der Psychologie und zuletzt
auf die möglichen Beiträge der Psychologie zu einer Lehre vom Menschen eingehen. Dabei wird sich zeigen, daß eine jegliche Wissenschaft nur dann einen sinnvollen Beitrag zur
allgemeinen Anthropologie leisten kann, wenn sie andere oder abweichende Ansichten toleriert und einen Pluralismus zuläßt. Am Beispiel der unter sich in dieser Hinsicht recht
zerstrittenen “Teil-wissenschaften” kann man dies sehr gut beobachten.
[...]
I. Einleitung
In den letzten Jahrzehnten ist die Frage nach dem Menschen oder dem “Menschenbild” nicht nur zum bevorzugten Thema verschiedener Wissenschaften geworden, sondern hält sich auch in pädagogischen Diskussionen auf erstaunliche Weise gegenwärtig. Darum scheint es notwendig, einzelne Wissenschaften wie z.B.: Biologie, Medizin, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Theologie usw. zu befragen, wie sich das anthropologische Problem in ihnen
stellt.
In unserer Hausarbeit mit dem Thema: Psychologie in der Anthropologie versuchen wir eine Übersicht zu geben, wie sich das anthropologische Problem in diesem einen Gebiet, also “der Psychologie”, auswirkt. Wir werden näher auf die Zieldivergenz dieser beiden Bereiche, auf die Ursprünge und Motive anthropologischer Fragestellungen in der Psychologie und zuletzt auf die möglichen Beiträge der Psychologie zu einer Lehre vom Menschen eingehen. Dabei wird sich zeigen, daß eine jegliche Wissenschaft nur dann einen sinnvollen Beitrag zur allgemeinen Anthropologie leisten kann, wenn sie andere oder abweichende Ansichten toleriert und einen Pluralismus zuläßt. Am Beispiel der unter sich in dieser Hinsicht recht zerstrittenen “Teil-wissenschaften” kann man dies sehr gut beobachten.
II. Die Divergenz psychologischer und anthropologischer Ziele
In allen Äußerungen jener Autoren, die heute als Begründer der modernen Psychologie gelten, wird als Ziel dieser neuen Wissenschaft - die Beobachtung von seelischen Tatsachen hervorgehoben. Th. Ribot (1839-1916), der Begründer der französischen Psychologie, forderte in seiner Arbeit über “die zeitgenössische englische Psychologie”:
- Trennung der Psychologie von Philosophie
- Dem Beispiel von mathematischen und physischen Wissenschaften folgen
- Verzicht auf Untersuchung der Fragen des Ursprungs, des Wesens und Zwecks der seelischen Erscheinungen
und
- Beschränkung auf ein rein experimentelles Studium der Tatsachen.
Wilh. Wundt (1832-1920) – Begründer des ersten Laboratoriums für Experimentelle Psychologie und damit des Durchbruchs dieser Wissenschaft- nimmt eine Reinigung der psychologischen Begriffssprache von aller “naiven Metaphysik” vor. Der Begriff der “Seele”
als eine Substanz wird aufgehoben, das Feld der Psychologie umfaßt nun die Bewußtseins-erscheinungen, die durch experimentelle Beobachtung zu Tatsachen erklärt werden können. Sie wurde oft als “Psychologie ohne Seele” bezeichnet und ermöglichte einen raschen
Ausbau der Forschung auf dem Gebiet der Wahrnehmungspsychologie, der Psychologie des Lernens, Denkens und Wollens.
James B. Watson (1878-1959) formulierte zu Beginn dieses Jahrhunderts, daß Psychologie sich nicht mehr auf Bewußtsein und seelische Zustände, sondern eher auf Reiz und Reaktion,
Gewohnheitsbildung und Gewohnheitsintegration beziehe.
Die “Tatsachen” nach denen hier die moderne Psychologie ruft, findet man in einer optisch-akustisch oder - neuerdings - elektronisch ablesbaren muskulären Reaktion. Am erfolgreichsten haben sich hier die Experimente mit Ratten, Hunden, Katzen usw. erwiesen. Watson und die ihm folgenden amerikanische Behavioristen stützten sich nicht nur auf die ersten eigenen Erfolge in tierpsychologischen Experimenten, sondern vor allem auf die Entdeckung des “bedingten Reflexes” durch I. P. Pawlow (1849-1936) – also eine Lehre von der “höheren Nerventätigkeit” der Säugetiere. Diese radikale Beschränkung psychologischer Forschung auf das Studium äußerlich wahrnehmbarer Reaktionen stellt auch heute noch die maßgebliche Einstellung der wissenschaftlichen Psychologie zu ihrem Gegenstand dar.
Philosophische Anthropologie stellt den Menschen im Ganzen in seinen Bezügen zur Welt als Gegenstand dar. Der “Mensch im Ganzen” kann ihrer Meinung nach kein “Gegenstand” für die Beobachtung von Tatsachen sein. Denn weder der “Mensch als Ganzer” noch seine “Bezüge zur Welt” noch diese “Welt” sind überschaubar, und eine kontrollierte Beobachtung ist nicht möglich. Als Beispiel wurde Angst genannt, die als wesentliches Merkmal menschlicher Existenz gilt. “Angst” ist zwar im Labor provozierbar oder durch Fragebogen festzustellen, aber “Sich-ängsten vor dem In-der-Welt-sein selbst” ist damit nicht zu erreichen. Völlig kontrollierbar hingegen scheinen Phänomene wie Verzweiflung, Ehrfurcht, tragischer Konflikt, existentielle Entscheidung usw. zu sein.
Somit scheinen die Bemühungen der modernen wissenschaftlichen Psychologie und die der modernen Anthropologie völlig unterschiedlich zu sein.
III. Ursprünge und Motive anthropologischer Fragestellungen in der Psychologie
In Deutschland gibt es einen höheren Anteil von Arbeiten, die mehr oder weniger direkten Bezug zu den Bemühungen der Anthropologie haben. Sie alle sind direkt oder indirekt von Wilhelm Dilthey (1833-1911) beeinflußt, der die Idee einer “verstehenden” Psychologie konzipierte, die sich nicht nur mit der Form des Seelischen, sondern auch mit dem Gehalt befaßt.
Vor dem ersten Weltkrieg stellte W. Stern (1871-1938) das Programm einer “Lehre vom Menschen” auf, die auf seelischen und körperlichen Elementen gegründet worden ist, die voneinander untrennbar sind und eine “Einheit” bilden.
Wesentliche Anstöße zu einer anthropologischen Orientierung der Psychologie haben auch Klages und Scheler gegeben, deren Beiträge zur Psychologie vor allem von Lersch und Rothacker aufgegriffen wurden.
Etwa vor dem zweitem Weltkrieg wurde der Versuch einer “anthropologischer Psychologie” vorgelegt. Im Jahre 1957 findet in Bonn ein Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie statt, wo diese Bemühungen noch einmal zusammengefaßt worden sind. Beschäftigung der wissenschaftliche Psychologie mit anthropologischen Fragen könnte man als eine deutsche Eigentümlichkeit ansehen.
Dem gegenüber stellte die wissenschaftliche Entwicklung der Psychologie in den letzten 80 Jahren fest, daß es noch unerkannte bleibende Menschenbilder gibt und daß, so objektiv die Psychologie auch geworden ist, subjektive Elemente enthalten bleiben sobald man den “Menschen als Ganzes” betrachtet. Lersch hat diese geartete Annahme über den “Menschen im Ganzen” als “implizierte Menschenbilder” bezeichnet (1958). Es ist also vorausgesetzt, daß für den Ablauf des Geschehens gleichgültig ist, in welchen Sinn- und Weltbezügen ein Mensch steht. “Der Mensch” ist ein Symbol für eine spezifische Kombination von Funktionen, die auf bestimmte Schlüsselreize auslösbar sind. Diese Funktionen sind in ihrer Form identisch, egal,ob es sich etwa um die Überwindung eines Widerstandes in einer praktischen Lebenssituation oder um die Überwindung eines Hindernisses bei eine Testlösung handelt. Form und Gehalt des Seelischen fallen danach völlig auseinander.
Tolman hat auf die Notwendigkeit verwiesen, daß die innerseelischen Tatbestände auch für die Erklärung der einfachsten Reiz-Reaktions-Zusammenhänge wichtig sind. Er hält es für not-wendig, auch die grundlegenden Verhaltensgesetzlichkeiten im Tierversuch zu studieren. Die Übertragbarkeit von Befunden beim Tier auf den Menschen werden von ihm mit einer Mischung von Ironie mit fundamentalster Überzeugung kommentiert. Er weist darauf hin, daß obwohl die menschlichen Intelligenzleistungen, Motivationen und emotionalen Zustände von spezifischen Kulturen geformt und gebildet sind, sie unter weit leichteren Bedingungen bei Ratten als beim Menschen zu studieren sind.
Seit den ersten Tagen der Psychologie als selbständige Wissenschaft war in ihr ein Gesetz wirksam, das sogenannte “Prägnanz” - gesetz das von Metzger formuliert wurde. Die gewonnenen Einzeleinsichten drängten nach einer Abrundung und nach Ergänzung der bestehenden Lücken. Krueger und seine Schüler gründeten auf Grund ihrer Befunde, die sie beim Studium optischer Täuschungen, Konsonanz- und Dissonanzphänomene oder bei psychophysischen Untersuchungen erhielten, eine allgemeine Philosophie der Ganzheit, die Mensch, Gesellschaft und Natur in einer Hierarchie gewachsener Strukturen zusammen-schließt. Weiterhin waren die “aktualgenetischen” Untersuchungen Beweis einer zentralen Angelegtheit der Menschennatur auf Gestalt und Sinn, die unter geigneten Bedingungen zur Definition des Erlebens als Gestaltungsdrang, Sinndrang kommt.
Beobachtungen der Berliner “Gestalt” - psychologie zeigten ähnliche Neigungen zu globalen Interpretationen von Einzelbefunden. Das gab Anlaß nicht nur zu der Feststellung, daß in der Wahrnehmungs- und Auffassungstruktur des Menschen eine Prägnanztendenz besteht, sondern auch zu der Unterordnung der Vielfalt menschlicher Strebungsrichtungen unter ein Ziel: nämlich der größtmöglichen Prägnanz.
Zum anderen wurden experimentelle Untersuchungen über “abnorme” Verhaltensweisen von Hunden, Schweinen, Ratten, Katzen und anderen Versuchstieren durchgeführt - sogenannte Expansionstendenzen. Solche Verhaltensweisen traten ein, wenn man die Tiere einem Konflikt oder einem unerträglichen Geräusch bzw. intensiven sensorischen Reizen aussetzte. Es wurden Ängstlichkeit, Essensverweigerung, extrem lang anhaltende Gespanntheit beobachtet. Diese Erscheinungen wurden als “experimentelle Neurose” bezeichnet. Die Befunde drängten hier zur Ausweitung und einer Anwendung für eine Deutung menschlicher Verhaltensweisen.
Anders verhält es sich in den sog. “Entscheidungsexperimenten”, bei denen es um das Problem geht, die größere von zwei fast gleich großen Strecken zu erraten. Solche Untersuchungen haben schon im voraus an Sinn verloren, wenn man einerseits nicht eine allgemeine Verhaltensgesetzlichkeit zu entdecken erwartet hätte oder andererseits sie mit der Folgerung beendete, daß die sichtbare Tendenz bei solchen Untersuchungen generell im menschlichen Verhalten Gültigkeit besäße.
Damit wird deutlich, daß auch die strenge Beschränkung des Psychologen auf Tatsachenforschung das Bemühen um die Herstellung eines Bezuges zum Ganzem nicht ausschließt.
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- Dipl.-Päd. Frank Stula (Autor), 1999, Anthropologie: Psychologische Anthropologie. Eine Einführung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1444